Volltext Seite (XML)
WScbmüich -rscheinen drei Nummern. Pränumeration«.Preis 22z Sildergs. ls Tdir.) otincljäbrltch, Z Tdir. sür da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Tdeilen ter Preußische» Monarchie. Magazin für die Pränumerationen trerden von teter Buchhandlung (in Berlin bei Bei» u. Comp., Iägerftraße Nr. 28), so wie von allen Ainigl. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. Berlin, Sonnabend den 24. Juli 1847 England. Orientalische Touristen in Europa. Eine „alle Welt beleckende Kultur" hat nachgerade die europäischen Na tionen einander so ähnlich gemacht, sie sind durch die letzten dreihundert Jahre ihrer Geschichte in so stete, so vielfache Verbindungen mit einander gerathen, die Communicationsmittel sind so mannigfaltig zwischen ihnen und werden so häufig benutzt, die kleinen noch bestehenden Verschiedenheiten von Volk zu Volk find daher wenigstens so wohlbekannt, daß ein heutiger europäischer Reisender, so lange er Europa nicht verläßt, in der Fremde kaum etwas findet, was ihn befremdet, und ihm nichts leichter wird, als die Befolgung der Horazischcn Regel: nichts zu bewundern. Zwar möchte Lichtcnberg's Ausspruch, daß man hundertmal gelesene Bücher deshalb immer von neuem wieder lesen müsse, weil, wen» nicht das Objekt, doch das Subjekt sich ändere, um so mehr auf das Reisen und Neisebeschrciben anwendbar scheinen, als bei dem Reisen fich beides ändert: sowohl das Objekt — das bereiste Land, als das Subjekt — der Reisende. Allein die allmäligen Veränderungen des Objektes, die es in nahe liegenden Zeiträumen fast ungcändert erscheinen lassen, erfordern, wenn sie gesehen werden sollen, ein sehr feines Auge, wie es nicht jeder Reisende mit bringt. Was aber das Subjekt angcht, so ist es in der That nur schein bar ein anderes; es ist der europäische Durchschnittsmensch, der in Tausenden von Exemplaren seine große oder kleine Tour, seine Wettfahrten oder seine Spaziergänge macht, mit denselben Ansichten die Heimat verläßt, mit den. selben Eindrücken zu ihr zurückkehrt und uns, wenn er endlich niederschreibt, was er gesehen, wenig Neues mitzutheilcn hat. Vielleicht war es das Gefühl dieses Verhältnisses, was schon Montesquieu — als er die politischen, gesellschaftlichen und religiösen Zustände des Frank reichs seiner Zeit einer Kritik unterwerfen wollte — bestimmte, diese Kritik einem reisenden Perser in den Mund zu legen. In der That liegt ein großer Theil des Reizes, welchen die „teures persanen" noch heute jedem empfäng lichen Leser gewähren, darin, daß ein hundertmal gelesenes Buch wirklich einmal in die Hände eines ganz neuen LeserS fällt, und daß dieser Leser uns seine Randglossen nicht vorcnthält. Wie wenig sich Montesquieu verrechnet, welche große Wirkung die Kritik des OccidentS durch den Orient, des Fran- zosen durch den Perser, gcthan hatte, das beweisen die zahlreichen Nach ahmungen, die den persischen Briefen folgten, der k»pio» curo, des Marquis d'Argens chinesische, jüdische u. s. w. Briefe. Der Fall, welchen Montesquieu nur an nahm, um seiner Satire einen Rahmen zu geben, hat sich aber in neuester Zeit wirklich ereignet; echte Perser, wirkliche Orientalen, haben die Reise-Eindrücke, die ihnen auf ihrer Tour nach Europa geworden, zu Papier gebracht und drucken lassen. Wir mögen uns in dem Spiegel, welchen sie uns vorhalten, beschauen. ES ist freilich nur England, welches diese Reisenden uns schildern, allein was sie, als Orientalen, dort gesehen haben, ist nicht sowohl England, als Europa im Allgemeinen, in seinem Gegensatz zum Orient. Wie im Orient alle Europäer Franken sind, so sieht auch in England der Orientale nur Europäer; die unterscheidenden Züge, die den Europäer des einen Landes gegen den anderen abstechen, kontrastircn lassen, entgehen ihm. Indessen müssen wir zugeben, daß er nirgend wo anders in Europa dasselbe so gut kennen lernen kann, als eben in England: Alles, was er in Europa zu be greifen und zu bewundern vermag, zeigt ihm England, und zwar im größten Maßstabe. England besitzt vor allen anderen Staaten dasjenige, was aus die Einbildungskraft des Barbaren den mächtigsten Eindruck hervorbringen muß, es breitet vor seinen Augen alle Wunder der Industrie und einen fabel haften Reichthum aus. ES find drei ganz unterschiedene Nüancen der im Orient bestehenden Ge- sellschaft, welche durch die originellen Touristen, die wir unseren Lesern ver führen wollen, repräsentirt werden. Die ersten unter ihnen, ihrem Range, der Zeit ihrer Reise und dem Interesse ihres Reiseberichtes nach, find drei persische Prinzen, die Vettern Mohamed Schach's, des gegenwärtigen Be herrschers von Persien. Ihr Vater machte Mohamed de» Thron streitig und hatte eS, überwunden und gefangen, nur der besonderen Gnade des Siegers zu verdanken, daß er nicht auch geblendet ward, wie das sonst Sitte in der Familie ist, und daß er in seinem Kerker eines natürlichen Todes sterben durfte. Sobald er sich i„ per Gewalt seines Gegners sah, ließ er seinen Söhnen sagen, fie möchten jeden Gedanken, ihn mit Gewalt zu befreien, auf geben; es könne das seinen erhabenen Neffen nur reizen und möchte seiner königlichen Großmuth ein Ende machen; sie sollten lieber in London die all mächtige Hülfe der Engländer in Anspruch nehmen. Die Prinzen haben diese Weisung kaum empfangen, so schwingen sie fich zu Pferde, sprengen mit ver hängtem Zügel über Berg und Thal dahin und kommen halb tovt vor Hunger und Ermattung in Beirut an, wo sie das „Feuerschiff" besteigen, das sie in ungemeffene Fernen tragen soll. Der älteste der Prinzen, Riza Kuli, dreißig Jahr alt, ist der eigentliche Staatsmann der Familie ; er regierte, während sein Vater auf dem Throne saß, die Provinz Fars. Seine beiden Brüder zeigen ihm bei jedem Anlaß die größte Ergebenheit und Achtung. Der zweite, Najas Kuli, der Verfasser der Reisebeschreibung"), ist der Sohn einer geor gischen Sklavin und der gebildetste unter den Brüdern. Außerordentlich be wandert in der persischen und arabischen Literatur, versteht er es, Verse zu machen, denen es nicht an Bewunderern fehlt, und galt am Hofe seines Va ters für ein wahres Wunder von Gelehrsamkeit. Sein religiöser, zur AScese geneigter Charakter ließ ihn zuweilen ganz das Wesen eines Derwisches an- nehmen, welches ihn jedoch nicht verhinderte, an witziger Unterhaltung Ge fallen zu finden und, dem Koran zum Trotz, den Wein zu lieben. Er war ein Freund einsamer Spaziergänge, auf denen er sich seinen dichterischen Träumen überließ; allein dieser sanfte Sohn Georgiens, dieser schwermüthige Lustwandler konnte eben so gut die Leichen seiner Feinde verstümmeln und seinem Vater einen ganzen Sack voll von ihren Fingern zukommen lassen. Timur, der dritte Bruder, ist fünf oder sechs Jahr jünger als der älteste und stammt von derselben Mutter. Er hat ein offenes, vertraueneinflößendeS Ge- sicht. Minder gelehrt, als sein vielwissender Bruder Najaf, ist er dafür ein um so trefflicherer Krieger, Reiter und Jäger. Schon in einem Alter von siebzehn Jahren erlegte er einen Löwen. Dies find die drei Reisenden, die fich am 22. April >8)« auf dem Dampfschiff „der Afrikaner" in Beirut ein- schifften. Zwei Jahre später, am 22. März I8Z8, verließ das englische Schiff „der Buckinghamshire" den Hasen von Bombay. Unter anderen Reisenden führte es aus seinem Verdeck zwei junge Leute mit fich, von denen der eine der Sohn, der andere der Neffe des Ober-Schiffbaumeisters jener Stadt war. Sie gehörten beide der Sekte der Parfis oder Feueranbeter an, die, von Zoroaster gestiftet, Perficn bei der Invasion des Muhammedanismus meiden mußte und in Indien, besonders in Guzarat, eine Zufluchtstätte fand. Die Engländer haben in ganz Hindostan keine treuere Unterthanen, als die Mit glieder dieser Sekte. Seit mehr als einem Jahrhundert vererbte fich in der Familie unserer beiden jungen Leute die Leitung des Marine-Arsenals von Bombay, und fie baute die trefflichsten Segelschiffe jeder Größe. Da muß eines Tages EuropenS unruhiger Genius den phlegmatischen Kastengeist aus seinen alten Gewohnheiten anfschrecken und die besten Familien-Ueberlieferun- gen unnütz machen. Die reißenden Fortschritte ver Dampfschifffahrt, die fich nicht mehr aus Flußreisen und Cabotage beschränkt, kommen dem Ober-Schiff- baumeister zu Ohren ; er hört, daß nächstens Dampfböte ungeheuren Tonnen- gehaltS den Atlantischen Ocean durchfliegen, daß im Kriege Dampfschiffe zur Anwendung kommen werden. Seine Freunde bedeuten ihm, daß eine neue Aera beginne, und daß es unerläßlich sey, die unbekannte Kraft, welche diese neue Aera mit ihren Wirkungen erfüllen werde, zu studiren. Er entschließt sich, seine beiden jungen fleißigen Zöglinge, die ihn aller Wahrscheinlichkeit nach einst ersetzen werden, nach Europa zu senden. Noroji und Meruangi reisen also ab, nicht sowohl um England, als um dessen Schiffswerften in Augenschein zu nehmen. Allein wie sehr fie sich immer den Studien, die ihr Beruf erheischt, hingeben, so können sie fich doch Beobachtungen anderer Art nicht gänzlich entziehen, und sie schreiben diese, wie jene, die mehr in ihr Fach einschlagen, nieder. °°) Der letzte unserer orientalischen Touristen, dessen Heimat Kaschmir, ist ein junger, schöner Mann, der fich von der hohen englischen Gesellschaft einer besonders wohlwollenden Aufnahme zu erfreuen hat. Mohan-Lal — so heißt er — ist Ritter des persischen Löwen- und Sonnen-Ordens, und er kam nicht etwa nach Europa, um eine unmögliche Restauration zu betreiben oder um *) Sie erschien unter dem Titel: ^ouruüt ok s reiiüeuce in Luxlanä ok Lbeir rozkal t»ir;l'ne«8e« kera kolee ^leerr», Kvlee Lleerza, sn6 In^inoor Ueerr«, ok Hersis, orixiuattzt dritten in pvrsisu, dy ll K. U. dlsM Lol-e kleerrs, nuä ") Die Reisebeschreibung der beiden Brüder erschien unter dem Titel: Journal ok » Hesiüenos ok ^esrs unü n ünit in 6reat krltsiu, b)k Jebsnxer dlonro^ee snü ÜiHeebbox klerwav^ee, ok Loinkaz', uavsl nreintect».