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Wchmtz-Ikitms Amtsblatt Verantwortlicher Redacteur: Deut Jehnc in Dippoldiswalde, 56. Jahrgang Sonnabmd, den 17. Mai 1890 Nr. 58 Die Kolsnjalpolititr im neuen Reichstage. Die spannungsvolle Frage, wie sich das neu gewählte deutsche Parlament zu den verschiedenen großen Problemen der Reichspolitik stellen würde, hat nach der kolonialpolitischen Seite der letzteren hin mit den am Montag und Dienstag stattgesundenen Ver handlungen des Reichstages über den auf Ost-Afrika bezüglichen Nachtragsetat zum ersten Male eine Be- antwortüng erfahren. Die Berathungen hierüber haben die erfreuliche Tha.sache hervortreten lasten, daß auch im neuen Reichstage eine entschiedene Mehrheit zur maßvollen Förverung der deutschen Kolonialpolitik vorhanden ist, speziell was die deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiete anbelangt, und es darf somit die be stimmte Erwartung ausgesprochen werden, daß die Reichsregierung bei verständiger und vorsichtig er wägender Behandlung der Kolonialpolitik auch ferner hin die Unterstützung der Volksvertretung erhalten wird. Was nun die Verhandlungen des Reichstages selbst anbelangt, deren Schwerpunkt offenbar in der Montagssitzung lag, so wurden dieselben seitens des Staatssekretärs v. Marschall mit einer Erläuterung und Begründung der bekannten Forderungen des Nachtragsetats eingeleitet, wobei der Staatssekretär eine befriedigende Schilderung der gegenwärtigen Lage in Deutsch-Ostafrika sulflocht und schließlich hervor hob, daß die deutsche Regierung nach wie vor ent schlossen sei, in kolonialpolitischer Beziehung Hand in Hand mit der englischen Regierung zu gehen. Als erster Redner aus dem Hause sprach der freisinnige Abg. vr. Bamberger, welcher erklärte, daß seine Partei zwar nicht abgesagte Gegnerin jeder Kolonialpolitik sei, wohl aber der in Ost-Afrika verfolgten. Herr Bamberger entwickelte nun die überwiegend allerdings schon bekannten Gründe, welche die freisinnige Partei bestimmen, im Allgemeinen eine ablehnende Stellung gegenüber der Kolonialpolitik einzunehmen, hierbei be tonend, daß sie sich vom wirthschafllichen Standpunkte aus nicht rechtfertige, zu Konflikten mit anderen Staaten führe und Deutschland militärisch schwäche. Die ziemlich pessimistisch gefärbten Ausführungen Bam bergers klangen in dem Wunsche aus, die Regierung möge zusehen, daß sie mit guter Manier aus den ost afrikanischen Händeln herauskomme und Ost-Afrika wieder der ostafrikanischen Gesellschaft überlasten. Nun mehr ergriff der Reichskanzler v. Caprivi das Wort, um in klarer und präziser Weise die Anschauungen und Absichten der Regierung bezüglich der weiteren Entwickelung der Kolonialpolitik darzulegen und ge staltete sich hierdurch seine Rede zum Mittelpunkt der gesammten Verhandlungen. Der Reichskanzler betonte, daß sich eine derartige Politik nur so lange durch führen laste, als sie vom Willen und Empfinden der Nation wie des Reichstages getragen werde. Offen sprach dann Herr von Caprivi aus, daß er früher Bedenken gegen die Einführung der Kolonialpolitik gehegt, daß er jedoch jetzt zu der Ueberzeugung gelangt sei, Deutschland könne ohne Verlust an Geld und Ehre weder von der Sache zurücktreten, noch auf dem jetzigen Standtpunkte verharren, es müsse also vor wärts gehen. Wie viele Millionen dies noch in An spruch nehmen werde, vermöge er zwar nicht zu sagen, doch werde Deutschland nur, so weit es mit seiner Ehre und seinen Interessen vereinbar sei, in seinen kolonialpolitischen Bestrebungen vorwärts gehen. Weiter äußerte der Kanzler seine Zuversicht, daß die deutschen Kolonien noch günstige finanzielle Erträge liefern wür den und erklärte er am Schluffe seiner Rede, er werde keineswegs große Summen und zahlreiches Menschen material opfern, nur damit Deutschland den Luxus einer Machtstellung in Ost-Afrika treiben könne, die Kolonialpolitik würde vielmehr unter Sicherung der allgemeinen Politik Deutschlands und Schonung des berechtigten Aufschwunges deutschen Nationalgefühles sortgeführt werden. Im ferneren Verlaufe der Mon tagssitzung sprach sich nur der Redner der Sozialdemo kraten, von Vollmar, bestimmt gegen die Kolontat- volitik aus: die Redner der Konservativen sicherten auch die weitere Unterstützung der Kolonialpol,tlk durch die konservativen Parteien zu und Namens des Cen trums lieb Abg. vr. Windthorst durchblicken, daß seine Partei mit Rücksicht auf die Bekämpfung der Sklaverei die deutsche Kolonialpolitik in Afrika eben- falls unterstützen werde. Die Reichsregierung kann demnach auf die Hilfe des Centrums bei ihren kolomal- politischen Unternehmungen in allerdings nur bedingter Weise zählen und es steht somit schon jetzt fest, daß auch der neue Reichstag in seiner Mehrheit der Ko.o- nialpolitik keineswegs ablehnend gegenüberstehen wird. Am Dienstag sprachen noch' die Redner der übrigen Parteien, worauf der Nachtragsctat an die Budget kommission überwiesen wurde. Lokales und Sächstsches. Dippoldiswalde. Das in unserer letzten Nummer mitgetheilte Gerücht, es werde vom l. Juni die Fahr zeit auf unserer Bahnstrecke für manche Züge eine kürzere als bisher sein, findet erfreulicher Weise seine Bestätigung. — Einer unserer nächsten Nummern, jedenfalls aber noch vor dem 1. Juni, werden wir den Taschenfahrplan auf dünnem Papier gedruckt, unserm Blatte beilegen. — Am gestrigen Himmelfahrtstage waren auf unserer Bahn zum ersten Male neue Personen wagen in Betrieb, die etwas breiter als die bis herigen sind und ebenfalls einen Gang in der Mitte haben, die Passagiere kehren den Fenstern aber nicht mehr den Rücken zu, sondern haben dieselben zur Seite. — Auch die Schützengesellschast, der Männergesang verein und der Turnverein unserer Stadt haben die broncene Erinnerungs-Medaille an das vorjährige Wettinfest erhalten. — Wie erst jetzt zu unserer Kenntniß gelangt ist, sind in voriger Woche auf der Straße in Ulberndorf zwei Radfahrer aus Niederbobritzsch von schwerem Un fall betroffen worden, indem, wahrscheinlich durch zu schnelles Fahren veranlaßt, das eine Gefährt in das andere fuhr, wodurch beide Fahrer zum Sturz ge kommen sind und sich Verletzungen ernster Natur zu gezogen haben. Der eine Verunglückte mußte mittels Geschirr nach Rabenau gebracht werden, von wo aus ihn ein dortiger Freund in die Heimath beförderte. Dort ist derselbe seinen Verletzungen erlegen und dieser Tage beerdigt worden. Eine Wittwe mit 6 unerzogenen Kindern betrauern den so jähen Heimgang des Unglück lichen. Der Zustand des anderen Radfahrers soll be friedigend sein. — In der Zeitschrift „Natur" wird jetzt die Auf merksamkeit auf den Umstand gelenkt, daß das Ver halten der Bienen das Herannahen eines Gewitters mit größter Sicherheit verkünde. Schon stundenlang vor einem Gewitter, selbst wenn sich noch kein Wölk chen am Himmel befinde, zeigten sich die Bienen außer ordentlich gereizt und stechlustig, während bei drohen den Gewitterwolken, wenn sich das Unwetter nicht in der betreffenden Gegend entladen werde, die Bienen sich vollkommen ruhig verhielten und ungestört ihrer Beschäftigung nachgingen. Jahrelange Beobachtungen bewiesen, daß weder Barometer noch Hygrometer in der Vorausbestimmung von Gewittern dieselbe Sicher heit böten, wie das Verhalten der Bienen. Naundorf. An vergangener Mittwoch stürzte beim Fensterputzen aus dem ersten Stock des Wohnhauses des Herrn Holzhändler B. Straube hier das Dienst mädchen in den dortigen Mühlgraben und zog sich dabei eine bedeutende, bis auf den Knochen reichende Kopfwunde zu, die sofortige ärztliche Hilfe nöthiq machte. Dieser traurige Fall mahnt dringend ,ur größten Vorsicht beim Putzen der Fenster, deren Unter lassung schon so oft Unglück verursachte. Inserat«, welche bet da bedeutenden Auflage de» Blattes ein« sehr wirk same Verbreitung finden, «erden mit 1V Psg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theil«, die Spaltenzeile SO Psg. -j- Schmiedeberg. Vom 1. Juni ab beabsichtigt man an unserer Bahnstation in den Sommermonate», jedoch nur bei erhöhtem Personenverkehr, eine Fahr kartenausgabestelle zu errichten. Es können als dann schon einige Minuten vor Ankunft des Zuges Fahrkarten am Schalter gelöst werden, während nach Schluß desselben ein weiterer Bedarf von dem betreffen den Zugführer gedeckt wird. Diese Einrichtung soll deshalb getroffen werden, damit die Züge keine Ver- spätigung erleiden. , . _ . , — Um einen besseren Eingang nach dem Kurhause zu schaffen, hat die Direktion des Eisenhüttenwerkes eine neue Straße mit einerseits hübscher Anlage erbauen lasten. Die Straße, meist von italienischen und böhmischen Bauarbeitern hergestelll, ist nun voll endet und dem Verkehr übergeben worden. Gegen wärtig wird auch in obigem Werke unter Leitung des Herrn Baumeister Fritzsche ein neueres, größeres Gicßereigebäude errichtet, wobei ebenfalls obengenannte Arbeiter — recht biedere Leute — Verwendung finden. Der Bau schreitet rasch vorwärts und wird Ausgangs Juni beendet sein. — Zu den mehrfachen Veränderungen, die in diesem Jahre hier vorgenommen werden, gehört auch die Erweiterung des hiesigen Gottesackers. Dieselbe ist so ziemlich zu Stande gebracht, und es ist bei dieser Gelegenheit auch da« nahezu 200 Jahre alle unschöne Todtenhaus verschwunden, welches, sobald behördlicher seits der Riß dazu genehmigt ist, durch ein zweck entsprechenderes ersetzt werden soll. — Der am Montag hier abgehaltene Jahrmarkt war vom Wetter begünstigt und hatte ein zahlreiches Publikum herbeigelockt. Viele Verkäufer haben ganz leidliche Geschäfte gemacht. H Poffendorf. Der hiesige landwirthschaft- liche Verein hielt am vergangenen Mittwoch im Starke'schen Gasthofe seine Schluß-Versammlung ab und hielt hierbei Herr Kantor Helm-Postendorf den Vortrag. In ver Zeit vom II. Dezember I88S bis 14. Mai d. I. fanden überhaupt 6 Versammlungen statt und wurden 6 zum großen Theil das Gebiet der Landwirthschast berührende zeitgemäße Vorträge ge halten. Der Besuch dieser Versammlungen war immer ein zahlreicher, ein Beweis, daß das Interesse am landwirthschaftlichen Vereinswesen mehr und mehr zu nimmt. Die nächsten Versammlungen nehmen mit Beginn des Winterhalbjahres ihren Anfang. H Hänichen. Der hiesige Knappschaftsarzt, Herr vr. moä. Dannenberg, ist am 3. d. M. von der kgl. Amtshauptmannschaft Dresden-Altstadt als Jmpfarzt für den 18. Jmpfbezirk in Pflicht genommen worden. — Die hiesige Knappschaft hielt am vergangenen Mittwoch im festlich geschmückten Saale des Restau rants „Goldene Höhe" ein sog. Bergfest ab, bei welchem 4 Mitglieder — Bergzimmerling Selig-Posien- dorf, Berghäuer Klügel-Eutschütz, Berghäuer Genauck- Welschhufe und Bergzimmerling Wünschmann-Posten dorf — nach 35jähriger ununterbrochener Dienstzeit, durch Befürwortung des Herrn Bergwerk-Direktor Dannenberg, vom Ministerium des Innern mit der großen silbernen Medaille und einem Ehren-Diplom ausgezeichnet wurden. In einer Ansprache, welche ein zu dieser Feier erschienener Kommissar des Bergamtes Freiberg an die 4 Ausgezeichneten, sowie an die sämmt- uche Belegschaft hielt, wurde u. A. hervorgehoben, daß sich die Hamchener Belegschaft besonders in den schweren Tagen zur Zeit der allgemeinen Ausstände im ver gangenen Jahre, sowie auch am l. Mai d. I. — stets musterhaft und taktvoll gezeigt habe. Ferner hob Herr Direktor Dannenberg in seiner Ansprache hervor, daß mcht allein die langjährige Dienstzeit, sondern besonders auch die Treue und Gewissenhaftigkeit im Berufe eine Auszeichnung bedinge. An die erhebende Feierlichkeit reihte sich ei» Concert mit Tänzchen, an welchem die gestimmte Knappschaft und das Beamtenpersonal theil nahm. Di« „Wcißerttz-Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. Sk Psg., zweimonatlich 84 Psg., einmonatlich 42 Pfa. Einzelne Nummern ko Psg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be- st;- sriuiaMen Amtsgerichte und die Stadträthe für di- Königlich- Nmt-hnupim-nns^ Lumstem