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SliMjmM TagMM und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 27. Februar 188« 48 Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 M». SV Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. ^Waldenburg, 26. Februar 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Reichskanzler wollte bei Bedachung des Reichskanzlern»,ts-Elals im Reichstage anwesend sein, er war aber krankheitshalber dazu nicht im Stande, er ist am Gehen gehindert, was vielleicht noch die ganze Woche dauern wird. , . , Dem Bundesrathe ist vom Reichskanzler cm Entwurf und eine Anweisung, betreffend den Zweck der Einziehung der Gerichlskoste» und den unter den Bundesstaaten zu leistenden Beistand nebst Denkschrift vorgelegt worden. Das Wuchergesetz, welches wahrscheinlich noch im Laufe dieser Session an Bundesrath und Reichs tag gelangen wird, soll, wie wir schon erwähnten, auch civilrechtliche Bestimmungen umfassen. Angeb lich hat der Bericht des Oberpräsidenten von Schle sien über den Nolhstand in Obcrschlesien den An stoß dazu gegeben, daß der civilrechtlichen Seite der Wucherfrage wieder näher getreten wurde. Daß der Finanzminister bei Berathung der Nolhstands- vorlage wiederholt die Wnchererscheinunge» betonte, ist erinnerlich. Der Entwurf des neuen Gesetzes soll im Reichsjustizamt ausgearbeitet sein. Das preußische Justizministerium hat sich demselben an- geschlossen, doch sind von preußischer Seite einzelne Modifikationen beantragt, welche die Vorlegung an den Bundesrath bisher verzögert haben. Nach Miltheilungen aus Rom sind die Verhand lungen zwischen Preußen und Rom beendet, ohne daß ein anderes Resultat als die Ueberzeu- gung erzielt morden, daß eine Vereinbarung auf diplomatischem Wege nicht zu erreichen ist. Nachdem man sich hierüber klar geworden ist, gedenkt Preu ßen auf Grund der gewonnenen Kenntmß die Ord nung seiner kirchlichen Angelegenheiten - was es ja auch sonst immer gethan hat — selbständig durch zusühren. Der Vatican nimmt an (was uns noch zweifelhaft erscheint), daß das Berliner Ministerium den Kammern in der Sommersitzung bezügliche Vor lagen machen werde. Er hätte die diplomatische Durchführung der Verhandlungen lieber gesehen, glaubt aber auch so der Beendigung des Conflicts näher zu rücken. Die ministerielle „Provinzialcorrespondenz" be handelt in einem Artikel über den neuen Mordan schlag gegen das Leben des Czaren in kurzer Darstellung die gesammte Regierungsgeschichte des Kaisers Alexander. Das halbamtliche Blatt kommt in einer Aufzählung der verschiedenen Phasen der Regierungsthätigkeit dieses Monarchen zu folgen dem fehl bemerkenswerthen Urtheil über den Pan- slavismus: Die Idee des Panslavismus wurde zu einem Erregungsmittel der Volksleidenschaft. Die russische Nation schien sich in sich zu einigen, indem sie alle andern Gegensätze auslöschte und den einen gegen die fremde Cultur verschärfte. Auch in den Kreisen des Radikalismus übte diese Veränderung ihren Einfluß. Diese Kreise versöhnten sich zwar nicht um der panslavistischen Idee willen mit dem Staat, aber sie warfen aus den radikalen Ideen, sie beibehieltcn, jedes ideale Element heraus, nahmen aus West-Europa nur noch den Materialis- mus einzelner Schulen ohne deren wissenschaftliche Orunotegung an und erhoben die Entfesselung der Natur, für welche es fortan keine einzige Schranke mehr geben sollte, zum praktischen Ziel. Seit 1877 haben die revolutionären Kräfte in Rußland das verderbliche Spiel in einer entsetzlichen Weise wie me zuvor begonnen. Die Panslavisten suchen die Gemüther des Volks für einen Kampf nach Außen zu erhitzen, während die Nihilisten in ruchlosen An schlägen gegen das Leben des Monarchen ihrem Durst nach Zerstörung und Verwirrung eine frevel hafte Genugtyuung bereiten. Nach einer Zusammenstellung des „Frankf. Actio- närs" sind nur allein während des vorigen Jahres im deutschen Reich von Staaten, Städten, Bahnen und Banken 742 Mill. Mark an öffentlichen An lehen gekündigt worden, um den Zinsfuß her unter zu setzen. Bei der großen Mehrheit han delt sich's um eine Herabsetzung um Procent. Ungarn. Nach einer Meldung der Wiener „Presse" ist von dem Finanzminister Szapary für Szegedin und die Theißregulirung mit der Creditanstalts gruppe ein vereinbartes Anlehen per 40 Millionen Fl. effectiv erzielt worden; dasselbe ist vierprocentig. Außerdem sind 2 Proc. für Treffer reservirt wor den. Der Haupttreffer beziffert sich auf 100,000 Fl. Frankreich« Der russische Botschafter in Paris hat Schrift stücke vorgelegt, welche die Identität der Schuld des verhafteten Russen Hartmann beweisen sollen. Es handelt sich nämlich um die Auslieferung des Verhafteten. Rußland. Die „Norddeutsche" schreibt: Daß es unter den russischen Verschwörern an Leuten von vorneh mer Geburt und von Vermögen nicht fehlt, ist That- sache; bis jetzt ist aber noch kein einziger Beamter oder Militär der Theilnahme an diesen Umtrieben überwiesen worden. Dessen bedarf es aber auch gar nicht: die ungeheure Zahl verlodderter, am Rande des wirthschastlichen Ruins stehender Existenzen in Rußland, die Unzuverlässigkeit, Bestechlichkeit und Leichtfertigkeit der Beamten und die ui den höheren Lehranstalten des Reichs herrschende moralische Ver wilderung sind völlig ausreichend, um die abscheu lichen Vorgänge zu erklären. Türkei. Sawas Pascha theilte den griechischen Bevoll mächtigten die neue» Vorschläge der Pforte bezüg lich der Grenzlinie mit. Danach soll dieselbe ihre Ausgangspunkte bei Theben am Aegäischen Meere und bei Anino am Jonischen Meere haben. Die Feststellung der Zwischenpunkte bleibt den beiden verhandelnden Parteien überlassen. Die Attentatsmanie greift immer weiter um sich. Die Polizei in Constantinopel saisirte bei einem Individuum, das sich Papadopulos nennt und unter britischem Schutz zu stehen vorgiebt, eine Bomben- und Höllenmaschine. Man vermuthet, daß ein At tentat aus den Sultan beabsichtigt war. Mehrere Personen sind compromitlirt, die Untersuchung ist bereits eingeleitet. Aus dem Muldenthale. ^Waldenburg, 26. Februar. (Verhaftet) wurde heute Vormittag in h esiger Garküche ein steckbrief lich verfolgter Vagabund, welcher im Verdacht steht, mehrere Diebstähle verübt zu haben. — Für die Amtshauptmannschaft in Glauchau ist die Erwerbung eines eignen Grundstückes in Aussicht genommen. Die Finanzdeputation hat in der Ersten sächsischen Kammer darüber Bericht er stattet. Die Deputation hält zwar den Wunsch der Regierung, für die genannte Behörde ein eigenes Grundstück zu besitzen, für begründet, findet aber den für das in Frage kommende Grundstück gefor derten Preis von 65,000 Mk. nicht dem Zeitwerth entsprechend und weist darauf hin, daß nach An sicht Wohlunterrichteter in Glauchau gegenwärtig eine Anzahl Grundstücke verkäuflich sei, die sich zu gedachtem Zweck eignen und billiger zu haben sein würden. Sie beantragt daher, zur Erwerbung eines Grundstücks für die Amtshauptmaunschaft ein Be rechnungsgeld von 60,000 Mk. zu bewilligen. — In Glauchau wird morgen am Bußtage abends 6 Uhr wieder eine Motette stattfinden. In der selben werden Herr Seminaroberlehrer Reichardt von hier (Orgel) und Hr. Concertmeister Uhlemann von Glauchau (Violinso i) mitwirken. Frau Thiele und Frau Wieck von Glauchau sind bei einem Terzett betheiligt. — Im I. Brückenbergschachte zu Zwickau ist am 24. d. abends der Bergarbeiter Gottlieb Friedrich Fuchs von Zwickau, verheirathet und Vater von 2 Kindern, durch schlagende Wetter verunglückt. An seinem Aufkommen wird gezweifelt. Aus dem SachferrLande. — Die Zweite Kammer erledigte am 25. d. eine ganze Anzahl von Eisenbahnpetitionem Sämmtliche auf Errichtung neuer Bahnen gerichteten Petitionen werden der Regierung zur Kenntnißnahme überwie sen. Die Petition auf Anlegung einer Mülsengrund bahn wurde von den Abgeordneten Streit, Werner, Stauß und Gelbke mit Rücksicht auf den Nolhstand unter den dortigen Webern befürwortet. Liebknecht beklagte sich darüber, daß die Hilfe für die dortige Gegend so lange auf sich warten lasse. Es herrsche dort bereits der Hungertyphus, wenn man demselben auch einen andern Namen beilege. Abg. Uhle (Glauchau) schloß sich dem Vorredner an. — Der zum zweite» Vicepräsidettten des Reichs tages gewählte Abgeordnete Hofrath Carl Gustav Ackermann ist Advocat und Finanzprocurator zu Dresden und Mitglied der deutsch-coiiservativen Fraction. — Das Leipziger Tagbl. schreibt: Trotz der Kla gen über den Niedergang der deutschen Volkswohl fahrt und trotz des unbestreitbaren Nothstandes in vielen Gegenden von Deutsch,and und ganz Europa muß doch im Allgemeinen constatirt werden, daß die Wohlstandsverhältnisse sich in keinem Zeitraum so rasch entwickelt haben, wie in den beiden letzten Jahrzehnten, was sich wohl vorzugsweise aus den Fortschritten der landwirthschaftlichen und industriellen Production, aus der Verbesserung der Verkehrsmittel, der Erleichterung des Erwerbs und der Hebung der Volksbildung erklärt. Ein sehr wichtiges Symptom der Zunahme des Nationalreichthums ist die Steige rung des Gesammtbetrages der Versicherungssummen. Aus einem vor Kurzem erschienenen Rechenschafts berichte über die Verwaltung der sächsischen Landes- Jmmobiliar-Brandversichernngsanstalt in den Jahren 1877 und 1878 geht hervor, daß der Zugang an neuen Versicherungen von Immobilien im Königreich Sachsen betrug: 1873/74 267,193,960 Mk. 1875/76 295,186,180 - 1877/78 206,953,440 - Hiernach zeige» sich allerdings in der letzten Periode auch hier die Folgen der Geschäftsstockung im Ver gleich mit der Zeit von 1373 — 1876, in welcher der seit Beendigung des Krieges gegen Frankreich er wachte außerordentliche Unternehmungsgeist auf bau lichem Gebiete noch seine Wirkung äußerte; aber die Gesammt-Versicherungen auf Immobilien, welche sich bei Beginn des Jahres 1877 auf 2,392,208,680 Mk.