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ÜI Wchentz-ItitiH Verantwortlicher Redacteur: Paul Ikhne in Dippoldiswalde 55. Jahrgang. Dienstag, den 26. November 1889 Nr. 140 Front zu machen und gegenüber der sie im Grunde in gleicher Weise bedrohenden sozialistischen Gefahr die trennenden Parteifragen dem allgemeinen Interesse mehr als bislang unterzuordnen. Die Erbitterung freilich, mit welcher stch die bürgerlichen Parteien gegen überstehen, macht es unwahrscheinlich, daß diese Mah nung schon bei den nächsten Wahlen zum Reichstage Beherzigung findet, aber einmal wird man sich von den Ultrakonservativen bis zu den Freisinnigen hierüber klar werden müssen, wenn man nicht mit der Möglich keit rechnen will, daß eines schönen Tages achtzig oder hundert Sozialdemokraten in das Reichsparlament ein ziehen. sangverein „Grüner Zweig" beabsichtigt nächsten Sonn tag, den 1. Dezember, ein GesangS-Concert im Saale des hiesigen Gasthofes, zum Besten einer Christbe- scheerung abzuhalten, worauf wir, des guten Zweckes halber, an dieser Stelle aufmerksam machen. Kreischa, 24. November. In unserem Orte hört man allgemein über dasUederhandnehmen deSHausir- wesens klagen. Ein Hausbesitzer versicherte, es seien an einem Tage der vergangenen Woche nicht weniger als vier Hausirer bei ihm gewesen, welche ihre Maaren in einer zum Theil aufdringlichen Weise anboten. — Erst in vergangener Woche wurde ein Hausirer ab gefaßt, welcher schon jahrelang, namentlich im Winter, in hiesiger Gegend und bis in das Elbthal dem Ge schäfte des Hausirens oblag, ohne im Besitz eine- Hausirscheins zu sein. Im allgemeinen darf man jedoch ein Zurückgehen des Hausirwesens nicht verkennen. Dresden. König Albert und Königin Karola sind am Sonntag Nachmittag im Verein mit den Prinz Georg'schen Herrschaften aus Sibyllenort in Dresden angekommen und haben stch sofort nach Strehlen be geben, während Prinz Georg mit Familie im Palais auf der Langestraße Wohnung nahm. Tharandt. Zum Entsetzen der in der Nähe be findlichen Zuschauer sprang am Sonnlag Nachmittag, den 24. d. M., das vor einem Amerikain gespannte Pferd des hiesigen Fuhrherrn Göpfert sammt dem Wagen und dem auf letzterem befindlichen Besitzer über die ziemlich hohe eiserne Barriere in die „wilde Weißeritz". Wunderbarer Weise erlitten infolge deS halsbrecherischen Sturzes Göpfert und das Pferd nur verschiedene Verletzungen; die Barriere aber ist abge brochen und der Wagen zertrümmert worden. Freiberg. Der Abbruch der alten Jakobikirche wird noch im Laufe des bevorstehenden Winters vor genommen werden, um das noch brauchbare Material bei dem im nächsten Frühjahr zu beginnenden Bau der neuen Kirche verwenden zu können. Der Abbruch des Altares erfolgt bereits in dieser Woche und hofft man, unter demselben den Grundstein der Kirche (früher wurden beim Kirchenbau die Grundsteine immer unter den Altar gelegt) aufzufinden, welcher möglicher Weise schätzenswerthe Aufschlüsse geben kann. Chemnitz. Der des Hierselbst stattgefundenen Raubmordes dringend verdächtige und in Unter suchung befindliche böhmische Maurer Schneeberger leugnet trotz der schweren Beweise seine Schuld be ständig ab. Das geraubte Geld bestand unter An derem in der Hauptsache aus 4 Hundertmarkscheinen der Sächsischen Bank. Bei der Verhaftung Schn, führte derselbe nur über 80 M. bei sich; dagegen wurde ermittelt, daß derselbe am Sonnabend, dem Tage des Raubmordes, einen Hundertmarkschein wechseln ließ. Die fehlenden 3 Hundertmarkscheine blieben unauf findbar. Dem fortdauernd stattgefundenen Nachsuchen blieb es vorbehalten, diese 3 Scheine in einem Eisen bahnwagen vorzufinden und zwar in dem Falz, in welchen das Koupeefenster hinein gelassen wird. Aus Furcht vor Entdeckung scheint der Mörder diese Scheine in den Falz geschoben zu haben, wodurch sie alsdann von dem herniedergehenden Fenster zu Boden gedrückt wurden. Simbach. Während die Bevölkerungsziffer unseres Sachsenlandes in stetem Aufschwünge begriffen ist, mindert sich die Zahl der politischen Gemeinden des Landes durch Einbezirkung der sogenannten Vorstadt dörfer in die Städte. Nicht eine solche Einbezirkung, wohl aber eine Zusammenlegung zweier Gemeinden vollzieht sich gegenwärtig in unserer Nähe. Unter der thatkräftigen Mitwirkung des Herrn RegierungsratheS AmtShauptmannS vr. Fischer ist zwischen den beioen Gemeinden Kändler-Amtsantheil und Kändler-Ritter« gutSantheil eine Vereinigung zu Stande gekommen, nach welcher diese beiden Gemeinden in Zukunft nur eine Gemeinde unter dem Namen „Kändler" bilden Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 25. November. In der am Sonnabend stattgefundenen Versammlung des Be zirkslehrervereins Dippoldiswalde, welche ge schäftlichen Angelegenheiten gewidmet war, forderte der Vorsitzende, Herr Schuldirektor Engelmann, zunächst zu thatkräftiger Unterstützung der Bestrebungen auf, welche das Komitee für die Errichtung eines Ludwig Richter-Denkmals entfaltet, insbesondere dazu, die be treffenden Schulvorstände zur Gutheißung einer in den Schulen zu diesem Zwecke vorzunehmenden Pfennig sammlung anzuregen. Hierauf trug derselbe den Jahresbericht und Herr 0. Hellriegel die Jahresrechnung vor. Letzterer ließ nun seinen Bericht über die in Chemnitz stattgcfundene Delegirtenversammlung, sowie Mittheilungen über Angelegenheiten des Sächsischen Pestalozzivereins, insbesondere über das am 16. Oktober d. I. veranstaltete Concert der Bezirkskollegenschaft folgen. Vor der schließlich vorzunehmenden Neuwahl des Vorstandes bat der bisherige Vorsitzende, Herr Schuldirektor Engelmann, ganz entschieden, von seiner Wiederwahl abzustehen, und wurden darauf die Herren 0. Hellriegel, Buckel, Eidner-Dippoldiswalde, Junge- Burkersdorf, Rothe-Wilmsdorf gewählt, bez. wiederge wählt. Einem Anträge des Herrn Handrack-Reinhardts grimma entsprechend, wurde der Vorstand aufgefordert, für den Beitritt sämmtlicher Kollegen des Bezirks ge eignete Schritte zu thun. Spechtritz. Die hiesige Spechtritzmühle ist kürzlich durch Kauf in die Hände eines Dresdner Kon sortiums gelangt, welches auf diesem Grundstücke im Anschluß an das jetzige Restaurationsgebäude ein Kur haus mit Badeanstalt zu errichten gedenkt. Das neue Kurhaus soll ein sehr stattlicher Bau in einer Länge von 84 Metern werden und 36 Sommerlogis enthalten. Mit der Absteckung des Bauplatzes wird in den nächsten Tagen begonnen, der sofort die Angriffsarbeiten folgen werden. H Poffendorf. Nach alter Sitte zeigten sich am Todtensonntage viele Ruhestätten unserer beiden Fried höfe, zum Gedächtniß theurer Entschlafener, im schönsten Kränzeschmuck und lieferten so den Beweis, daß die Liebe stärker ist als der Tod. An demselben Tage, Nachmittag 5 Uhr, fand Abendmahlsgottesdienst statt. Die Betheiligung am heiligen Abendmahle gehörte mit zur stärksten des ganzen Jahres. — Durch Ausscheiden mehrerer Kirchenvorstands mitglieder finden nächsten Sonntag, Vyrmittag l l bis Nachmittag 1 Uhr, Neuwahlen in den Ortschaften Babis nau, Brösgen, Hänichen, Rippien, Wendischkarsdorf und Possendorf statt. Das Weitere wird in den be treffenden Gemeinden noch bekannt gegeben. — In der Adventszeit sollen, wie alljährlich, be sondere Adventsgottesdienste, Sonntags Nachmittag 5 Uhr, gehalten werden. — Seit Sonntag hat die Theatergesellschaft Petzold im Saale des Starke'schen Gasthofes mit einem Cyklus von Vorstellungen begonnen. Hoffentlich unterstützen die Bewohner unseres und der Nachbarorte das Unter nehmen durch recht zahlreichen Besuch. H WilmSdorf. Der überaus thätige Männerge - Jnferatr, welche bei der bedeutenden Auflage det Blatte« ein» sehr wirk- same Ver-rettunä finden, »erden mit 10 Pfg- di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und eomplicirt» Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die SpMenzeil« MPfg. Sozialdemokratische Erfolge. Seit der empfindlichen Niederlage, welche die deut schen Sozialdemokraten bei den Reichstagswahlen des Jahres 1887 durch Verlust der Hälfte ihrer Neichs- tagsmandate erlitten, haben sie mit verdoppelten Kräf ten daran gearbeitet, die erhaltene Scharte wieder aus zuwetzen und sich in der politischen Meinung gewisser maßen zu rehabilitiren. Diese Bestrebungen haben in der Thal schon auch bemerkenswerthe Früchte getragen, denn bei allen seitdem nöthig gewordenen Ersatz- und Nachwahlen zum Reichstage, bei denen die sozial demokratische Partei überhaupt mit eigenen Kandidaten hervortrat, erzielte sie gegen früher einen theilweise ganz überraschenden Stimmenzuwachs und nur die Nachwahl im Reichstagswahlkreise Oschatz - Grimma machte hiervon eine Ausnahme. Aber auch bei den inzwischen stattgefundenen Neuwahlen zum sächsischen Landtage wuchs die Zahl der für die sozialistischen Kandidaten abgegebenen Stimmen beträchtlich, trotzdem bei diesen Wahlen der Sozialdemokratie die Betheiligung durch de» Steuercensus erschwert wurde, ja, sie ge wann sogar zwei Landtagssitze und endlich haben sich diese sozialdemokratischen Erfolge erst in den letzten Tagen durch den Ausfall der Ergänzungswahlen zur Berliner Stadtverordneten-Versammlung wiederum in bedeutender Weise vermehrt. Es ist den Sozialdemo kraten hierbei gelungen, gleich im ersten Wahlgange vier weitere Sitze in der Gemeindevertretung der Reichs hauptstadt zu erobern und auch bei den vorzunehmenden Stichwahlen können sie mit Sicherheit auf noch drei oder vier Mandate zählen, so daß das Berliner Stadt- verordneten-Kollegium künftig etwa ein Dutzend sozial demokratischer Mitglieder zählen wird. Man muß nun zwar erwägen, daß gerade auf dem Boden der Reichs- hauptstad^die Sozialdemokratie sich recht kräftig zu entwickeln vermag, da sie hier besonders leichte Da seinsbedingungen für sich vorfindet, anderseits jedoch gilt es zu bedenken, daß bei den städtischen Wahlen in Berlin ein großer Theil der sozialdemokratischen Neichstagswählerschaft durch die Oeffentlichkeit der Ab stimmung und den hohen Census von der Urne fern gehalten wird und um so schwieriger wiegen darum die jetzt von den Sozialdemokraten erzielten Erfolge. Wenn aber dieselben schon bei den städtischen Wahlen so scharf hervortreten, so läßt sich hieraus leicht er messen, daß die Sozialdemokraten bei den nächsten allgemeinen Wahlen, bei denen für sie die Chancen ja weit günstiger liegen, noch ganz andere Erfolge davon zu tragen vermögen und dies gilt natürlich nicht nur von Berlin, sondern auch für alle Theile des Reiches, wo mit der sozialdemokratischen Propa ganda ernstlich gerechnet werden mutz. Bei der straffen inneren Organisation der Umsturzpartei und der be wunderungswürdigen Disziplin ihrer Wählermaffen erscheinen die triumphirenden Hinweise der sozialdemo kratischen Führer auf die nächsten Reichstagswahlen, bei denen sie die Scharte von 1887 doppelt und drei fach auSgewetzt sehen wollen, keineswegs ungerecht fertigt und der aufrichtige und entschlossene Zu sammenhalt aller Ordnungsparteien erscheint da als das einzige aussichtsvolle Mittel, dem drohenden An sturm der „Arbeiterbataillone" kräftig zu begegnen. Daß das Sozialistengesetz, gleichviel, welche Form es schließlich auch erhalten werde, das Wachsthum der sozialistischen Stimme» nicht aufzuhalten vermag, haben die seit einer Reihe von Jahren bei den allgemeinen Wahlen gemachten Erfahrungen hinlänglich gelehrt und wenn man von der erziehlichen Wirkung der sozialpolitischen Gesetzgebung Besseres erwarten darf, so werden sich deren Resultate voraussichtlich erst in späterer Zeit bemerklich machen. Es tritt daher an gesichts der jüngsten Erfolge der Umsturzpartei an alle auf dem Boden der heutigen Staats- und Gesellschafts ordnung stehenden Parteien von Neuem die ernste Mahnung heran, gegen den gemeinschaftlichen Feind Mr „Weißeritz. Zeitung" «scheint wöchentlich drei- ,nal: Dienstag, Donners ¬ tag und Sonnabmd. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich 8t Psg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan ¬ stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- , , " Amtsblatt für die Mnakiche Umlshanptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte mid die Stadtrathe zu Dippoldiswalde und Irauenstein