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Somiabtnt, 8 ML» IM« Kursstürze an -er Berliner Börse Vrndtvavlünug ui»»««» Varltv« Leirrtttlaltung Berlin, 7. März. Die im verlause der heutigen Berliner Börsenversammlung durchstckernden Gerüchte von de« Rücktritt Dr. Schachts bewirkte« bereits unmittelbar «ach de« ersten Kurse» empfindliche Kursrückgänge ans alle« Gebieten. Di« amtlich« Bestätigung von Schachts RücktrittSerklärnng hatte gegen vörsenschluß eine ausgesprochene verslanung der führende« Aktien -nr Folge. Die Kursrückgänge erreichten bei einzelne» Papieren ein AnSmaß. da« hier seit Monate« nicht «ehr beobachtet wurde. Die stärksten Verluste verzeichnet«« RelchSbankanteile mit Isk 7>. Siemens mit 11K 7°. Salzdetfurth mit 11k A. Polyphon mit 1VK 7°. Rhei. Nische Braunkohlen mit 10K7° und I. G. Farben-Jndnftrie mit SK W. Anch nach den Schlustknrse» hört« «an weiter rückgeheod« Kurs«. An der Frankfurter Abendbörfe griff nach dem scharfen Kursrückgang der Mittagsbörse wieder eine beruhigtere Aus lassung Plast, so daß sich die am meisten in Mitleidenschaft gezogenen Wert« d bis SK 7> erholen konnten. Go besserten Reichsbaak SKA und Elektrowerte L bis »k ans. Gin Memorandum erwartet Berlin. 7. Mär». iEig. Drahtmeld.s Wie es heißt, beab sichtigt RetchSbankpräsident Dr. Schacht die Gründe, die ihn zu seinem Rücktritt veranlaßt«!,» in einem ausführlichen Memorandum darzulegen. Dieses Memorandum wirb sowohl in politischen als auch in Wtrtschaftskreisen mit größter Spannung erwartet. Im übrigen heißt es, daß der Rücktritt Dr. Schacht«, der der Oefsentltchkeit so überraschend kam, der RctchSregterung von Dr. Schacht selbst schon vor acht Tagen angekünbigt worden sei. RetchSbankpräsident Dr. Schacht soll schon auf der Haager Schlußkonserenz den dort anwesenden Rcichoministern kein Hehl daraus gemacht haben, daß er aus Grund der Entwicklung, die beide Haager Konferenzen ge nommen hatten, sich mit Rücktrittsabsichten trage. Diese Ab sicht seines Rücktritts soll er nun vor einigen Tagen der Ncichsregierung gegenüber in so bestimmter Form wiederholt haben, daß man unbedingt an Ihren Ernst glauben mußte. Der Reichsrcgterung kam jedoch die Verwirklichung dieser Absicht gerade während des Schlußkampses über den Aoung- plan höchst ungelegen. Di« Regierung bot alle« auf, um Dr. Schacht von seiner Absicht, zurückzutreten, wenigstens vorläufig abzuhalteu. Der RetchSbankpräsident Dr. Schacht hat jedoch die Einwände, die von Seiten der Negierung gegen seinen jetzigen Rücktritt geltend gemacht wurden, nicht für so überzeugend auschen können, daß er sich dadurch von seinem einmal gesoßten Ent schlüße hätte abbringen lassen. Erwägungen taktischer Art kamen jedoch für Dr. Schacht, dem der Abschied von dem über sechs Jahre verwalteten Amt gewiß nicht leicht fiel, nicht in Frage. Dr. Schacht sagte sich vor allem, daß ihm die deutsche Oessentltchkcit, wenn er mit seinem Rücktritt, der ja aufs innigste mit dem Aoungplan zusammenhängt, ge wartet hätte bis nach der Annahme des NoungplanS, den Vorwurf gemacht hätte, daß er in einem solchen Falle den Befürworter» des Aoungplans den Weg fretgcgeben hätte, während sein vorheriger Abtritt entschieden aufrüttelnd wir ken mußte. Dr. Schacht hat sich entschieden sür die nochmalige Auf rüttelung der deutschen Gemüter. Ob dazu auch noch Momente innenpolitischer Art kommen, steht im Moment noch dahin. Sicher mutzte der Reichsbankpräsident, der nach wie vor zu seinem bekannten Memorandum steht, der Auffassung sein, daß eine reibungs lose Zusammenarbeit zwischen ihm. der den verfälschten Boungplan aufs energischste befehdet hatte, und der RetchS- regterung, die diesen Plan akzeptierte, sich auf die Dauer als schwer möglich erweisen würde. Man wird auch nicht sehl- gchen in der Annahme, baß der RetchSbankpräsident der Mei nung ist, daß er nach der Rieberkegung seines Amtes, frei von alle« amt lichen Setten, eher in der Lage sein werde, für ein« Ber, bessern«« des Uonugplanes zu kämpfen. Ob Dr. Schacht allerdings die Absicht hat, schon in ber nächsten Zeit eine führende Nolle in der deutschen Politik zu spielen, wird man abwarten müssen. Die Wahl des Nachfolgers Dr. Schachts dürfte, wenn die Haager Gesetze reibungslos verabschiedet werden, schon nach dem neuen Bankgesetz erfolgen. Hiernach hat ber Generalrat ber Reichsbank, der künftig aus zehn deutschen Mitgliedern bestehen wird, den Präsidenten des NeichsbankdirektoriumS zu wählen. Di« Wahl ist durch den Reichspräsidenten zu bestätigen, ber dagegen ein aktives Vetorecht hat. Bestätigt der Reichspräsident die Wahl des Generalrates nicht, so ist ein anderer Bankpräsident zu wählen. Die ReichStagSsraktion der Wirtschaftspaktes hat an Dr. Schacht folgendes Schreiben gerichtet: „Die Reichs- tagSsraktion der Wirtschastöpartct hat mit großer Bestürzung Kenntnis davon genommen, daß Sie von Ihrem Posten zu rücktreten wollen. Angesichts der äußerst bedrohlichen Lage unserer Wirtschaft und unseres Vaterlandes überhaupt, bittet die Fraktion Sie dringend, auf Ihrem Posten zu verbleiben." So sehr dieses Schreiben auch dazu angetan ist, die hohe Wertschätzung zu bekunden, die Dr. Schacht in allen Kreisen ber Wirtschaft genoß, so ist doch nicht damit zu rechnen, baß Dr. Schacht dem in dem Briefe ber Wirtschaftspartet aus gesprochenen Wunsche Nachkommen wirb. Wallstreet KW Ulederkedr Schachts stir mW» Neuqork, 7. März. Soweit man bisher aus amerikanischen Bankkreisen Urteile über den Rücktritt des Reichsbank präsidenten hört wird dort im Interesse Deutschlands der Entschluß Dr. Schachts bedauert. ES wird hinzugefügt, daß man noch vor etwa zwei Jahren Liesen Rücktritt für geradezu bedenklich gehalten hätte. Interessant ist die Ansicht, die man vielfach in Neuporker Bankkreisen hört, man würde nicht überrascht sein, wenn Schacht auf das zu erwartende Drängen der in Betracht kommenden Kreise seinen Posten als RetchSbankpräsident doch noch wieder übernehmen würbe. Schacht Baisse im Reichstag Vrndtmvlcknog anivrer Lerltver Scbrtktlettnvg Berlin, 7. Mär». Die parlamentarische Sensation beS heute offen zulagegetretenen Bruches zwischen dem rechten und linken Flügel der Deutschen Volkspartci wegen der be vorstehenden Abstimmung Uber das Polenabkommen ist sehr bald verrauscht. An ihre Stelle trat die Nachricht von der Ankündigung des Rücktritts Dr. Schachts, die alles andere tm Handumdrehen erschlug. So steht die heutige NachmtttagS- dcbatte tm Zeichen einer ausgesprochenen Schacht-Baisse Der empfindliche Barometer der Börse hat ja bereits reagiert. Daneben vernimmt man nicht ohne Ueberraschung, daß die Reichsbank heute keine Wechsel diskontiert hat. und in Bankkreifen ist ein allgemeines Rätselraten, wie das zu- sammenhängcn könnte. Ist eS ein letztes trutzigev Anfmncken des Diktators aus der Jägerstraße? Ober sieht es in der Kaste der deutschen Banken wirklich io bedenklich aus» ES wird dazu zwar erklärt, in politischen Situationen sei eS schon wieder holt oorgekommen. daß das Wechselportescullle in der ReichS- bank zugemacht wurde. Aber eS herrscht heute ganz allge- gemein in Berlin eine Atmosphäre der Rervosttät und Aufregung, denn der Rücktritt Dr. Schachts wirb ja in ber ganzen inter nationalen Finanzwelt nicht ohne Rückwirkungen bleiben können Man weiß, daß Dr. Schacht nicht gerade stark von der zweiten Haager Konferenz zurtickgekehrt ist. Aber in allen unterrichteten Kreisen rechnet man mit neuen Ueber rasch ungen dieses lehr etaenwilitgen und temperament vollen Kopfe« ES ist eine Ar» grandioser Demonstration, gerade in dem Augenblick den Rücktritt zu erklären, wo die Regierung Müller-Franken mit dem angenommenen Poung-1 plan ziemlich reibungslos durch da« Ziel zu gehen hofft. Schacht hat noch einmal in letzter Stunde durch sein« An- kündig««- eine große Warnung vor diesem verfälschten Avnngpla» in die internationale Finanzwelt hinauSgeschrien. Da« wird ihm das deutsche Volk, auch in den Teilen, die heute im Aoungplantaumel besangen sind, einst danken. Wenn Schacht jetzt seinen Posten verläßt, tritt ein Kämpfer ab, der zwar für die heutigen komplizierten Verhältnisse ein vielleicht nicht genügend politischer Taktiker war, ber aber mannhaft für die Sache focht, für die er jetzt eigenwillig fällt. Daran ändert auch nichts, daß ihm ein Sieg aus der OrganisattonSkonferenz der Bank sür Internationale Zahlungen in Rom nicht beschteden gewesen war. Die Opposition gegen eine Besetzung dieses einflußreichen Postens bet der neuen Bank in Basel mit einem Franzosen blieb mit 4: S Stimmen in der Minderheit gegen über den französischen Intrigen. Immerhin hat Reichs- sinanzminister Dr. Moldenhauer, der heute nochmals zum Pvungplan im Reichstag das Wort ergriff, nicht umhin gekonnt, vor Dr. Schacht den Degen zu senken. Er bestritt energisch, daß die RetchSregterung Schacht Schwierigkeiten gemacht habe. Er erklärte, e» sei keinerlei Druck auf ihn auSgettbt worden. Ob da» nun in allen Einzelheiten stimmt, ist mehr als fraglich. Nur s» viel wird sestzuhalten sein, daß die Unabhängig keit der Reichsbank, wenn eS nach Dr. Moldenhaner geht, nicht angetastet «erde« soll. Zwischen Schachts Rücktritt. BSrsenberoute und Krisen- angst, die angesichts der für morgen vormittag bevorstehenden Partetführerbesprechung beim Reichskanzler wieder große Wellen schlägt, steuert da« RetchStagvschtff einen wilden Zickzackkur». Die Atmosphäre ist mit Spannungen geladen. Wann kommt der, der sie bereinigt? Letzte Warnung Wohl kein politisches Ereignis der letzten Zeit ist über raschender und plötzlicher gekommen, als die sensationelle Er klärung des Reichobankpräsidenten Dr. Schacht, er beabsichtige von seinem Posten zurückzutreten, weil er es angesichts des Verlaufes der zweiten Haager Konferenz und der Ab- fassung beS Haager Schlußprotokolls nicht verantworten könne, weiterhin die Leitung des deutschen Zentralnoten- tnstitutS innczuhaben. Gewiß waren die schweren Differen zen zwischen der Ncichsregierung und Dr. Schacht, die sich au» seiner Sachverständigentättgkeit in Parts bis zu ber aufsehen- erregenden Erklärung auf der zweiten Haager Konferenz ergaben, sowie bas diktatorische Eingreifen in die hoffnungs lose Defizttwtrtschaft Htlserbings Grund genug, so viel Zündstoff anzuhäusen, daß eine Explosion zu befürchten stand. Aber im gegenwärtigen Augenblick konnte man wohl an- nehmen, daß eine Verständigung zwischen Schacht und der Negierung wieder hergestellt sei. Das um so mehr, als sich der RetchSbankpräsident ja bereits wieder in de» loyalen Dienst ber Regierung gestellt hatte. ES schien so. al» habe er sich, wie in Parts, so auch jetzt nach der Haager Konferenz, mit den unerfüllbaren Tributforderungen unserer Gegner abgefunden. Seine eifrige Mitarbeit an der Tributbank während der letzten Tage in Nom mußte diese Ansicht ver stärken. Jetzt allerdings sehen wir. daß das ein Irrtum war. Dr. Schacht hat sich wiederum, wie so häufig t« der letzten Zeit, als ein Mann der Ueberraschung«« gezeigt. Zweifellos ist der RetchSbankpräsident kein Politiker, der klug und auf lange Sicht seine Maßnahmen trifft und das eigene Temperament tm Interest« feiner Aktionen ,u zügeln versteht. Alle leine Handlungen tragen den Charakter des Eruptiven. Er ist ein Vulkan, von dem man nie weiß, wann er explodiert. Deshalb waren auch alle seine Vorstöße zwar von überraschender, aber nicht von nachhaltender Wir kung. zumal er nach jähen TemperamentSausbrttchen seinen Gegnern immer wieder Zeit und Gelegenheit ließ, ihre Gegenminen zu legen. Nie hat er die geschaffene Situation voll und ganz ausgenützt, sondern sich leider stet» mit Som- promtsten abgefunden. Wenn Dr. Schacht seinen Rücktritt jetzt damit begründet, er könne den verschlechterten Tribut- plan nicht mit verantworten, so darf man sicher annehmen, daß er damit in letzter Stunde kurz vor der endgültigen An- nähme ber Tributgesetze im Reichstag einen starke« Appell an die MehrhettSparteten richten wollte. Diesen Appell kann man aber nur als eine Warnung zur Umkehr, eh« e» »« spät ist, auffasten. Schacht bringt diesem Versuch, die Parteien aufzurütteln, getrieben von seinem nationalen Gewissen, seine einflußreiche Stellung zum Opfer. Das ist gewiß eine große patriotische Tat. Aber leider, leider muh man bezweifeln, daß sich die Parteien, die sich bereit» in zwei Lesungen auf den Tributplan festgelegt haben, sich durch das Notsignal Schachts umstimmen lasten. Ganz im Gegenteill Bei seiner erbitte» tcn Gegnerin, ber Sozialdemokratie, wird sein von ihr sa schon lange stürmisch geforderter Rücktritt nur Freude au»- lösen. Und auch bei den Demokraten und im Zentrum wird zum mindesten etwas wie eine verborgene Genugtuung darüber aufketmen, baß man den unbequemen Mahner end- ltch los wird. Wenn Schacht glaubt das Opfer seine» Rück tritts bringen zu müssen, um den nationalen Widerstands- willen unseres Volkes gegen Unmögliches zu erwecken, dann war der Zeitpunkt leider falsch gewählt. Schacht bringt ein nutzloses Opfer. Der richtige Augenblick wäre die zweite Haager Konferenz gewesen. Dort hätte ber Eindruck seines Rücktrittes zweifellos manches ändern können. Jetzt muß er in der müden, resignierten Erfüllungsatmosphäre de« Reichs- tags wirkungslos verpuffen. Wie diese letzte, so tragen alle Handlungen Schachts den Stempel des Unausgegliche nen. Erinnern wir uns der schicksalsschweren Tage von Paris, in denen Schacht die Höchstgrenze der deutschen Lei- stungsfähigkett auf 1.6 Milliarden bezifferte und diese» An gebot ausdrücklich als sein letztes Wort bezeichnet«. Schon da mals ließ er sich durch den Lärm der Gegner und durch de» Befehl der Berliner Regierung dazu bewegen, wetterzuver- hanbeln. obwohl die endliche Pariser Einigung weit über sein äußerstes Angebot hinausgtng und keine wirtschaftliche, son dern eine politische Regelung zur Folge hatte. Dr. Vüg- ler trat damals zurück. Schacht jedoch blieb. Er handelt« nicht mehr als Sachverständiger, er handelte nur noch al» Poli tiker. Schon nach Paris mußte er in seiner bemerkenswerten Münchener Rebe das Eingeständnis machen: „Wir haben wenig, zu wenig erreicht." Zum zweiten Male trat Schacht hervor, als er nach ber ersten Haager Konferenz in jenem be rühmten Memorandum vom ». Dezember die Berank- wortlichkett für den im Haag verschlechterten Uoungplan ab- lehnte und wenige Tage darauf Negierung und Reichstag zur Kastensanierung nötigte. Als damals der RetchSbank- präsident den völlig gelähmten Parlamentarismus und die Regierung binnen 24 Stunden zum Handeln zwang, wäre seine Stunde gekommen gewesen, die SanterungSaktion unter staatSmänntschen Gesichtspunkten zu einer Widerstandsbewe gung de» ganzen Volkes gegen die Sterilität unserer Außen- und Innenpolitik auszubauen. Aber wie in Part» hat Schacht nach dem ersten Schritt auf den zweiten verzichtet «nd f» namentlich der Sozialdemokratie Zeit gegeben, fi» von ihr«