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Tharandt, Nossen, Ziebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Königl. Amtshanptmannschaft zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 44. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementprois vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. II. Dienstag, den 2. September 18^4» E- . - ..... —. Sedan 1884. Zum vierzehnten Male wird heute das Sedanfest gefeiert, als ein Nationalfest, als ein echt deutsches Fest. Alle in den letzten Jahren von mancher Seite angeführten Gründe gegen diese Feier, alle zum Theil recht gut gemeinten Rathschläge, die ein Aufhören derGedächt- nißfeier des 2. September nach Ablauf eines Dezenniums befürwor teten, sie haben diese Feier ebenso wenig hinwegdisputiren können, als sie etwa den Sedantag selbst aus dem Buch der Geschichte streichen könnten. Und es muß doch tiefe, vollgewichtige Gründe geben, daß sich das deutsche Volk diese Erinnerungsfeier nicht nehmen läßt, daß von Vereinen jeglicher Art und verschiedenster Ziele, von Korporationen und dem Einzelnen, von Allen, die ein warmes, in stolzer Freude für ihr Vaterland schlagendes Herz haben, der Sedantag immer wieder als ein nationaler Gedenktag gefeiert wird. Diese Gründe, sie liegen offen zu Tage und bedürfen kaum einer Erörterung. Der Sedantag ist keine gewöhnliche Erinnerung an einen glorreichen Sieg allein, — denn das deutsche Heer hat mehr denn eine heiße und folgenschwere Schlacht durchgefochten — der zweite September ist ein Mark- und Eckstein der deutschen Geschichte, er bezeichnet einen Wendepunkt in der Entwickelung des deutschen Reiches, er ist der Anfang einer neuen, bedeutenden Zeit. Mit dem Sedantage und der auf seinem Schlacht gefilde erkämpften und zum festen Bau gefügten deutschen Einigkeit trat Deutschland an die Spitze der europäischen Großmächte, seine ihm gebührende Stellung einnehmend, die, wie der Erfolg lehrt, für den europäischen Frieden von so großer Wichtigkeit gewesen und hoffentlich immer sein wird. Und mit der äußeren Machtstellung, die das Vater land errungen, regte sich auch der gutmüthige deutsche Michel, der in über großer Bescheidenheit anderen Nationen in Handel und Gewerbe Wftftnschaft stets den Vortritt einräumend, oft genug den Fußschemel für fremde Erfolge abgegeben; die Kraft und Leistungs fähigkeit des deutschen Bürgers, sie regte ihre Schwingen, sie zeigte dem eigenen Vaterlande und dem Auslande, daß nicht allein das deutsche Schwert, sondern auch deutscher Fleiß, deutsche Intelligenz und Schaf fenskraft sich überall Achtung und Anerkennung zu verschaffen wissen. Stolz hebt sich jetzt die deutsche Brust auch im Auslande, denn die deutsche Nation, die lange genug das Aschenbrödel Europas gewesen, sie genießt mindestens Gleichberechtigung mit anderen Nationen und der deutsche Name hat einen guten Klang. Einigkeit nach innen, Ach tung nach außen, das hat uns der Sedantag gebracht und das wird für immer mit goldenen Lettern im Buch der Geschichte verzeichnet bleiben. Und weil jeder Einzelne im deutschen Volke sich dieser Er rungenschaften voll und ganz bewußt ist, weil ein jeder stolz auf diese Errungenschaften und weil er in Dankbarkeit jenes Tages gedenkt, der entscheidend für das Vaterland gewesen, deshalb wird das Sedanfest als ein Nationalfest, als ein Volksfest, als ein Freudenfest heute wie der gefeiert und wird hoffentlich noch oft gefeiert werden. Die Sedanfeier ist eine ruhigere, weniger rauschende geworden und sie ist es mit Recht geworden. Der Deutsche freut sich seiner Siege, seiner Errungenschaften, aber er verhöhnt nicht den besiegten Gegner, er fordert den Nachbar nicht heraus; denn er erkennt die Tapferkeit des Besiegten an, er findet den Schmerz des Besiegten be greiflich und er sucht ihm durch freundliches Entgegenkommen schwere Stunden vergessen zu machen. Deshalb vermeiden wir Deutsche es, und der kaiserliche Kriegsherr geht mit diesem Bestreben allen An deren als leuchtendes Beispiel voran, an unserm Siegesfeste durch überlauten Jubel unsern Nachbar zu kränken, deshalb unterlassen wir es, unsere Siege auf Kosten des Gegners, mit Herabsetzung desselben zu feiern, deshalb anerkennen wir auch am Sedantage, in unserer be rechtigten Freude über den großen Sieg, die Tapferkeit und Tüchtig keit einer Nation, die vor nunmehr 14 Jahren uns im Kampfe gegen über gestanden. Wir Deutschen sind es wahrlich nicht, die den Haß schüren und in Erinnerung an vergangene Zeiten in wüstes Geschrei ausbrechen; wir reichen im Gegentheil dem ehemaligen Feinde gern und willig die Hand zum freundlichen, friedlichen Nebeneinanderwirken für den Fortschritt der Menschheit. Aber gerade der heutige Tag mahnt uns, auf der Hut zu sein, ruhig, aber stark und allen Angriffen gegenüber gewaffnet, abzuwarten, ob der Friede auch von unsern ehe maligen Gegnern so gewünscht wird, wie wir ihn wünschen. Die Be schimpfung der deutschen Fahne zu Paris, der umnotivirte Angriff auf einen deutschen Gelehrten, das immer wieder hervorbrechende Re vanchegeschrei einer wüsten Rotte, sie werden uns nicht ungerecht gegen eine ganze große Nation machen und fern sei es von dem deutschen Gerechtigkeitsgefühl für alle diese Dinge dem Nachbarvolke die Verant wortung aufzubürden; allein diese Symptome, sie mahnen uns, immer scharfen Lugaus zu halten, stets auf dem Platze zu sein, wenn es gilt, die Ehre und Freiheit des Vaterlandes unangetastet zu erhalten. Und daß auch immer die spätere Generation die Nachkommen jener Mäner, die Gut und Blut für die Ehre und Freiheit des Vaterlandes auf Sedans blutigem Schlachtgefilde eingesetzt haben, sich ihrer hohen Aufgabe bewußt seien, auch in diesem Sinne mag der Sedantag ge feiert werden. Hoch von des Niederwaldes Gipfel in die deutschen Thäler hinab schaut Frau Germania. Sie, das Wahrzeichen deutscher Kraft, deut scher Stärke und deutscher Einigkeit, sie hält schützend ihre Hand über das deutsche Reich und seine Söhne. Sie sendet am heutigen Tage ihre Grüße Deutschlands bestem Sohne, ihm, der mit starker Hand das Reich geeint, der im Krieg und Frieden ein wahrhaft großer Herrscher immerdar gewesen: Kaiser Wilhelm. Ihm vor allen gelten heute auch die Jubelrufe, die an des Festes Feier erschallen. Und neben dem deutschen Kaiser ehrt auch am heutigen Tage das deutsche Volk die Fürsten alle und jene tapfere Feldherrn und nicht zum we nigsten den Kanzler, der der „eiserne" mit Recht genannt, die alle da zu beigetragen haben, daß wir uns des neuen Reiches Herrlichkeit er freuen. Wir aber im schönen Sachsenlande in unseres engeren Vater landes Grenzen, wir gedenken auch heute in Verehrung unseres erlauchten Herrschers, König Alberts, der mit starker Hand das Reich zu festigen geholfen. Wie aber vor nunmehr einem Jahre auf des Niederwaldes Gipfel im Angesichte des Heldenweibes Germania der greise Helden kaiser, umgeben von den deutschen Fürsten und Feldherren auf's Neue den Schwur geleistet, des Reiches Hüter zu sein, so schaaren wir Alle uns heute im Geiste um jenes Denkmal und brausend schalle es von Ost gen West, von Berg zu Thal: Deutschland, Deutschland über Alles Ueber Alles in der Welt! Politische Verschiebungen. Als im Reichstage das Dampfer- und Kolonisationsprojekt des Kanzlers zur Diskussion stand, zu welchem die Fortschrittler eine so kurzsichtige wie unpatriotische Stellung eingenommen haben, da war man wohl gefaßt auf einiges Stirnrunzeln Englands, aber Niemand konnte ahnen, wie schnell de» deutschen Kolonisationswünschen eine völlige Verschiebung der politischen Freundschaften der tonangebenden europäischen Staaten folgen würde. Die Konferenz wegen Egypten kam dazu, auf der Deutschland die erwünschteste Gelegenheit fand, sich für die übelwollende Haltung Englunds, unserer Kolonialpolitik gegenüber, zu bedanken. Deutschland stellte sich auf Seiten Frankreichs, sei es ob nur aus Gründen des Rechtes, oder nebstbei aus Gründen der Politik. Und nun sehe man, wie seitdem das Bild sich total ver ändert hat. Der Erfolg des deutschen Kanzlers muß als ungeheuerlich bezeichnet werden, und angesichs der jetzigen Lage erscheint Bismarcks dem Reichstag gegenüber geltend gemachte Aeußerung: „Wir können warten" in einem ganz neuen Licht. Er kann nicht nur warten, bis er die Vorlage ruhig wieder einbringt, sondern sie findet nunmehr bei den Abgeordneten ganz andere Unterlagen zur Beurtheilung. England hat sein Stirnrunzeln gegen Deutschlands überseeische Pläne streng gebüßt: es wollte Deutschland einschüchtern und hat statt dessen Frank reichs Annäherung an Deutschland bewirkt — natürlich ohne es zu wollen. Heute schreibt Paul v. Cassagnac im „naatin trun^nis" wie folgt: „Die grobe Unverschämtheit, mit der England auf der Londoner Konferenz die europäischen Mächte behandelt, hat gegen dasselbe eine allgemeine Entrüstung hervor gerufen, welche wohl eine Coalition zur Folge haben könnte. Vielleicht bietet der Kongreß in Berlin, von dessen Einberufung die Rede ist, dazu eine Gelegenheit, und dann weiß Niemand, was aus einer solchen allgemeinen Bewegung hervorgehen wird. Auf seinen Inseln verschanzt, von einem oft wilden Meere ge schützt, hält England sich immer für berechtigt, dem Weltall zu trotzen, vergessend, daß seit Erfindung des Dampfes, der Torpedos, der Riesen kanonen das geringste unvorhergesehene Ereigniß eine Jahrhunderte alte Lage ändern kann. England ist nicht mehr gegen die Repressalien geschützt. Amerika kann ihm Canada nehmen, wann es will, und es ist nicht mehr nöthig, mit Bonaparte sich durch die Pyramiden einen Weg zu bahnen, um Indien zu erreichen. Rußland thut dies ganz allein und langsam aber sicher nähert es sich dem Wunderlande, dessen stolze Kaiserin die Königin Viktoria ist. Die Unverschämtheit ist da her überflüssig und die Grobheit nicht mehr am Platze. Die Zeiten sind vorüber, da England der Kopf und Europa nur der Arm war. Europa hat seine Unabhängigkeit, seine Freiheit wieder gewonnen und England, die Seele aller einstigen Coalitionen, sieht sich von der Coa- litiön Aller bedroht. Das englische Volk ist ein großes, aber eigen nütziges Volk, das man bewundern, jedoch nicht lieben kann. Seine Allianz ist ein beständiger Handel, sein Thron ein Komplott und sein Heldenthum stets taxirt . . . Der Uebermuth Englands hat alle Welt beleidigt, insbesondere Deutschland, welches sich in seiner Kolonisirung gehemmt fühlt. Deutschland, welches jede Möglichkeit des Erfolgs auf seine Seite bringen möchte, bietet uns ein enges, fruchtbares, so fortiges Bündniß an. Es beschwört uns, den Haß zu vergessen, welchen der Krieg gesäet, die Hoffnungen, welche die Annexion von Elsaß-Loth- ringen in unseren Herzen zurückgelassen hat. Es streckt uns die Hand entgegen und betont laut, die Zukunft werde uns für die vergossenen Thränen entschädigen. Das Anerbieten ist verlockend. Frankreich stünde nicht mehr allein, ohne Bundesgenossen in der Welt da, es könnte von einer leichten, friedlichen Wiederaufrichtung träumen, für die nicht menschliche Hekatomben fallen, kein internationales Schlachten