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Nr. Lv» — 10. Jahrgang D»«r»er-tag de« »4. August IVI» SWscheUolksMmK ^ ^ PP P ee 18 Reklamen mit 8V ^ die Zeile berechnet, bet Wiederholungen «„«nakme der Sonn- und Festtage. Erscheint täglich ^ und Bild' vierteljährlich «n^abe t mit .Di- Lett w W z ^ .S-'^gan, Deutschland',re. v— „ ^^..„^.Itch , Deutschland frei inzel'Nr. 10 ^ ' t Dreien durch «°>cn Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit . .. . „ I mit Reklamen mit L« ^ die Zeile berechnet, bet Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Vnchdruckeret, Redaktion and VeschSftgstellr, Lre-dea, Pillottzer Strohe 4S. — Fernsprecher I»«« Für RStkgabe nnverlangt. Schriftstücke keine Verdindltchkeit RedaktionS-Sprechstnnde: lt bl- lit Uhr, Landesverrat der Sozialdemokratie. Don M. Eribergrr. M. d, R. Seit Beginn der neuen Marokkopolitik Mgen sick) die »rutschen Sozialdemokraten als die gefährlichsten Feinde des Weltfriedens: sie protestieren stets gegen den Kr g und suchen in Reden und Resolutionen d,e Sache so darzu stellen, als ob die Masse des deutschen Volkes nach einem Kriege brenne und es eigentlich nur die Sozialdemokratie dre diesen verhindere. Im Jnlande lacht man über diese Prahlhänse: aber in, Auslande nrmmt man die Sache ernst und spricht unter Hinweis auf die sozialdemokratiichen Versammlungen von der „deutschen Kriegsgefahr - <-o s die Genossen die Schädlinge der deutschen Nation. Nun aber gehen sic in ihrem Parteifanatismus sogar noch emen Schritt weiter und begehen Taten, die an Landesverrat grenzen. , Am letzten Sonntag hielten die sozialdemokratisclfen Organisationen von Groß-Berlin eine Delegiertenversamm- lung ab, auf der ein „Vorwärts"-Redakteur Dänwitz „gegen Kriegshetze und Marokkoschacher" sprach. Die ersten Be- richte über den Vortrag brachten solche Unglaublichkeiten, daß wir erst den Bericht des „Vorwärts" selbst abwarten wollten: dieser bestätigt nun (Nr. IW, 1. Beiblatt), "ws zuvor schon die bürgerliche Presse geschrieben hat. r me jeden Widerspruch konnte und durfte der Referent Dänwitz ausführen: „Die Zeiten sind vorbei, wo Völker durch fremde Hör- den überfallen wurden. Bei den heutigen .Kriegen und der heutigen Militärtechnik kann man nicht mehr unterscheiden, wer der Angegriffene und wer der Angreifer ist. Wir sind grundsätzliche Gegner des Krieges. Sollte die gewissenlose und verbrecherische Kriegshetze der großkapitalistischen und alldeutschen Kreise Erfolge haben, dann dürste cs nicht bei Protesten in Worten bleiben. Es kann sich nicht darum handeln, Demonstrationsversammlungen zu füllen, sondern es wird jeder mit seiner Person für den Frieden einzutreten haben. Wenn es zur Mobilmachung kommt, so ist es in erster Linie die Arbeiterschaft, die es bitter empfindet. Die Industrie wird lahmgelegt. Große Arbeitslosigkeit ist die Folge. Da zunächst für die Ernährung der Armee gesorgt wird, so steigen die Lebensmittel im Preise ungeheuer. Die Gewerkschaften werden durch eine Mobilmachung sehr emp findlich getroffen. Ihre leistungsfähigsten Mitglieder müssen als Reservisten und Landwehrmänner zur Armee emrücken. Infolgedessen fällt ein großer Teil der Einnah men an Beiträgen ans, während auf der anderen Seite die Ansprüche an die Kasse wachsen. Auch die Konsumgenossen schaften haben unter einem Rückgänge des Absatzes zu lei den. Wir haben in Deutschland über zwei Millionen ge werkschaftlich und politisch organisierte Arbeiter. Davon würden etwa MO 000 der Mobilmachungsordre zu folgen haben. Sind unsere Anhänger geschult genug, um in die sem Falle die richtige Lösung zu finden? 1870 haben unsere Genossen nach Sedan einen mutigen Protest erhoben. Aber was unter den damaligen Verhältnissen als eine mutige Tat gelten konnte, das würde heute Feigheit politischer Selbstmord sein. (Sehr richtig.) Man sieht also, daß die Sache nicht so leicht zu behandeln ist. Mit platonischen Erklärungen kcmmen wir nicht davon, wenn die Kriegs hetzer daS Heft in die Hände bekommen. Unsere Partei genossen müssen diszipliniert und entschlußfähig sein. Wir müssen daran denken, daß unsere Organisation nicht eine Maschine zur Betreibung von Wahlen, sondern eine Kampf- einrichtung ist. und daß sie zu handeln bereit ist, wenn der Ernst der Situation an sie herantritt. Von diesem Gesichts punkte aus erscheint die Frage deS politischen Massenstreiks in neuer Beleuchtung. Wir müssen immer mit der Mög lichkeit rechnen, daß die letzten Fragen der Politik auf einem anderen Gebiete als an der Wahlurne entschieden werden. Wenn wir es unseren Genossen klar mache», wird ihr Geist ein anderer werden. Die Kleinlichkeiten werden dann in unseren Reihen nicht mehr die Nolle spielen, die ihnen heute manchmal noch zugestanden wird. Man wird sich klar dar über sein müssen, daß uns Situationen aufgezwungen wer den können, die uns nötigen, außerordentliche Kampfmittel anzuwenden, wie das auch in bürgerlichen Resolutionen der Fall gewesen ist. Natürlich mit anderen Mitteln und mit anderer Taktik." Man darf diesen Bericht als authentisch ansehen und da die ganze Parteiorganisation dahinter steht, hat man es mit einer bedeutsamen Kundgebung der am besten organi sierten Sozialdemokratie Berlins zu tun. So erhält die Rede des unbekannten Dänwitz mit einem Schlage politi sches Gewicht und hohe Bedeutung. Sie ist eine Aufforde rung zum Landesverrat und stellt die Partei höher als die Nation. Es wird zunächst jeder Unterschied zwischen An griffskrieg und Abwchrkrieg fallen gelassen: die genannten Maßnahmen sollen für jeden Krieg gelten. Und welche Maßnahmen werden hier vorgcschlagen? Für die Gesamt heit der politische Massenstreik, für den einzelnen Verweige rung der Mobilmachungsordre: denn das heißt: jeder muß mit seiner Person für den Frieden eintreten. Damit hat die Sozialdemokratie dem Staate offen den Krieg angesagt für den Moment, wo man sich gegen äußere Feinde wehren muß, denn die Genossen sind „grundsätzlich gegen den Krieg". Es ist Aufgabe der Regierung, mit den ent sprechenden Gegenmaßnahmen alsbald einzusetzen, denn ein lebenskräftiger Staat kann sich eine solche Provokation nicht gefallen lassen, ohne solche landesverräterische Ankün digungen im Keime zu ersticken. Es darf kein Sozialdemo krat einen Augenblick darüber im Zweifel gelassen wer den, was seiner harrt, wenn er solchen gemeingefährlichen Ratschlägen folgt. Die ganze Wucht des Gesetzes ist gegen solche Landesverräter anzuwenden, und wenn bestehende Gesetze nicht ausreichen, sind neue zu schaffe». Bei der Ausbreitung der Sozialdemokratie und der Geschlossenheit ihrer Organisation darf man solche brutale Ankündigungen gegen die Existenz deS Reiches nicht leicht nehmen. Der Reichstag hat noch genüg d Zeit, um etwaige Lücken in der Gesetzgebung auszubauen. Das ganze deutsche Volk ist gerade jetzt auf die Haltung der Negierung doppelt ge spannt und will sehen, ob eine solche unerhörte Provokation ungesühnt bleiben kann. Es ist Pflicht einer ihrer Auf gaben bewußten Regieruna. alles zu tun und alles zu for dern >vas der Ernst der Lage erheischt: es ist vielleicht die schwerste Aufgabe der Jetztzeit, aber jedes Zögern macht sie noch schwerer. Wir warten die Vorschläge ab und wei sen mit allem Nachdrucke auf diese große Gefahr hin. Diese Gefahr wird auch von extrem liberaler Seite zugegeben. Das „Berl. Tagebl." spricht von einem „Spiel mit dem Feuer" und will es gar nicht glauben, daß diese Rede gehalten worden ist: es erinnert an frühere Beschlüsse der Gewerkschaften und beschwört die Sozialdemokratie förmlich, doch nicht solche Dinge zuzulassen. „Ganz klar liegen die Tinge innerhalb der Sozialdemokratie auch heute noch nicht; »ur so viel darf man als sicher anuehmen, daß ein politischer Massenstreik ohne die Gewerkschaften nicht durchführbar ist, und daß die Gewerkschaften schwerlich die Ordre für einen Generalstreik ausgeben werden. Herr Dänwitz disponiert deshalb auch über die Truppen, die er noch nicht kommandiert. Aber man wird zugeben müssen, daß seine Rede eine Beunruhigung bedeutet." Der „Vorwärts" aber zerstört diese Selbsttäuschung und sagt in brutaler Offenheit: „Verwunderlicher aber ist es, daß gerade in der heuti gen Situation, wo alle Kraft darauf zu konzentrieren ist, die Kriegsgefahr zu bannen und den Hetzern entgegenzu- trcten, das „Berl. Tagebl." in den alten liberalen Fehler der Rotmalerei verfällt. Auf Grund eines stark gekürzten und schon deshalb ungenauen und mißverständlichen Berich tes richtet es Ermahnungen an die Sozialdemokratie, uni Himmelswillen nicht zu scharf zu werden und nicht den Massenstreik zu verkünden. Die Ermahnungen mögen gut gemeint sein, aber sie sind wirklich überflüssig. Daß in einer gespannten Situation für die Arbeiterklasse als ent- schlossen« Verteidigerin des Friedens eine Reihe ernster Probleme auftauchen, ist eine historische Tatsache, mit dev alle Einsichtigen rechnen. Dies kam auch in dem ausführ lichen Referate zum Ausdruck, in dem Genosse Dänwitz dis Resolution begründete. Wollen die herrsck-enden Klassen das Auftauchen solcher Probleme verhindern, so gibt es da für ein sicheres und unfehlbares Mittel! Sie müssen eine Politik befolgen, die dem Friedenswillen der Volksmassen entspricht und müssen jede Kriegsgefahr vermeiden. Dis Mühe, die sich das „Berl. Tagebl." gibt, die deutsche So zialdemokratie vor Gefahren zu bewahren, ist unnötig. Viel nötiger ist es, die wirklichen Gefahren zu bannen, die auS dem nationalistischen Gebote dem deutschen Volke entstehen können." Man kann den Schmerz des „Berl. Tagebl." verstehen, denn eine solche Stellungnahme der Sozialdemokratie macht ja jedes Bündnis mit den Genossen bei den kommenden Wahlen unmöglich: es zerstört mit einem Schlage den Lieb lingsgedanken des Großblocks, denn liberale Wähler kön nen nicht Kandidaten einer Partei unterstützen, die sich ganz offen dazu bekennt, daß sie im Falle eines äußeren Krieges den inneren Krieg Hervorrufen werde und daß sie das Vaterland in schwerer Stunde im Stiche lasse. Aber solche wahlpolitische Rücksichten sind in dieser ernsten Stunde nicht das Entscheidende: die Sozialdemokratie hat dem Vaterland« ganz unverblümt den Kampf angesagt: dies wird sich sofort zu wehren wissen. 50 Prozent Dividende ungenügend. Die deutsche Kolonialgesellschaft hat soeben ihren Rechenschaftsbericht für 1010 veröffentlicht: sie kann 50 Prozent Dividende verteilen, obwohl sie in ganz Südwest afrika gar nichts gearbeitet hat, sondern sich nur auf ihre merkwürdigen Rechte und zwar die von Dernburg verliehenen Privilegien beruft. Das Wort von den Millionengeschenken sieht man also auch durch diesen Rechen schaftsbericht bestätigt, wie im Mai das Reichskolonialamtj selbst zugeben mußte, daß Dernburg der Gesellschaft 120 Millionen Mark selbst bei den erhöhten Gestehungskosten geschenkt habe. Wenn der Wert des Sperrgebietes 100 Sozialdemokraten und Areidenkerlinge hinter dem Katholikentage her! ii. Die Mainzer Genossen mußten noch zu einer zweiten Versammlung Zusammenkommen, diesmal als Freidenker, denn beides ist ja ein- und dasselbe und das ganze rote Publikum wurde zu dieser Versammlung eingeladen. Als Redner sollen auftrctcn: der freireligiöse Prediger Klauke und der bekannte Professor Gurlitt. Welch wissenschaftliches Genie der erstere .ist, erhellt am besten aus der Tatsache, daß er jeweils, wenn irgend eine Broschüre wider religiöse Lehren erschienen ist, durchs Land zieht und deren Inhalt als „Ergebnis der Wissenschaft" verkündet: mag das, was er heute sagt, zu dem, was er gestern sagte, sich auch wie Ja zu Nein Verhalten. Hat Delitzsch chm gestern „Resultate der Wissenschaft" entdeckt, dann heute Jensen mit der Gilgamesch-Komödie. Bei Klauke ist das alles „Ergebnis der Wissenschaft" gewesen — bis wieder was anderes kommt! Aber dafür ist man auch denkfrercr Dcnkerling. Was den Herrn Gürlitt betrifft, so wollen wir den Mainzer Genossen ein Vergnügen bereiten, an das sie ge- Witz nicht gedacht, und ihnen mitteilen, wie die Mägde- burger Genossenpresse über den Mann geurteilt hat, als er dort ,n der „Demokratischen Vereinigung" gesprochen hatte. Da auch die „Frankfurter Zeitung" an diesen roten Protest- ^E'lungen gegen den Katholikentag eine heimliche ' ^ sw hocherfreut sein, zu hören, wie Nack^ m ^ rn - Antisemitismus macht. Nachdem d,e „Magdeburger Volksstimme" den Mann als geistig überlegenen Streiter auf pädagogischem Gebiete ge feiert hat, wobei sie nicht zu wissen scheint, daß der Mann in den Kreisen seiner Fachgenossen seit langem nicht mehr ernst genommen wird, heißt es in dem Artikel weiter: „Mit Ausnahme einiger Monisten indessen wurden alle Zuhörer bitter enttäuscht (durch Gurlitt). Die ganze Rede war von einer sträflichen Oberflächlichkeit, ja schlimmer: streckenweise von einer stupenden Unwissenheit getragen. Mit dem „Racker Staat" weiß er io gut wie nichts anzufangen, seine Kritik der verschiedenen staatlich geschützten Kirchen wuchs zu einer öden Kulturkampfpauke aus. Los von Rom (und halb und halb auch los von Wittenberg) ist sein Anfang und sein Ende. Seine finanz- politisclx- Einsicht stak in dom Satze: es ist gut. daß es eine erste Klasse in den Eisenbahnzügen gibt: da müssen die Reichen ihr Lurusbedürfnis doch kräftig bezahlen. Seine politische Belesenheit dokumentiert der Satz: An dem Niedergange des Liberalismus in Deutschland sind die Juden schuld: infolge der antisemitischen Bewegung haben sich die Juden von der Politik zurückgezogen, teils geben sie ihr Geld den Sozialdemokraten, teils behalten sie es und geben es überhaupt nicht aus. Zu dieser Erkenntnis ist Gurlitt gekommen, „ohne Antisemit zu sein". Die Sozial demokratie ist dem Politiker Gurlitt eine recht vorüber gehende Erscheinung. Sowie erst jeder Arbeiter <10 000 Mark erbt, ist es mit dieser Bewegung vorbei. Liebens würdigerweise gönnt Gurlitt jedem deutschen Arbeiter diese Erbschaft von der Tante im Monde. Ueber die Schule, sein eigentliches Gebiet, sprach Gurlitt kein Wort. Daß er die Religion aus der Schule entfernt wissen will, daß er für Trennung von Staat und Kirche ist, ist selbstverständlich, wurde im übrigen aber recht banal und platt belegt. Der Kampf gegen Rom ist die Hauptsache. Der Gcisteskamps steht in erster Linie, das bißchen Kampf auf wirtschaftlichem Gebiete ist sekundärer und temporärer Natur. — I» der Diskussion wurde Professor Gurlitt sehr hart zugesetzt. „Das peitschte," so schreibt das sozialdemokratische Blatt! weiter, „den Vortragenden in seinem Schlußwort auf. Er warf alle Scheu ab und erklärte u. a., daß seine Meinung über die Schuld an dem Niedergange des deutschen Libe ralismus nnerschüttert bleibe. Man braucht doch nur unL 'ich zu sehen, lieberall sieht man die Juden am Werk. Sie beherrschen die Presse, sie beherrschen das Theater, sie nisten sich überall ein mit ihren destruktiven Tendenzen" . . . .Die Demokratische Vereinigung hat diesen politischen Wirrkopf in Bremen als ihre» Reichstagskandidate» auf- gestellt. Dort kommt es ja nur zu einer belanglosen Zähl kandidatur. Aber ich will einmal annehmen, es gelänge, kür Gurlitt irgendwo sonst ein Reichstagsmandat zu er obern, dann würde es interessant sein zu beobachten, welcher der drei — antisemitischen Fraktionen sich Ludwig Gurlitt: anschließcn würde. Natürlich, „ohne Antisemit zu sein"." Der Bericht war zu lesen auch in der „Nordd. Allgem. Ztg.", Nr. 122 vom 25. Mai 1011. Man merkt ihm an seinem gereizten Tone an, daß ihn ein Jude geschrieben, und daher dürfte kein Hindernis bestehen, daß ihn auch die „Franks. Ztg." in ihren Spalten verbreitet. Und der Mann konnte nach dieser Charakteristik noch bei den Mainzer freien Denkern (Hut ab!) als Redner auftreten. Müssen das „Denker" sein. Daß Gurlitt polternd und schimpfend wie eine krachend explodierende Rakctenkiste hinter dem Wagen des Mainzer Katholikentages herrennt, war für den. welcher diesen anti- katholischen Amokläufer kennt, gor nicht neu Darüber lacht!