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Msdmffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, s« ,WU»druffkr Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in d« Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 AM., bei Poftbeftellung 2 «W. zuzüglich Abtrag« , ..... . gebühr. Einzelnummern ibApsg.All-Postanftalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und unl-reAus. triigerund Geschäftsstellen nehmen zu feder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieserung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — ALcksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto deiliegt. für Bürgertum, Beamte/ Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Rau»zeile 20Rpfg.» die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 «eich». Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachroeijungsgebühr 20 Reich «Pfennige. Bor- geschriebene Erscheinung«- tage und Platz» Urschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt, «azcigen- annahme bis oorm.lvUbr. ——— Für die Richtigkeit der durch FernrufübermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabananspr: ch er ncht, wenn der Betrag dnrch Klage eingezogen werden muß oder derAuftraggeberin Konkurs gerat. Anzeigen nehmen ulle Dcrmittluvgsstellcn entgeaen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr 195 — 88 Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck Dresden 2640 Donn rstag, den 22 August 1929 Die Versicherung in der Schachtel. Der große Versicherungskrach, bei dem nach fast 65- jährigem Bestehen die Frankfurter Allgemeine Versicherungs-A.-G., eines der bedeutendsten deutschen Versicherungsunternehmen, mit einem Mil- lionendefizit zusammenbrach, hält die Finanzwelt in Atem. Aber nicht nur Bankiers und Börsenleute haben ein Interesse an diesem traurigen Fall, sondern auch das große Publikum. Wenn jetzt durch die Rettungs aktion der Banken das Versicherungsgeschäft der „Frank furter" durch die „Allianz" übernommen worden ist, und ohne Schädigung für die Versicherten weitergeführt wird, so ist doch zu befürchten, daß in der großen Menge der Versicherungsgedanke Einbuße an Ansehen erleiden wird. Noch zu frisch ist die Erinnerung an die Infla - t i o n s v e r l u st e der Versicherten, als daß nicht neue Besorgnis entstehen könnte. Die feineren Unterschiede, die das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherungen jetzt in seiner Veröffentlichung gemacht hat zwischen dem Ver- ficherungsgefchast, das in Ordnung gewesen sein soll, und dem illegitimen Bankgeschäft, das der Kontrolle des Aufsichtsamtes nicht untersteht, dürfte für das breite Publikum nur schwer verständlich sein. Es wird trotz alledem nicht begreifen, daß solche Riesen verluste entstehen konnten bei der besonderen staatlichen Kontrolle, der alle Versicherungsgesellschaften unterworfen sind. Versichcrungsgelder stellen doch immer Spar gelder dar, die für die Fälle zwar vorhersehbarer aber nicht genau bestimmter Notfälle angelegt werden und der besondere Schutz, den der Staat ihnen angedeihen läßt, ist durchaus notwendig und berechtigt. Es ist nur zu bedauern, daß das Aufsichtsamt im vorliegenden Falle anscheinend seiner ihm paragraphenmäßig zur Verfügung stehenden Kontrollpflicht zwar buchstabenmäßig nachge kommen ist, darüber hinaus es aber nicht für nötig be funden Hat, rechtzeitig nach dem Rechten zu sehen. Eine genaue Prüfung der Bilanzen hätte dazu führen müssen, krnrnal in die verzwickten Zusammenhänge zwischen der Versicherung, der Absatzfinanzierung und den übrigen bankmäßigen Geschäften eingehend hineinzu- ieuchten. Die hauptsächlich schutzbedürftige Versicherung hätte aus der Verschachtelung mit den übrigen Unternehmungen einmal sauber herausgenommen und genau geprüft werden müssen. Durch die Beteiligung der „Frankfurter" an Ab sa tz fi n a n z i e r u ng s g e s chä f te n sollen die Haupt- Verluste entstanden sein; und die Frage nach dem volks wirtschaftlichen Nutzen der Konsumfinanzierung über haupt wird von neuem aufgerollt. An sich ist der Gedanke, den Konsum ähnlich wie die Produktion zu finanzieren, nicht ungesund, aber es fragt sich, inwieweit Deutsch lands Konsumkraft stark genug ist, um sich ihr anpassen zu können. Die Finanzierungsstellen ihrerseits haben es anscheinend nicht immer verstanden, sich dem Grade des deutschen Konsums entsprechend einznstcllen. In der Übertreibung der Anspannung liegt der Hauptgrund dafür, daß bisher nur in wenigen Aus nahmefällen die Absatzfinanziernng reibungslos und ohne größere Verluste in Deutschland gearbeitet hat. Vor solchen Überspannungen wird selbst in den Vereinigten Staaten, dem Mutterlande des Gedankens, das doch eine bei weitem stärkere Kaufkraft besitzt, immer wieder ge warnt. Diese Warnung dürfte jetzt nach dem Frankfurter Fall doppelte Beherzigung und Berücksichtigung finden. Ein weiterer Punkt, der bei der Betrachtung der Frankfurter Vorgänge sich von allgemeinem Interesse zeigt, ist das anscheinende Versagen des A u fs i ch t s r a t e s, der doch von Rechts wegen das Ableiten der Geschäfts führung von ihrem eigentlichen Versicherungsgebiet auf das des Bankgeschäftes und die Gefährdung, die dadurch das erstere erfuhr, gemerkt haben mußte, und rechtzeitig hätte einschreiten müssen. Inwieweit es sich hier um Verfehlungen nicht nur dieses Aufsichtsrates, sondern um einen Kardinalfehler der Institution der Aufsichtsräte überhaupt, wie sie unsere Gesetzgebung kennt, vor« liegt, wird eingehend zu prüfen sein. Das Erfreuliche ist, daß aus der großen Katastrophe die Versicherten ohne Schaden hervorgehen; aber schwere Gefahr war im Verzüge. Eine eingehende Nach prüfung der Fehler, die die Gefährdung herbeigeführt haben, wird hoffentlich dazu führen, daß sie in Zukunft vermieden und, wo sie auf einem grundsätzlichen Mißstand beruhen, dieser abgcstcllt wird. Dr. S. Verschlechterung der Außenhandelsbilanz Die deutsche Außenhandelsbilanz har sich im Monat Juli wesentlich verschlechtert. Das Statistische Neichsamt errechnet eine Passivität einschließlich der Reparationssachlieferungen von 130 Millionen Mark gegenüber einer Aktivitäl von nicht ganz zwei Millionen Mark im Vormonat. Da man die Neparations fachlieferungen die sich auf 69 Millionen Mark gegenüber 63 Millionen Mark im Vormonat beliefen, nicht als wirkliche Ausfuhr betrachten kann, wer! für sie keine Gegenwerte hereinkommen, muß man sie der Fest stellung des endgültigen Außenhandelsergebmsses unbe rücksichtigt lassen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt man zu einer Passivität der deutschen Handelsbilanz rm ^un in Höhe von 199 Millionen Mark, der im Ium eme Passivität von 61 Millionen Mark gegenüberstand. Jie MOrenz vor dem ZilsMmenbrmh Das deutsche Verlangen nach Entscheidung. Der verhängnisvolle 1. September. Ist am 1. September der Young-Plan im Haag nicht unter Dach und Fach gebracht, so wäre automatisch der Zwang für das Fortbestehen des Dawes-Planes gegeben. Nach dem bisherigen schleppenden Verlauf der Haager Konferenz, bei der namentlich durch die englisch-franzosi« scheu Reibungen stark gewachsenen Aussicht der Verzöge rung auf weite Sicht, erschien der am Montag unter nommene Vorstoß der deutschen Delegation durchaus an gemessen. Die Note der Deutsche» verlangte kurz und knapp, die außer Deutschland teilnehmenden fünf Mächte möchten in einer sofortigen Besprechung die Lage prüfen und nunmehr ernstlich zu einem Entschluß kommen, da der 1. September vor der Tür stehe. Würde bis dahin keine Klarheit geschaffen, so könnte man — und diese Ansicht wird in ganz Deutschland geteilt — mit dem ergebnis losen Auseinandergehen der Konferenz rechnen. Die deutsche Ansicht, deren Bekanntgabe ziemliche Erregung im Haag hcrvorrief, ist auf Verständnis gestoßen. Schon für Mittwoch nachmittag wurde die verlangte Sitzung der sechs Mächte, einschließlich Deutschland, cinberufen und man setzte voraus, daß Reichsaußenminister Strese mann in einer prinzipiellen Rede die Notwendigkeit einer Entscheidung für Deutschland betonen würde, Mehrheit und Minderheit. Der fertiggestellte Bericht der Finanzsachverständigen läßt keinen Ausgleich der abweichenden Ansichten er kennen. Cs ist zwar ein gemeinsamer Bericht übergeben worden. Aber er enthält zwei Gesichtspunkte und zwar eine Minderheitsentschlictzung und einen Mehrheitsvor schlag. Frankreich wendet sich mit den übrigen Mächten gegen die englischen Ansprüche. Die Minderheitsansicht geht aber dahin, daß England mit seinen Forderungen im Recht sei. So war die Situation am Mittwoch und man konnte nur hoffen, daß endlich die vorgesehene Beratung nach dem deutschen Verlangen einen Schritt nach vorwärts bedeuten würde. Sollte das nicht der Fall sein, so würde der bisherige Wirrwarr fortdauern und unter Umständen das Scheitern des Young-Planes sowohl wie damit das gerechtfertigte Verlangen Deutschlands auf endgültige Regelung, verbunden mit der Rheinlandräumung, unab sehbar hinauszögern. Besprechungen über Besprechungen Die Sitzung der Delegierten der sechs einladenden Mächte der Haager Konferenz, nämlich Deutschland, Eng land, Frankreich, Italien, Belgien röid Japan, dauerte am Mittwoch über 2)4 Stuudcn. Gegen 8 Uhr wurde mit- geteilt, die Verhandlungen würden Donnerstag vormittag fortgesetzt Der Mittwochnachmittag brachte in erster Linie die Besprechung der vier Rheinlandmächte, die auf Nach mittag 4 Uhr anberaumt war und wieder im Hotel der englischen Delegation stattfand. Sic dauerte 1)4 Stunden. Ihr war eine einstündigc Besprechung zwischen Reichs- außenminifter Dr. Stresemann und dem französischen Ministerpräsident Briand vorausgegangen, zu der sich Briand im Hotel der deutschen Delegation eingefunden hatte. Als Ergebnis der Viererbesprechung kann vor läufig feftgestellt werden, daß am Freitag nachmittag eine Sitzung des Volllomitees der Konferenz stattfinden soll, das seit Wochenfrist nicht mehr zusammcngetretcn ist. Von französischer Seite werden in dem der Mehr- heits- und Minderheitsmeinung wiedergebeuden Bericht der Finanzkommission die Vorschläge auf Schaffung eines ständigen Überwachungsausschusses im Rheinlande aufrechterhalten. Die finanziellen Erörterungen scheinen sich jetzt auf den Versuch einer stärkeren Inanspruchnahme Italiens zu zuspitzen. Der italienische Delegierte, Senator Pirelli, hatte eine längere Unterredung mit dem englischen Schatz kanzler Snowden, wie hier verlautet, um die um ein Viertel höhere Beteiligung Italiens an den vom Young- Plan vorgesehenen deutschen Leistungen gegenüber seiner bisherigen Quote unter dem Dawes-Plan näher zu be gründen. Sie vier GlWigermWe viele« England so v. H. Haag, 21. August. In der Mittwoch - Sitzung der vier Gläubiger-Mächte, Frankreich, Italien, Belgien und Japan, ist auf Grund des Berichtes der Finanzsachver ständigen beschlossen worden, der englischen Regierung ein endgültiges Angebot von 50V.H. ihrer gesamten Forde rungen zu machen. Eine Antwort von englischer Seite ist bisher noch nicht erfolgt. Nach privaten Mitteilungen, die bei der französischen Abordnung Vorlagen, besteht der Ein druck, daß Snowden auf einer 80prozentigcn Erfüllung der drei englischen Forderungen besteht. Da der heutige Tag schon mit der Besprechung der Besatzungsmächte und der Beratung der sechs einladenden Mächte ausgefüllt war, so ist zunächst keine weitere Verhandlung in den finanziellen Fragen geführt worden. VertWU drr Haager Kooscreoz wahrslheintich Haag, 22. August. Eine Vertagung der Konferenz zu einem späteren Zeitpunkt scheint nach dem Ergebnis der Mitt wochverhandlung unmittelbar bevorzustehen. Die Sechsmächte- bejprechung hat in den Konserenzkreisen einen sehr niederdrücken den Eindruck hervorgerufen. Die Aussichten für eine Weiter führung der Verhandlungen werden sehr gering beurteilt. Die am Donnerstag vormittag erneut stattfindende Zusammenkunft der sechs Mächte dürfte kaum einen anderen Zweck haben als die Begründung der Vertagung sestzulegen. Die Vertagung dürfte vermutlich in der Form erfolgen, daß ein neuer Zusammentritt der Konferenz für Ende September oder Anfang Oktober an einem noch zu bestimmenden Orte in Aussicht genommen wird. Ein praktischer Ausweg aus der völlig hoffnungslosen Lage der Konferenz besteht kaum mehr. Nirgend sieht man einen neuen Gedanken, einen neuen Vorschlag oder eine neue Anregung, die die Konferenz in ein anderes Stadium bringen könnte. Es bleibt nur noch die Vertagung übrig. Aus französischer Seite wird offen bar schon heute mit großer Sicherheit mit einer Verschiebung der Konferenz gerechnet. Die Verantwortung will man naturgemäß ausschließlich auf die gegenwärtige englische Regierung abwälzen, der man rein innerpolitische Beweggründe unterschiebt. Das Er gebnis einer Vertagung wird zunächst für Deutschland eine ernste und schwere Lage schaffen. In letzter Stunde kann vielleicht noch versucht werden, ein Provisorium für den klebergang vom Da wesplan zum Youngplan zu schaffen. Eine Vertagung würde für Deutschland heißen, daß die Räumung der Rheinlande aus un bestimmte Zeit hinausgeschoben wird, daß die französische Forde rung aus eine Kontrollkommission im Rheinland bestehen bleibt, daß die Saarjrage ungeregelt ist und daß die finanzielle Lage Deutschlands gegenüber seinen Gläubigern völlig ungeklärt bleibt. Eine Vertagung würde trotz allen Verschleierungsversuchen zu nächst einen völligen Abbruch jedes Versuches bedeuten, die Fol gen des Weltkrieges im Westen Europas zu liquidieren. Briand und Snowden haben sich gleich nach der Sitzung in ihren Hotels eingeschlossen und jegliche Mitteilung an die Presse auf das ent schiedenste verweigert, was in schroffem Gegensatz zu den sonst üb lichen weitherzigen Mitteilungen steht, die man auf französischer Seite der eigenen Presse zu machen pflegt. Die englische Abord nung ist sich der uneingeschränkten Unterstützung der gesamten öf fentlichen Meinung Englands sicher und wird bei einem Zusam menbruch der Konferenz in London als Sieger empfangen wer den. Die deutsche Regierung dürfte dagegen damit in eine der schwersten Krisen der Nachkriegszeit eintreten. Die Schuld an dem Zusammenbruch der Verhandlungen liegt jedenfalls nicht an Deutschland. Die deutsche Regierung hat den Houngplan ange nommen und damit die Grundlage für die endgültige Räumung des Rheinlandes geschaffen. Die englische Regierung ist, wie wiederholt zum Ausdruck gebracht, uneingeschränkt für die soforti ge Räumung des Rheinlandes eingetreten, unabhängig davon, ob der Youngplan angenommen wird oder nicht. Die französische Regierung ist es gewesen, die aus der Rheinlandräumung ein Tauschgeschäft politischen Charakters gemacht, die eine Räumung nur zulassen will, wenn die sranzösischen Sonderwünsche in der Saarfrage, in der Kontrollkommssion und in der Ausdehnung der deutschen Tributlasten von den übrigen Mächten angenommen werden. Die Verantwortung für einen Zusammenbruch der Kon ferenz und den Zusammenbruch der erstrebten Liquidierung der westliche» Fragen liegt dann ausschließlich bei Frankreich. Sie sroozSWe Besatzung denkt nicht an sofortige Riinninng Frankfurt, 21. August. Wie der Vertreter der Tc- legraphcn-Uniou aus zuverlässiger Quelle erfährt, sind die Verträge zwischen der französischen Besatzung und den im Zivildienst beschäftigten Angestellten und Arbeitern nicht wie beabsichtigt zum 1. Oktober gekündigt, sondern weiter verlängert worden und zwar bei einem Teil der in Frage kommenden Personen zunächst bis zum 1. April 1930. Eaglischer Beseht znr Mama Aus Frankfurt a. M. wird gemeldet: Der Oberbefehlshaber der englischen Besatzungsbehörde in Wiesbaden hat den tele graphischen Befehl vom Kriegsministerium aus London erhalten, alle Vorbereitungen zu treffen, um die Rückkehr der britischen