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32. Jahrs-vg. Somabcnd, de» 26. Miliz. Erscheint jeden Wochentag Wend« 6 Uhr für dm andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. u. etnmovatl. 75 Pf. BeMFiyeistE und TagMM. Amtsblatt für dir königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur Iuliu« Brauu iu Freiberg. Inserate werden bis BormittagS 11 Uhr angmom- M mm und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile 1 oder deren Raum 15 Pfennige. Abonnements uns de« nntt für die Monate April, Mai mW Juni «erde« do« sSnuutltcheu Postanstaltev wie von der Unterzeichneten Expedition nnd de« bekannte« «vS- gabestellev 1« Freiberg, Brand, Laagena«, Halsbrücke, LaugheuuerSdorf ««- Weitzeabor« zvm Preise Vov 2 Ml. 25 Pf. augeaommeo. LxpsüNIon ttv8 „frvibsrgsr ^nrsigvr untt IsgvblkM". Die parlamentarischen Chancen des UnfaU- gesehes. Da der Entwurf, betr. die Arbciterunfallversicherung, an einem der nächsten Tage im Plenum des Reichstags zur ersten Lesung kommen wird, so liegt es nahe, die par lamentarischen Chancen der Vorlage in Erwägung zu ziehen. Zwar wird die erste Lesung zweifellos mit einer Ueberweisung des Entwurfs an eine Kommission zur Vor- berathung endigen und es ist unmöglich abzusehen, was demnächst aus der Kommissionsberathung hervorgehen wird. Aber gerade deshalb ist es von besonderem In teresse, die Stellung der parlamentarischen Parteien zu dem Gesetzentwürfe einer Betrachtung zu unterziehen, um so mehr, da es jetzt schon als selbstverständlich angesehen werden darf, daß die Vorlage, so wie sie ist, überhaupt keine Chancen hat. Dieselbe wird eben nur als Aus gangspunkt für die gründlicheren Arbeiten der Reichstags kommission dienen. Ein konservativer Abgeordneter soll gesagt haben, „er wisse eigentlich Niemanden, der für das Gesetz sei, aber auch nicht Viele, die Lust hätten, sich gegen dasselbe aus- zusprcchen". Das stimmt, wenn vielleicht auch nicht ganz so wie der konservative Abgeordnete es sich gedacht hat. Für das Gesetz ist „eigentlich Niemand", weil dasselbe trotz Baare und Volkswirthschaftsrath so sehr den Stempel des Dilettantenhaften an sich trägt, daß selbst der begei stertste Anhänger Bismarcks Anstand nehmen muß, die Vorlage ohne tiefgreifende Modifikationen gut zu heißen. Freilich wird der Konservative sich die Verbesserungen des Gesetzentwurfes anders denken wie der Nationalliberale oder Zentrumsmann. Uebereinstimmung herrscht demnach vorläufig nur in der Uebcrzeugung, daß die Vorlage, so wie sie ist, unannehmbar sei. Wenn der konservative Ab geordnete daher sagt, daß er nicht Viele wisse, die Lust hätten, sich gegen das Gesetz auszusprechen, so ist das entschieden nur insofern richtig, als alle Welt anerkennen muß, daß die angebliche Tendenz der Vorlage, nämlich die Sicherstellung des Arbeiters vor Noth und Sorge infolge von Unfällen bei seiner gewerbsmäßigen Thätigkeit, eine unbedingt gute ist- Da es sich bei der Vorlage jedoch in der Hauptsache darum handelt, wie dieser Zweck zu erreichen sei und da nur über das „Wie" weitgehende prinzipielle Meinungsver schiedenheiten herrschen, so wüßten wir nicht, was die Gegner der Regierungsvorlage zu scheuen hätten, ihre Gegnerschaft offenherzig zu bekennen und durch Gegen anträge thatsächlich zu beweisen. Es ist eben keine Partei frage, um die es sich handelt, oder es sollte doch keine Partcifrage in dem gewöhnlichen Sinne sein, denn die Sache ist viel zu ernster Natur, um zum bloßen Wechsel spiel der Parteien benutzt zu werden. Die Frage hat in der That „eine Bedeutung, welche allen Parteien gebiete risch die Aufgabe stellt, eine Entscheidung herbeizuführen, welche aus einem äußerst flüchtig entworfenen Plan ein haltbares, unser ganzes Erwerbsleben tiefberührendes Ge- etz zu konstruiren vermag". Wie stellen sich also die Parteien zu der Regierungsvorlage und wie zu der wich tigen Frage der Unfallversicherung überhaupt? Die Regierungsvorlage hat, wie gesagt, auf keiner Seite Freunde. Was nun aber die Ansichten anbclangt, wie die Regierungsvorlage fruktifizirt werden muß, so ind augenscheinlich drei Gruppen zu unterscheiden. Wenn wir links beginnen, so finden wir zunächst, daß Fort- chrittspartei und Sezessionisten die Regierungsvor- agc entschieden ablehnen und zwar einerseits, weil der Geist der Vorlage keineswegs ein gerechter ist und anderer- cits aus schwerwiegenden politischen Bedenken, welche sich aus dem obligatorischen Charakter der Versicherungspflicht ergeben. Die entschiedene Linke ist somit der Ansicht, daß )er Entwurf mit seinen Wagnissen und seiner übereilten Unfertigkeit selbst durch eine gründliche Umarbeitung nicht lebensfähig zu machen ist; sic ist der Ansicht, daß die Arbeiter sich bei einem vervollständigten Haftpflichtgcsetzc icdcutend besser stehen werden. Die Fortschrittspartei ist denn auch schon dabei, einen Entwurf über die Abände rung des Haftpsiichtgcsetzes auszuarbeitcn, um denselben als Gcgenentwurf zu dem Unfavgcfetz im Reichstage ein zubringen. Die genannten beiden Parteien werden eventuell sich an der Umarbeitung der Regierungsvorlage durch Verbesserungsanträgc bctheiligcn, um schließlich gegen das ganze Gesetz zu stimmen, wenn es ihnen nicht gelingt, die schwerwiegenden Bedenklichkeiten, an welchen sie Anstoß nehmen, aus demselben zu entfernen. Was die nationalliberale Partei anbelangt, so hat ein vorläufiger Meinungsaustausch in ihren letzten Sitzungen ergeben, daß in der Fraktion von keiner Seite ein prinzipieller Widerspruch gegen die Vorlage erhoben wird, man vielmehr allgemein der Ansicht ist, daß auf der von der Regierung gegebenen Grundlage etwas Brauch bares zu Stande gebracht und damit den allbekannten Mängeln des Haftpflichtgcsctzes abgeholfen werden könne. Die Fraktion ist der Ansicht, daß eine gründliche Ab stellung der bestehenden Uebclstände nicht durch eine Reform des Haftpflichtgcsctzes, sondern durch einen allge meinen Zwang zur Unfallversicherung für die in Rede stehenden Betriebe zu erreichen sei. Wenn die Gesetz gebung den Versicherungszwang aussprcche, müsse sic jedoch zugleich Fürsorge treffen, daß der Versicherungspflicht unter voller Garantie genügt werden kann. Die national liberale Partei ist event. bereit, diese Garantie in einer Reichsversicherungsanstalt zu suchen. Gegen den Vorschlag einer Staatshilse, wie ihn der Entwurf enthält, hat die Fraktion im Uebrigen sehr große Bedenken, indessen „weniger prinzipieller, als praktischer Natur". Schließ lich haben die Freunde des Herrn von Bennigsen auch noch erhebliche Bedenken konstitutioneller Art, hoffen aber, auf alle Fälle „etwas Brauchbares" zu Stande zu bringen. Das Zentrum hat der Vorlage gegenüber, getreu seiner altbewährten Taktik, noch keine Stellung einge nommen. Die allgemeine Haltung der Ultramontanen gegenüber der Vorlage ist jedoch eine dieser nicht abge neigte. Dagegen bleibt zu berücksichtigen, daß das Zentrum noch stets für eine Verschärfung und Ausdehnung der Haftpflicht eingetreten ist, das Zentrum kann demnach logischerweise unmöglich sich prinzipiell gegen den Haft pflichtantrag der Fortschrittspartei erklären. Wie auch immer, erscheint uns das Zentrum dieses Mal nicht in dem Sinne als ausschlaggebende Fraktion, wie dies bei vielen anderen Gelegenheiten der Fall war. Die Entscheidung liegt unseres Erachtens vielmehr bei den konservativen Parteien, d. h. die Entscheidung wird von dem Willen rcsp. der Nachgiebigkeit des Fürsten Bismarck abhängen. Da nun aber Fürst Bismarck, wie bestimmt verlautet, keineswegs zu mehr als nebensächlichen Konzessionen sich bereit finden lassen wird, so will es uns bedünken, daß der Unfallgcsetzentwurf, wie das schon früher geäußert wurde, thatsächlich dazu bestimmt ist, event. die Auflösung des Reichstages herbeizuführen. — Das sind, soweit sich bis jetzt übersehen läßt, die parla mentarischen Chancen des Gesetzentwurfes betreffend die Arbcitcr-Unfall-Versicherung. Tagesschau. Freiberg, 25. März. Kaiser Wilhelm hat folgenden Erlaß an den Reichs kanzler gerichtet: „Durch die Gnade der göttlichen Vorsehung ist es mir vergönnt, ein neues Lebensjahr anzutreten und da bei von Neuem der Treue und Thcilnahme inne zu werden, mit welcher an meinem Geburtsfeste mir durch Adressen von Gemeinden, Korporationen, sowie durch telegraphische Zurufe von Vereinen, Festgenossenschaften und Einsendung von Dichtungen, Blumen, wie Spenden aller Art und sonstige Widmungen von nah und fern Beweise der Liebe und Anhänglichkeit gegeben worden sind. Wiewohl meine lieben Deutschen sich daran ge wöhnt haben, bei allen Ereignissen in meiner Famiue, wie erst kürzlich wieder bei der Vermählung meines thcurcn Enkels, durch Glück- und Segenswünsche mir ihre patriotische Sympathie zu bezeigen, so bin ich doch bei dieser Geburtstagsfeier durch die Fülle der Hul digungen ganz besonders überrascht worden. Es ist mir ein wahres Hcrzensbcdürfniß, meiner lebhaften Befriedigung darüber Worte zu leihen und zu versichern, daß dadurch die Stimmung meines Gemüthes an diesem, in die Zeit tiefer Trauer über den jähen Verlust meines treuesten Freundes und Verwandten fallenden Geburts tage wesentlich gehoben und erheitert worden ist. Ich beauftrage Sie durch Veröffentlichung dieses Erlasses Allen, welche mir Glück gewünscht haben, meinen tief empfundenen Dank zu übermitteln." Im Reichstage verlas gestern Präsident v. Goßler folgendes kaiserliches Schreiben: „Der Gcsammtvorstand des Reichstags hat mich durch die Glück- uno Segens wünsche, welche mir zu meinem Geburtstage von ihm Namens des Reichstags ausgesprochen wurden, in hohem Grade erfreut. Ich danke demselben für diese Aufmerk samkeit aus vollem, warmem Herzen, welches in tiefge fühlter Erkenntlichkeit zum Höchsten sich erhebt, der mir vergönnte, das deutsche Vaterland zur Einheit und zu hohen Ehren gebracht zu sehen. Möge Gott auch ferner Deutschland in seinen allmächtigen Schutz nehmen! Wilhelm." Der Reichstag trat hierauf m die fortgesetzte Berathung über die Frage, ob zu den Kosten für den Zollanschluß Altonas die Zustimmung des Reichstags erforderlich sei. Der Abg. v. Kardorff befiirwortet den Antrag auf moti- virte Tagesordnung. Abg. Lasker hält nach der histo rischen Entwickelung des Zollvereins, sowie nach der vom Bundesrath selbst adoptirten Auslegung der Verfassung die Zustimmung des Reichstags zu den Zollanschluß- kostcn Altonas für unumgänglich. Abg. v. Hclldorff be fürwortet den Antrag der Konservativen, die Erwartung auszusprcchen, daß das verfassungsmäßige Zusammen wirken des Bundcsr ths und des Reichstags auch betreffs des Aufwandes für die bestehenden Hauptzollämter zur Durchführung gelange. Finanzminister Bitter konstattrt, daß zwischen ihm und dem Rcichsschatzsckrctär niemals eine Differenz bezüglich des Zollanschlusscs bestand. Das Votum des Hauses werde der Bundesrath übrigens jeden falls in ernste Erwägung nehmen. Abg. Hänel befür wortet den Antrag der Budgetkommission. Staatssekretär Schelling führt aus, der Bundesrath habe in den Haupt punkten, unbeschadet von Abweichungen in Nebenftaaen, immer den gegenwärtigen Standpunkt eingchalten. Abg. Windthorst ist für den Antrag der Budgetkommission, welcher der Praxis des Hauses entspreche und keine Kon fliktsgefahr enthalte. Abg. v. Kardorff zieht seine bean tragte motivirte Tagesordnung zurück. Der Reichstag genehmigte schließlich in dritter Lesung nach längerer Debatte bei Namensabstimmung mit 183 gegen 45 Stimmen den Antrag der Budgetkommission,