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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960713016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896071301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896071301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-07
- Tag 1896-07-13
-
Monat
1896-07
-
Jahr
1896
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/«? Uhr. die Abrud-Au-gabe Wochentag- um b Uhr. Nedaction und LrpeLitiou: Johanne-gafie 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Filialen: Dtts Klemm'S Lortim. (Alfred Hahtt). Uviversitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche. Katharinenstr. 14, varl. und König-Platz 7. BezugS.PreiS dl der Haoptexpedttion oder den im Stadt. Ustrk und den Vororten errichteten Au-- aavestrllen abgeholt: vierteljährlich^ 4.S0, bei zweimaliger täglicher Zustellung tn- HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich Ü.—. Direkte tägliche Krruzbandseoduug ins Ausland: monatlich 7chO. Morgen-Ausgabe. MpMer Tagtlilalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Änttes der Stadt Leipzig. Anzeigen Preis die 6 gespaltene Petitzttle 20 Pfg. vleclameu unter dem Ütedaction-strich c4gr» spalten) 50^, vor den Familieniiachrichlea (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsaß nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. ^0—0— ^nnahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- - Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund» früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^«351. Montag den 13. Juli 1896. SV. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Die Entschädigung für die in Leipzig-Altstadt vom 8. bis mit 20. Juni d. I«. in der Alexander-Ltratze, am Dorotheen- Platz, in der Elster-, Erdmann-, Mortq-, Promenaden- und seiten-Ttraftc einquartirt gewesenen Truppen vom König!. 8. Infanterie-Regiment Nr 107, kann in den nächsten 3 Tagen bei unserem Quartier-Amte, Raschmarkt Rr. 2, im Erdgeschoß links, Zimmer Nr. 30, gegen eigenhändige Quittungsleistung er hoben werden. Das Quartierbillet ist zurückzugeben. Leipzig, am 10. Juli 1896. Der Rath der Stadt Leipzig. XM. 20099. vr. Georgi. Lamprecht. Aus dem Briefwechsel einer sächsischen Landesmutter. Die Originalbriefe befinden sich auf Herzog!. S. Bibliothek zu Gotha. II. In einem vertraulichen Handschreiben aus Licktenwalde vom 2. Juni 1567 ertheilt die Kurfürstin der Mubme in einer intimen Frauenangelegenbeit einen „schwesterlichen" Rath und fügt hinzu: „wollte Gott, daß ich Ew. 8. hierinne weiter räthlich oder bebülflich sein könnte, so wollte ich's in Wahrheit mit solchem Fleiß und Treuen tun, als wann es meine eigene Person beträfe .... ungezweifelt, seine gött liche Allmacht werde E. 8. Gebet gnädiglich erhoeren, wie ich denn selbst für E. L. den lieben Gott bitten will." Ende desselben IahreS schickt Anna den kurfürstlichen Rath vr. Lindemann nach Weimar zur Consultation der jungen Herzogin: „Und bitten freundlich, E. L. wolle ihn zu ihrer Gelegenheit boeren und ihm hierinne glauben geben." Zwei Jahre später beim Tod des einzigen Töchterleins der Herzogin versteht Anna ebenfalls herzlich zu trösten: „weil Gott der Allmächtige E. 8. abermals mit einem Kreuz heimgesucht, und weil es seine Allmacht also geschickt hat, so werden sich E. 8. als eine christliche Fürstin mit Geduld zu überwinden und in den Willen des Herrn zu ergeben wissen" . . . Wir bemerkten schon, daß der persönlichen Bekannt schaft schon ein längerer Briefwechsel voraufgegangen war. Am 3. November 1564 schreibt zwar Anna: „als dann auch E. 8. weiter melden, vaß sie freundlich geneigt sind, mit uns Kundschaft zu macken (sic!), sind wir nicht weniger denn E. 8. darzu ganz freundlich begierig und »erhoffen, es werde sich voll Beguemlickkeit und Gelegenheit zutragen, daß wir zusammen kommen, uns freundlich miteinander bekennen und ergötzen mögen, an welckem dann uusers TheilS gar kein Mangel erscheinen soll." Und noch fast ein Jahr spater schreibt Anna: „Es wäre mir eine sondere Freude, auch nichts lieberes, denn daß ich mit E. 8. durch Schickung des Allmächtigen einmal zusammen kommen können und in aller Freundschaft mich mit E. 8. bekannt machen könnte." Nachdem dann die auf den 8. Januar 1566 festgesetzte Zusammenkunft der beiden Fürstinnen in Dresden durch den Tod der Prin zessin Marie vereitelt worden war, fand dieselbe endlich im Februar zu Leipzig statt. Dieselbe muß zur großen Be friedigung der Kurfürstin ausgefallen sein, denn kurz nach der Abreise der Gäste schreibt Anna von Leipzig aus einen sehr warmen AdschiedSbrief, in dem sie um das leibliche Wohl ihrer lieben „Muhme und Schwester" besorgt einfügt: „Wir besorgen, E. L. werden in unseres herzliebsten Herrn Landen der Arten wenig gute Bequemlichkeit oder Ausrichtung finden. Derhalben wir freundlich und schwesterlich bitten, E. L. solle freundlich vorlieb nehmen und Geduld tragen." Man sieht doch, wie beschwerlich damals eine Reise von Weimar nach Leipzig — heute eine Stunde Fahrzeit mit dem Schnellzug — auch für fürstliche Personen gewesen sein muß. Sie erforderte damals wohl zwei bis drei volle Tage und bot wenig Annehmlichkeiten, und daö mag wohl auch der Grund gewesen sein, daß häufiger geplante Zusammenkünfte der beiden Fürstinnen unterblieben. So die in Augustus burg und später in Rocklitz. Gewöhnlich waren die Be gegnungen der fürstlichen Beilern von den Damen als passende Gelegenheiten des Wiedersehens begrüßt. Immerhin mag es interessant sein, daß auch die Herzogin sich nickt fürchtete, im Heerlager von Gotha die Kursürstin Anna zu besuchen. Daß sich da die beiden Freundinnen mitten im rauhen Kriegs treiben die Zeil mil Spiel und Scherz wohl zu vertreiben gewußt, geht aus dem Briefe vom 5. Februar 1567 deutlich hervor. Anna schreibt: „Nachdem ich mit E. L. allhicr freundlich gescherzt, wann derselben Namen (d. h. Namenstag) käme, daß ich sie anbinden wollte, Halle ich in meinem Be kümmerniß das wohl vergessen; es hat aber die GanS von Ponickin in dem Kalender fleißig darnach gesehen und mich täglich daran erinnert, daß ich nickt habe unter lassen können, weil Sanct Dorotheen Tag sich nun herzunahet, E. 8. unseren freundlichen Verlaß nach über Land auzubinden und schicke E. L. inliegendes Schnürlein. E. 8. werben wohl verstehen, waö dasselbige bedeute" . . . Kur fürstin Anna hatte ein heiteres, fröhliches Frauengemüth, zu allerlei Scherzen und Späßen aufgelegt und immer bereit, die Sorgen des 8ebens zu vergessen „durch seltsame Possen". Sie verstand es, wie seilen eine Frau, die sorgenernste Stirn ihres gestrengen Gemahls zu glätten durch muthwillige Ein fälle aller Art. Auch die Herzogin von Weimar schreibt über Anna s Heiterkeit, noch in der Erinnerung an ihre letzte Zusammenkunft, wie sie, „als voll Krieg gesteckt, den Herzog Johann Casimir (ihren Schwiegersohn) mit ihrer Dienerin weidlich angerissen, daß sie hoffe, sie werde jetzt frömmer sein und sich solcher Reben enthalten". Uebrigens muß sich die Herzogin bald „gelöst" haben mit einem Ge schenk, denn vierzehn Tage später schreibt Anna aus dem Lager nach Weimar zurück: „Was dann die Losung E. 8. NamenS betrifft, ist es wahrlich von mir nicht dahin ge meint, als ob ich was dadurch von E. 8. zu gewarten. DaS aber E. 8. mich mit einem sonderen Geschenk verehren, ist E. L. Freundlichkeit schuld. Bin auch derselben dafür herzlich dankbar und will daraus bedacht sein, solches zu gelegener Zeit hinwieder schwesterlich um E. 8. zu vergleichen und zu beschnlden und lasse E. 8. sonst mit der Ponickin, welche die Ding mehrentheils angetrieben und verursacht hat, zu Hause . ." Ebenso scherzhaft beginnt ein Brief aus Stolpen vom 12. Juli 1566: „Herzliebst« Schwester als ich aus E. L. Schreiben vernommen, daß derselben die überschickten iuchenden Handschuh angenehm und wohlgefällig gewesen, bin ich wahrlich reckt froh worden. Ich befinde auch, daß E. 8. «in guter Schuldmann und Zahler seien, weil sie sich des verspielten Jahrmarkts halber selbst mahnen. Und darf derhalben keine Entschuldigung, denn ick habe seit der Zeit niemals daran gedacht, so haben sich Ew. Liebe allbereit mit der gläsernen Apothekerladen (Reiseapotheke) mehr den genugsam geloset." Auch von anderen „verspielten Jahrmärkten" ist häufig in den Briefen die Rede; die beiden fürstlichen Damen beschenkten sich gegenseitig, wie die Gelegenheit es bot. Einmal bedankt sich Anna wegen der übersandten Ringe: „und ist solch Geschenk und Bekehrung an sich selbst sehr schön, aber um E. L. willen unS desto wohlgefälliger und angenehmer. Wollen auch solche Ringe zu stetem Andenken von E. L. wegen tragen." Ihrerseits ver spricht Anna eine neue Presse zu schicken, die sie von Gotha gegen die Herzogin verspielt. „So wird aber der Schraubenmacher, welcher unS diese und dergleichen Juftru- mente zu macken pflegt, noch an der Bestung Grimmenslein gebraucht." Man sieht aber auch aus de» häufigen Ge schenken und Deticationen den praktischen, hausmütterlichen Sinn der Kurfürslin. HauS und Hof sind bei ihr auf das Beste bestellt. Küche und Keller in musterhaftester Ordnung, selbst auf den häufigen Reisen. So sendet sie an ihre Muhme eine» blechernen Herd, „wie wir denselbigen in unserer Küchen uss der Reise pflegen zu gebrauchen", sanimt den zugehörigen Bratspießen und Rosten. Ferner häufig Zuckerwcrk und allerlei Früchte von Zucker, „die unser Zuckerbäcker zu Dresden pfleget zu machen", einmal eine ganze Lade voll allerlei Zucker- obst und eingemachte Sachen. Weil über die Grenze Sachsens hinaus war die Kunst Anna's in der Zubereitung und An stellung solcher Süßigkeiten und Leckereien berühmt. Die Herzogin begehrt einmal von ihr von ihren berühmten „kleinen Käslein, wie wir uff unserem Borwerk pflegen zu machen und bisweilen zu Tisch tragen lassen". Anna sendet ihr sofort eine ganze Tonne voll. Ihre Freigebigkeit war allbekannt. Auch» „Hirschzehörner", Töpfe und Küch- geräthe, sogar Rosenstöcke und ganze Bäume und ein ganz neuer „Kolschi-Wagen" (Kutsche) gehen nach Weimar an den herzoglichen Hof als Geschenk ab. Gewöhnlich bot der NamenS- oder Geburtstag, besonders aber auch der Neujahrstag die Gelegenheit der Geschenke. Ihrerseits empfängt Anna von ihrer Muhme französischen Wein, Modell tücher (Spitzen?), jedenfalls aus der kunstfertigen und wein begnadeten rheinischen Heimath importirt. Mit der Uebersendung der NeujahrSgrüße und Wünsche pflegte die Kursürstin regelmäßig die Gabe ihres weithin»»- rühmlichst bekannten -bczuu vitnv (Lebenswasser) zu verbinden. Wir erfahren aus dem Briefwechsel, daß die Fabrikation dieses trefflichen Medikamentes, welche- als eine O-uelle zur Erhaltung deS Körpers und zur Verlängerung des mensch lichen Lebens betrachtet wurde, von der edlen Kurfürstin in großartigem Maßslabe betrieben wurde. In Annaburg stand das große Destillirhaus mit dem geräumigen Laboratorium. Mit vollem Eifer für die geheime Kunst legte Anna hier selbst die Hand ans Werk, so oft es die Gelegenheit bot. Die alte Gräfin Dorothea von Mansfeld war ihre Lehrmeisterin und leitete die gewöhnlich im Mai stattsindendeDestillation. DieHer- stellung selbst ward sehr geheim gehalten, und wir wissen beute eigentlich nicht mehr, welches die Zusammensetzung des Aquavit gewesen ist. Man unterschied zwischen weißem und gelbem Aquavit. Au- einer Mittheilung Anna's an ihre in der Pfalz verheirathete Tochter erfahren wir nur, „daß der gelbe Aquavit auö bestem reinen Getreivebranntwein be stand, mit Malvasier, der mit Ei, Zucker und guten Kräutern, u. a. gelben Veilchen, verschäumt ward." Von keiner kleinen Zahl deutscher fürstlicher Häupter wurde dieser Lebenstrauk aufs Lebhafteste immer und immer wieder begehrt, und Anna wußte sich ost kaum zu retten in der Befriedigung aller dieser Wünsche. Sogar die römische Kaiserin in Wien labte sich an diesem Lebenselipir. Nach hergebrachter Sitte öffnete dann Anna gewöhnlich zu Neujahr ihre Vorrathsräume, und die viereckig geformten Flaschen wanderten mit frommen Wünschen in alle Welt hinaus. Diese Gepflogenheit allein schon machte die Kursürstin Anna zu einer der beliebtesten, am häufigsten genannten Persönlichkeiten an den deutschen Höfen. Auch nach Weimar ging regelmäßig am Neujahr eine solche Dedication ab mit dem Begleitschreiben: „Als wir E. L. bishero jährlich mit einem wenig unsers V.quu Vitus haben gepfleget, freundlich zu versehen, so schicken wir demselben unfern Gebrauch nach E. 8. bei diesen Boten zwei Gläser voller des weißen und gelben ^gua Vitus mit herzlicher Wünschung eines glückseligen, friedlichen, gesunden neuen IahreS nnd bitten, E. 8. wolle solche geringe Verehrung, die wir dock ganz treulich und wohlmeinend verstehen, vorlieb annchmeii." — Die „viereckcten" Flaschen — etwa die Form der heutige» weltberühmten Neudietendorfer Aromatiquc- flaschcn bezog Anna nachweislich aus dem Ausland, aus Hessen und Braunschweig, und da ihre Beschaffung immerhin mit große» Schwierigkeiten verbunden sein mochten, sandten die Empfänger die geleerten Flasche» in der Regel zurück. Aber auch nack anderer Richtung hin wußte Anna ihre reichen medicinifchcu Kenntnisse praktisch zu vcrwerlhen. Der nack ihren Rceepteii hergestellte Kinderbalsam war eine eben falls stark begehrte Medici» für Wöchnerinnen und nem geborene Kinder, lieber die Anwendung schreibt sie selbst an die Herzogin von Weimar cl. ä. 11. Februar 1565: „Wir schicken Ew. 8. bei diesem Boten ein versiegelt Krügel voller Kinderbalsam. Dies Wasser mögen E. 8. so oft sie sich übel empfinden, ein Löfflein voll in der Wochen einnehmen, sonderlich wenn sie etwa erschrocken, schwermülhig oder sonst beregten Gemüths sind, gebrauchen. Der allmächtige Gott lasse eS E. L. wohl bekommen, wie wir derselben herzlich gönnen und in Erfahrung haben, daß es vielen schwangeren Weibspersonen deßfallS geholfen." Einige Jahre später schickt Anna der Freundin sogar da-streng geheim gehaltene Recept: „Als schicken wir E. L. auch da- Recept, wie solches Wasser zugerichtet wird, welches wir dort sonst Niemand mitgetheilt, auf daS E. L. daselbige selbst präpariren lassen können, jedoch bitten wir, E. 8. wolle solch Recept allein für sich behalten und nicht gemein werden lassen." 8eider liegt daS Recept dem Bries nicht mehr bei, so baß wir «s zu Nutz und Frommen auch der Gegenwart mitthcilen könnten. UeberauS reich war jene Zeit an Geheimmitteln und „wunderbaren Tränken." Die Arzneikunde konnte sich noch nicht stützen auf die er fahrung-gemäßen, ezacten wissenschaftlichen Grundlagen. Es war die Zeit deS GoldmachenS und der Lebenselixire. Wiederholt grassirten in Sachsen während Augusl'S Re gierung schwere ansteckende Krankheiten: „die geschwind an fallende Seuche der Pestilenz." Anna war im Besitz eines bewährten Pulver-, welches als ein Hauptschutzmittel dagegen weit und breit galt. Au- ihren Briefen geht hervor, mit welcher Freigebigkeit sie davon Gebrauch machte: „Solch Pulver vor die Gifft muß also ge braucht werden: Wenn man an gefährlichen Oertern ist, so soll man früh, soviel auf eine Messerspitze geht, des Pul ver- einnehmen. Auf den Fall aber, da einem diese Seucke anstößt, so soll man einer starken erwachsenen Person ei» Quinten und den Schwachen nach Gelegenheit ein Halb oder drei Theile einer Quinten in einem warmen Wein ein gebe», Wohl zudecken und schwitzen lassen. So treibt all bewährtes Pulver die Gifte durch den Schweiß und sonst au«". Al- sich im Jahre 1568 die Herzogin Dorothea Susanne mit auf dem Kriegszug ihres Gemabls in Frankreich befindet, sckickt ihr die besorgte Anna ein Quantum dieses berühmten GiftpulverS nebst Latwerge für die Pestilenz nnd weißes und gelbes ^.gua vitus nach Metz nach: „Die Lat werge haben wir erst von Neuem zurichten lassen und aus ein Stück, so darin gehoert, warte» müssen." Dabei giebt sie folgenden Rath: „Wenn man an verdächtigen vergifteten Oertern ist, nimmt man der Latwerge so groß als eine Erbse ist, in den Mund und hält die also, daß einer den Athem und Geruch davon in der Nase empfindet. Da einer aber, Gott behüte davor, mit der gefährlichen Seuche befalle», dem soll man, eines Gulden schwer, davon entweder in Fqua vitse, schlechtem Wein oder Essig, nach Gelegenheit, als der Kranke große Hitze empfindet, mit Rath der Aerzte eingeben." Auch grüne Salbe gegen die Pestilenz und andere Arzneien, ein Kästlein voll, sendet die Kurfürstin durch Ver mittlung des Stadthalters von Weimar, Eberhard von der Feiiilletsn. Die treuen Diener. Eine Sommergeschichte mit zwei Hälften. Nachdruck verbot«». Der Kaufmann Friedrich Müller hatte es im Leben weit gebracht. Als Lehrling in ein Colonialwaarengeschäst ein getreten, hatte er sich nach glücklich überstandener Lehrzeit und einigen Jahren eifriger und fleißiger Thätigkeit als Commis selbstständig gemacht und ein EiigroShaus begründet, das bald zu solider Blüthe gedieh. Nach zehn Jahren konnte er eine stattliche Billa im vornehmen Viertel der Großstadt sein eigen nennen, und nach weiteren zehn Jahren hatte er sich durch Geschäftsklugheit, Glück und unermüdliche Schaffens kraft ein so ansehnliches Vermögen erworben, daß er nun auch einmal an daS AuSruhen denken konnte und sich ein bübscheS Landgut, abgelegen vom Weltgetriebe, erwarb, wo er den Sommer mit den Seinen in Muße verbringen wollte. Es war ein förmlicher Auszug, als man das erste Mal in daS neue Besitzthum übersiedelte; nur die wackeren PortierS- leute blieben in der städtischen Villa zurück, während der alte erprobte Diener Johann mit seiner Frau Brigitte und die übrige Dienerschaft die Frrudrn des neuen Heim- theilen durfte. Wie hätte eö auch ohne Johann, daS unentbehrliche Factotum deS Hause«, gehen können, der mit seiner Herrschaft so eng verwachsen war, daß er nur immer von „unseren" Kindern, womit er die Müller'sche zahlreiche Kinderschaar meinte, und von „unserem" neuen Landgute redete, der daS Wohl seiner Herrschaft und nicht« al« diese« im Auge hatte und sich daher auch gleich al« oberster Aufsicht«beamter in dem neuen Besitzthum selbst anstellte und geltend machte. Man fühlte sich bald in der erst etwa« ungewohnt er scheinenden Umgebung wie zu Hause und richtete sich schnell behäbig und pfleglich ei», so daß die ersten drei Wochen wie im Fluge vergingen. Aber diese drei Wochen Landaufenthalt hatten auch etwas gezeitigt, wa« alle Mann oder vielmehr alle Frauensleute an Bord rief: die unentrinnbare große Wäsche. Für Herrn Müller war da« nun gerade keine Freude. Seine Frau, die es nicht über sich brachte, vornehm den größeren häuslichen Obliegenheiten sich zu entziehen, widmete sich ganz ihren hausfraulichen BerufSpsiichten und Herr Müller war an diesem Tage mehr ein geduldetes Menschen kind, als der Herr des Hauses. Nicht einmal darüber war er befragt worden, ob die Wäsche im Obstgarten aufgehängt werden dürfe. Da flatterten sie nun, diese großen, kleinen und kleinsten weißschimmernden Gewandungen, diese Bett überzüge und Tischtücher, in reichster Abwechselung und stattlicher Zahl, und er wollte sich schon darüber ärgern, daß man seine Willensmeiiiung gar nicht zu hören für nöthig befunden hatte, wo der Trockenplatz ein gerichtet werden sollte. Ta nahte sich ihm zum Glück Iobann. „Herr Müller", meinte er wichtig, „beute Nacht müssen wir doch unser Gartenthor schließen? Und ich werde die Nacht über wachen, damit Niemand unsere Wäsche stiehlt." Aber Herr Müller, einigermaßen zufriedengestellt, daß man doch endlich nach ihm frage, gab den gemessenen Befehl, daß Alles beim Alten bleibe, daß man die Thür nicht verschließe, und daß sein guter Johann seine wohlverdiente Nachtruhe ordentlich genieße. Denn hier auf dem Lande sei man vor Dieben sicher; er habe sich von der Bravheit deS Menschen schlags, der hier zu Hause sei, genügend überzeugt. „Nun, wie Sie befehlen, Herr. Ich würde den Leuten wohl eine Schlechtigkeit zutrauen." Damit entfernte sich kopfschüttelnd Johann. Die Nacht brach herein, eine Helle, prächtige Mondnacht, und die Strahlen des Mondes verklärten ordentlich das weiße Linnen, daS Sonne und Wind am vorhergehenden Tage zum großen Theile schon getrocknet hatten. Auch durch die Fenster der Müller'sche» Schlafstube hatte sich der ante Mond Eingang zu verschaffen gewußt und er lächelte so „bittlich" auf daS freundliche Antlitz der Frau Müller herab, daß diese bei ihrer Uebermüdnng durch die vorhergegangene Tagesarbeit nur unruhig schlief, schließlich ganz munter wurde und dem Monde nun ihrerseits in- volle Antlitz sah. „Ach", backte sie, „schlafen kann ich jetzt doch nicht gleich. Ich will mich in der schönen Mondnacht an der Küble draußen erfrischen." Schnell warf sie fick in ihren Schlafrock, schloß vorsichtig die Thur hinter sich und wanderte in den Garten, wo ibr sogleich ihre mond- umglänzte Wasche inS Auge fiel. Mit dem ganzen Stolz der Hausfrau musterte sie die einzelnen Stücke, sie sah, daß etwa die Hälfte schon trocken war und — was lag näher, als diese trockene Wäsche abzunehmen und in die Wäsche kammer zu tragen? Mit emsiger Geschäftigkeit batte sie diese Arbeit vollendet. Die Hälfte der Wäsche lag fein säuberlich geordnet in der Wäschekammer, Frau Müller, nachdem sie diese wieder fest verschlossen, in ihrem Bett, und der Mond schien mit ver doppelter Kraft auf die Wäsche im Garten, die Vereinsamung der übrig gebliebenen Stücke scharf bervorhebend. Da fuhr Johann aus ängstlichen Träumen empor. Er batte den Faden seiner Gedanken weiter gesponnen, von Dieben geträumt und im Traume Schritte im Garten gehört. Schnell fuhr er ans Fenster, und — o Jammer'. — wa- für ein herzzerreißender Anblick bot fick seinen treue« Dieneraugeu dar. „Brigitte", ruft er, „Brigitte", und stößt seine Frau so kräftig an, daß sie im Nu munter ist. „Brigitte, sie haben uns „unsere" Wäsche gestohlen!" Es ist Wirklichkeit, grau same Wirklichkeit: die Hälfte der Wäsche ist weg." „Iobann", meint nun Brigitte, „die Hälfte der Wäsche haben uns die Kerle gestohlen. Wir wollen nur schnell die andere Hälfte abnehmen, daß die uns nicht auch noch weg genommen wird." Gedacht, gethan! In dürftigster Bekleidung nehmen die beiden Alte» die Wäsche ab, Verwünschungen murmelnd, wenn sie an eine Leine kommen, wo saft gar nichts übrig geblieben ist. „Ja", meint Johann selbstbewußt, „hätte der Herr nur auf mich hören wollen. Aber er ist viel zu gut, er traut jedem Menschen über den Weg." Der Morgen kam und die Sonue löste ihren nächtliche« Stellvertreter in würdigster Weise ab. Frühzeitig öffnete Frau Müller ibr Fenster nnd ihr erster Blick traf den Obst garten. Da Ware« nur leere Leinei zu sehen. Kott, die ander« Hälfte der Wäsche war weg, war gestohlen. Wo für ein glücklicher Zufall, daß wenigstens der werthvollste Theil von «hr nächtlicher Weile in Sicherheit gebrackrt war! Al« Herr Müller erfuhr, daß di« Hilst« der Wäsche ge stoblen sei, war er in reuiger Erinnerung an seine am Abend vorher gegebenen Anordnungen etwa« kleinlaut und verfehlte nickt, seine Fran wegen ihrer uicktlick>en Wäscherekknna m den wärmste» Ausdrücken zu beloben, so daß Frau Müller eigentlich viel zufriedener auSschaute, al« für gewöhnlich eine tüchtige und sparsame Hausfrau, der man Wäsche ge stohlen hat. Als das Ehepaar heruuterkam, harrte seiner mit trauriger Miene Johann. „Denken Sie sich nur, man hat uns unsere Wäsche gestohlen", begrüßte er die Herrschaft. „Ja", lenkte Herr Müller vorsichtig ein, „aber our die Hälfte." „Frei lich, die Hälfte", meinte Johann, in seinem Eifer gar nickt argwöhnisch werdend, da dies Herr Müller doch gar nickt wissen konnte. „Ich habe schon zum Gemeindevorstaud ge schickt; der Polizridiener muß sogleich kommen." — „Die andere Hälfte", fiel nun Frau Müller ein, und wollte von ihrer Rettungsarbeit erzähle». „Ja, die andere Hälfte", meinte Brigitte. „Die andere Hälfte", sagte nun wickliz Herr Muller, „die andere Hälfte ist.. ." „In unserer Stube", schrie aufgeregt Iobann; „in der Wäschkammer", setzte Herr Müller seine Rede fort: „Wie? in der Wäschekammer?" „Wie? in Eurer Stube?" tönte c« da vierstimmig durck- eiuander und auf diese vielstimmige Frage wurde auch ciu vierstimmiges „Ja" als Antwort hervorgestoßen. „Mein Mann und ich haben den Rest der Wäsche, den uiiö die Diebe gelassen hatten, in Sicherheit gekrackt", erklärte Brigitte mit der ganzen Würde, über die eine treue Dienerin des Hauses verfügen kann, wenn sie sich bewußt ist, klüger als die Herrschaft gebandelt zu haben. „So", rief nun triumpbirrnd Herr Müller, dem mit einem Male die Sach lag« klar wurde, „und di« eine Hälfte hat meine liebe Frau in die Wäschekammer gepackt." Bride wiifcherettenden Parteien überzeugten sich durch den Augenscker«, indem sie erst die Wäschekammer und dann die Stube Johann'S und Brigitte'« besichtigten, von dem Borhandensem der gesammten Wäsche bestände, und Johann eilte, so schnell ihn feine alten Beine tragen wollten, zum Gemeindevorstaud, der sich über diese plötzlich« Aufklärung der Diebstablsgefchichte, welche in dem kleinen Dorfe große Sensation gemacht hatte, lachthränendeu Ange- freute. Herr Müller aber hat auch in den späteren Jahren seines Sommeraufentbalte« weder die Gartenthür schließen, noch den brave« Johan« die Rackst w«chen lassen, wenn große Wäsch« gewesen war.
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