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Amtsblatt für die königlichen und Müschen Behörden zu Freiberg nnd Brand Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. LH LH 4Ächeml leben Wochentag Nachmilt, d Uhr sür den I Us- ^H^O ariden, Tag. Prci» vierteljäiirliq 2 Mark LV Pi., u vmonatlich 1 M. SV Pf. und einuionatüch 7s M sj 38. Jahrgang. Mittwoch, de» 17. Februar. Jmerate wer hör. bi« Vormittag ll Uhr angenom- men und beträgt der Prei» für die gespaltene Zeile oder deren Raum Id Pf. t«86. Eine Branntwein-Konsumfteuer. Der Branntwein-Monvpol-Gcsetzentwurf hat zwar im deutschen Bundesrathe vielen Anklang gefunden, dürfte aber im Reichstage auf beharrlichen Widerstand stoßen. Die Bundesraths - Bevollmächtigten der süddeutschen Staaten sprachen offen die Ansicht aus, daß sie zwar die Einfüh rung des Monopols für den ganzen Umfang des Reiches als eine heilsame und gar nicht schwer durchführbare Finanz- maßregel betrachten, aber von den süddeutschen Landtagen keine Zustimmung zu dem Verzicht auf das Rescrvatrecht erwarten. In unverkennbar monopolfeindlichcr Absicht sind in verschiedenen deutschen Einzcllandtagcn die Regierungen über ihre Stellung zu dem Branntwein-Monopol inter pellirt worden und wiederholt wurde schon vorher diese Angelegenheit im deutschen Reichstage in einer Weise ge streift, welche deutlich erkennen ließ, daß die Mehrheit der deutschen Volksvertretung grundsätzlich sich gegen die Monopvl- wirthschast ablehnend verhält. Darüber, daß der Spiritus eine andere Besteuerung als jetzt verträgt, besonders aber der Branntwein, der große Feind des gesunden BluteS, zu Gunsten der Steuerzahler mehr als bisher bluten kann und muß, sind sich fast alle Parteien einig. Es steht fest, daß der Branntwein in Deutschland lange nicht hinreichend besteuert und deshalb billiger ist, wie in anderen Kulturländern und daß eine durch die Verthenerung erzielte Einschränkung des Konsums großen moralischen und volkswirthschaftlichen Nutzen bringen würde. Bei der Abneigung gegen das Monopolsystem, die sich in den weitesten Kreisen kundgiebt, und bei der vielvcrbreitcten Furcht vor den Schwierigkeiten, welche die Ausführung des jetzt dem deutschen Bundesrathe vorliegenden Monopol-Gesetzentwurfs bieten würde, läßt sich das Schicksal des letzteren unschwer voraussehen. Als das Tabaks- Monopol fiel, hinterblicb die Tabakssteuererhöhung; bei dem Scheitern der Branntweinmonopol-Vorlage wird sicher etwas Achnliches stattfinden. Zum Glück ist aber der Branntwein weit steuerfähiger als der Tabak oder der Zucker. Bei solchen Aussichten ist eine die Branntwein steuer behandelnde „Der Weg zum Ziele" betitelte Denk schrift sehr bcachtenswerth, welche ein großer schlesischer Sprit-Industrieller vor Kurzem dem deutschen Reichstage und dem deutschen Reichskanzler überreichte. Die ruhig und sachlich gehaltene Schrift hält sich von jeder heftigen Agitation gegen das Monopol fern, bezeichnet dasselbe aber als unwahrscheinlich und liefert gleichzeitig den Beweis, daß man in den am meisten interessirten Kreisen ganz bereit ist, dem Reiche zu geben, was des Reiches ist. Der Verfasser der erwähnten Denkschrift, ein einsichtiger Fachmann der Spiritusindustrie, stellt folgende Wünsche auf: Erhaltung der Maischraumsteuer für die Kartoffck- brennercicn, fakultative Fabrikatsteuer für Prcßhefcfabriken und Kornbranntwein-Brennereien, Regelung der Export bonifikation ohne Exportprämie, Beschränkung der Spiritus erzeugung behufs Aufbesserung der Spirituspreise, 150 Mill. Mark Äehreinnahmc aus einer Branntwein-Verbrauchs steuer ohne Belastung der Brennereibesitzer, ausschließliche Verwendung von rcktifizirtem Branntwein aus Gesundheits rücksichten, Enquete und schnelle Einführung eines Branntwein- steucrgesetzes. Bei einer Erfüllung dieser Wünsche würden nach Ansicht des Verfassers nicht nur die Spritfabrikation und der Spiritushandel wieder aufblühen, sondern auch dem Reiche/aus der Branntwein-Konsumsteuer diejenigen Mehreinnahmen erwachsen, welche es aus der Branntwein steuer zu entnehmen vollberechtigt ist. Erfolgt die Konsum- besteucrung in Höhe von 50 Mk. pro 100 Liter ü 100 Proz., so ist zu erwarten, daß der jetzige Verbrauch von etwa 340 Millionen Liter auf etwa 300 Millionen zurückgehcn, also immer noch 150 Millionen Mark liefern wird, selbst wenn Baiern, Württemberg, Baden und Hamburg von dieser Steuer ausgeschlossen bleiben. Erscheint eine solche Einnahme noch nicht genügend, so könnte ja die Konfumsteuer später noch erhöht werden, nur müßte der Konsument Zeit behalten, sich mit der neuen Steuer und der damit ver bundenen Preiserhöhung vertraut zu machen. Kcinenfalls würde daber der Brennereibesitzer belastet, was bei der jetzigen Lage der Landwirthschaft auch manches Bedenkliche hätte, sondern cs wird die höhere Besteuerung von dem Zwischen handel verauslagt und in letzter Linie von dem Konsumenten getragen, der bis jetzt in Deutschland durch den allzu billigen Preis des Branntweins nur zu sehr zum Alkoholgenuß verleitet wurde. Für den Konsumenten bietet dagegen die gesetzliche Be stimmung die hoch anzuschlagende Entschädigung, daß künftig nur rektifizirter Sprit zu Genußzweckcn verwendet werden darf, was in gesundheitlicher Beziehung äußerst wichtig ist. An dem Monopol Gesetzentwürfe ist gerade die Energie zu rühmen, mit welcher derselbe dem Genüsse von fuselhattigem Rohspiritus entgegentritt. Bei der jetzigen Produktion ist höchstens die Hälfte rektifizirt und davon ein Viertel zur Ausfuhr verwendet worden, während im Jnlande fast 200 Millionen Liter als Rohspiritus getrunken wurden, ein Faktum, das fast unglaublich, jedenfalls aber höchst be dauerlich ist. Die Vermehrung des Betriebes der jetzt arg darniedcrliegendcn Spritfabrikation würde sowohl der Land- wirthschaft wie dem Handel nützen und in höheren Spiritus preisen ihren Ausdruck finden, wenn an Stelle des auf so viele prinzipielle Gegner stoßenden Branntwein-Monopols ein rationelles Branntwein - Konsumsteuergesetz zwischen der RcichSregierung und dem Reichstage vereinbart werden könnte. TQHesschmr. Freiberg, den 16 Februar. Bei der gestern im deutschen Reichstage stattgefundenen ersten Berathnng des Gesetzentwurfes über die Ergänzung des 8 809 der Zivilprozeßordnung, wonach es cm Stelle der Zu stellung des Arrestbefehls an den Schuldner genügen soll, wenn die Post um Bewirkung der Zustellung ersucht oder so fern die Zustellung mittelst Benutz: oder die öffentliche Zu stellung erforderlich, wenn das Gesuch um Zustellung überreicht ist, befürwortete der B un des k om m > s s a r den Gesetz entwurf mit dem Hinweise auf bisherige große Mißstände. Abg. v. Buol beantragte die Ueberwcisung an eine besondere Kommission. Abg. Klemm behauptete, die Vorlage helfe einem lange gefühlten Uebelstande ab. Abg. Meyer (Halle) hatte Bedenken gegen den Entwurf und meinte, man solle nicht an der Zivilprozeßordnung rütteln. Der Antrag des Abg. v. Cuny, daß eine Kommission von 14 Mitgliedern die Vorlage durchberathe, wurde angenommen. Bei der ersten Bcrathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Unzulässigkeit der Pfändung von EiseubahnbetriebSmitteln, hob der Bundes- lommissar Hagens die Nothwendigkeit hervor, den Eisen bahnbetrieb vor jeder Störung sicher zu stellen. Der Bundes- rathsbevollmächtigte Graf Lerchenfeld betonte an der Hand von Beispielen die Dringlichkeit der vorgeschlagencn Be stimmung. Abg. v. Cuny sand es für bedenklich, ohne Wei teres die Gläubiger zu beschränken, ohne zu sagen, wie diese ihr Recht zu finden haben und beantragte die Verweisung an die eben beschlossene Kommission. Die Abgeordneten von Stronbeck und Schrader traten dafür eben falls ein. Nach kurzer Debatte wurde der Gesetzent wurf an eine Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen. Hierauf folgte die dritte Bcrathung des Gesetzentwurfes, betreffend die Fürsorge für Beamte und Personen des Soldatenstandes in Folge von Betriebsunfällen. In der Gcneraldiskussion erklärte Abg. Schrader seine Bereit- wlüigkeit, für das Gesetz zu stimmen. In der Spezial diskussion wurden die einzelnen Paragraphen mit einigen Anträgen des Abg. Struckmann redaktioneller Natur im Wesentlichen nach den Beschlüssen der zweiten Lesung ange nommen. Zu einer besonderen Debatte führte nur 8 12 der Beschlüsse der zweiten Lesung, welcher dem 8 11 der Regierungsvorlage entspricht. Der Staatsminister von Bötticher bat zu diesem Paragraphen um Herstellung der Regierungsvorlage, da sonst die Einzelstaaten, um den Be stimmungen dieses Gesetzes zu genügen, fast sämmtlich ihre Landesgesetzgebung ändern müßten. Abg. Struckmann ersuchte dagegen das Haus, es bei den Beschlüssen der zweiten Lesung zu lassen, da sonst ein Zustand der Rechtsuusicherheit entstehen würde. Abg. Schrader äußerte sich in demselben Sinne. Auf den Antrag des Abg. von Francken st ein wurde jedoch zu 8 12 die Fassung der Regierungsvorlage wieder hergestellt. Der Gesetzentwurf sand sodann in der Schlußabstimmung einstimmige Annnhme. — Wie bereits gestern unter Depeschen mitgelheilt wurde, ist dem preußi schen Herren Hause eine hochwichtige Kirchengesetz- Novelle zugegangen. Dieser Gesetzentwurf, betreffend Ab änderung der kirchcnpolitischen Gesetze, hat folgenden Inhalt: 8 1. Zur Bekleidung eines geistlichen Amtes ist fortan die i Ablegung einer wissenschaftlichen Staatsprüfung nicht erforderlich. ! Die cntgegcnstehenden Bestimmungen in den 88 4 und 8 des Gesetzes vom 11. Mai 1873, sowie im Artikel 3 des Gesetzes vom 31. Mai 1882 werden aufgehoben. 8 2. Die Vor schriften der 88 9 bis 14 im Gesetz vom 11. Mai 1873 stehen der Errichtung von Gymnasialkonvikteu seitens der kirchlichen Oberen nicht entgegen. Dasselbe gilt für die Er richtung von Konvikten sür Studirende an Universitäten und an denjenigen kirchlichen Seminaren, hinsichtlich deren die ge* setzlichen Voraussetzungen für den Ersatz des Universitäts studiums erfüllt sind. Solche Konvikte unterliegen den all gemeinen gesetzlichen Bestimmungen über die Aufsicht des Staats in Betreff der Unterrichts- und Erziehungsanstalten. 8 3. Die Aussicht des Staats über die zur theologisch praktischen Vorbildung bestimmten Anstalten (Prediger- und Priesterseminare) regelt sich fortan nach den allgemeinen ge setzlichen Bestimmungen über die staatliche Aussicht in Betreff der Unterrichts- und Erziehungsanstalten. Die entgegenstehenden Vorschriften in den 88 0 bis 13 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 werden ausgehoben. 8 4. Der 8 1 >m Gesetz vom 12. Mai 1873 wird ausgehoben. Kirchendiener im Sinne des Gesetzes vom 12. Mai 1873 sind nur solche Personen, welche die mit einem geistlichen oder jurisdiktioncllen Amt verbundenen Rechte und Verrichtungen ausüben. 8 5. Die Vorschrift des 8 2 Absatz 2 im Gesetz vom 12. Mai 1873 findet fortan nur An wendung, wenn mit der Entfernung aus dem Amte der Verlust oder eine Minderung des Amtseinkommens verbunden ist. 8 6. Der königliche Gerichtshof sür kirchliche Angelegenheiten wird aufgehoben. 8 ?- Die Berufung an den Staat findet fortan nur gegen solche Entscheidungen der kirchlichen Behörden statt, welche die Entfernung aus dem kirchlichen Amt verhängen und mit denen zugleich der Verlust oder eine Minderung deS Amts einkommens verbunden ist. 8 8. Eine Berufung an den Staat >m öffentlichen Interesse findet fortan nicht statt. 8 2. Ueber die Berufung entscheidet das Staatsministerium. 8 10. Wird die Berufung für begründet erachtet, so ist die ange fochtene Entscheidung, soweit sie das bürgerliche Rechtsgebiet berührt, insbesondere den Verlust oder eine Minderung des Amtseinkommcns einschließt, ohne rechtliche Wirkung. Die Entscheidung des Staatsministeriums ist im Verwaltungswege vollstreckbar. 8 11 Die Bestimmungen über das Verfahren werden durch königliche Verordnung getroffen. 8 12- Im Fall des 8 37 im Gesetz vom 20. Juni 1875 findet fortan nur Beschwerde an den Minister der geistlichen Angelegenheiten statt. 8 13- In den Fällen des 8 24 im Gesetze vom 12. Mai 1873, sowie des 8 12 im Gesetz vom 22. April 1875 ist fortan das Kammergericht, als höchstes Landesgericht sür Strafsachen, zur Verhandlung und Entscheidung zuständig. Für das Verfahren verbleibt es bei den Bestimmungen des Abschnittes III im Gesetz vom 12. Mai 1873. 8 14- Die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes bei dem königlichen Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten anhängigen Sachen gehen in der prozessualischen Lage, in welcher sie sich befinden, auf das Staatsministerium über, soweit eine Zuständigkeit desselben nach den Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes be gründet ist." In den Motiven zu dieser Kirchengesetznovelle wird hervorgehoben, die preußische Regierung sei m ihrer schon seit zwei Jahren bestehenden Absicht, den Wünschen der katho lischen Unterthanen betreffs Heranbildung und Jurisdiktion der Geistlichkeit entgegenzukommen, durch den Umstand verhindert worden, daß das Zusammentreten der Parlamente in den letzten Jahren jedesmal von den Vorgängen begleitet war, welche dem Eindruck Vorschub geleistet hätten, als ob die Re gierung durch Angriffe und Drohungen zu solchen Entschließungen bewogen würde. Da jetzt Anlaß solcher Befürchtungen nicht vorliege, habe die Negierung mit diesen Vorschlägen nicht länger zurückhalten wollen. — Aus unterrichteter Quelle ver lautet, daß die Erklärung, welche der Finanzminister v. Scholz gegen den Abg. v. Kardorff bezüglich der Währungsfrage im deutschen Reichstage abgegeben hat, im ausdrücklichem Ein- vcrständniß mit dem Fürsten Bismarck erfolgt ist. Es werden damit alle Gerüchte zerstreut, welche aus jener Er klärung eine Erschütterung der Stellung des Finanzministers v. Scholz herleiten wollten. Im Budgetausschuß des österreichischen Abgeordneten hauses trat der neue Unterrichtsminister von Gautsch zum ersten Male in parlamentarische Aktion, befriedigte aber durch seine Aeußerungen weit mehr die Deutsch-Liberalen als die Czechcn, deren Wünsche bezüglich einer czechischen Universität er nicht sofort erfüllen zu können erklärte. — Der dem Ab- gcordnetenhause vorgelegte Jahresbericht des österreichischen Postsparkassenamtcs pro 1885 weist eine Gcsammtemnahme von 1 553 951 fl. aus. Hiervon wurden an Zinsen sür Ein leger 405 354 fl. bezahlt. Die VerwaltnngsauSlagen betrugen 517 000 fl., das Reinerträgniß macht 631 525 ft. aus. Darin sind inbegriffen 588 461 ft. Koursgcwinn, welcher Betrag ge setzlich dem Spezial-RcscrvcsondS zugeführt wird. Der Rest per 43 056 fl, wird dem Postamt für erhaltene Vorschüsse zuriickerstattet. Pro 1886 ist eine Nettozinsen-Emnahme von 1000 000 fl. und ein Reingewinn von 462 100 fl. veranschlagt. Bei den am Sonntag stattgcfundenen Ersatzwahlen zur französischen Deputirtenkammer wurden im Departement