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WWMWss UM Erscheint jeden Wochentag nachmittags. — Fernsprecher Nr. II und 28. — Postscheckkonto Leipzig 23464. — Bankkonien: Stadtbank (Konto 2314), Dresdner Bank Zweigniederlassung Hohenstein-Ernstthal, Commerz- und Privat-Bank Zweigstelle Hohenstein-Ernstthal. — Unverlangt eingesandte Manuskripte werden nicht zurückgeschickt. — Einsendungen ohne Namens nennung finden keine Aufnahme UN-MkM Bei Klagen, Konkursen, Vergleichen usw. wird der Brutto betrag in Rechnung gestellt. Im Falle höherer Gewalt — Krieg oder sonstiger Störung des Betriebes der Zeitung, der Lieferanten oder der BeförderungSeinrichtungen — hat der Bezieher keinen Anspruch aus Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rückzahlung des Bezugspreises. — Erfüllungsort und Gerichtsstand: Hohenstein-Ernstthal. Hohenstein-Ernstthaler Zeitung, Nachrichten und Neueste Nachrichten Generalanzeiger für Hohenstein-Ernstthal mit Hüttengrund, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Rüsdorf, Langenberg, Meinsdorf, Falken, Langenchursdorf, Reichen bach, Callenberg, Grumbach, Tirschheim, Kuhschnappel, St. Egidien, Müstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Pleißa und Rüßdorf. Dieses Blatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen des Stadtrats behörd licherseits bestimmte Blatt. Außerdem veröffentlicht es die Bekanntmachungen des Amtsgericht- und des Finanzamts Hohenstein-Ernstthal sowie der Behörden der umliegenden Ortschaften. Druck und Verlag von Dr. Alban Frisch. Nr. 174 Die 46 mm breite MMtmctcneile kostet tm Anzeigenteil 8 Pla., die 73 min breite Millimetcrzcilc im Ncklamctcil 21 Pfa. NachlaMasscl -V. Nachweis 2ö Ncichsvlennige. Sonnabend, den 28. Juli 1934 Bezugspreis balbmonatlich 86 Ncichsvlennige cinschlieklich Tröacrlobn. 84. gahrg. Darstellung der Wiener Vorgänge Eine Erklärung des Gesandten Dr. Rieth „Ich habe nicht als bevollmächtigter Gesandter, sondern als Mensch gehandelt!" AHerreichisOe Flüchtlinge an der deutschen Grenze verhaftet Berlin, 27. Juli Zu den Vorgängen in Wien gibt der nach Deutschland zurückgekehrte bisherige deutsche Ge sandte in Wien, Dr. Rieth, folgende authen tische Erklärung ab: Es sind über meine Intentionen bei den Er eignissen, die sich im Bundeskanzleramt in Wien abgespielt haben, in Österreich und im übrigen Ausland so verschiedenartige Meldungen sowie Vermutungen über meine diesbezüglichen Be weggründe geäußert worden, daß ich mich ver anlaßt sehe, rein sachlich die Ereignisse darzustel- len, wie sie sich tatsächlich abgespielt haben. Wie bekannt, hatte die in das Vundeskanzler- amt eingcdrungene Truppe, nachdem Herr Dov- fuß verwundet worden war und drei weitere Mitglieder der Negierung sowie etwa 180 Be amte gcsangcn gehalten wurden, gedroht, daß diese Gefangenen erschossen würden, wenn die das Gebäude umlagernden Truppen und Schutzkorpsmannschaste» dasselbe angreisen sollten. Nach mehreren Stunden,, während de rer von Regierungsscite mit der einzedrungcncn Truppe verhandelt worden war, stellte Minister Neustädter-Stürmer, der den Befehl außerhalb des Gebäudes führte, ein kurzsristigcsUlti- matum, nach dessen Ablauf der Angriff aus das Bundeskanzleramt erfolgen würde. Knapp vor Ablauf dieser Frist wurde ich aus dem Bundeskanzleramt von dem Befehlshaber der eingedrungenen Truppe, der sich als Haupt mann Friedrich vorstellte, telephonisch angerusen. Er teilte mir mit, daß eine Vereinbarung mit den Regierungsvcrtretern abge schlossen worden sei, laut der, um keine Menschen leben mehr zu opsern, die gesamte Truppe, der die österreichische Staatsangehörigkeit bereits ab erkannt worden sei, mit zugesichcrtem, freien Ge leit, unter militärischer Bedeckung aus Österreich abtransportiert und an eine Grenze gebracht werden müsse, für die sie die deutsche gewählt hätte. Friedrich fügte hinzu, daß die Ausfüh rung des Abkommens noch deswegen unmöglich sei, weil seine Leute fürchteten, aus der Fahrt oder vorher niedergcmacht zu werden. Infolge dessen bat mich Friedrich, daß ich mir die Zusage des freien Geleits für den Abtransport von dem zuständigen Minister bestätigen ließe. Ich habe dies zunächst nicht zugesagt und er klärt, daß ich mit den gesamten Vorfällen nicht das Gering st e zu tun habe und mich nicht damit befassen könne. Daraus bestätigte Herr Fey, einer der im Bundeskanzleramt gefangen gehaltenen Minister, mir telephonisch die getrof fene Abmachung und wiederholte seinerseits die bereits von Friedrich vorgebrachte Bitte, daß ich sofort vor das Bundeskanzleramt kommen und mir die von dem dort Befehl führenden Minister Neustädter-Stürmer getroffene Abmachung be stätigen lasse, weil hiervon die Durchführung der selben abhänge. Da bis zum Ablauf des gestellten Ultima tums nur noch wenige Minuten übrig blieben und nach den mir übereinstimmend abgegebenen Er klärungen eine friedliche Lösung nur möglich sei, wenn ich dem an mich gerichteten Ersuchen stattgäbe, habe ich Minister Neustädter-Stürmer aufgesucht. Zu Beginn dieser Unterredung teilte mir dieser mit, daß Herr Dollfuß tot sei. So dann bestätigte der Minister mir den Inhalt der getroffenen Vereinbarung und das zugesicherte freie Geleit für die gesamte im Gebäude befind liche bewaffnete Truppe. Die gleiche Bestäti gung erhielt ich von dem ebenfalls anwesenden Minister Fey. Ich habe hierzu keinerlei Zustimmung oder sonstige Erklärung gegeben, jedoch betont, daß, wenn ich diese Mitteilung aus den erwähnten Gründen entgegennehme, ich dies nur persönlich tue. Der noch in dem belagerten Gebäude einge schlossene Staatssekretär Karwinsky ließ mich dar aufhin zu einer Unterredung am Fenster dieses Gebäudes bitten. Herr Minister Neustädter-Stür mer, den ich um seine Stellungnahme hierzu be fragte, erwiderte, er wolle dazu nicht Stellung nehmen und dies meinem Ermessen überlassen. Darauf habe ich die Unterredung abgelehnt. Berlin, 27. Juli Amtlich wird mitgeteilt: Im Anschluß an das von dem Herrn Reichs kanzler an den Vizekanzler von Papen gerichtete Schreiben vom 26. Juli 1934 hat sich der Herr Reichspräsident einverstanden erklärt, den Vize kanzler von seinem Amt als Stellvertreter dcs Ncichskanzlcrs und als Saarbeauftragtcr zu ent binden, um ihn mit der vom Reichskanzler vor- geschlagencn wichtigen Aufgabe eines Gesand ten in befristeter Son der Mission in Wien zu betrauen. Das Agreement für Herrn von Papen wurde heute in Wien nach gesucht. Wien, 27. Juli Zu de» in ausländischen journa listischen Kreisen geflissentlich verbreite ten Gerüchten, daß die österreichische Regierung zwar der Ernennung des Vizekanzlers von Papen zum deutschen Gesandten in Wien ihre Zustim mung erteilen, jedoch hieran den Wunsch nach gewissen Sicherheiten knüpfen werde, wird dem Deutschen Nachrichtenbüro von ossizieller Seite erklärt, daß bisher bei der österreichischen Regierung der übliche diplomatische Antrag der deutschen Negierung aus Gewährung des Agree ments noch nicht etngegangen sei und daß daher selbstverständlich für die österreichische Regierung keinerlei Möglichkeit vorliege, zu dem Plan der Entsendung des Vizekanzlers von Papen nach Wien Stellung zu nehmen. Die öster reichische Regierung hat daher bisher noch keine Erklärung in irgendeiner Richtung abgegeben. Die Regierung hat lediglich von dem durch das Deutsche Nachrichtenbüro verbreiteten Schreiben des deutschen Reichskanzlers an Vizekanzler von Papen mit großer Genugtuung Kennt nis genommen. Als ich im Begriff war, mein Auto zur Weg- sahrt zu besteigen, wurde ich von herbeieilenden Polizeioffizieren dringend ersucht, noch zu ver weilen, weil Herr Staatssekretär Karwinsky selbst aus dem Gebäude zu mir herauskomme. Dieser schritt eilig auf mich zu und bat mich, mit ihm und dem ebenfalls hinzugekommenen Mini ster Fey zu einem Tor des Bundeskanzleramtes zu gehen, um Hauptmann Friedrich mitzuteilen, daß die Minister mir das Abkommen bestätigt hätten. In der Begleitung der beiden Minister begab ich mich dorthin und teilte dieses dem in einem Torspalt sichtbar werdenden Hauptmann Friedrich mit, worauf ich den Platz verließ. Aus dieser Schilderung der stattgehabten Vor gänge geht zunächst hervor, daß ich nicht, wie be hauptet worden ist, eine Vermittlungsattion eingeleitet oder mich daran beteiligt habe, son dern daß ich lediglich die Mitteilung einer be- Rom, 27. Juli In den Artikeln von Gayda im „Giornale d'Jtalia", von Forges in der „Tribuna" und von Easini, dem Direktor des „Lnvoro Fascista" findet sich am Freitag abend der Beginn einer etwas ruhigeren Sprache und ruhigen Betrach tung der Dinge. Gayda erklärt, daß die Er nennung von Papen's zum Sondergesandten trotz des demonstrativen Briefes des Reichs kanzlers Hitler in Italien nachdenklich mache. Diese Ernennung sehe so aus, als solle in der deutschen Gesandtschaft zu Wien ein hoher Kommissar eingesetzt werden. Der Ver fasser des Artikels führt gerade diesen seinen Gedanken mit unmöglichen Unterstellungen und Vergleichen besonders liebevoll aus und beweist damit nicht nur, wie geschickt und richtig er diese Maßnahme vom deutschen Standpunkt aus aner kennen muß, sondern auch, wie unangenehm es ihm zu sein scheint, wenn eine Entspannung zwischen dem Reich und S st erreich im Interesse des deutschen Volkes diesseits und jen seits der Reichsregierung angebahnt wird. Paris, 27. Juli Die Ernennung von Papen's zum Sonder gesandten des Reiches in Wien hat offenbar die Pariser Presse bis zur ohnmächtigen Wut aufgestachelt. Die gesamte Abendpresse bezeich net diese Ernennung als einen Schachzug, durch den sich die Weltöffentlichkeit nicht täuschen lassen werde; trotzdem klingt gerade durch die gehässigsten Kommentare der Respekt vor dieser Maßnahme des Führers durch. London, 27. Juli Dio durch den Reichskanzler erfolgte Er nennung Herrn von Papen's zum Gesandten in Wien erregt überall das größte Aufsehen und wird allgemein als V e r s ö h n u n g s s ch r i t t des Reichskanzlers gegenüber Österreich gewertet. reits stattgehabten Vereinbarung gewissermaßen als Zeuge entgegengenommen habe, ohne mich dazu zu äußern. Es erhellt ferner, daß ich auch nicht auf Veranlassung der in das Bundes kanzleramt eingedrungenen Truppe gehandelt habe, sondern daß ich nur im Einvernehmen mit dem mir zum Ausdruck gebrachten Wunsche österreichischer Regierungsmitglieder vorgegan gen bin. Es ist schließlich klar — dies betone ich be sonders —, daß ich mich zu dem beschriebenen Schritt nur entschlossen habe, um noch in letzter Minute, als der militärische Angriff auf das Ge bäude des Bundeskanzleramtes beginnen sollte, dazu beizutrngen, das dann unvermeid liche Blutvergießen, nicht zum mindesten unter den zahlreichen im Gebäude gefangenen österreichischen Ministern und Beamten, zu verhindern. Alle weiteren Kombinationen politische« Art, die an den von mir unternommenen Schritt ge knüpft worden sind, werden auch durch die in folge obiger Darstellung sinnfällig zutage tre tende Tatsache hinfällig, daß — wie ich dies immer wieder betont habe — ich nicht als bevoll mächtigter Gesandter, sondern nur als Mensch gehandelt habe, der geglaubt hat, dazu beitragen zu müssen, vielleicht zahl reiche Menschenleben zu retten, als er darum gebeten wurde, wie dies übrigens auch — wie mir erst nachträglich bekannt wurde — dem letz ten Wunsche entsprach, den Bundeskanzler Dr. Dollfuß vor seinem Hinscheiden zum Ausdruck krachte. Infolgedessen trage ich auch allein die Verantwortung für das, was ich getan habe. Ich stelle auch fest, daß die Erklärungen der drei Negicrungsmitglieder über das freie Geleit mir gegenüber abgegeben wurden, nachdem sie mir bereits das Hinscheiden des Bundeskanzlers Dollfuß mitgetcilt hatten, daß also diese Zusage in voller Kenntnis dieses traurigen Ereignisses gegeben worden ist. Berlin, 25. Juki 1934. Rieth. * Passau, 27. Juli Aus der Gegend von Kollerschlag versuchten österreichische Flüchtlinge die deutsche Grenze zu erreichen. Hierbei entwickelte sich eine Schie ßerei mit schwer bewaffneten Heimwehrhau- fen. Acht Flüchtlinge erreichten, teilweise ver, mundet, die deutsche Grenze, wobei sie drei öster reichische Zollbeamte, die sich ihnen in den Weg stellten, überwältigten und sie über die Grenze schleppten. Die deutsche Grenzpolizei erschien sofort an Ort und Stelle und verhaftete di« österreichischen Flüchtlinge. Die österreichischen Beamten wurden den österreichi schen Grenzbehörden übergeben. Versöhnungsschritt zur Entspannung der Lage Ate Mission des Vizekanzlers von Papen Eine österreichische Erklärung — Die Nuslandspresse zu seiner Ernennung znm Gesandten in Wien 's