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Ottendorfer Zeitung. Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- lag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften OtLendorf-Gkrilla mit Rloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes UnterhalLungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inserat bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 73. Sonntag, den 19. Juni 1904. 3. Jahrgang. Das Gordon-Bennet-Rrnnen. Homburg, 17. Juni. In dem Gordon- Bennet-Rennen passierie Thö'y-Frankreich das Ziel nach 5 Stunden 50,03 Minuten, Jenatzky- Deutschland nach 6 Stunden 1,21 Minute. Thöry-Frankrcich ist Sieger. Oertliches und Sächsisches. Mttendorf-Bkrtlla, zg. Juni 1904 Durch Feueralarm wurden in ver gangener Nacht die Bewohner unseres Ortes aufgeschreckt. Durch ein in den späteren Stunden aufgetretenes Gewitter, welches den Landwirten den ersehnten Regen brachte, war durch Blitz schlag ein größeres Schadenfeuer in Wilschdorf verursacht worden. Die hiesige Freiwillige Feuerwehr war in kürzester Zeit zum Aus rücken bereit, sah aber in Anbetracht der großen Entfernung davon ab. — Das erste Bataillon des in Zittau garnisonierenden Infanterieregiments Nr. 102, welches sich seit voriger Woche zu Uebungs- zwccken in Königsbrück aufhielt, kehrte gestern nach seiner Garnison zurück. Zur Beförderung diente ein Sonderzug, der nachmittags 3 Uhr 10 Min. in Königsbrück abging und, über Klotzsche—Bischofswerda—Wilthen—Ebersbach —- Oberoderwitz geleitet, abends kurz rach Uhr in Zittau eintraf. Der Sonderzug beförderte auch den Negimentsstab. — Der Pflichtteil. Das Vermögen des Erblassers soll in erster Linie seinen nächsten Angehörigen zukommen. Diese sollen nicht un gebührlich verkürzt werden. Um diesen Erfolg zu erreichen, haben versch'sdene Rechte zu ver schiedenen Mitteln geg'iffen. Das französische und das mohammedanische Recht bestimmen, daß der Erblasser nur über einen bestimmten Teil seines Vermögens frei verfügen darf. Dieser Teil ist um so kleiner, je mehr Kinder der Erblasser hat. Das deutsche bürgerliche Gesetzbuch sucht den entsprechenden Erfolg in anderer Weise zu erreichen. Darnach können Kinder, Ehegatten und Eltern, die nach dem Gesetze Erben sein würden, durch ein Testament von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Sie können aber von dem, der an ihrer Stelle zum Erben eingesetzt, den Pflichtteil verlangen Enterbt also ein Witwer seinen einzigen Sohn ohne Grundundwendet er den Nachlaß, der 100 000 M. wert ist, einer 0. Person zu, so kann der Sohn von dieser Person die Zahlung von 60 000 Mark verlangen. Damit der Pflichtteils berechtigte weiß, wieviel er zu fordern hat, kann er Aus kunft über den Bestand des Nachlasses, die Vorlegung und Beeidigung eines Verzeichnisses der Nachlaßgegcnstände verlangen. Der Pflicht teilsanspruch geht nur auf Zahlung von Geld. Miteigentümer der vom Erblasser nachgelassenen Sachen wird der Pflichtteilsberechtigte nicht. Geschwister und andere Seitenverwandte sind nicht pflichtteilsbercchtigt. Dresden. Für Sonnabend den 25. Juni ist beim hiesigen Landgericht ein Monstre- Proßeß anberaumt. Es sind die drei Redakteure der „Arbeiterzeitung", Fleißner, Niem und Nitsche, angeklagt, im Sommer vorigen Jahres über die Zustände bei der Firma Siemens Artikel veröffentlicht zu haben, d e geeignet sind, die Mitglieder des Aussichtssrates in ihrer Ehre herabzuwürdigen. Die Königliche Staats anwaltschaft hat sm öffentlichen Interesse An klage erhoben. Die Mitglieder des Aufsichts rares fungieren als Nebenkläger. — In der gestern vor dem Königlichen Amtsgericht stallgefundenen Zwangsversteigerung wurde das Landhausgasse 6 gelegene Britis Holet von dem Bingrossohändler Herrn In Max Hecht in Dresden sür zirka 259 000 M erworben. Das Grundstück ist mit 148 260 Mark in der Landesbrandkasse versichert und war von dem gerichtlichen Sachverständigen auf 310395 Mark 12 Pfg- mit Inventar ge- chätzt worden. Die hypothekarische Belastung wtrug 320 000 Mark. Meißen. Festgenommen und nach Dresden transportiert wurde gestern in hiesiger Stadt auf Veranlassung der Dresdner Kriminalpolizei der wegen Betrugs verfolgte Arbeiter Büttrich aus Pirna, welcher im Verdacht steht, am 1. Juni dieieö Jahres im Großen Garten zu Dresden am Hellen lichten Tage einen schweren Raubanfall an dem Privatus Boden verübt zu laben. Büttrich ist 1886 gebaren, mithin erst 18 Jahre alt. Auf Ermittelung des Täters waren 500 Mk- Belohnung ausgesetzt. Dresden. Die Untersuchung hat er geben, daß der Arbeiter Walter Büttrich be züglich des gegen ihn ausgesprochenen Verdachts, am 1. d. M. den Ueberfall im hiesigen König!. Großen Garten begangen zu haben, vollständig außer frage kommt. Büttrich hat sein Alibi nachgewiesen. Er ist gestern auf grund eines wegen Betrugs erlassenen Steckbriefes dem hiesigen Königlichen Amtsgericht zugeführt worden. Kamen z. Herr Fleischermeister und Vieh händler Emil Miersch der vor einigen Tagen beim Scheuen der Pferde aus dem Wagen stürzte, ist am Mittwoch an den erhaltenen Verletzungen gestorben. Bautzen. Vor dem königl. Schwurgericht hatte sich der bisher noch unbestrafte, 1885 in Niedersteina geborene und daß'lbst wohnhafte Maurerlehrling Max Adolf Garten wegen Totschlags zu verantworten. Derselbe war an geklagt die 29jährige Dienstmagd Josepha Snelinska am 26. Oktober v. I. getötet zu haben. Garten hatte mit der Snelinska ein Verhältnis angeknüpft, das nicht ohne Folgen blieb- Der Angeklagte wurde deshalb, da er noch so jung ist, vielfach verspottet. Am 26. Oktober abends 10 Uhr holte der An geklagte das Mädchen das bei einem Guts besitzer in Dienst stand, unter einem Vorwande ab und führte es an einem Teich vorüber. Im Aerger über verschiedene Aeßerungen der Snelinska stieß dann der Angeklagte das Mädchen in dm Teich hinein Und ging, ohne sich um das Schicksal dess'lben zu kümmern, ruhig nach Hause. Die Snelinska fand in dem Teiche den Tod. Dem Wahrspruche der Ge schworenen gemäß wurde der Angeklagte des Totschlags für schuldig erklärt und unter Ver sagung mildernden Umstände zu zehn Jahren Zuchthaus und acht Jahren Ehrenverlust ver urteilt. — Am Montag vormittag entfloh der am vergangenen Montag wegen Totschlag zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilte 18jährige Maurer lehrling Max Adolf Garten seinem Begleiter, welcher ihn vom Gefängnis über den Schloßhof nach dem Landgerichtsgebäude transportieren sollte zwecks einer Vernehmung. Obwohl Garten an beiden Händen gefesselt war, war er dem Gerichtsbeamten immer ein Stück voraus und dadurch, daß er in der Schloßstraße über einen kleinen Hund stolperte und zum Stürzen kam, gelang es, seiner habhaft zu werden. Der Verbrecher hat sich bei dem Sturz Verletzungen zugezogen. Zittau. Ein Unglücksfall ereignete sich im benachbarten Olbersdorf im Grundstück der Wäntigicben Jutespinnerei und Weberei. Das fünfjährige Töchterchen des Kutschers Rümpler stürzte in den mit heißem Kondensationswasser angefüllten Abflußgraben und wurde so stark verbrüht, daß es bald darauf starb. — Donnerstag abend kurz nach 6 Uhr wurde der Weichensteller Karl Winkler auf dem hiesigen Bahnhofe beim Rangieren von einem Wagen überfahren und ihm beide Beine kurz unter dem Rumpfe abgeschnitten. Winkler verstarb gegen 11 Uhr im Krankenhause. Er hinterläßt Frau und 5 Kinder, von denen 2 noch die Schule besuchen. K 8 nigstein. Der schon oft gerügtem Unsitte, die Kinder unbeaufsichtigt an der Elbe sich selbst zu überlassen, ist wieder ein Kind zum Opfer gefallen. Ein zehnjähriger Schul- imbe badete in der freien Elbe und ist hierbei ertrunken. Obwohl sofort Nachforschungen an gestellt wurden, konnte der Leichnam nicht gr ünden werden. Potschappel. Hier wurde ein älterer, cheinbar geistesgestörter Mann verhaftet. Er entkleidete sich zuerst am Zauckeroder Bahn übergänge, später, als man ihn in einer Eisen- bahnlowry wieder angekleidet hatte, am Fried- Hofe vollständig und spazierte im Adamskostüm auf der Straße herum. Am Friedhof vertrieb er außerdem einen Kutscher aus der Schoßkelle seines Wagens, setzte sich hinein und leitete das Geschirr. Mühlberg. Am Dienstag verschluckte hier das zweijährige Töchterchen des Maurers Scheffler eine Brosche, die ihm die ältere Schwester zum Spielen gegeben hatte. DaS Kind kam in Gefahr zu ersticken, da die Brosche im Kehlkopf stecken blieb. Es konnte aber durch rechtzeitige Hilfe des Arztes, dem es ge lang, den Gegenstand zu entfernen, aus seiner Not und Pein befreit werden. Grimma. Der mit einer Schußwunde am Nimbschencr Fußwege aufgehobene Kauf mann aus Meerane erlag im Krankenhause den zugefügten Verletzungen. Roßwein. Die städtischen Kollegien haben beschlossen, auf dem Grabe der Witwe Wilhelmine Herold hier, die ihr gesamtes Ver mögen fast ausschließlich ihrer Vaterstadt ver macht hat, ein Denkmal zu errichten. Wurzen. Im Leipziger Kreise tritt in diesem Jahre ein gefährlicher Schädiger der Zucker-und Runkelrüben, die Made der Runkel fliege (^.ntliom^ia oonkormis), aus und richtet besonders in der Wurzener Gegend so um fassende Verheerungen an, daß einzelne Besitzer gezwungen waren, ganze Rübenschläge umzu pflügen. Bei den Runkelrüben mußten vielfach die gedrillten Rüben durch Pflanzenrüben er setzt werden. Auch in den Bezirken Oschatz, Döbeln und Borna sind die gleichen Schäden beachtet worden. Leip zig. Nach einer aus Metz hier ein- gegangenen Nachricht wurde dort ein junger Kaufmann verhuftet, der im Februar d. I. seinem Prinzipal hierselbst 1000 Mark unter schlagen hatte und dann geflohen war. — Auf der von hier nach Weißenfels führenden Chaussee wurde am 1. Febr. d. I. die Handelssrau Höfer aus Hohenmölsen von zwei Radfahrern, den Maurern Engelmann und Heisch aus Lützen, überfallen und ihrer Barschaft beraubt. Engelmann erhängte sich in der Gefängniszelle und Heisch wurde jetzt zu 5 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus ver urteilt. Im ärztlichen Bezirksverein Leipzig-Land erklärten die alten Leipziger Kaffenärzte die Annahme einer Stellung bei dem neu be gründeten Sanitätsverein für standesunwürdig. Als Grund wurde angegeben, daß man als Arzt nicht für einen Verein arbeiten dürfe, der auch die Zuziehung von Kurpfuschern gestatte. Possendorf. Das Königl. Schwur gericht zu Freiberg verhandelte gegen den Spitzmaurer Paul Hermann Reichel von hier, der den Tod seines jüngsten Kindes durch eine Schädelverletzung, verbunden mit Gehirn zerquetschung, vorsätzlich herbeigefi'chrt haben soll. Seine Frau befand sich anfänglich auch in Untersuchungshaft als Mitverdächtige. Sie wurde aber spater wieder auf freien Fuß ge setzt, worauf sie sich durch Ertränken das Leben nahm. Die Geschworenen bejahten die Schuldfrage nach vorsätzlicher Tötung. Das Urteil lautete auf 8 Jahre Zuchthaus und 10 Jahr Ehrverlust. — Der viel genannte frühere Pastor und revisionistische Sozialdemokrat Paul Göhre sprach in Zschopau in einer großen Versammlung zum ersten Male wieder nach dem Streite der sich seinerzeit an seine Proklamation zum Reichstagskandidaten des 20, Reichstagswahl- ^reises bei der letzten Nachwahl knüpfte. Am- anderrn Tage fand in Gelenau eine soz al demokratische Parteiversammlung statt, in der auch die Kandidatenfrage angeregt wurde. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt; es steht aber fest, das Göhre in Zukunft im 20. Wahlkreise wieder als Reichstagskandidat aufgestellt wird. Die sozialdemokratischen Sympathien im Kreise ür Göhre sollen noch gestiegen sein. Hohendorf. Der 37 Jahre alte Tage löhner Eichner von hier, verheiratet und Vater von vier Kindern, wurde von den Zugbalken der Dreschmaschine so heftig an den Unterleib gestoßen, daß er bald darauf verstarb. — Beim Tanz im hiesigen Gasthofe stürzte am Sonntag Abend eine junge Frau, deren Hochzeit an diesem Tage stattgefunden hatte, plötzlich tot zu Boden. Infolge starken Schnürens hatte sie ein Herzschlag getroffen. Pockau. In der Hüblerschen Papierfabrik geriet der Maschinengehilfe Wagner beim Oelen einer Walze in das Getriebe, wobei ihm Wirbelsäule und Brustkasten derart verletzt wurden, daß Wagner sofort eine Leiche war- Untersachsenberg. Ein Münzenfund von fragwürdigem Werte wurde am Dienstag hier gemacht. Spielende Kinder fanden im Hofe des Zimmermannschen Hauses am Treppen- wuse hinter Brettern versteckt eine größere An zahl, neue und blank, aber leider Falsifikate. Die Falschstücke wurden gerichtlich beschlag nahmt und eine Untersuchung eingeleitet, da noch mehr falsches Geld dort verborgen und eine Falschmünzerwerkstätte in der Nähe ist. Mühlau. Am 19. April wollte der Hausbesitzer Steppan aus Unsinn den Fahrrad- Kndler Haußner von dort, der mit seinem Rade eine steile Straße herabgefahren kam, aufhalten, indem er das kinke Bein und den inken Arm vorstreckte. Haußner stürzte dadurch und zog sich so schwere Verletzungen zu, daß er bald darauf verstarb. Steppan wurde wegen seiner unverantwortlichen Leichtsinnigkeit vom Chemnitzer Landgericht zu zehn Wochen Gefängnis verurteilt. Crimmitschau. In der vergangenen Nacht wurde in einem Uhrmacherladen ein verwegener Einbruch verübt, wobei die Diebe Uhren, Ketten, Ringe usw. im Werte von un gefähr 1700 Mark erbeuteten. Die Einbrecher sind jedenfalls dieselben Personen, welche jüngst in Plauen und Halle Uhrendiebstähle verübten. Zwönitz. Hier brannte das Hauptgebäude der Kochschen Preßspanfabrik nieder. Das Feuer griff mit Riesenschnelle um sich. In wenigen Stunden waren der Kesselraum, der zugleich die Anlagen für das elektrische Werk enthält, die Holländeranlage und das Satinierwerk, so wie etliche anliegende Bauten niedergebrannt. Aue. Aus Unlust an seinem Berufe er hängte sich der im 15. Jahre stehende Webrr- lehrling Weiß von hier. Er wollte gern Seemann werden. Zwickau. Bodensenkungen machten sich Sonntag nachmittag hier wiederum bemerkbar. In der dritten Stunde entstanden unter donner- ähnlichen Geräusch, das sich in den verschiedenen Häusern nur dumpf bemerkbar machte, mehere meterlange und tiefe Riffe auf der Dresdner Straße sowohl in Längs- wie in Querrichtung. Die Straße ist für den Fährverkehr gesperrt. Zwickau. Der Rat der hiesigen Stadt hat beschlossen, den Schülern der Bczirksschulen unentgeltlich Schwimmunterricht erteilen zu lassen. Plaueu i. V. Auf einer Radtour, die der Tischlermeister M. aus Triebis mit seinem 15jährigen Sohn nach hiesiger Stadt unternahm, wurde der eine Strecke vorausgefahrene Sohn vom Schlags getroffen und sank tot zur Erde. Nachdem die Leiche in das benachbarte Gast haus in Neuärgerniß gebracht worden war, wollte der Vater M. nach Tricbiö fahren, um ein Geschirr herbeizuholen. Hierbei fuhr er in der Aufregung an einen Straßenbaum und er litt sehr schwere Verletzungen.