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KWmfferÄgcblÄ Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt fÜk WilsdkUff Ulld ^lMgLgLNd Postscheckkonto Leipzig 28644 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 232. Donnerstag den 7. Oktober 1920. 79. Jahrgang. Amtlicher Teil. MM dm u. MM mmiWr U1W wird im Verhandlungssaale des amrshauptmannschaftlichen DienstgebäudeS öffentlicheSitzung des Bezirksausschusses Die Tagesordnung hängt vom 6. Oktober l92O ab im Anmeldezimmer aus. Meißen, am 4. Oktober 1920. Nr. 296 I 8. Der Amtshauptmann. FrbeitsmiUkioeritiimls im KmmmslicrbWd MeißwOnd. In der Woche vom 10. bis 18. Oktober 1920 werden im Bezirke des Kom- munaloerbandes Meißen-Land folgende Lebensmittel verteilt: a) auf sämtliche Nährmittelkarteu, Reihe III, Abschnitt 18 150 Gramm Teigwaren, Pfundpreis 2 Mk. d) auf sämtliche Lebensmittelkarten, Reihe Hl, Abschnitt 18 Vr Pkund Kunsthonig, Pfundpreis 7,20 Mk. Die Händler haben sich wegen des Bezuges der Waren unverzüglich mit ihren Handelsstellen in Verbindung zu Netzen. Es wird darauf hingewiesen, daß nicht abbestellte Waren nicht zurückgcnommcn werden. Ein Verkauf der Lebensmittel darf vor der angesetztcn Zeit nicht erfolgen. Meißen, am 5. Oktober 1920. Reg. Nr. 1848 a 1l 8. iw Die Amtshauptmannschaft. Unter Bezugnahme auf unsere Bekanntmachung vom 26. August 1920 wird bekanntgemacht, daß für Edelobst sgme, ausgelesene Ware) der Preis von 90 Pfg. für das Pfund als gegenwärtig im Stadt- ! gebiet angemessen festgestellt worden ist. Die Bekanntmachung tritt sofort in Kraft. Wilsdruff, am 5. Oktober 1920. im Der Stadtrat. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die mit der Entente geführten Verhandlungen über die Neugestaltung der Sicherheitspolizei sind zum Abschluß ge langt. * Es bestätigt sich, daß die Wirtschaftsverhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich in Berlin geführt werden sollen. * Der Chef der Heeresleitung richtet an die schwere Artillerie und die Luitschiffertruppe einen Abschiedserlaß, indem er auf die Entwicklung beider Waffen und ihre Verdienste im Welt krieg Hinweise und die Hoffnung ansspricht, sie noch einmal, zu neuem Leben erweckt, wiedererstehen zu sehen. * In Berlin ist zum ersten Male ein deutscher Betriebs, rätekongretz zusammengetrcten. * Seit Mitte September haben die Polen 42 000 Ge- sangene gemacht. * Der Ausschuß der Brüsseler Finanzkonferenz für den Internationalen Handel hat eine Entschließung für Handels freiheit fast einstimmig angenommen. * Die französische Regierung will die Abstimmung in Öster reich über den Anschluß an Deutschland nicht zulassen. * General Wrangel hat die Stadt Mariampol durch Hand streich genommen und große Beute gemacht. * Litrinow hat die Verhandlungen mit der norwegischen Regierung, abgebrochen, nachdem diese seinen letzten Vorschlag über die Eröffnung von Handelsbeziehungen mit Rußland ab- gelehnt hatte. MichSwirischafisSarck. Der NeichswirtschaftsministerDr.Scholz hat sich bisher der Öffentlichkeit gegenüber ziemlich zurückgehalten. Er mußte, kaum daß er den Obscbüigermeisterstuhl von Char lottenburg mit dem Ministersessel vertauscht hatte, im Gefolge von Fehrenbach und Dr. Simons mit nach Spa reisen, wo ihm keine besonders auffällige Rolle zu spielen beschicken war. Nach seiner Rückkehr bekannte er sich offen als Gegner des vernichtenden Kohlenabkommens, hielt es aber für seine selbstverständliche Pflicht, auch seinerseits alle Kräfte für die Erfüllung der nun einmal rechtsverbindlich übernommenen Verpflichtungen einzusetzen. Seitdem sah und hörte man nicht viel von ihm. Die ihm näherstehen, versichern zwar, daß sein Einfluß im Gesamtkabinett mehr und mehr zur Geltung komme; seine nach Möglichkeit ausgleichende Art werde zunehmend gewürdigt, sein sachverständiges Urteil geschätzt. Als kürzlich davon die Rede war. daß der volks» parteiliche Vizekanzler Heinze aus dem Kabinett ausscheiden wolle, um in den diplomatischen Dienst des Reiches über- suketen, habe man in Dr. Scholz seinen berufenen Nach folger erblickt; ein Gedanke, auf den vielleicht zurück- rukommen sei, wenn Um- oder Neubildungen der Negierung notwendig werden sollten. Vorläufig indessen dürfe man stch von der rein auf das Wirtschaftliche gerichteten Arbeit dieses Mannes wenn auch natürlich nicht alles, so doch fn'Merhin so viel versprechen, wie unter den heutigen, in jeder Beziehung traurigen Verhältnissen eben überhaupt zu leisten möglich sei. Wir sind durch die Ereignisse in unserem inneren Leben gewiß nicht verwöhnt, schon seit langem nicht; was ja am ^flen durch die Tatsache belegt wird, daß zufriedene Staats bürger heute kaum irgendwo im deutschen Reich, kaum in irgendeinem verborgenen Winkel der Regierungs- oder Parlamentsmehrheit zu finden sind. Um so leichter für einen Mann der Arbeit und des lebenbejahenden Optlmis- ^urch schöpferische Ideen angenehm auszwallen. Von Aflr Gedanken einer allgemeinen Arbeitsdienstpflicht, die der ^inister^ lieber heute als Morgen verwirklicht sähe, um e i sssend an geordnete Arbeit zu gewöhnen, mn der -lrbettslongk^ zu steuern und um unsere Warenherslellung Nack Möglichkeit zu heben, ist schon kürzlich einmal die Rede gewesen. Er hat natürlich sofort lebhaften Widerspruch ge funden, oarf aber damit wohl noch nicht ohne weiteres als abgetan gelten. Einstweilen aber scheint Dr. Scholz seine zweite Lieblingslöee, das ist die Schaffung einer Reichswirtschafts bank, mehr in den Vordergrund schieben zu wollen. Auch hier spielt in seiner Vorstellung das Streben nach mög lichster Eindämmung der Arbeitslosigkeit eine treibende Rolle. Er möchte der Tatsache gegenüber, daß die Fälle sich häufen, wo Betriebe stillgelegt oder eingeschränkt werden müssen, weil keine Mittel zur Beschaffung von Rohstoffen vorhanden sind, nicht auf die Dauer die Hände in den Schoß legen. Die Privatbanken sind mit ihren Kreditgewährungen an bestimmte Grenzen gebunden; die Gefahr des Verlustes muß sie abschrecken, die unausgesetzten Schwankungen der Warenpreise, das Auf und Ab unserer Valuta muß sie bedenklich machen, und ehe sie sich am Ende vielleicht doch noch entschließen, heifend einzuspringen, ist dem Unternehmer, dem Fabrikanten, dem Kaufmann der Atem ausgegangen. Jede Bekiebseinstelluvg hat aber heutzutage ein weiteres Anschwellen der Staatsausgaben für unproduktive Arbeits losenunterstützungen zur Folge. Ist es da nicht richtiger, wenn der Staat einen Teil dieser Summen dazu verwendet, für Erhaltung oder Erweiterung bestehender Arbeitsmöglichkeiten zu sorgen? Erreicht er mit seinen Geldopfern dieses Ziel, dann verhütet er das Versinken neuer Bevölkerungsschichten tn den demoralisierenden Zustand der Arbeitslosigkeit und damit die weitere Schmälerung. unserer Warenproduktion. Bleibt seine Mühe vergebens, so hat er wenigstens für eine gewisse Zeit noch die Betriebe am Leben erhalten. Natür lich verkennt kein Mensch auch nur für einen Augenblick die großen Gefahren, die mit einer solchen staatlichen Kredit gewährung verbunden sind: die Verlockung zu leichtfertigem Umgehen mit öffentlichen Geldern, neue Auswüchse der Vettern- und Korruptionswirtschaft, über die schon ohnedies so viel geklagt wird, und ähnliches mehr. Aber der Minister hofft, durch die Art und Weise, wie der von ihm geplante Kiedit organisiert werden soll, diesen Gefahren aus dem Wege gehen zu können. Die Selbstverwaliungskörper der Industrie sollen in ihren Dienst gestellt, der neu zu schaffenoe Apparat soll der schon bestehenden und mit allseitig an erkanntem Erfolg arbeitenden Giro-Zentrale des Städte bundes angegliedert und daneben die erforderliche Staats aufsicht möglichst frei und beweglich gestattet werden, damit der kaufmännische Sinn der ganzen Neueinrichtung auch voll zu seinem Rechte komme. Es ist dem Minister gelungen, in einer Besprechung mit führenden Männern der Finanzwelt und des Wirtschafts lebens die schwersten Bedenken, die von dieser Seite gegen feinen Gedanken gellend gemacht wurden, aus dem Wege zu räumen. Nun wird wohl bald der Zeitpunkt gekommen sein, um auch das Kabinett und danach den Reichstag mit der Angelegenheit zu befassen. Vielleicht, daß in diesem Falle wenigstens einmal die durch die allgemeinen Verbält- Me gebotene Eile der Entschließungen auch erreicht wird. Rußland vor der Kaiastrophe. Hungersnot und Matrosenaufstand. In Sowjetrußland stimmt es nicht mehr. Die Zeichen der Unzufriedenheit mehren sich. Auch steht die Hungersnot vor der Tür. Das zeigen deutlich folgende, vom Moskauer Zentral-Vollzugs-Komitee aufgestellten Beschlüsse, die durck Funkspruch bekanntgegeben wurden: 1. Bon allen arbeitenden Bauern Rußlands wird eine vollständige unweigerliche Ausführung der Lebcnömittel- abliefernng verlangt. 2. Die Arbeiten zur Bereitstellung von Nahrnngs- mittelns sind in' kürzester Frist zu beenden. 3. Zn den VerforgungSarbeiten sind die besten Kräfte herauszuziehen. 4. Den Vcrsorgungsarbeitcn ist dieselbe Bedeutung zu zuweisen wie den Transpsrtarbeiten. Der Funkspruch fordert zum Schluß die russischen Arbeiter auf, dem Jins des höchste» Organs Folge zu leisten nnd die Kräfte zum Kampf gegen den Hunger anzu sporne«. Nach weiteren Meldungen soll es vor einigen Tagen in Petersburg zu einer Matrosenrevolte gekommen sein. 1400 Matrosen aus Kronstadt hätten einen Teil der Stadt besetzt und die Arbeiter hätten sich ihnen angeschlossen. Bei den Kämpfen, an denen sich auf feiten der Regierung auch Chinesen beteiligten, seien einige Hundert Personen getötet oder verwundet worden. 64 Matrosen seien wegen der Teilnahme an dem Aufstand zum Tode verurteilt worden. „Die Befriedung Europas." Giolitti über Frieden und Arbeit. Der italienische Ministerpräsident Giolitti batte eine längere Unterredung mit einem Pressevertreter, in der er zunächst erklärte, daß die jüngst in verschiedenen Auslands zeitungen erschienenen ihm zugeschriebenen Äußerungen ent weder erfunden oder auf Fragen aufgebaut seien, die die in Luzern "nd Aix-les-Bains gruppenweise empfangenen Journalisten an ihn gerichtet hätten. Das wichtigste Problem sei heut di« Wiederherstellung normaler internationaler Beziehungen; denn ohne normale Beziehungen sei ein Handelsverkehr auf die Dauer unmög lich. Und ohne Handelsverkehr kein Arbcitsrecht. Nur Arbeit kann die erkrankte Welt heilen. „Wir müssen zu- gcben, daß wir diesen Frieden noch nicht haben, aber wir müssen alles tun, um ihn zu erlangen. Ich persönlich werde in dieser Beziehung bestrebt sein, alles zu tun, was ich kann, nnd die Erreichung dieses Zieles ist das am heißesten und am aufrichtigsten verfolgte, ja ich, möchte sagen, das einzige Streben meiner auswärtigen Politik. Mehr ver mag ich nicht zu sagen. Meine Zurückhaltung werden Sie ja verstehen. Als Lloyd George mich bet meiner ersten Begegnung fragte, was mir am meisten am Herze« liege, antwortete ich: „Die Befriedung Europas." Deshalb beklage ich, sagte Giolitti weiter, es so außer ordentlich, daß die jüngste italienische Arbeiterbewegung im Auslande den Glauben erwecken ließ, die innere Lage Italiens sei fast reif zum Zusammenbruch und bilde eine Beunruhigung sür die anderen Nationen. Wahrheit ist, daß der italienische Arbeiter durchschnittlich nicht über 17 Lire täglich verdient, trotz Entwertung der Lira durch den Dollar, und jetzt nach erbittertem Kampfe mit den Industriellen durchschnittlich 21 Lire. Ungenaue und falsche Meldungen wurden im Auslande auch hinsichtlich der Konkolle der Fabriken durch die Arbeiter verbreitet. Die Mißstände wurden heroorgerufen durch den enormen Unterschied der Bedeutung des Wortes .Kontrolle", in englischer und italienischer Sprache. In Amerika und England bedeutet .Control" fast soviel wie Kommando und Bestimmungsrecht, in Italien dagegen .Nachprüfung". Ich bin weit von der Bolschewisierung der italienischen Industrie entfernt, bin aber überzeugt, auf die von mir angestrebte Weise unserer In dustrie zu nützen, denn der Arbeiter, der die wirklichen Ver hältnisse seiner Fabrik kennt, wird seine Ansprüche diesen tatsächlichen Verhältnissen anpassen, und so verschwindet das schädliche Mißtrauen des Arbeiters gegen den Fabrikherrn. Andererseits wird diese moralische Aufbesserung des Arbeiters günstig auf die Produktion einwirken, weil es zur Arbeit anspornt, die, ich wiederhole es, der einzige Rettungs- weg ist. - politische Rundschau. Deutsches Reich. 4- Die Spaltung der Unabhängigen. In der U.S.P.D. haben jetzt die Wahlen für den Parteitag stattgefunden. Eine Reihe von Ergebnissen liegt bereits vor. in denen als das Bemerkenswerteste hervortritt, daß die Wahlbeteiligung außerordentlich schwach war. In Berlin sind insgesamt etwas über 29 000 Stiminen abgegeben worden; das Er gebnis war, daß 15 540 für und 13500 gegen die Moskauer Bedingungen eingetreten sind. In Teltow-Beeskow dürste das Stimmenverhältnis ähnlich dem Berliner sein, dagegen haben in Niederbarnim die Anhänger des Anschlusses 70 °/v aller abgegebenen Stimmen erhallen. In Leipzig sind vor läufig rund 12 000 Stimmen gegen, rund 8000 Stimmen für die Moskauer Bedingungen ermittelt worden. In Bremen sind für die Bedingungen nur 485 Stimmen, gegen die Be dingungen 2304 Stimmen abgegeben worden, so daß Bremen nur Gegner des Anschlusses (und zwar 5) auf den Parteitag entsendet. In Frankfurt-Main haben von 10 000 Mitgliedern nur wenig über 2000 gewählt; 1109 für die Bedingungen, 1024 Stimmen gegen die Bedingungen. Ins besondere erhält man den Eindruck, daß sich die Gegner unb die Anhänger der Unterwerfung unter Moskau. ziffernmäßig so ziemlick die Waae ballen, soweit abaestimmt worden ist.