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Vie ,Vtte»dorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch dir Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Oltendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode." Annahm« »»» Inserat« bi, »«mittag 1« Uhr. Ins«rat« werden mit 10 p für dl» Spaltzetle berechn« Lab«llarisch«?Satz nach besonder«« Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla No. 41. Freitag, den 6. April 1907. 6. Jahrgang. Bekanntmachung. Es sind am 30. März bez. l. April d. I. der 1. Termin Landrente und Vrandkaste fällig und bis längstens den 20. April 1907 an die hiesige Ortssteuereinnahme (Gemeindeamt) zu bezahlen- Nach Ablauf dieser Frist wird das gesetzliche BeitreibungSversahren eingeleitet werden. Otteväort-Alvriträork, den 30. März 1907. Der Gemeindevorstand. VerUiches und Sächsisches. Vttcnborf.Dkrilla, den April M7. Sparkasse Ottendorf-Moritzdors Monat Februar und März 1907. 271 Einlagen im Betrage von 28064,50 M. 94 Rückzahlungen i. Betrage v. 7 970,22 M Gesamteinnahme 33849,30 M. Gesamtausgabe 26072,36 M. EinlagevzinSfuß 3»/, Prozent. Expedilionszeit van 8-1, 3- 6, Sonnabends 8—3. Ein lagen sremd.r Sparkassen werden jederzeit kostenlos auf hiesige Kaste übertragen. —* In der Laußnitzer Haide, wo die Nonne so verhcrrcnd austrilt, sind gegenwärtig außer den sonstigen versügbaren Arbeitern noch 60 Soldaten mit der Bekämpfung des Insekts beschäftigt. Die Staatsregierung hat ins gesamt den Betrag von 30000 M. zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellt. Dresden. Als in der Nacht zum Dienstag der Schlostergehilse Paul Schröder mit seiner Ehesrau, seiner Mutter und seinen beiden Kindern, von einem Tanzsaale Heimkehrend, über die Maiirnbrücke ging, warf Schröder sein dreijähriges Mädchen plötzlich übe. das Brückengeländer in den Strom und sprang sofort nach. Beide verschwanden in den Fluten; ihre Leichen sind noch nicht aus gesunden worden. Schröder soll die Tat aus Eifersucht begangen haben. — Am Dienstag Nachmittag hat sich das in Vorstadt Plauen bei dem Bäckermeister Herrmann in Stellung befindlich« 16 Jahre alte Dienstmädchen Heuner aus Braunsdorf bei Tharandt nach von ihrer Dienstherrschaft «egen einiger Unregelmäßigkeiten erhaltenen Zurechtweisungen heimlich mit dem zwei Jahre alten Sohne ihrer Dienstherrschaft entfernt. Heute ist die Leiche des Knaben im Brenertschen Leiche unterhalb de» Hohen Steines auf gesunden worden. Der Verdacht, daß das Mädchen den Knaben, um sich an ihrer Dienst- herrschast zu rächen, ertränkte, hat sich durch die sofort angestellten Erörterungen bestätigt. Die zu ihren Eltern flüchtende Beschuldigte Wurde durch einem Kriminalgendarm in Tharandt festgenommen und in das dortige Amtsgerichts-Gefängnis überführt. Sie hat die Tat bereits eingestanden. Heute Nachmittag wurde sie der hiesigen Gcsangenenanstalt zu geführt. — Gestern vormittag versuchte eine ArbeiterS- frau sich und ihre zwei Kinder im Alter von vier und süns Jahren in dem Teiche auf dem Bienertschen Fabrikgrundstück zu ertränken, wurde jedoch im letzten Augenblicke von Passanten, die durch da« Geschrei der Kinder ausmerksam, verhindert Neustadt i. S. Aus der Linie Neustadt— DürröhrSdorf in der Nähe von Langenwolms dorf hatte am Montag ein Schulknabe versucht, durch Ausbauen von Feldsteincn auf den Schienen einen Zug zum Entgleisen zu bringen. Das Hindernis wurde aber v m Zugspersonal noch rechtzeitig bemerkt. Zittau. Selbstmord verübte unter eigen artigen Umständen ein in den fünfziger Jahren stehender Leineweber in Neu-Oppach. Als Berger nacht» nach 2 Uhr nach Hause kam, geriet tr mit seiner Frau in Wortwechsel. Er begab sich darauf, nur notdürftig bekleidet. aus der Wohnung und erhängte sich hinter dem Hause. Gleichzeitig schoß er sich eine Kugel in den Kopf. Berger war zum zweiten Male verheiratet. Riesa. Von einem eigenartigen Miß- aeschick wurde die Gardereiterkapelle betroffen, die am zweiten Feiertag auf einem benachbarten Dorfe ein Konzert geben wollte. Alles war da, Publikum und' Musiker, nur die Noten und die größeren Instrumente fehlten. Diese waren aus Versehen nach — Löbau expediert word-n. Da war guter Rat teuer. Das Konzert mußte aussallen. Dafür wurde aber noch Genehmigung zum Tan; eingeholt und in geliehenen Zivilsachen — auch diese waren in Löbau — wurde zum Tanz aufgespielt Döbeln. Einen „Psannkuch-nschmauS in der Kaserne" gab es in Döbeln. Wie berichtet, konnte die 12. Kompagnie des dortigen Regiments wegen eines vorgekommenen Krankheitsfalles (angeblich Genickstarre) keinen Osterurlaub erhalten. Dafür wurde den Mannschaften eine andere Ostersreude bereitet. ES gab nicht nur ein besseres FeiertagSessen, sondern auch einen opulent n Nachmittagskaffee. Am Nachmittag des ersten Feiertags sah man die Kompagnie auf dem Platze hinter der Kaserne versammelt an langen weißgedecklen Tischen sitzen, den Mannschaften wurde Kaffee und Pfannkuchen geboten. Es schien ein ver gnügliches Plauderstündchen zu sein, das den entgangenen Urlaub wenigstens etwas ent schädigt haben wird. Borna. Ein Automobilunfall hat sich, wie erst jetzt bekannt wird, am ersten Ostersciertage vormittags in der elften Stunde auf der Reitzenhainerstraße zwischen Borna und Kessels hain zugetragen. An einem die genannte Straße passierenden Automobil ist plötzlich, während der Fahrt, der Zapfen der Steuerung ab gebrochen, so daß es dem Chauffeur nicht mehr möglich gewesen ist, das Fahrzeug zu lenken. Infolgedessen ist es mit voller Wucht an einem an der Straße stehenden Apfelbaum gerannt und hat sich an der Stelle tief in die Erde gebohrt. Hierbei sind die Vorderräder abgesprungen und gegen 30 Meter weit ins Feld gescheudert worden, auch sind verschiedene Teile der Maschine und die Vorderachse ver bogen. Durch den Anprall ist der mit seiner Frau im Automobil sitzende Besitzer — ein Herr aus L-ipzig — mit dem Kopfe durch die vorn angebrachte Glasscheibe gestoßen, wodurch er Verletzungen im Gesicht davon getragen hat. während seine Frau mit dem Schrecken davon gekommen ist. Der Chauffeur ist von seinem Sitze auf den vorderen Teil der Maschine geschleudert worden, ohne jedoch weiteren Schaden zu nehmen. Das Automobil jwurde zunächst, nachdem ein, provisorisches Vordergestell angebracht worden war, nach einer hiesigen Schmiedewerkstatt transportiert- Grimma. Hier wurde im Bahnhofs gebäude der hier langjährig bedienstet gewesene Bahnhossinspektor K. erhängt aufgefunden. K. der seit Mitte März wegen Nervosität be urlaubt war und im Sanatorium Weißer Hirsch bei Dresden zur Erholung weilte, war anscheinend eigens zur Ausführung dieses traurigen Schritte» nach hier gekommen. Crimmitschau. Am Abend des ersten OsterseiertageS 'fuhr der im benachbarten Neukirchen wohnhafte Dachdecker Porst auf inem geliehenen Rade ohne Licht von einem Besuch in Meerane nach seiner Behausung zurück. An der abfallenden Stelle zwischen dem Feldschlößchen und FanghähnelS Gasthof geriet Porst unter ein Fuhrwerk und wurde von den Pferden so übel zugerichtet, daß er >ald nach dem Unglück starb. — Ein Falschmünzer namens Loui» Zuleck wurde hier bei der Verausgabung falscher ^Markstücke sestgenommen. Plauen. Auf der Linie Leipzig-Hof, an der hiesigen Pausaerstraße wurde von rohen bezechten Burschen ein Personenzug mit Steinen bombardiert. Dabei wurden mehrere Fensterscheiben der Personenwagen zertrümmert Es gelang leider nicht, die Burschen festzu nehmen. Volks- und Iugendspiele. Eine noch bessere und einfachere Einrichtung zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen Körper und Geist ist das Jugendspiel. Ehe ich auf seine Bedeutung genauer ein gehe, muß ich das anführen, was einst Prof. Nußbaum schrieb. Auf Grund seiner langjährigen Praxis schrieb er: „Wenn ich meine ärztliche Erfahrung über denke, so habe ich nur wenig Kranke in die Hände bekommen, welche durch Ueberanstrengung ihrer Knochen und Muskeln krank geworden waren; viele Hunderte sehr ernst Leidender hingegen beobachtete ich, welche durch an haltende geistige Arbeit krank geworden waren, und es war oft recht schwer, wieder vollständig Genesung zu bringen. Es wurde mir der ganz bestimmte Eindruck, daß des Menschen Körperbau nickt für den Studiertisch, sondern für körperliche Arbeiten geschaffen ist. Am gesundesten und heitersten sehe ich jene bleiben, welche Felder und Gärten bearbeiten und sich den größten Teil des Tages in frischer LufI bewegen. Wie ganz anders findet man das körperliche Befinden bei Beamten, Gelehrten und Künstlern, oft haben diese einen heißen Kops und kalte Füße, oft träge Verdauung, untätigen Darm. Wenige gibt es unter ihnen, welche nickt über fortwährende Nervenerregung klagen. Wir wissen, daß jedes Organ, welches benutzt wird, blutreicher wird, daß sich seine Adern erweitern. Das Gleiche gilt beim Gehirn. Wird dies blutreicher, so kann dies nur auf Kosten anderer Organe geschehen, deshalb werden Arme und Füße blutarm, wenn das Gehirn vom Blute strotzt- Je früher solche Mißverhältnisse im menschlichen Körper aus treten, je jünger die betreffende Person ist, desto verderblicher sind die Folgen solch mangelnden Gleichgewicht». Ich muß be haupten, daß die ganze Zukunft eines Menschen eine unbehagliche werden kann, wenn sich die angedeuteten Ueberreizungen schon im kindlichen Alter einbürgerten. Kinder gehören nach 9 Uhr in das Bett, und vor ö Uhr lasse man sie ja nicht aufstehen, sonst ruht ihr Gehirn nicht genügend au». Ich halte da» gegen wärtige Prinzip, ein ^kind den ganzen Tag zu beschäftigen, für ein recht gutes, allein ein großer Teil der Zeit sei der körperlichen Ausbildung gewidmet, wenn möglich in frischer Lust. Es war ein guter Anfang, das Turnen obligatirisch zu machen, allein ich möchte die gegenwärtige Dosis dieser herrlichen Arznei eine nahezu homöopathische nennen, die nur weniges nützen dürfte. Ich bin fest über zeugt, daß die Zukunst lehren wird, daß man täglich stundenlang körperliche Uebung mi geistiger Arbeit wechseln muß, wenn ein Kin gesund bleiben soll. Ich bin ebenso überzeugt daß das Lernen viel leichter geht, wenn der Körper mehr gekräftigt wird, wenn die geistige Spannung nicht viele Stunden beträgt, wie fast in allen Lehranstalten. Mit Ausnahme einzelner hervorragend begabter Kinder tritt bei den meisten nachmittags, aber fast immer abends, eine stumpfe, müde Hirnfunktion ein, womit sie nur wenig fassen, höchstens nach anger Marter mechanisch einlernen, ohne den Sinn zu überdenken. Ich ziehe also au» meinen Erfahrungen den Schluß, daß die Zukunft den Körper der Kinder durch Spiele und Arbeiten im Freien zum Lernen vorbertiten und während des Lernens die Ausbildung de» Körpers energisch befördern wird, damit die Belastung de» Gehirn», welche bei Tausenden ur Ursache ihre» unbehaglichen Empfinden« wird, verhindert werden kann. Trotz dieser Zeitopfer darf man aber keine geringen Lern begriffe befürchten. Hingegen wird da» Lernen, da« jetzt den Kindern eine Marter ist, den meisten Freude machen und «S wird nicht chon in der Kindheit der Grundstein zu dieser etzt so sehr überhandnehmenden und unglücklich machenden Nervenerregung gelegt werden." Das Jugendspiel hat zuerst den Vorzug, daß e» die Knaben und Mädchen au» der dumpfen Stubenlust hinaus in die frische, freie Luft bringt. Unter uns Deutschen gibt e» viel zu viel Stubenhocker. Wohl ist »S durch da» Beispiel der Engländer in den letzten Jahren etwas besser geworden, aber es bleibt noch sehr viel zu wünschen übrig. Wieviel Menschen gibt es. welcke die Freude an GoiteS freier Natur, an der herrlichen Heide, am erquickenden Fluß, an der schimmernden Eisdecke und an dem glitzernden Schnee verloren haben?! Wie viel« Leut« haben noch nicht erkannt, daß Sonne, Lust und Wasser die drei überaus großen Heilmittel unserer nervenschwachen Zeit Ind, die meist ohne jeden Pfennig zu haben ind und Wonne und neue» Kraftgefühl er zeugen?! Und wenn wir Erwachsenen für )en Genuß der freien Natur schon zu sehr ver dorben sind, sollen wir ihn dann auch dem ungen Geschlecht vorenthalten? Nein, nein, mit )er Jugend müssen wir beginnen, wenn e« besser werden soll; denn mit einer erwachsenen Generation ist nie viel zu machen, in körperlichen Dingen, wie in geistigen, in Dingen de» Geschmacks wie des Charakters; seid aber klug und fangt es in Schulen an, und es wird chon gehen", so sprach einst Goethe. Wenn die reie Luft ihre Wirkung auf den menschlichen Körper vollständig ausüben soll, muß vielseitige, kräftige Bewegung hinzukommen, und darin leistet keine Uebung Besseres, als das richtige Jugendspiel. Der als Turnphysiologe rühmlichst bekannte Prof. Dr. Schmidt in Bonn sagt: „Weder eine deutsche Turnstunde in OrdnungS-, Frei- und Geräteübungen, noch eine schwedische Tagesübung sind geeignet, diejenigen An forderungen zu erfüllen, welche wir hinsichtlich der Herz- und Lungenentwickelung zu Nutz und Frommen unserer Heranwachsenden Jugend an deren Leibesübungen stellen müssen. Di« Schnelligkeitsübungen in freier Luft vor allem in Form von Spielen, haben daher einen wesentlichen Bestandteil einer jeden Art von Schulgymnastik zu bilden. Ohne sie ist auch das feinste ausgeklügelte gymnastische System nur eine unvollkommene, nur eine halbe Sache." Wir müssen dem au» reicher Erfahrung sprechenden Arzt in seiner Wertschätzung de» Jugendspiels vollständig recht geben. Weder tägliche Spaziergänge, noch Bergpartien, Schwimmen, Rudern u. s. w. kommen an allseitiger Mannigfaltigkeit der Bewegungen den Kampsfpielen unserer Jugend gleich. Wer Barlauf, Faust- und Fußballspiel, besonders das Schlagballspiel kennt, wird wissen, wie diese Spiele die Bewegung selbst sind. E» sollte mir große Freude bereiten, wenn ich einmal den hiesigen Einwohnern zeigen könnte, wie z. B. bei dem letztgenannten Spiel die Spieler bald von der einen Grenze des Spiel platzes nach der gegenüberliegenden laufen müssen, bald den Ball mit dem Schlag holz schlagen, bald fangen, werfen, weitergeben, bald sich niederducken, drehen, wenden und bald wieder in stürmischem Lauf über den Platz sausen. Wahrhaftig! Ein gut gespieltes Schlagballspiel erweckt bet Spielern und Zu schauern reine, herzliche Freude. (Forts, folgt.)