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Abonnementspreis pro Vierteljahr 1 Mark frei in's Haus, durch die Post bezogen 1 Mark 25 Pf. Bei Abholung aus der Expedition 90 Pf. pränumerando. Inserate werden pro Spalt zeile mit 7 Pf. für Abonnenten, mit 10 Pf. für Nichtabonnenten berechnet. Bei mehrmaliger Be stellung Rabatt bis zu 33'/» Procent. Ergebenst Exp d. „Waldenburger Anzeiger." Denk' an die Zukunft. Wenn wir mit der Sorge um die Erhaltung unseres jungen deutschen Reiches, wenn wir mit der Bekämpfung der auf Zertrümmerung dieses Staate wesens gerichteten Bestrebungen vollauf beschäftigt sind, so dürfen wir doch dabei der weisen Vorschrift nicht vergessen, der Zuknnst zu gedenken; und da drängt sich vor Allem die Frage auf: In wessen Hände legen wir das Schicksal des Deutschen Reiches? Der Jugend gehört die Zukunft. Unserer künftigen Generation müssen wir den weiteren Ausbau und die festere Gestaltung des Reiches als Erbschaft hinterlassen und an uns liegt es, daß sie hierzu den moralischen Werth habe, daß Ftinllttlni. Die Engelsstimme. Erzählung von Kans ZSachenhusen. (Fortsetzung.) Damit trat er zum Hause hinaus, um gegen über in dem andern Amtsgebäude seine Meldung zu machen und danach das Freie zu suchen. Die Träume seiner Jugend waren in ihm wieder auf gelebt. Auch er hatte als junger Beamter min destens die Stellring eines Ministerialrathes zu erreichen gehofft, und doch erst vor wenigen Jah ren die eines untersten Rathes gewonnen. Ging Alles gut, so konnte ihm durch allerhöchste Gnade bei seinem fünfzigjährigen Dienstjubiläum der Titel eines „Geheimen" verliehen werden, aber bis dahin waren noch zehn lange Jahre, und sein Rücken war schon gekrümmt, seine Kraft war erlahmt, sein Ehrgeiz in langer Unterwürfigkeit unter einem strengen Reffort-Chef gebrochen. Das dürre alte Holz trieb bei Vorfällen wie dem heutigen wohl noch einmal grüne Schößlinge durch die trockne graue Rinde, aber die Krone entlaubte sich immer mehr und das Herz war ausgedörrt in Kummer und Sorgen. Eine neue Last war jetzt auch wieder auf seine Schulter Dilistag, S. Juli in ihr Bildung und Gesittung, Recht und Ge rechtigkeit, Eintracht und Frieden nach innen lind außen feste Wurzeln fassen und zu unerschütter lichen Pfeilern und mächtigen Stützen des großen geeinten Deutschlands sich gestalten. Nur dann wird das deutsche Volk in seiner Größe und sei nem Ansehen gesichert sein, wenn unsere Jugend diese Bedingungen zu erfüllen im Stande, wenn sie in Selbstbeherrschung und strengem Pflicht gefühl erzogen worden ist. Im andern Falle würde bald und mit eiserner Consequenz das Schicksal der berühmten und einst in Herrlichkeit und Macht blühenden Völker des Alterthums auch über das deutsche Volk Hereinbrechen und Tod und Vernichtung mit sich bringen. Ist nun bei Erziehung des künftigen Geschlechts diese Aufgabe immer im Auge behalten worden? Es genügt nicht, daß das Kind mit einem großen Schatz von Wissen ausgerüstet wird, daß der Verstand geweckt und die Auffassungsgabe gestärkt wird, viel wichtiger ist es, die Kinder zu guten Menschen zu erziehen und dazu gehört vor Allem, daß sie Bescheidenheit und Gehorsam, daß sie ihre Wünsche und Ansprüche beherrschen lernen, daß ihnen die Erkenntniß ihrer künftigen Pflichten beigebracht wird. Das väterliche Trach ten muß darauf gerichtet sein, daß der Sohn ein höheres, edleres Streben zeige, vaß er bemüht sei, sich geistig und sittlich zu vervollkommnen durch Lesen guter Schriften, daß er in jeder Be ziehung ein tugendhaftes und sittliches Betragen an den Tag lege. Das ist die hochwichtige und bedeutsame Aufgabe der Eltern und Erzieher im Hause. Leider wird hiergegen in unserer Zeit gar viel gesündigt. Theils wird in der Sucht und dem Streben nach materiellem Reichthum dos geistige Wohl der Kinder vernachlässigt, theils fehlt es an der Fähigkeit und dem Verständniß, eine rich tige Erziehung zu leiten, theils sind Vater und Mutter durch ihre Beschäftigung außer dem Hause gefallen. Seine Tochter Elsbeth war seit dem fünf zehnten Jahr einer außerhalb, in einer Hafenstadt wohnenden Tante übergeben; der Roth hatte also der Ausbildung seines Sohnes Alles zuwenden können, was er zu erübrigen vermocht, und die Studien desselben verlangten Depensen, die schon fast über seine Kräfte gingen. Jetzt war die Tante gestorben, ohne etwas zu hinterlassen, die Tochter war vor wenigen Tagen zurückgekehrt, und diese Tochter war in ihrer Toilette verwöhnt durch die Freigebigkeit der Tante. Sie mar in seidenen Roben eingetroffen, und das war an sich kein Unglück, aber nach ihren Reden betrachtete sie diese glänzende Toilette wie etwas Selbstverständliches, ihr Unentbehrliches. Sie hatte gleich in den ersten Tagen von An schaffungen gesprochen, die durch die Kränklichkeit der Tante unterblieben, aber nicht mehr hinaus zuschieben waren, und der arme Rath, oer bis her so glücklich gewesen, für die Toilette einer erwachsenen „standesgemäß" erzogenen Tochter nicht sorgen zu brauchen, hatte gleich bei deren Rückkehr einen Einblick in kostspielige Nothwen digkeiten gethan, vor denen sich sein spärliches Haupthaar sträubte. „Alle die goldenen Berge, von denen Botmer träumt, würden dazu gehören, um zu bestreiten, was sie für unentbehrlich zu halten scheint, und ich bin doch nur ein armer Rath mit fünfzehn 1878. verhindert, die nöthige Aufsicht über die Kinder auszuüben. Daraus resultirt die in erschrecken dem Maße zunehmende Rohheit und Ungezogen heit, der wir bei unserer Jugend so oft begegnen. Zum Andern macht sich die fehlerhafte Er ziehung namentlich bei unserer Heranwachsenden weiblichen Jugend geltend. Da nennt man es eine gute Erziehung, wenn die zukünftige Haus frau nothdürftig auf dem Klaviere spielen und vielleicht einige Sätze Französisch parliren kann, wenn sie versteht, sich nach der neuesten Mode zu kleiden und als Zierpuppe in der Welt her umzulaufen, aber an die eigentliche Bestimmung des Weibes, eine verständige Stütze des Mannes, die Erhalten» des Hauses und die Erzieherin der Kinder zu sein, wird in den wenigsten Fällen gedacht. Und doch sollte hierauf das größte Ge wicht gelegt werden. Als Mutter übt sie den ersten und stärksten Einfluß auf ihre Kinder aus, und bedeutende Männer aller Zeiten verdanken ihre Größe hauptsächlich ihren Müttern. Woher sollen diese aber Kraft, Fähigkeit und Geschick nehmen, Andere zu erziehen, wenn sie selbst un erzogen geblieben sind? Um unserer Existenz, um des Bestehens und Gedeihens unseres Gewerbes, unserer Industrie und unserer Landwirthschaft willen verlangen wir Remedur unserer Gesetzgebung; — um des zukünftigen Bestehens unseres jungen deutschen Reiches willen müssen wir auch Remedur in der Erziehung unserer Kinder anstreben! Politische Rundschau. Waldenburg, 8. Juli 1878. Die armenische Frage, die als Schreckens kind aus all den Congreßverhandlungen ungelöst übrig geblieben war, scheint in der letzten Sitzung am Sonnabend ebenfalls ein erhebliches Stück ihrer Lösung entgegengegangen zu sein. England setzte der Abtretung Batums an Rußland den hundert Thalern Einkommen, von dem der Staat noch seine Steuer erhebt!" dachte er keuchend, als ihm zu Hause Elsbeth entgegen trat, die freudig überrascht war, den Vater so früh vom Bureau kommen zu sehen, und leichtfüßig auf ihn zusprang, um ihn zu umarmen. II. Rath Marbach fühlte im ersten Momente einen leisen Vorwurf seines Ingrimms über die Toi lette; er sah wohl an dem schönen Kinde, wie un erläßlich dieselbe allerdings für die Jugend; aber ein Blick im Zimmer umher überzeugte ihn doch wieder, daß Maßhalten und Rücksicht auf die Ver hältnisse sich wohl damit vereinigen lasse. Elsbeth, eine lichte, jugendfrische Gestalt, von jenem rosigen Zauber umflossen, den ein glück liches Alter von achtzehn Jahren verleiht, hatte keine Ahnung von dem, was in dem Vater vor ging; sie sah nicht den mißmuthigen Blick, den er über all den Flitterkram von Seide, Tüll, Mull, Bändern, Rüchen u.s.w. gleiten ließ, mit welchem Sopha, Tisch und Stühle bedeckt waren und hinter dem das gelbe, faltenreiche Gesicht der Mutter so neutral hervorschaute. Sie war ein Kind dieser Welt, die brünette Els beth mit dem launig gelockten dunklen Haar, das ihr so muthwillig um die Schläfen spielte und durch ein rothes Band im Nacken gebändigt war;