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Dresdner Journal : 01.02.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188802018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18880201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18880201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-02
- Tag 1888-02-01
-
Monat
1888-02
-
Jahr
1888
- Titel
- Dresdner Journal : 01.02.1888
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W26. Mittwoch, den t. Februar, abends. 1888. I» »»L—L v»ut»«L«o «otoli«: ^RLrlioL: .... 18 NarL. ^jLLrliad: 4 »0 ?L kluounori»: 1V?Ö Lu—rtuttd äaaäoubooLa« N»ick», tritt kost- m»N 3t«wp«1»uict»I»K Li»«». ^wLkackixun^xodttkr«« r kür Ü8v ttanva «iv«r goipittt«««»» 2«ils LI«i»»r ßeLritt 1V kk. Unter „Lrn^«»«nät" lii« 2«»I« LO kt. 8« DudeUeu- rinck /,»Lorn«»t» sntopr. AuLot»I«A. Lr»«deln«nt l^lioL^rnit ^»«»»tuno ä«r konn- rmä k««rt»A» »denä». kvrvsprvvL-^rlsoUll»»: Ur. 1LVL. Dres-nerIoumal. Für dir Gesamlleittmg verantworUtch: Gtto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. »IN»Km« s„ —Wkrt«, Lolpat» : F> Lea^ckototto», OornmtimonLr äa« ttreaelnor ^oarrutt»; L«»d«iU -Lsrw» VW» - l-a tpatU Lsssl Lrssls» »«»LI«»» s. ».: //iK»«7»tr,n ct ko^/er, üartt» -VW» - LswdsiU- »»8' rr«»Lülrt «. It.-Iltz»<>1r«»: L«ck. Lka««,- ksrt» 8«rU» »»»»Llart ». N ItattUsrt: Da«-« <e <7o.,' 8srU»: /«val»ale««k«»t: VSrUw! ü. ^kac-^öt-«',' Lumorar: v. Üe-älaol«', LsU» «. I.i F Laset L 6o. Lüni^l. Lrpsäitioo ä«, Drexin^r /o«r«a», Itreackon, Lreingeritr»»« X). korrmprooL-Armotrli»«! dir. 1LVL. Feuilleton Tagesgeschichtr. * Berlin, 31. Januar. Se. Majestät der Kaiser hörte heute Borträge und nahm zahlreiche Meldungen höherer Offiziere entgegen. Demnächst erteilte der Monarch Audienz und arbeitete längere Zeit mit dem Chef der MültärkabmettS. Später unternahm der Kaiser eine Spazierfahrt. Der BundeSrat hat in seiner gestrigen Plenar- sitzung den Anträgen Preußens und Hessen» wegen erneuerter Anordnungen aus Grund des K 28 de- Sozialistengesetzes für Stettin und Umgegend beziehent lich den Kreis Offenbach zugestimmt. Bezügl.ch de in erster Lesung sestgestellten Entwurfs eines bürger lichen Gesetzbuchs wurde der bereit- von uns mit- geteilte Ausschußanlrag, betreffend die Veröffentlichung des Entwurfs, angenommen. Das preußische Abgeordnetenhaus erledigte in seiner heutigen Sitzung den Rest drS Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung, sowie den Etat des Ministeriums des Innern. Aus Anregung de- Abg. Rauchhaupt (deutschkonj.) nahm Minister v. Putt- kammei Veranlassung zu der Erklärung, daß die be hufs Gewinnung eines neuen Geschäftshaufes für das Abgeordnetenhaus eingeholten technischen Gutachten dahin gingen, das jetzige Reichstagsgebaube eigne sich zu einem Umbau nicht, wohl aber könne auf dem Platze, den dasselbe einnehme, ein geeignetes neue- Gebaude errichtet werden. Der Minister wies im Laufe der Verhandlung die erneuten Angriffe de- Zentrums in der Rheinbrohler Glockenangelegenheit als gänzlich haltlos zurück und erklärte den freisinnigen Rednern gegenüber, die sich mit den sozialdemokratischen „Enthüllungen" im Reichstage beschäftigten, unter der lebhaften Zustimmung der rechten Seite des HauseS, daß er nach wie vor an dem Grundsätze fefthalten werde, für seine Beamten so lange einzutreten, bi» ein Beweis für deren Schuld erbracht sei. Die Etat»- beratung wird Mittwoch 11 Uhr fortgesetzt werden. Die Ansiedelung-kommission für Posen und Westpreußen hat einen ausführlichen Bericht über ihre Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben dem Briefträger Johann Karl Schneider in Dresden da» Allgemeine Ehrenzeichen Allergnädigst zu verleihen geruht. „Nur noch wenige Tage", dachte Betty mit Herz klopfen, „nun wird er sich gewiß bald erklären. Auch bei ihm wird es mehr als eine leere Tändelei gewor den sein, ebenso wie, wie" — doch selbst in stiller Stunde brachte sie diesen Satz nie zu Ende. Auch für Prentiß rückte die Zeit des Abschied» heran. Nur noch zwei Tage und er mußte dem lieb lieblichen RippoldSau Lebewohl sagen, um mit neuer Energie an seine Arbeit zurückzukehren. ,Hch begreife nicht, wie Sie folch' ein Leden er tragen können", sagte der Graf, als die beiden Herren, um ihre Zigarre vor dem Schlafengehen zu rauchen, nach der Reunion gemächlich in der Lindenallee auf und nieder gingen. „Das glaube ich gern," antwortete Prentiß. „Man muß an Arbeit gewöhnt fein, um sie zu schätzen. Außerdem ist unser Los ein sehr verschiedenartige»: Sie sind im Besitz geboren und ich muß ihn mir er werben." „Ach, mein Gott, ja!" sagte der Graf gedehnt. „Das heißt, ich wurde mit einem Titel geboren, aber mit dem Besitz verhält es sich leider ander». Den hat man vergessen, mir in die Wiege zu legen." „Doch Sie sind der älteste Sohn, wenn ich nicht irre," versetzte Prentiß, weniger au- Neugier, al» um etwa» zu sagen, „und folglich der Erbe." ,La wohl", sagte der Graf, „da», was da ist, erb« ich freilich. Wenn dem nicht so wäre, hätte ich mir längst eine Kugel durch den Kopf gejagt. Ader e» ist nicht viel, er ist nicht genug! In Amerika sind große Vermögen an der Tagesordnung — da ist viel Geld überall, nicht wahr?'" nichtamtlicher Teil. Telegraphische Wachrichten. München, 1. Februar. (Tel d. DreSdn Journ.) Der seitherige zweite Bürgermeister vr. Wiede- mayrr wurde einstimmig zum ersten Bürgermeister gewählt. Rom, 31. Januar. (W.T.B.) Der „Agenzia Stefani" wird auS Massauah gemeldet: In AS- mara und Tigre erhält sich da- Gerücht, daß Menelik sich im Aufstande gegen den Negu- be finde; alle Kundschafter wiederholen diese Nachricht seit mehreren Tagen. Einer weiteren Meldung diese- Blatte- zufolge, haben die Abessinier zahl reiche Posten auf der Gebirg-kette ausgestellt, um die Positionen der Italiener zu beobachten. Der Papst empfing heute den Erzbischof von Köln und den Bischof von Trier. Dublin, 3l. Januar. (W. T. B.) Der par- nellitische Deputierte Blane wurde heute wegen aufrührerischer Reden zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Derselbe meldete die Appellation au. St. Petersburg, 1. Februar. (Tel. d. Dresdn. Journ Der „Börsen-Zeituvg" zufolge lehnte rS der Finanzminister Wyschnegrad-ki auS finanz politischen Rücksichten ab, die neuen Obligationen der großen Bahngeseüschaft ausschließlich in Krank- reich begeben zu lassen. Die Operation soll in Amsterdam erfolgen Unterhandlungen mit der Hope-Kompaqnie find eingeleitet. Die Obligationen sollen in Metallvaluta au-gegeben werden und insgesamt 15 Millionen Kreditrubel betragen, 4prozentig und nicht steuerfrei sein. General Barclay wurde unter Belassung in seiner Würde zum Generaladjutanten ernannt, de- Kommando» über daS erste ArmeecorpS enthoben und für 11 Monate beurlaubt. Er verstand es eben, das Beste, was in den Menschen schlummerte, aus ihnen hervorzulocken. Freilich vermochte niemand die alten Herren, die in überwiegender Anzahl dar männliche Kontingent der Badegäste stellten, Betty zu Gefallen in junge Kavaliere zu verwandeln. Aber Prentiß zu liebe ließ sie die Sonne ihrer Huld selbst auf die ehrwürdigen Charakterköpfe scheinen, deren Anwesenheit aefänglich ihr große- Mißfallen erregt hatte. Und auf der Sonnabend-Reunion holte sie lachend den ältesten von Neds Freunden aus der Ecke hervor, in der er e» sich zum Zusehen bequem gemacht hatte, und forderte ihn zu einer Polka aus, die er schließlich mit ungeheuchel tem Vergnügen und einer Verve tanzte, welche den Neid der anderen Herren hervorrief. Prentiß be schränkte sich auf das Zusehen, da sein Tanzen, wie er wohl wußte, eine gewisse Gefahr für die Füße sei ner Mitmenschen in sich schloß. Aber er schaute mit so herzlichem Vergnügen zu, daß, nach seinem Aus sehen zu schließen, der Erfolg des Abend- ein großer war. Sylvia tanzte fehl viel, aber fast ausschließlich mit dem Grafen, der außer ihr und Betty keine an dere Dame im Saale ausforderte. Doch Prentiß folgte ihr wie den übrigen lächelnd mit feinen Blicken, ohne daß die Othello-Ader sich in ihm zu regen schien. Der Graf, dessen Abreife nahe bevorstand, schloß sich jetzt regelmäßig ihrer Gesellschaft an. In zwei oder drei Tagen erwartete er seine Freunde und dann würde — wie er sowohl Sylvia, als Betty, jeder ein zeln versicherte — die Sonne sich ihm verdunkeln und die Erde, welche während dieser kurzen Wochen ein Paradies für ihn gewesen, ihm wieder zur traurigen Wüste werden. war der einzige Landerwerb, den da- Zarenreich in Europa davonirug. Daß Österreich Bosnien und die Herzegowina be- setzen und verwalten solle, wurde auf dem Berliner Krongreß ausdrücklich stipuliert, Rußland aber wurde nach dem Wortlaut deS Vertrage- nur die vorläufige Organisation Bulgarien» binnen einer aus v Monate bemessenen Frist anheimgegeben. Mit jedem weiteren Jahre, da- dem Kongresse von 1878 folgte, wurde in Rußland die diplomatische Niederlage, die e« m Berlin erlitten, tiefer und schmerzlicher empfunden. In der ersten Zeit indes schien sich alle- noch so zu gestalten, als ob wenigstens bezüglich des verkleinerten Bulgarien da-, wa- vor dem Kriege mit Österreich vereinbart und jetzt wohl auch für die anderen Kabinette kein Geheimnis mehr war, feine Ihatsüchliche Verwirklichung finden sollte. Auf Ruß lands Vorschlag wurde der Pnnz v. Battenberg zum Für sten gewählt, besten Macht aber durch eine demokratische Verfassung aufs äußerste beschränk«; die wesentlichen Stellen im Heere und in der Verwaltung wurden mit russischen Offizieren besetzt. Europa zeigte sich mit all' dem stillschweigend einver standen. Aber der Einfluß, welchen Rußland in Bulgarien thatsächlich übte, genügte der russischen Nationalpartei in keiner Weise. Rußland hatte nichts erreicht, was mit den Erfolgen Preußen-Deutschland- irgend in Vergleich zu bringen war. Die Eifersucht gegen da- letztere begann sich mächtig zu regen. Es war nur zu natürlich, daß die Rusten den Fürsten Bismarck, welcher beim Berliner Kongresse den Vorsitz geführt hatte, für besten klägliche Ergebnisse verantwortlich machten. Und ebenso natürlich war eS, daß man, eingedenk der Haltung Rußland» in den Jahren 186« und 1870, Preußen-Deutschland des maß losesten Undankes zieh Fürst Gorischaloss, der die diplomatische Niederlage verschuldet hatte, suchte sich dadurch zu decken, daß er dieser Stimmung nachgab und Frankreich, wenn auch erfolg los, eine Allianz gegen Deutschland anbot. Die Folge war daS im September 1879 vereinbarte deutsch österreichische Bündnis, angesichts besten sich die Erbitterung der russischen National partei nur noch steigerte. Wenige Jahre darauf gelang eS in dessen dem Fürsten Bismarck, die maßgebenden Kreise in Ruß land zu der Überzeugung zu sühren, daß einzig und allein Fürst Elortschakoff für den Mißerfolg verantwortlich sei, welchen Rußland in Berlin davongetragen habe. Er bewies an der Hand der Akten, daß alle Wünsche Rußlands von seilen Deutsch lands die lebhafteste Unterstützung gefunden hatten, und sprach dabei offen auS, daß Rußland ganz andere Erfolge erzielt haben würde, wenn es nicht vor Konstantinopel Halt gemacht, sondern dieses besetzt und als beatua po-oieteu» in die Ver handlungen eingetreten wäre Dieser Schritt hatte Erfolg, die feindselige Stimmung gegen Deulschland beruhigte sich. Der schwache Trost, welcher Rußland in seiner thatsäch- lichen Oberherrlichkeil über Bulgarien geblieben war, sollte nicht lange Vorhalten Fürst Alexander folgte englischen und — wie man in Rußland glaubt — österreichischen Einflüssen; er entzog sich der russischen Suprematie, und eS folgten die Dinge, welche noch in jedermanns Gedächtnis sind. Mag man über die Ge waltakte , welche Rußland in Bulgarien geübt hat oder hat üben lasten, noch so hart urteilen, so fordert doch die Gerech tigkeit, anzuerkennen, daß Rußland allen Grund hat, sich aus- tiefste gekränkt zu fühlen. In der österreichischen und in einem Teile der deutschen Presse wird heute ganz naiv ausge sprochen, daß Österreich aus dem russisch türkischen Kriege „den Löwenanteil davongetragen" habe, daß eS 'n Bosnien eine Stellung einnehme, von welcher auS Konstantinopel weit rascher zu erreichen sei, als von der russischen Grenz«, daß dagegen im Berliner Vertrage kein Wort enthalten sei, welches Rußland zu irgend einer Einflußnahme in den Balkansiaaten berechtige. Man bedenke, welchen Eindruck dies aus das Nationolgesühl der Rusten zu machen geeignet ist. Aber damit noch nicht ge nug. Rußland bescheidel sich in seinem sehr erklärlichen Zorne einstweilen dabei, den Verlaus der Dinge, wie er sich in Bul garien und Ostrumelien gestaltet hat, als vertragswidrig zu be zeichnen; es zieht sich also einfach auf da- formale Recht zu rück. DaS Berliner Kabinett steht ihm in dieser Beziehung wenig stens insofern zur Seite, als es seinerseits die Illegalität der Regierung des Prinzen Ferdinand scharf betont, sich >eder Ein mischung in die bulgarischen Angelegenheiten enthalten und nie die leiseste Sympathie für die dortigen Gegner Rußlands kund gegeben hat. Anders in Österreich. In Wien und Buda Pest ist von den maßgebendsten Staatsmännern nicht nur wiederholt unter schärfster Accentuierung daraus hingewiesen worden, baß Rußland nach dem Wortlaute des Berliner Vertrage- Bulgarien gegenüber kein anderes Recht habe, als irgend eine der Kon greßmächte, es ist sogar von seilen de- Grafen Kalnoky bezüg lich des Prinzen von Loburg eine Sprache geführt worden, die nach russischer Auffassung schon einer Anerkennung seiner Re- gierung nahe kam. Der Prinz von Coburg, sagte Kalnoky, entspreche, was seine Person anlange, dem Berliner Vertrage; auch habe er in Bulgarien eine festere Stellung, als wenn er als der Kandidat irgend einer Macht dort hingegangen wäre; Österreichs Sache sei es nicht, zu untersuchen, ob die Sobranje genau nach der bulgarischen Konstitution zu stände gekom men sei. Unser flüchtiger Rückblick zeigt, daß der bittere Haß der Rusten gegen Österreich psychologisch tief begründet ist. Mag im Berliner Vertrage stehen oder nicht stehen, was da immer Dresden, 1. Februar. Zur Erklärung der politischen Stimmung in Rußland. Diese Stimmung in Rußland ist bekanntlich keine zu zufriedene, ja sie ist Österreich und uns, man könnte sagen mittelbar einem großen Teile Europa- abgeneigt. Wir trennen zunächst von dieser Stimmung deren Folge: die anscheinend und angeblich kriegerische Neigung und Vorbereitung Rußlands. Über diese Erscheinung als etwas Vorhandenes zu sprechen, ist im einzelnen in teressant genug und die Presse läßt eS keinen Tag daran fehlen. Nicht minder interessant jedoch dürfte die psychologische Frage nach dem Grund und der Ent stehung dieser politischen Stimmung, eigentlich Ver stimmung Rußlands sein. Solche Untersuchung führt nicht zum Ausgleich, doch trägt sie dazu bei, den Dingen gerecht zu werden. Die „Schief. Ztg." schil dert jenen Zusammenhang zwischen Ursachen und Wir kungen im ganzen sehr zutreffend: Schon unmittelbar nach unseren Siegen über Frankreich machte sich bei unseren östlichen Nachbarn da» Gefühl geltend, daß daS neuerstandene Deutsche Reich die Großmachtstellung Rußlands verdunkle. Die-Gefühl erzeugte indes in der großen Gesamtheit des RustentumS noch keineswegs eine feindselige Be- sinnung gegen Deutschland. Man gab sich damals der Hoffnung Im Schwarzwald«. Erzählung au- dem Badeleben von G. D. Litchfield. Übersetzt von B. R. (Fortsetzung.) Wolfach, Freudenstadt und PeterSthal waren ihm Namen von vertrautem Klang geworden bild mit humoristischem Mitleid hatte er in dem nahen Griesbach die vielen Damen betrachtet, welche in dem kleinen Bade ihr herrenloses Dasein führen. Selbst daS unwirtliche Hochplateau des Kniebis, auf dem sich Baden von Württemberg fcheidet, hatte er erstiegen Und mit einem Fuß im Großherzogtum, mit dem andern im Königreich stehend, hatte er sich vergebens bemüht, die Alpen zu erblicken, welche der Sage nach von hier oben sichtbar sein sollen. Doch er entdeckte nichts als traurige Nacktheit um sich her, die sich sogar bi» auf die kleinen sechsjährigen Kinder erstreckte, denen er freundlich über da» Haar strich, ihre kleinen Herzen durch blanke Münzen erfreuend. Denn fo gering fein Verständnis für die Schönheit der Landschaft, so lebhaft war sein Interesse für die Eigenart deS sie bewohnenden Volkes. Da war kein Bauernhaus in der Runde, da« sein graue», über- hängendes Schindeldach fast bi» aus die Erde breitete, mit dessen Bewohnern er nicht auf freundlichem Fuße gestanden hätte. Er kannte sie alle, Jung und Alt; er ließ sich von dem gefahrvollen Gewerbe der Männer er- zählen, die in dieser Gegend meist al-Holzfäller ihr Brot verdienen — ein Gewerbe, das ihnen nur zu bald das Mark aus den Knochen nimmt, ihre Glieder krümmt und zusammenzieht und sie, kaum fünfzigjährig, zu verkrüppelten Greisen macht. Er nahm Anteil an ihren bescheidenen Freuden, ihrem kümmerlichen häus lichen Leben und wechselseitiges Vertrauen bahnte die Brücke des Einverständnisses zwischen dem gebrochen deutsch sprechenden Amerikaner und dem schlichten Volke des Schwarzwaldes. Aich unter den Badegästen erfreute er sich allgemeiner Beliebtheit und mit un trüglichem Scharfblick wußte er diejenigen ältern Damen herauSzufinden, deren Bekanntschaft Tante Sarah sich im Geheimen gewünscht hatte. Diese blühte während seine- Aufenthalts auf wie eine Rose. Zwar lauschte er ihren Worten nicht mit der devoten Auf merksamkeit des Grafen, welche sie so einschüchterte, daß die Gedanken ihr entwischten, ehe sie dieselben zu Tage befördern konnte. Oft trieb er sogar seinen Scherz mit der würdigen Dame, indem er sie Tante Sarah anredete (obgleich er nicht im entferntesten mit ihr verwandt war) und darauf bestand, daß sie ihn Ned nennen müsse, was ihr sehr peinlich war. Aber e» ge schah alle- in so liebenswürdiger Weise, daß sie eS nicht zuxückweisen konnte, selbst wenn sie eS gewollt hätte — und da- war durchaus nicht der Fall. Wie steif und ungesellig war eS vor Neds Ankunft ge wesen. Jetzt lebten sie in einem kleinen Wirbel an genehmer, harmloser Zerstreuungen und staunten, wie viele hochgebildete und interressante Elemente in der Badegesellschaft vertreten waren. AuS der Fülle der Gesichter traten ihnen einige näher, die ihnen bei Tisch wenig anziehend erschienen waren und sich unter Neds Einfluß al- höchst liebenswürdig herau-stellteu. wolle, niemand kann e- den Rusten verdenken, wenn sie die Politik Österreich- al- eine gegnerische erachten Niemand wird von ihnen verlangen, daß sie anerkennen, Österreich handle nur im berechtigten eigenen Interesse, wenn eS jever Einflußnahme Rußland- auf die Balkanstaaten entgegenwirke und ihm den Weg zum Bo-porus und zu den Dardanellen nach Möglichkeit verlege. Fragen wir nun, warum sich der Haß Rußlands nicht aus schließlich gegen Österreich richte, warum auch Deutschland an demselben seinen reichen Anteil habe Mit dem Hinwei- auf da- deutsch-österreichische Bündni- ist diese Frage keineswegs erschöpfend beantwortet. Der dem Naturmenschen noch nahe stehende Rüste, der die Dankbarkeit al- die selbstverständlichste der Tugenden, den Undank aber al- schlimmste aller Sünde« betrachtet, kalkuliert einfach wie folgt: wie wir den Deutschen im Jahre 186« Österreich preisgegeben und Ivie wir ihnen 1-70 in Frankreich freie Hand gelosten und ihnen dabei noch gegen Oesterreich den Rücken gedeckt haben, so sind die Deutschen ver pflichtet, un- heute Österreich zu überantworten, damit wir gleich ihnen unsere großen nationalen Ziele erreichen Dazu tritt noch em weiteres. Nach der Auffassung deS russischen Volke- ist Fürst Bi-marck der mächtigste Mann der Welt, Deulschland die ge bietende Macht Europas. Für alles Üble, du- Rußland seit dem letzten Türkentriege erfahren hat, für alle Hindernisse, welch« seinen Bestrebungen in den Weg gelegt werden, ist also Deutsch land verantwortlich. So denkt dir öffentliche Meinung Ruß land-, nicht aber, wie wir hoffen, das Kabinett von St. Peters burg DaS offizielle Rußland wird, nachdem eS über die Politik des Kabinett- von Berlin vollständig aufgeklärt worden ist, dem selben nicht- zur Last legen, woran diese- keinen Anteil hat. E- wird die Tragweite unsere- nur aus Erhaltung de- Frie den- gerichteten Bündnisse« mit Österreich richtig ermessen, e» wird sich auch in richtiger Würdigung der gegenseitigen Macht- verhältniste von der Volksstimmung nicht zu einem abenteuer lichen Kriege fortreißen lasten. Bon d«r russischen Regie rung selbst erwarten wir daher in erster Linie die Beschwich tigung der noch immer gegen Deutschland herrschenden feind seligen Stimmung. Seit Wochen schon zeigen bedeutsame Kund gebungen, daß man in St. Petersburg ernstlich gewillt ist, in diesem Sinne zu wirken. hin, durch einen neuen Türkenkrieg, der die Balkanhalbinsel von der Herrschaft de- Halbmond- befreien und, wenn auch nicht tu de» Besitz, so doch in die Abhängigkeit von Rußland bringen sollte, da- alte politische Übergewicht al-bald wieder herzustellen. So drängte denn die öffentliche Meinung de» Lande» den friedliebenden, von keinerlei politischer Eifersucht er füllten Alexander 11. im Jahre 1877 zum Kriege. Die mili tärischen Vorbereitungen waren mangelhaft, die internationalen Verhältnisse so ungünstig wie möglich In Frankreich und England waren die Reminiszenzen des Krimkrieges noch nicht gänzlich erloschen, die Wiederaufrichtung der alten westmScht- lichen Allianz, deren Zweck die Brechung des russischen Ein flusses im Orient war, lag also keineswegs außerhalb der Mög lichkeit. Bon französischen Sympathien für Rußland war am allerwenigsten die Rede. Frankreich sah sich durch das sogt- , nannte Dreikaiserbündnis von 1872 isoliert, auch hatte rS die großen Dienste, welche Rußland 1870 Preußen-Deutschland ge leistet, noch in schmerzlicher Erinnerung. In England waren die TorieS am Regiment; ihr Premier, Disraeli-Beaconefield, war der glühendste Rustenhaster Vor allem aber stand Öster reich im Wege, daS seine Interessen durch russische Eroberungen auf der Balkanhalbinsel zu allermeist für bedroht erachtete. Gewaltsam über Österreich hinwegzuschreiten, reichte Ruß land- Macht nicht, auch gebot die Klugheit dem Kabinet von St. Petersburg, an dem lockeren Dreikaiserbündnis wenigstens äußerlich sestzuhalten, um der Gefahr völliger Isolierung in Europa zu entgehen. Schon 1876 hatte Rußland durch den Krieg, den eS die Serben gegen die Türken führen ließ, die öffentliche Meinung Österreichs und Ungarns in gewaltige Er regung gebracht. Die großen Organe von Wien und Buda-Pest führten in fulminanten Artikeln die feindseligste Sprache gegen Rußland. Und dies« Stimmung hielt an, auch nachdem Ruß lands Heere bereits aus türkischem Boden standen. Daß der Krieg dennoch lokalisiert blieb, daß Österreich, ohne auch nur sür Rüstungen einen irgend nennenswerten Aufwand zu machen, in abwartender Haltung verharrte, hat die Welt damals aus schließlich der vermittelnden Thätigkeit des beiden Kaiserhöfen befreundeten Berliner Kabinetts und den beruhigenden Ver sicherungen zugeschrieben, welche Fürst Bismarck dem Grasen Andrassy erteilt haben sollte. Das aber war, wie spätere Ent hüllungen gezeigt haben, ein Irrtum In der Zeit zwischen . dem serbischen und dem russisch - türkischen Kriege hatte Fürst Gortschakoff mit dem Vorbehalte, daß das „befreundete" Deutsch land nicht ins Geheimnis gezogen werde, mit dem Grasen Andrassy ein Abkommen erzielt, welches dahin ging, daß nach Bewältigung der Türken Österreich in Bosnien und die Herze gowina einziehen, Rußland dagegen in der Buigarei freie Hand haben sollte. Die Thatsache scheint außer Zweifel, wenn auch speziell über daS seitens Österreichs an Rußland gemachte Zu geständnis nicht- Schriftliches vorliegt. Russischerjeits glaubte man sich mit der einfachen Zusage umsomehr begnügen zu können, als eS bei nur Halbwegs ehrlichem Sinne doch als selbstver ständlich gelten durste, daß, nachdem Rußland den Krieg zum siegreichen Austrage gebracht und den Österreichern, welche die Hand nicht zu rühren brauchten, zwei weit in» Innere der Halbinsel hineinreichende Provinzei; überantwortet Haden würde, Öesterreich der politischen Einflußnahme Rußlands bei Ordnung der bulgarischen Angelegenheiten nicht hinderlich sein werde So führte denn Rußland unter ungeheueren Opfern an Blut und Geld, ungehindert durch Österreich, den Krieg; es der freite die Lhristen vom Türkenjocbe und schloß unter ^dea Mauern von Konstantinopel jenen Frieden von San Stefano, der fast die ganze Osihälste der Halbinsel der russischen Macht sphäre unterwarf. Ganz Europa kam in Aufregung, vor ollem aber bäumte man sich in Wien ergrimmt aus, da der Friedens vertrag bezüglich der Okkupation Bosniens durch Ösierreich nichts enthielt. England rüstete nach Kräften, eS berief indische Trup pen herbei, sandte seine Flotte nach den Dardanellen und stand unmittelbar vor der Kriegserklärung. Aber während in Wien und Pest der Zcitungskrieg am lautesten tobte, kam es unter Anknüpfung an dir früheren Verabredungen zu Verhandlungen zwischen Gortschakoff und Andrassy, und beide einigten sich da hin, die Berufung eines Kongresses nach Berlin zu beantragen. Auf diesem im Frühjahr 1878 tagenden Kongresse führte Fürst Bi-marck zwar den Vorsitz, aber einen bestimmenden Einfluß aus die Abmachungen hat er nicht geübt. Seine Rolle ging in der That über die eine- „ehrlichen Makler-" nicht hinaus. In der Hauptsache war ja alles vorher abgemacht: England, das immer seine Beute einzuheimsen weiß, wenn die Völker des Kontinents ihr Blut vergießen, hatte seinen Schützlingen, den von Rußland niedergeworfenen Türken, die Insel Cypern bereit» abgepreßt, und Österreich war bezüglich Bosniens mit Rußland im Reinen Nur eine Nebensrage blieb noch zu ordnen: was sollte Rußland zu Teil werden, das den Krieg siegreich geführt, daS die Balkanvölker befreit hatte? Der Frieden von San Stefano ward gründlich revidiert; an Stelle eines südwärts bis zum Me-re reichenden Großbul- garien» wurde ein kleines Bulgarien geschaffen, welches nur bis an den Fuß deS Balkan hinanreichte. Die Pässe des letzteren wurden der neugeschaffenen autonomen türkischen Provinz Ost rumelien eingesügt. Der schmale Landstreisen Bessarabien, wel chen Rumänien, das an Rußlands Seite siegreich gegen die Türken gekämpft hatte, an seinen Bundesgenossen abtreten mußte,
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