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WMeritz-Mimg Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend 74. Jahrgang. Sonnabend, den 29. August 1908. Nr. 99. Amtsblatt für die Königliche Amtshauxtmannschast, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde. Mit achtfettigem „Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mit land- und hauswirtschastlicher Monats-Beilage. Mr die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle »md an bestimmten Tagen wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Aedakteur: Paul Irlrne. - Druck und Verlag von Carl Jehnr in Dippoldiswalde. Inserate werden mit 1» PK-, solche aus unserer Ämtshauptmannschast mtt12Pfg.di«Spattzette oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen auf der ersten Sette (nur von Behörden) die zwei- gespaltene Zeile 35 bez. 30 Pfg. - Tabellarische und komplizierte Inserate mit entsprechendem Aus schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, di« Spaltenzeile 30 Pfg. Di« .«eiherttz-Zettun-» rrlcheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird anden vorhergehen- denAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 25 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- Kalten, Postboten, sowie ensereAusträger nehmen Bestellungen an. Eine neue Epoche für Marokko. Die Niederlage des Sultans Abdul Asis vor Marrakesch im Kampfe mit seinem Gegensultan Muley Hafid hat für Marokko eine ganz neue Lage geschaffen und kann dazu führen, dieses große Land einer Epoche des politischen und wirtschaftlichen Aufschwunges entgegenzuführen. Um die neue Lage gegenüber der alten richtig zu verstehen, mutz man in Betracht ziehen, datz nicht nur Frankreich, sondern überhaupt alle Vertragsmächte den Sultan Abdul Asis für den rechtmäßigen Sultan bisher anerkannt und moralisch gestützt haben, auch stützen mußten, da ja der Algeciras- vertrag mit dem Sultan Abdul Asis abgeschlossen war und ihm die Verpflichtung auferlegt worden war, Ordnung und Ruhe in Marokko herzustellen, Handel und Verkehr zu sichern und die Fremden zu schützen.. Die Revolution in Marokko und der Kampf der beiden Sultane waren nun offenbar eine innere Angelegenheit Marokkos, in welche sich die Großmächte nicht einmischen durften. Sie mußten ruhig abwarten, welche der streitenden Parteien mit ihrem Oberhaupte in Marokko Sieger sein würde. Die Entscheidung ist nun gefallen, Mulay Hafid ist durch die Besiegung des schwachen und in Marokko verhaßten Sultans Abdul Asis der Herrscher in Marokko geworden. Es hat jetzt gar keine Bedeutung, darüber zu rechten, datz die Franzosen einen Fehler gemacht haben, indem sie bis zum letzten Augenblicke den alten Sultan Abdul Asis eine gewisse Stütze gewährten. Es war dies von Frankreich auch kein Fehler, denn Abdul Asis war der alte legitime Sultan Marokkos, der erst durch das Auftreten einer mächtigen Gegenpartei unter Mulay Hafid vom Throne gestürzt worden ist. Nun drängen aber die Verhältnisse dazu, datz Mulay Hafid als der Sieger von allen Eroß- mächten als der rechtmätzige Sultan von Marokko aner kannt wird, denn nur dadurch kann das unglückliche Land zur Ruhe kommen. Selbstverständlich mutz der Sultan Mulay Hafid die Algecirasakte anerkennen. Und in dieser Frage liegt zugleich der springende Punkt für die neue Epoche in Marokko. Mulay Hafid gilt als ein kluger und energischer Mann und man traut ihm die Eigenschaften zu, welche ein Sultan in Marokko haben mutz, um in den von halbwilden Stämmen bewohnten Lande Ruhe und Ordnung zu schaffen. Es ist dann auch anzunehmen, datz die Persönlichkeit des Sultans Mulay Hafid und dann auch seine Waffenerfolge die Bürgschaft dafür gewähren, daß Ruhe und Ordnung in Marokko wieder hergestellt werden können, und datz die Vertragsverpflichtungen der Algecirasakte ohne Umstände auf den neuen Sultan über tragen werden können. Es mutz ferner angenommen werden, datz der neuen Lage entsprechend die Franzosen ihre Truppen aus Marokko zurückziehen und nur in einigen Hafenplätzen noch einige Zeit bleiben, um die Entwickelung der Dinge zu beobachten und die Fremden zu schützen. Man wird dann den Marokkanern die Ordnung ihrer Angelegenheiten und die Verwaltung des Landes unter dem neuen Sultan überlassen können, und dann wäre die Grundlage für eine ganz neue Epoche in Marokko ge geben. Diese günstige Entwickelung kann aber durch zwei gefährliche Momente unterbrochen werden, erstens dadurch, datz der neue Sultan Mulay Hafid die Algecirasakte nicht anerkennen und ganz nach eigenem Gutdünken in Marokko schalten und walten will, und zweitens dadurch, datz es den Franzosen nicht ernst ist, aus Marokko ihre Truppen ganz herauszuziehen und bei Frankreich die Neigung be stehen bleibt, Marokko unter französisches Protektorat zu nehmen. Ob solche bedenklichen Zwischenfälle in der marokkanischen Frage eintreten, mutz aber noch abgewartet werden. Lokales and Sächsisches. Dippoldiswalde. Ein hoher, hehrer Tag im Lehrer leben ist alljährlich der Tag der Hauptkonferenz, an welcher sich die l50 Lehrer des Bezirk» um ihren Chef, Herrn Schulrat Bang, scharen, wie das Volk um den Herrn, datz er sie führe auf immer höhere Stufen der Pädagogik. Die Hauptkonferenz, die am 27. d. M. in der „Reichskrone" stattfand, war besonder» ausgezeichnet durch die Anwesenheit vieler hochgeehrter Gäste, von denen wir vor allem nennen wollen die Herren Amtshauptmann vr. Mehnert, Superintendent Hempel, Landtagsabgeord- neter Bürgermeister Mittig —Rabenau, Bürgermeister Oc. Weißbach, Bezirksarzt vr. Endler, Schulrat vr. Prietzel —Dresden und die Herren Professor Peertz, K. K. Bezirks schulinspektor aus Laibach, und Fachlehrer Sikora aus Klagenfurt, welche vom K. K. Ministerium auf Lrkundi- gungsreise gesandt und von einem bedeutenden Schulmann auf unseren Bezirk besonders aufmerksam gemacht worden sind. Nach Gesang und Gebet begrüßte Herr Schulrat Bang die Anwesenden, besonders Herrn Wittig und Herrn vr. Endler und die beiden Herren aus Österreich und gab seiner und der Lehrer Freude darüber Ausdruck, daß Herr Superintendent Hempel von langer, schwerer Krankheit wieder genesen ist. Darauf hielt derselbe in seiner be kannten warmherzigen Weise eine längere Ansprache über das Heilandswort: „Fahret aus die Höhe, daß ihr einen Zug tuet." Ein großes, eigenartiges Jahr sei für den Schulbezirk und für die sächsischen Lehrer verflossen, ein Jahr, in dem sich Treue gegen Treue, Vertrauen gegen Vertrauen bewährt haben, in dem es mit der Lehrerschaft vorwärts gekommen sei, in dem aber auch in der Lehrer arbeit alles vorwärts dränge. Alle Lehrermühe müsse darauf gerichtet sein, das Volksbewußtsein, das in letzter Zeit manche betrübende Erscheinungen gezeitigt habe, wieder auf eine sittliche Höhe zu bringen, wie Jesus Christus sie gelehrt und gelebt. Darum rief Herr Schulrat seinen Lehrern zu: „Fahret auf die Höhe in eurem Unterricht, in der Schulzucht und im persönlichen Leben!" Gern nehmen die Lehrer die Ruder des Schulschifsleins zur Hand, wissen sie doch, daß sie in Herrn Schulrat Bang einen Steuer- mann haben, der sie sicher durch alle Klippen führt und ihrer Fahrt zu einem gesegneten Ausgange verhilft. Auf diese begeisternde Ansprache folgte der Vortrag des Herrn Bezirksarztes vr. Endler über: „Die geschlechtliche Aufklärung der Jugend". Die Ausführungen zeugten von einem sürsorgenden Herzen für des Volkes Wohlfahrt, die durch geschlechtliche Verfehlungen und Ausschweife arg ge schädigt werde. Über diese entsittlichenden und entkräftigen- den Folgen die Jugend zu angemessener Zeit und mit rechtem Ernste aufzuklären, halte er für erforderlich. Höher aber als diese Erörterungen stehe ihm die Erziehung zum charakterfesten Willen, der die natürlichen Triebe und Be gierden zu zähmen weiß. Langanhaltender Beifall zeigte auch hier, wie beim ersten Redner, daß Herr vr. Endler die Meinung der Anwesenden vollständig getroffen hatte. Von einigen Herren wurden Erfahrungen über teils günstige, teils ungünstige Erfolge solcher Belehrungen mitgeteilt. Hierauf erhielt Herr Professor Peertz das Wort, um Grüße zu bringen von dem deutsch-österreichischen Lehrerbunde. Mit warm deutschem Herzen sprach er von der bitteren Not der deutschen Schulen in Krain und von der reichlichen Hilfe durch die Schuloereine. Nun sei er mit seinem Freunde nach Sachsen und Thüringen gesandt worden, um besonders die einfachen Schulen zu besuchen und zu lernen, wie den unter seiner Aussicht stehenden Schulen zu helfen sei. Mit herzlichem Dank für freundliche Aufnahme im Bezirk, besonders durch Herrn Schulrat Bang, endete er seine Ansprache, d>e stürmischen Beifall hervorrief. Darauf sprach Herr Schulrat Bang den Leitern der Lehrerturnkurse, den Herren Eidner und Seidel, herzlichen Dank aus, über brachte Grüße von auswärtigen Herren, begrüßte die Herren Kantor Hennig-Kreischa, Oberlehrer Schröter-Dip poldiswalde und Kantor Burgard-Ruppendorf wegen der ihnen gewordenen Auszeichnungen und bekundete die Trauer der Lehrerschaft an dem Ableben Ihrer Majestät der Königin-Witwe Carola, des Kultusminister von Schlieben, des Oberschulrat Richler und de» Lehrer Ranft-Obercars dorf. Gesang und Gebet schloß die Konferenz. Fast alle Anwesenden vereinigten sich alsdann zu einer Festtafel, zu der die Stadt in dankenswerter Weise die Tafelmusik bestellt hatte. An den Trinkspruch des Herrn Schulrat Bang auf Se. Maj. den König reihte sich noch manch schönes, ehrendes und auch heileres Wort, dessen Wieder gabe uns der Raum d. BI. leider versagt. Nur erwähnen wollen wir: Als Herr Sikora urkräftige Worte von dem Deutschtum der Oesterreicher gesprochen hatte, da packte es die Festtellnehmer, und der Gesang des deutschen Liedes erscholl durch den Saal. Dafür, daß nun auch der übrige Teil des Tages auf der Höhe, auf die ihn der Vormittag gebracht, blieb, hatten Herr und Frau Schuldirektor Burk hardt gesorgt durch Veranstaltung eine» Künstlerkonzertes im Schützenhaus, ausgeführt von Herrn Bercht, Pianist, Lehrer am Kgl. Konservatorium, Frl. Roth, Konzert- und Opernsängerin und Herrn Kipper, Konzert- und Opern- länger au» Dresden. Selbstverständlich zählte die Vor- tragsfolge nur Namen von anerkannten Meistern auf, und es war ein musikalischer Genuß von höchster Güte unl> von reinster Färbung, die Klaviervorträge des Herrn Bercht und die Lieder der beiden Gesangskünstler zu hören. Herrlich perlten die Läufer auf dem Pianino und glocken rein erklangen die bezaubernden Stimmen. Neu und er götzlich war die Aufführung von Szenen aus dem Nacht lager und den lustigen Weibern, zwar im Konzertkostüm, aber mit Markierung der entsprechenden Handlungen. Die Künstler haben in der Tat Prächtiges geboten, und wohl verdient war daher der Dank, den ihnen Herr Kirchschul lehrer Melzer am Schluß des Konzerts im Namen der Anwesenden aussprach und der in einem harmonischen Hoch ausklang. Ebenso wohlerworben waren die Dankes- warte des Herrn Schulrat Bang an Herrn und Frau Schuldirektor Burkhardt für Arrangement des Konzerts. Zum Schluß hielt ein flottes Tänzchen die Festteilnehmer mit ihren Frauen und Töchtern noch einige Stunden bei sammen. Ja, solche Hauptkonferenzen sind hohe Freudentage. — Die Gruppe Dippoldiswalde des Sächs. Llbgau- Sängerbundes (bestehend aus 14 Männergesangvereinen) wird in diesem Jahre von der Abhaltung eines Gruppen konzertes absehen, wird aber nächsten Sonntag nachm. in der „Reichskrone" hier eine nichtöffentliche zwanglose Ver einigung der Sängerschar nebst Angehörigen veranstalten und hierbei eine Anzahl Massenchöre und einige Einzel- gelänge zum Vortrag bringen. — Raucher-Regeln, l) Lobe nicht dein Kraut auf Kosten anderer. Das ist taktlos, da jeder passionierte Raucher seinen Tabak für den besten hält. 2) In Räume, wo das Rauchen verboten ist, nimmt nicht die brennende Zigarre oder Zigarette mit hinein. Das schwelende und allmählich erlöschende Rauchkraut verbreitet mehr üblen Qualm und verdirbt dadurch die Luft in höherem Grade, als wenn du srisch-sromm-fröhlich drauflos rauchtest. Steck die Zigarre in ein dazu bestimmtes Etui oder wirf sie weg. Ganz unzulässig ist es natürlich, trotz Rauchverbots ab und zu einen verstohlenen oder gar offenen Zug zu tun, um den geliebten Glimmstengel am Erlöschen zu ver hindern. 3) Blase im öffentlichen Verkehr, z. B. in Ge sellschaft, im Wirtshaus, auf den Perrons der Stratzen- bahnen usw , deinen Nachbarn — oder gar der Nach barin! — nicht den Rauch ins Gesicht. Nicht jedermanns Sache ist es, den Hauch deines Mundes zu verspüren, und sei er auch durch die teuerste Importe gewürzt. Denke auch daran, daß deine Mitmenschen an den Augen, den Atmungsorganen usw. leiden können. 4) Achte auf die Asche! Laß iie nicht aus Treppen oder Dielen, noch weniger auf das Tischtuch, den Möbelbezug usw. fallen. Auch dient es nicht zur Erheiterung deiner Mitmenschen, wenn du ihren Anzug mit einem Aschenregen überschüttest oder gar auf die Kleider fliegen läßt. 5) Wenn du die Zigarre im Munde hast — namentlich, wenn sie tn einer mehr oder weniger langen Spitze steckt — so sei vorsichtig in deinen Bewegungen. Es ist schon vorgekommen, datz jemand durch die Ungeschicklichkeit des lieben Nächsten sein Augenlicht verloren oder dauernde Entstellung des Gesichts daoongetragen hat. 6) In Gesellschaft entzünde nicht, kaum, datz du den letzten Bissen heruntergeschluckt hast, die Zigarre. Warte, bis die Dame des Hauses die Erlaubnis dazu gibt, oder der Hausherr oder irgend eine Respekts person den Beginn gemacht hat. 7) Wirf deinen Stummel nicht überall hin. Leg' ihn in die dazu bestimmte Schale oder ein sonstiges Behältnis. In Ermangelung eines solchen warte eine schickliche Gelegenheit ab, dich des Stummels zu entäutzern. 8) Geradezu verbrecherisch ist es, wenn man glimmende Zigarrenreste so fahrlässig weg- wirft, datz leichte Damenkleider, Tischtücher usw. dadurch in Brand geraten, y) Rauche nicht im Walde! Es ist dies zwar selbstverständlich, da es schon durch das Straf gesetzbuch verboten ist — aber es ist manchmal gut, auch das Selbstverständliche zu sagen, l 0) Wenn du herzleidend bist oder sonstwie an einer Krankheit leidest, die das Rauchen verbietet, so erfordert es die Rücksicht auf dich und deine Angehörigen, datz du da» Rauchen einstellst. — Für di« durch Weggang des Herrn Lehrer Schiller in Lockwitz am I. Oktober sreiwerdende Lehrerstelle wählte der Schulvorstand Herrn Lehrer Müller aus Hausdorf bei Reinhardtsgrimma. — Prinzessin Johann Georg veranstaltete am Mitt woch nachmittag in Rehtfeld für die Schulkinder aus Rehefeld und Zaunhau» ein Sommerfest. Die Kinder be lustigten sich am Abschießen eines Sternes und wurden