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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020419024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902041902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902041902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-04
- Tag 1902-04-19
-
Monat
1902-04
-
Jahr
1902
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen nnd Offertenannahme 25 H (rxcl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Äuzeigeu: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets au dle Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 biS Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von T. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die AriedenSverhandlungen. * London, 18. April. Wie das „Reuter'sche Bureau" ver- nimmt, ist die Nachricht, die Boeren-Delegirten seien auf An regung von englischer Seite hin zu den Verhandlungen gekommen, irrig; dir Delegirteu hätten lediglich aus eigenem Antriebe ge handelt und diese Thatsache werde als Beweis sür ihr aufrichtiges Bestreben angesehen, durch friedliche Verhandlungen zu einer end- giltigen Regelung zu gelangen. * London, 18. April. Die Erklärung Balfour's über den Stand der Verhandlungen wird hier allgemein als günstig sür die Friedensaussichtrn gehalten. Man faßt sie al» eine Bestätigung auf, daß die Boerendelegirten einstimmig bereit sind, die Bedingungen der britischen Regierung anzunehmeu, und daß sie jedenfalls ihr Bestes thun werden, um die Mannschaften zur Annahme der englischen Bedingungen zu bewegen. Sie handeln, wie man in den mit südafrikanischen Verhältnissen vertrauten Kreisen hervorhebt, durchaus gemäß der bei den Boeren be stehenden Traditton, nach welcher die Führer die Mannschaften be fragen müssen, ehe sie Frieden schließen. Eine Autorität in süd afrikanischen Angelegenheiten erklärte, falls di« Delegirten den Krieg fortsetzen wollten, würden sie nicht drei Wochen lang auf die Ent scheidung warten und ohne Waffenstillstand ihren Mannschaften die Leitung durch ihre bewährten Führer entziehen. ASquith, der frühere Minister des Innern und jetzige Führer der Liberalen, gab in einer heute Abend gehaltenen Rede zu BarnSley seiner Freude Ausdruck über die Erklärung Balfour's, welche zeige, daß dle Grundlage zu einem möglichen Frieden gelegt sei. In Regierungskreisen warnt man zwar vor voreiligem Optimismus, da die Ansicht der kämpfenden Mannschaften »in schwer berechenbarer Factor sei, neigt aber doch vorwiegend einer hoffnungsvollen Auffassung der Lage zu. (B. L.-Anz.) Können die Boeren, falls keine Einigung erzielt wird, wetterfechtenk Die Verhandlungen, welch« jetzt in Pretoria geführt werden, können nur einen Waffenstillstand zeitigen, dem Frieden folgen wird, oder der Waffenstillstand wird von der englischen Regierung verweigert, und der Friede ist dann wieder so fern wie zuvor. Einem Feinde, der noch erfolgreich daS Feld zu behaupten vermag, kann Niemand zumuthen, zu verhandeln, wenn ihm nicht vom Gegner die unter civilisirten Völkern üblichen Bedingungen gewährt werden. Sollte eS dahin kommen, daß die Verhandlungen aber mals abgebrochen werden, so fragt man sich, was folgen wird. Prophezeien bat wenig Zweck, aber die Erfahrungen LeS Krieges haben gelehrt, daß die Boeren sehr wohl im Stande sind, noch bis zum nächsten September das Feld zu behaupten und dann wird, was die englischen Blätter in der Regel „ein Wiederaufleben in den kriegerischen Operationen nennen, folgen. Die englische Armee ist zweifellos nicht stärker, al» sie zur selben Zelt im vorigen Jahre war, die Verstärkungen bestehen zum größten Theile aus Irregulären und die Zahl der Boerenstreiter ist keinesfalls gesunken im Vergleich zur selben Periode des letzten Jahres, sie sind, wenn nicht stärker, ebenso zahlreich wie im April 1901, moralisch aber sind sie besser, wie die letzten Kämpfe klar bewiesen haben. An Munition mangelt eS keineswegs. Vor einem Jahre machte sich Mangel fühlbar, aber da führten die Boeren auch noch Mauser. Heute sind sie zum größten Theile nut Lee-Metfords bewaffnet und England sorgt dafür, daß ihnen die Munition nicht auSgeht. ES werden englische Trans- Portzüge weggenommen, von deren Wegnahme man nie etwas hört. Vor vier Monaten nahm Dewet das große Depot-Lager von Tweefontein und bis zur Stunde wiffen wohl nur ein halb Dutzend Männer im Kriegsamte, wieviel Munition Dewet an sich nahm, denn veröffentlicht wird m dieser Hinsicht nichts oder — falsches. Außerdem wird während des Winters eine große Zahl von Blockhäusern nicht gehalten werden können; wohl wird man die Eisenbahn linie und die Hauptlinie von Standerton entlang den Vaal und andere halten können, aber wie es z. B. mit der Linie von Beaufort West nach der See aussehen wird in einigen Monaten, darüber läßt sich schwer etwas sagen. Alles m Allem liegt eS so sehr im britischen Interesse, Frieren zu schließen, wie im Interesse der Boeren, und man hofft, die Leiter der britischen Politik werden nichts Unmögliches ver langen. Ein neuer voeren-Hilfsfonds. AuS Brüssel wird uns gemeldet: Während der letzten Anwesenheit der Boerendelegirten in Nordamerika haben dieselben Verhandlungen wegen Beschaffung eine« neuen Hilfsfonds im Betrage von 20 Millionen Mark sür die Wittwen und Waisen eingeleitct. Das Geld soll von einem Comitö amerikanischer Millionäre gezeichnet werden, und die Delegirten haben für dasselbe große Ländereien und Minenfelder verpfändet, welche als rechtmäßiger Besitz einiger transvaalischer Regierungsmitglieder nach gewiesen werden können. * KlerkSdorp, 16. April. („Reuter's Bureau") Die aus dem Westen zurückkehrenden britischen Truppenabtheilungen sormirten sich aus einer 45 Meilen langen Linie quer über einen vom Vaal-Fluß und der Blockhauslinie am Schoonspruit gebildeten Winkel, säuberten das von diesen drei Seiten eingeschlossene Gebiet vom Feinde und nahmen 64 Boeren gefangen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. April. Der Reichstag hat gestern die zweite Lesung der See- maunSordnung endlich zu Ende gebracht, obgleich die Zahl der Anträge, namentlich der von der äußersten Linken eingebrachten, eine überaus große war. Bei den meisten von ihnen begnügte man sich damit, einen der Antragsteller anzu hören, und stimmte dann ohne weitere Debatte ab. Eine Abänderung erfuhren die Commissionsbeschlüsse nur nach vier Richtungen bin. Beim § 100, demzufolge ein SchiffSmann, der den auf Abwehr oder Unterdrückung von Meuterei gerich teten Befehlen eines Vorgesetzten den Gehorsam verweigert, „als Gehilfe" angesehen und als solcher bestraft werden soll, wurde das Strafmaß in positiver Form festgelegt. Die Strafe wurde auf Gefängniß bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe biS zu 300 normirt. Zwei weitere Aenderungen wurden bei dem Abschnitte beschlossen, der von den Zuwiderhand lungen von Nhedern, Capitänen und Schiffsofsicieren gegen die Bestimmungen der Seemannsordnung handelt. Die Socialdcmokraten, die vorher bei den Strafvorschriften über Delicte von Schiffsleuten ununterbrochen auf Herab setzung des jeweiligen Strafmaßes hingearbeitet hatten, ließen cs sich hier, bei den Delicten von Nhedern rc. angelegen sein, eine Strafverschärfung und Strafausdehnung über die andere zu beantragen; in der Hauptsache jedoch ohne Er folg. Nach einer ausgedehnten Debatte, in der Herr Lenzmann es übernahm, die auffälligen Strafverschärfung« Anträge der Socialdemokraten als tendenziös und als auf Classen- justiz hinauslausend — was doch sonst nicht Sache der Socialdemokraten sei! — zu geißeln, wurde schließlich nur ein einziger dieser socialdemokratischen Anträge angenommen. Diesem zufolge soll künftig auch derjenige Capitän mit einer Geldstrafe bis 150 oder mit Haft bestraft werden, der, den Vorschriften des tz 46 zuwider, die Mannschaft im Falle eines auf der Reise entstehenden Abganges nickt in der erforder lichen Weise ergänzt. Auf Antrag vom Centrum, mit dem sich allerdings ein socialdemokratischer Antrag deckte, wurde außerdem (durch einen neu eingesügten § 109 b) der Rheder mit Geldstrafe bis 150 oder mit Haft be droht, der eS unterläßt, bei der Anheuerung dem Schiffsmanne die (in 8 25) vorgeschriebenen schriftlichen AuS« weise einzuhändigen. Eine vierte Abweichung von den Commissionsbeschlüssen vollzog sich, trotz ihrer augenfälligen Wichtigkeit, fast ohne Debatte. Auf Antrag zweier Mit glieder des Centrums, Kirsch und v. Savigny, wurde nämlich die Oeffentlichkeit des Strafverfahrens vor dem Seemannsamte beschlossen. Zum Schluß wurde noch be schlossen, daß die neue Seemannsordnung am 1. April 1903 in Kraft treten soll. Im Uebrigen gelangten die noch zu erledigenden Paragraphen unverändert in der Commissionsfassung zur Annahme. Besondere Erwähnung verdient eine ganz gegen Schluß der Sitzung erfolgte Debatte, die an den ß 116 — Streitigkeiten zwischen SchiffSmann und Capitän über Antritt und Fortsetzung des Dienstes — anknüpfte. Nach Vorlage und Commissionsbeschluß soll für solche Streitigkeiten das Seemannsamt des betr. Bezirkes zuständig sein vorbehaltlich des Rechtsweges. So wurde auch gestern vom Plenum beschlossen, unter Ablehnung eines socialdemokratischen Antrages, der für diese Streitigkeiten daS jeweils nächste Ge werk eger ich t zuständig machen wollte. Aber wenn auch dieser socialdemokratische Antrag fiel, so gab er doch Anlaß zu einer merkwürdigen Unterhaltung über die Gewerbe gerichte überhaupt. Zunächst gab der Staatssekretär Graf Posadowsky die Erklärung ab, daß in juristischen Kreisen Abneigung gegen neue StandeSgerichte, gegen neue Sondergerichte für einen einzelnen Berufszweig, bestehe. Auch fügte er hinzu, daß die auch dem vorliegenden socialdemokratischen Anträge zu Grunde liegenden Wünsche Wohl am besten dadurch Erfüllung fänden, wenn — was freilich aus finanziellen Gründen noch auf Widerstand in ausschlaggebenden Kreisen stoße — bei den ordentlichen (Amts-) Gerichten für Beschleunigung und Verbilligung der Rechtsprechung über Lohn- und sonstige Streit sachen aus dem Arbeitsverhältniffe gesorgt werde. Dem Abg. vr. Spahn vom Centruin gab das anscheinend er wünschten Anlaß zu einem starken Vorstöße gegen das ganze Gewerbegerichtswcscn, womit er freilich in ein Wespen nest stach. Von de» Abgeordneten Heine (soc.), Roesicke- Dessau (liberal) und Basser mann (nat.-lib.) wurde dieser Vorstoß energisch zurückgewiesen, worauf Herr Spahn sich veranlaßt sah, sein abfälliges Urtheil über die Gewerbegerichte etwas einzuschränken. Als der Staatssekretär Graf Posadowsky seine Rund reise nach Dresden, München, Stuttgart und Karls ruhe begann, wurde in solchen Blättern, welche die Zoll forderungen des Bundes der Landwirthe begünstigen, mehr oder weniger verblümt angedeutet, an höchster Stelle in Berlin sei man gar nicht abgeneigt, diesen Forderungen entgegenzukommen, und der Staatssekretär habe den Auf trag, in den genannten Residenzen den Versuch zu machen, die dort herrschende Abneigung gegen Concessionen zu überwinden. Seitdem hat man wohl erkennen müssen, daß man sich getäuscht hat und daß der Auftrag deS Grafen Posadowsky ganz anders lautete. Und seitdem begegnet man in conservativen und klerikalen Blättern nicht selten Auslassungen, die ihre Spitze unverkennbar gegen diese höchste Stelle richten. Dabei läßt man eS aber nicht be wenden; auch im preußischen Abgeordnetenhause führt man den Beweis, daß die Erfüllung sehr be gründeter höchster Wünsche von dem Wohlwollen der ausschlaggebenden Parteien abhängt und daß solches Wohl wollen jetzt nicht vorhanden ist. So sind bei der Berathung deS Eisenbahnetats die Kosten für den Umbau des Bahn hofs in Homburg durch eiu unverkennbares konservatives Partei-Votum, für daS man sich die Unterstützung deS Cen trums gesichert hatte, abgelehnt worden. Der „Köln. Ztg." wird darüber geschrieben: „Es erscheint ausgeschlossen, daß diesem völlig unerwarteten und unzweideutigen Vorgehen der unentwegten conservativen Opposition die entsprechende Gegenaction fehlen wird. Die sach lichen Gründe, die Graf Limburg-Stirum für die Ablehnung vorbrachte, sind zu fadenscheinig, al» daß sie irgend einen Eindruck machen könnten. Wir erinnern daran, daß in derBudg «tcommtssion die Abgeordneten Graf Arnim und Graf Limburg-Stirum der Forderung nur insoweit einen ganz leichten Widerspruch entgegen- setzten, al» Beide den Zuschuß der Stadt Homburg für nicht ge- nügend hoch erachteten und deshalb weitere Verhandlungen mit der Stadt für wünschenswerth erklärten. Die Budget-Commission war aber der Ansicht, daß diese Einwendungen nicht berechtigt seien, und bewilligte mit allen gegen drei Stimmen die Regierungs forderung. Um so ausfälliger mußte e- erscheinen, al» plötzlich kurz vor der Berathung dieses Postens am 15. April die Bänke der Con servativen und de» Crntrum» dichter al» bisher sich füllten, und als Graf Limburg-Stirum, der sich bis dahin in der mehrtägigen Rede- schlacht vollständig auSgeschwiegen hatte, in höchsteigener Person das Wort ergriff. ES erscheint ganz ausgeschlossen, daß die Mehrheit der Conservativen und des LentrumS einem sachlich in keiner Weise begründeten Urtheile des Grafen Limburg und de- Herrn Letocha in einer rein technischen Frage gefolgt wären, wenn sie damit nicht eine bedeutungsvolle politische Kundgebung hätte verbinden wollen. ES ist au» den Zeitungen längst bekannt, daß der Kaiser sich ganz besonders lebhaft für die endliche Herstellung erträglicher Zustände auf dem Bahnhof« in Homburg interessirt hat. ES handelt sich hier, wohl gemerkt, nicht um einen Prachtbau, oder um die Herstellung von Prunkzimmrrn für fürstliche Besuche. Herr v. Eynern hat sich daS Verdienst erworben, festgestellt zu hoben, daß von der Gesammtsumme von 5 400 000 nicht weniger denn 5 Millionen verlangt werden zu Erdarbeiten, zur Verbindung der beiden Bahnhöfe, zu BahnhofSerweiterungea, und daß nur 400 000 auf die eigentlichen Stationsanlagen und davon lediglich 70000 auf die Fürstenzimmer kommen, die in einem so vornehmen internationalen Bade, wie eS Homburg ist, als unentbehrlich bezeichnet werden müssen. Minister v. Thielen hat betont, daß der Verkehr sowohl als der Betriebszustand und die Betriebssicherheit des Bahnhofes auf das Dringendste einer Ab hilfe bedarf und daß die Bahnverwaltung in die unangenehmsten Feuilleton. Eva oder Anneliese? 17j Roman von Ern st G e o r g y. Nawdriick verboten. In München bekam Bernd Gelegenheit, die Damen zn festen nnd ihnen nützlich -n sein. Sie geriethen mit dem Schaffner des Wagens in Streit, als er gerade die für ihn belegte Abthcilung, frisch totlctttrt, verließ. Er schlichtete bald nnd stellte sich -er Aelteren, die er schon als Mutter kennen gelernt, vor. Sie war noch aufgeregt und verärgert über die schlaflos verbrachte Nacht und wurde erst höflicher^ als ihr die Tochter eine russische Bemerkung zurief. „Sehr angenehm, Herr Graf! Ich bin Anna Iwanowna Mamonow, dies ist meine älteste Tochter Feodora Alcxan- drowna, die ich, von Freunden beschützt, habe in Paris zur Sängerin ausbilden lassen. Wir gehen nach Berlin, wo uns mein Gatte erwartet. Dann kehren wir nach Peters burg zurück. Wir haben Beziehungen, die sehr günstig sind, nnd hoffen, daß Feodora an dem Marientheater an gestellt wird." Bernd verneigte sich noch einmal, erstaunt über die Aus führlichkeit des erhaltenen Berichtes. Er nahm die Auf forderung der Frau Mamonow an, frühstückte mit ihnen im Wartesaal und tibersiedelte für einige Stunden in ihr Eoup6. Ein lebhaftes Gespräch entwickelte sich zwischen ihnen. Er sah häufig zu dem jungen Mädchen hinüber. Obgleich sic mit der Mutter so eifrig geschwatzt, verhielt sie sich jetzt sehrschwcigsam. Festin die Ecke gedrückt, schien sie nur Aufmerksamkeit für die Bilder draußen zu haben, und doch spürte er den Blick ihrer schwarzen Augen, so bald er sich von ihr abwandte. — Diese junge Künstlerin war ein eigenthümltcheS Wesen. Sehr groß, und trotz einer ge wissen Brette doch überschlank, besaß ihr Körper eine un glaubliche, spielende Beweglichkeit. In jedem Augenblick veränderte sie die Stellung. Bald sank sie in sich zu sammen, bald richtete sie sich auf, wobei eS den Anschein hatte, als könnten diese welligen-schlangengleichen Linien gar nicht durch Knochen und Muskeln hervorgebracht werden. Die feine, in einem chiken Pariser Reisecostüm steckende Gestalt schien au« elastischem Kautschuck. Einen ähnlich nervösen utenschlichen Leib, der jeder inneren Er regung auf da« Prägnanteste Ausdruck gab, hatte vrandau »och »t« gesthev. Auch da» Gestcht mit dem großen, brennendrothen Mund, der aber einen außerordentlich schönen Schnitt hatte, die stumpfe Nase mit den breit aus ladenden, weichen Flügeln, die niedrige Stirn, über der lockige, dunkle Haare sich kranstcn, besonders aber die leuch tenden Augen nnd die großen, weißen Zähne verliehen ihr einen merkwürdigen Reiz. Fräulein Mamonow hatte etwas so Durchgeistigtes, und trotz ihrer slawischen Eigen art ein so internationales Air, daß sie Jeden anziehcn mußte. Alles vibrirtc an ihr von einem starken Innen leben. Bernd gestand sich zu, daß er noch nie ein ähnlich reizvolles Wesen gesehen hatte. Ihre Mutter zeigt den echt russischen Typus der alternden und dick gewordenen Frau. Ucber die schwatzende und rauchende Maminka fort, versuchte er immer wieder, mit der Tochter in Unterhaltung zu kommen. Sie rauchte ununterbrochen; ihre Antworten waren knapp und geistvoll. Gleich anfangs hatte sie in herrischem Tone gebeten, daß er sie mit seinem ewigen „Gnädigen Fräulein" verschone und auf ihre vaterländische Art: Feodora Alexandrowna, nenne. Bernd gehorchte; aber es dauerte lange Zett, ehe er sich darein fand, die ihm fremde Dame beim Vornamen anzureden. — Erst, als er sich als Musiklicbhaber und Geiger offenbarte, lenkte das Gespräch in die richtige Bahn ein. Die junge Russin kam aus ihrer Reserve heraus. Unerschöpflich war nun der Stoff. Als sie sich auf einer größeren Station ein Diner servircn ließen, war Bernd schon völlig dazugehörig. Er blieb auf ihre Bitten auch den Rest der Reise mit ihnen zusammen. Weitgereiste und gebildete Russen sind im gesellschaft lichen Verkehr ebenso weltmännisch liebenswürdig wie unterhaltend und tactvoll. Keine Frage belästigte Bernd, als er von seiner Mutter erzählte, die zurStärkung für seine plötzlich erblindete Pflegeschwester den Winter über in Nizza verweilen wollte. Er sprach bald von anderen Dingen, erstaunt, daß er dazu fähig war. Je weiter er sich von den Seinen entfernte, je mehr er sich mit den Damen unterhielt,um so leichter wurde ihm zuMuthe. DieserWechsel »nutzte ziemlich auffallend sein, denn Fräulein Feodora ver kündete ihm ganz ungenirt: „Denken Sie, ich habe Sie für einen Kranken gehalten, Graf! Jetzt sehe ich aber ein, daß Sie gesund sind. Wahrscheinlich haben Sie zuviel studirt!" „Das nun seit meinem Refercndarexamen gar nicht!" entgegnete er. — „Aber die Erblindung meiner ldaS Wort Braut wollte nicht über seine Lippen) meiner Schwester bat mich recht gepackt! Ich war fort während in Ihrer Näh«, und da« greift an!" »Da« verstehe ich vollkommen!" erwiderte Feodora. „Sie werden mich hartherzig und schlecht heißen, aber ich habe einen aus gesprochenen Abscheu vor kranken oder mit körperlichen Dc- fecten behafteten Menschen. Ich bitte Gott täglich, mich früher als die Meinen von hinnen zu rufen, denn ich könnte nnr eine schlechte Pflegerin werden, wenn sie erkrankten. Und nun vor Allem das Beisammensein mit einer Blinden, brrr! Diese leeren Angcn, dieses aufreibende Mitleid, ich stürbe davon!" „Was sprichst Du nur, mein Seelchen, der Herr Graf wird eine nette Ansicht von Dir bekommen! Du bist ein gutes Kind, warum stellst Du Dich so in schlechtes Licht?" fragte Fran Mamonow und rief ihr einen russischen Satz zu, der entschieden keine Liebkosung enthielt. Das junge Mädchen fiel ganz in sich zusammen; zuckte aber die Schultern: „Nitschcwo, Maminka! Ich bin nur wahr nnd kann mir keine Evmödie vorspielen. Ich beklage das Unglück Ihres Fräulein Schwester aufrichtig; aber — meine Behauptung bleibt bestehen. Ihre Nähe ertrüge ich nicht oder ich ginge daran zu Grunde!" Bernd war erblaßt. Die Worte der Russin trafen ihn gerade heute doppelt schwer. Er seufzte tief: „Was würden Sie thun, wenn Ihrem zukünftigen Gatten ein solches Un glück zustteße? Sic müßten ihn doch pflegen!" meinte er mit trockener Kehle und pochendem Herzen. „Davor be wahre ihn der Himmel!" lachte sie und schnellte empor. — „Wenn ich ihn sehr lieben würde, dann nähme ich meinen Revolver und erschösse erst ihn nnd dann mich! Wäre meine Liebe nicht so groß, dann liefe ich einfach davon; aber bet ihm bleiben, nm ihn und mich leiden zu sehen, nie, nie!" — Der leichtfertige AuSspruch that ihm weh und stieß ihn ab. „WirDcutschen denken darin wohl anders, FeodoraAlexan- drowna!" entgegnete er kühler. — „Die Ehe meiner Mutter war eine unausgesetzte Pflege meine« gelähmten Vater«!" „Furchtbar!" „Hören Sie nicht auf die Närrin, Herr Graf!" bat die Aeltcre. — „Feodora war nie eine Secunde krank und hat von ihrer Familie nie einen erkrankt gesehen. Sie spricht Unsinn! Glauben Sie ihr nicht! Sie hat keine Erfahrung in dieser Sache.„ — „DaS ist richtig; aber der Batcr im Himmel beschütze Jeden vor einem Conflict wie diesen! Diejenigen, welche ihn zu lösen wiffen, Nnd entweder Helden, Märtyrer der Ent sagung oder Schwächlinge, die nicht den Muth haben, sich loszureißen. Im Uebrigen spreche ich hier nicht pro domo Rußland, sondern aus meiner Individualität heraus!" — Wieder duckte sie sich hastig. „Hören Sie auf!" sagte Brandau gepeinigt. Er sprach schnell von etwas Anderem; aber in seinem Innern hallten die Worte: „Märtyrer oder Schwächling" ver- hüngnißvoll wühlend. Warum hatte er nicht den Muth, sich loszureißen? War er denn schuldig? Mußte er sein Glück, sein Leben opfern? Eine Unterredung, einmal die Kraft, Anneliese und der Mutter den Schmerz einer end- giltigen, anderen Entscheidung anzuthun, und er war frei!! — Aber konnte er es denn, überwogen in ihm nicht Sclbstvorwürfe und Mitleid? Würde die Er innerung an jene furchtbaren Augen, an Dummelchen's stete Dunkelheit, ihre Enttäuschung, ihm nicht doch jeden Genuß, jedes Glück rauben? So oder so! Sein Dasein war verpfuscht, und er würde nie die Kühnheit, die Herzlosigkeit haben, es anders zu gestalten! — Fast be neidete er den harten Sinn seines Gegenübers, das ihn jetzt trotz halb gesenkter Lider mit wahrhaft lodernden Blicken beobachtete. Ein Schauer überflog ihn, der ihn benahm. Das fremdartige Geschöpf zog ihn in gleichem Maße geheimnitzvoll an, wie cs ihn andererseits absticß. Die Stunden enteilten. Man näherte sich bereits stark der Reichshauptstadt. Maminka Mamonow wurde immer erregter. Sie erwartete, ihren Gatten auf der Station zu finden. Feodora plauderte mit Bernd, der ihr traurig erzählte, daß ihn kein Mensch abholen würde. Seinen Verwandten hatte er nichts mitgetheilt, und seine Freunde wußten wohl das Datum, aber nicht die Zeit seiner An kunft. Da sie tief in der Nacht eintrafen, wollte er im Hotel de Rome absteigen und dort bis zu seinem Eintritt ins Heer bleiben. — Er erhob sich und trat an das Fenster. In der Ferne sah man bereits den rothdurchlcuchteten Dunstkreis, der allnächtlich über Berlin ausgebreitet liegt. — Bernd hatte vor sich hingeträumt. Er zuckte zu sammen, als plötzlich neben ihm die schlanke Gestalt der Russin auftauchte. Ihre schmale, weiche Hand faßte die seine. Aus ihren verschleierten Augen sprach eine flehentliche Bitte: „Sie denken nicht schlecht von mir, Graf Bernd Julianowitsch, ich meine wegen meiner Härte vorhin? Nicht wahr, auch Sic wollten doch keine Lüge hören? Ich habe auch nie gelogen, sosiestni slo, Ehren wort!" Wieder durchströmte es ihn eigen. „Ich denke nichts Böses von Ihnen, gnädiges Fräulein, Pardon, Sie lieben mehr, wenn ich Sie Feodora Alexandrowna nenne?" — „Wirklich nicht?" — „Nein!" entgegnete er lächelnd, denn ihr merkwürdiges Gesicht strahlte vor Freude und gewann dadurch einen kindlichen Ausdruck, der ihm gefiel. — — „So «erden Gj« un« bald In uns«r«r
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