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v „Vttend-rfer Zeitung' rschemr vir,„tag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode, Annahme »an Inserat« »i» »«»mittag Uh«. Inserat« w«rd«n »tt >0 pj fLr dl« Spalt,«tl« berechn«» Labellartsch« Satz nach besonderem Laris Druck und Verlag von -/ermann Rühle m Groß-Okrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla No. 139. Mittwoch den 20. November 1907. 6. Jahrgang. Bekanntmachung, die Einkommen- und Ergänrungssteuerdeklaration betr. Aus Anlast der im Laufe des nächsten Jahres statlfindenden allgemeinen Einschätzung zur Einkommen- und Ergänzungssteuer werden zur Zeit Aufforderungen zur Deklaration des steuerpflichtigen Einkommens und bez. Vermögens ausgesendet. Diejenigen, welchen eine derartige Aufforderung nicht zugesendet werden wird, steht es frei, Deklarationen über ihr Einkommen bez. ihr ergänzungssteuerpflichtiges Vermögen bis zum 20. November 1907 bei dem unterzeichneten Gemeindevorstande einzureichen. Zu diesem Zwecke werden bei Letzterem Deklarotionssormulare unentgeltlich verabfolgt. Gleichzeitig werden alle Vertreter von Personen, die unter Vormundschaft oder Pflegschaft stehen, ingleichen alle Vertreter von juristischen Personen (Stiftungen, Anstalten eingetragenen Vereinen, eingetragenen Genossenschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Genossenschaften mit beschränkter Haftung, Berggewerkschaften usw.), sowie die Vertreter von sonstigen mit dem Rechte des Vermögenserwerbs auSgestattelen Personenvereinen und VermögenSmassen aufgefordert, für die Vertretenen, soweit dieselben ein steuerpflichtiges Vermögen haben bez. in Ansehung der Ergänzungssteuer der Steuerpflicht unterliegen. Deklarationen bei dem unterzeichneten Gemeindevorstand auch dann einzurcichen, wenn ihnen deshalb besondere Aufforderungen nicht zugehen sollten. Otten clork-IVWi-ilLckopk, am 26. Oktober 1907. Der Gemeindevorstand. Pirnbaum. Orrtliches und Sächsisches. Vttcndorf.Vkrilla, den zy. November M?. -x. Dit Beleuchtungssrage scheint nun endlich auch in unserer Gegend in Fluß zu kommen. Viele kleinere und unbedeutendere Ortschaften sind uns schon längst vorousgecilt, während in unserer Gegend eö bisher zu einem richtigen Anlauf nicht kommen wollte. Eine am letzten Sonnabend in Lausa angesetzte Versammlung zur Entgegennahme ein-s Vortrages über die Erbauung eines Gaswerks erfreute sich eine» sehr zahlreichen Besuches und auch aus Ottendorf und Umgegend waren mehrer« Herren anwesend, darunter der Gemeindevorstand nnd mehrere Gemeinderäte Ein Ingenieur der Firma Löffler in Freiberg, welche sich speziell mit der Einrichtung von Modernen Gaswerken befaßt, hielt einen längeren Vortrag, in welchem derselbe auseinandersetzte, daß da» moderne Gaslicht siegreich seinen Platz behaupte und Berechnungen vortrug, aus welchen hervorging, daß Gas allen anderen Beleuchtungsarten an Billigkeit und Zweck mäßigkeit voranschreite. Durch verschiedene Bkleuchtungsproben, sowie Kochapparate rc. unterstützte der Vortragende seine Ausführungen, welche von den aufmerksamen Zuhörern mit Beifall ausgenommen wurden. In der Debatte wurde namentlich dem Wunsche Ausdruck ge geben da» eventuell zu errichtende Gaswerk auf alle umliegenden Ortschaften, also Lausa, Weixdorf, Friedersdorf, Gomlitz, Hermsdorf. Grünberg, Ottendorf, Okrilla, Moritzdorf, Cunnersdorf, Lomnitz und Seifersdorf aus- zudthnen. Es wurde eine Resolution an genommen, die in Betracht kommenden Gemeinderäte möchten die Angelegenheit sofoit in die Hand nehmen und etwa geeignet er scheinende Persönlichkeiten hinzuziehen, damit di» Sache kräftig gefördert wird. Hoffentlich heißt es nun auch bald. Es werde Licht I —* Zur Reform der Landeslotterie ver öffentlichen die „Leipz. N Nachr." Stimmen au« dem Publikum, woraus zu entnehmen ist, daß man im allgemeinen die Prämie von 300000 Mark auf 100000 Mork Herabgesetz! Wissen will. Die übrigen 200000 Mark sollen in kleinere Gewinne zerlegt werden. Ein« andere Meinung geht dahin: Die 300 000-Mark-Prämie teile man in drei 100000-Mark-Prämien und lasse in den drei letzten Ziehungstagen je 100000-Mark aus die zuletzt gezogene Nummer fallen. Daß die Landeslotterie in dieser Beziehung einer Reform bedürftig ist, ist auch unsere Meinung Eine Prämie von 100000 Mark würde vollauf genügen. Die übrigen 200 000 Mark müßten in klein re Gewinne von 1000 bis 5000 Mark ungeteilt werden. Wie viele Lotteriespieler, die bis jetzt nur Nieten gezogen, würden da von der Göttin Fortuna auch einmal bexlückt werden! —* Mitte November hat nun auch nach dem sächsischen Jagdgesetz die Abschußzeit für Ziemer oder KrammetSvögel begonnen und jetzt gibt eS in Sachsen überhaupt kein jagd bares Tier mehr, daß nicht erlegt werden dürfte. Es steht demnach gegenwärtig die Jagdsaison auf ihrer Hohe, da bereits am 1. Dezember die Rebhuhnjagd sowohl in Sachsen als in allen Provinzen der preußischen Monarchie aufhört und am 16. Dezember auch das weibliche Rehwild wieder in die Schonzeit tritt- Die Christbäume werden teurer, diese Kunde kommt aus dem Thüringer Wald und dem Frankenwaid, wo, wie berichtet wird, der Christbaumversand begonnen hat. Diese Kunde dürfte sicherlich nicht angenehm berühren. Während sonst der Chnstbaum zu Weihnachten selbst in der ärmsten Familie nicht fehlte, ist eS jetzt dahin gekommen, daß er für viele zu einem nicht mehr erschwinglichen Objekt ge worden ist. Das ist sehr bedauerlich, denn die Wethnachtsfreude ist doch bei uns mit dem Christbaume und seinem Lickterglanze un zertrennlich geworden. Nun, hoffentlich erfolgt zu Zufuhr in so reichlichem Maße, daß sich die Preise trotz der jetzigen Nachricht in mäßiger Höhe zur Weihnachtszeit bewegen. Kamenz. Von dem gegen einhalb 1 Uhr hier eintreffenden Peisonenzuge wurde in der Nacht zum Sonntag bei der kurz vor Kamenz gelegenen Hennersdorfer Ueberbrückung ein aus der Umgegend von Meißen stammender 29 jähriger Landwirtssohn überfahren und so fort getötet. Kopf und Arm wurden vom Rumpfe getrennt- Es wird Selbstmord ver mutet. Dresden. Am Montag Vormittag fuhren bei dem herrschenden dichten Nebel in der Flur Patzsch zwei Straßenbahnwagen der Linie Dresden-Cossebaude mit Wucht zu sammen. Sechs Personen wurden verletzt, doch konnten sie sich nach ärztlicher Hilfeleistung selbst nach Hause begeben. Der Material schaden ist erheblich. — Die hiesige Kriminalpolizei verhaftete die mehrfach vorbestrafte, aus dem Deutschen Reiche ausgewiesene Kaufmannöwitwe Bertha Fahn geb. Lokesch. die als Hochstaplerin sich d-n Namen einer Schriftstellerin und Malerin Baronin v. Riedel, geb. v. Egloffstein zulegte Angeblich sind hier verschiedene Personen und Geschäfte von der Frau hineingelegt worden. Zeicha bei Oschatz. Als der Gutsbesitzer Otto Bernhardt in Zeischa seine KirmeSgäste vom Bahnhofe in Ostrau abgeholt hatte, brach kurz vor dem heimischen Dorfe das Handpferd zusammen und verendete an einem Lungen- chlage. Die Gäste mußten den Weg zu Fuß zurücklegen. Döbeln. Der Metallwarenfabrikant Schmidt chenkte der hiesigen Stadtgemeinde 6000 Mark ür das Bürgerheim. Freiberg. Der hiesige Dom soll ebenfalls, wie der Meißner Dom, wieder Türme er- /alten. Zum Ausbau und zur Erneuerung des Doms ist ein Dombauverein gebildet worden. Auf einen von diesem veranstalteten Wettbewerb für den Wiederaufbau der Türme rnd 20 Arbeiten eingegangen. Chemnitz. Am Montag abend verließ eine der schwersten Güterzugslokomotiven, die jemals in Sachsen hergestellt wurden, die sächsische Maschinenfabrik. Die Maschine hat ein Leer gewicht von 65 000 Kilogramm, ein Dienst gewicht von 72000 Kilogramm. Sie ent wickelt eine Zugkraft von 110000 Kilogramm. Die Länge des Kolosses beträgt 12 Meter, sie Höhe 4^/2 Meter, die Breite ist zirka 3 Meter. Chemnitz Ein Vertreter der sozial demokratischen Chemnitzer Volksstimme. Schneppe der zum Schaden seines Blattes mehrere tausend Mark unterschlug und in Weingelagen verpraßte, wurde von der dafigen Strafkammer zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Kleinreinsdorf. Eine fatale Kirmes- überraschung ist dem Einwohner Bräunlich zu teil geworden. Eine Tochter von ihm hatte mit einem jungen Burschen jein Liebes verhältnis unterhalten, daß aber vom Vater des Mädchens nicht gebilligt wurde. Die gehorsame Tochter schaffte sich daraufhin einen andern an. So wäre alles nach Wunsch ge gangen, wenn nicht der abgesägte Bräutigam gewesen wäre. Dieser schwor ob solchen Verrats Rache, und als jetzt bei der KirmeS- nachfeier der neue jugendliche Liebhaber auf dem Tanzboden austauchte, war der Plan ge macht. Der Waltersdorfer sollte verhauen werden. Als dieser für einige Zeit den Saal verließ, gingen ihm die sechs Verschwörer nach. Der Schwiegervater Bräunlich, der nichts Gutes ahnte, folgte. In der Finsternis müssen sich nun die Verschwörer in der Person geirrt haben, denn mit einem Male hatten sie den Schwiegervater am Wickel und verhieben den Mann derart, daß er halbtot daheim landete. Die Sache ist zur Anzeige gebracht und da es sich um einen regelrechten Ueberfall handelt, dürfte der Katzenjammer der zur schwarzen Tat verschworenen „Sechs" kein ge ringer sein. Nus der Woche. Die ganze Welt hat in dieser Woche die Blicke nach England gerichtet, wo sich die An wesenheit des deutschen Kaiserpaares zu einem großen, unbestrittenen Erfolge gestaltet hat. Nicht nur, daß das englische Königspaar sich in Liebenswürdigkeit gegen die kaiserlichrn Gäste überbot, nicht nur, daß die Stadt London dem deutschen Kaiser und seiner hohen Gemahlin einen begeisterten Empfang bereitete, auch das englische Volk und vor allen die sonst so kühle Presse wetteifern, den Ge fühlen der Genugtuung über den Erfolg der Kaisertage beredten Ausdruck zu geben. Es scheint demnach, als ob die im Festesjubel ge schriebenen Worte einer englischen Zeitung vorbedeutend seien, daß die ungewöhnliche Herzlichkeit, die während der Kaisertage zwischen den Herrschern zum Ausdruck kam, zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft berechtigte, ja, daß das englisch-französische Bündnis erst bedeutend an Wert durch die während der Kaisertage in England eingeleitete Verständigung gewinne. Hoffentlich bleibt die Stimmung im englischen Reiche so. — In Frankreich Hw das Ministerium Clemenceau wieder einen seiner leichten Erfolge in der Kammer er rungen. Nachdem die anfangs gefürchtete Marokkodebatte sehr wirksam durch die Ver ¬ teilung des von Pichon, dem Minister de» Auswärtigen, bearbeiteten Gelbbuches eingeleitet worden war, ergab die Verhandlung in der Kammer nach kurzen Auseinandersetzungen ein Vertrauensvotum, das der Regierung mit un geheurer Mehrheit erteilt wurde. Die Schwarz« eher, die da den Sturz des Ministeriums vorausgesagt haben, irrten gründlich. Herr Clemencau sitzt fester auf seinem Sessel, denn e. — In Petersburg wurde die dritte Duma n Abwesenheit des Zaren eröffnet. Der Kaiser ließ durch einen Beauftragten eine Begrüßungsrede vorlesen, die mit ungeheurem Jubel ausgenommen wurde. Die konservativen und liberalen Kreise sind überzeugt, daß dies« Duma ersprießliche Arbeit leisten wird. Die inken Parteien und ihre Preßorgane erklären, daß die „Herrcnduma" nicht den Ausdruck des Volkswillens darstclle. Der Ministerpräsident Stolypin äußerte zu einem Berichterstatter, daß die Volksvertretung den Wünschen der Regierung durchaus entspreche. Rußland werde nun zu geordneten Zuständen wieder zurückkehren. — Nach langen Schwanken hat Ich nun der König von Portugal entschlossen, die Kammern seinem Versprechen entgegen vor- äufig nicht einzuberufen, sondern erst die Finanzen des Landes auf eine sichere Grund- age zu stellen. Der König weiß, daß die Truppen ihm treu ergeben sind und daß alle Versuche der Revolutionäre, einen Ausstand an- zuzctleln, vergeblich sind. Wie aus Lissabon >erichtet wird, hat sich das Land mit dem Entschluß des Königs, die Diktatur bis auf weiteres andauern zu lasten, einverstanden er klärt. Man hofft allerdings, daß die Wahlen nicht mehr allzulange aufgeschoben werden. — Die Parteikämpfe in Oesterreich-Ungarn dauern ungeschwächt fort. Es ist sehr fraglich, ob unter diesen Verhältnisten der Ausgleich bis zu dem festgesetzten Zeitpunkt fertiggestellt werden kann, Wie schon so oft in letzter Zeit, vird in RegierungSkreisen di- Frage der Aus« ösung des Parlaments erwogen. Allzu groß« Hoffnungen freilich darf man aber auf das Ergebnis einer Neuwahl auch nicht setzen. Für Oesterreich gibt es eben nur ein Mittel, innere Politik zu treiben; Man muß immer nieder Verträge bald mit der einen, bald mit der andern Partei schließen. — Trotz aller Friedensversicherungen wird die Lage zwischen den Ver. Staaten und Japan immer ernster. In Washington ist dem Parlament bereits ein Entwurf vorgelegt worden, der viele Millionen für die Befestigung von Häfen am Stillen Ozean und auf den Philippinen fordert. Japan bleibt dabei nicht untätig. Nicht um sonst weilt in diesen Tagen der kluge Finanz- minister Wakatsuki in Europa. Ec besucht die europäischen Geldmärkte und knüpft Fäden an, um Japan für jeden Fall sicherzustellen. Die Nachrichten aus Marokko fließen jetzt sehr spärlich. Sicher scheint, daß Muley Hafid seinen angedrohten KriegSzug gegen die Franzosen aufgegeben hat. Auch ihm scheint es wie seinem von ihm befehdeten Bruder am Notwendigsten zu fehlen. Ob sich aber di« feindlichen Brüder angesichts ihrer überein stimmenden Geldklemme vertragen werden, ist eine andre Frage. Abd ul Aziz will nicht freiwillig auf seinen Thron verzichten und Muley Hafid hat viel zu lange sich dem Herrschaststraum überlasten, um ihn nun ohne weiteres aufzugeben. Frankreich aber sieht jetzt in Ruhe der Entwickelung der Dinge zu. Ein lange heimlich gehegter Wunsch ist erfüllt. Man sitzt im Scherifenreiche fest. Es wird schwer werden, den „Ruhestifter" wieder los zu werden. Auch die Mächte werden sich in den Verlauf der Dinge fügen mästen, denn was getan wurde, geschah mit ihrem Ein« Verständnis, und was jetzt geschieht, trägt den Schein des Rechts. Wer wollt« das Schwert ziehen, um den braunen Gesellen der nord afrikanischen Bergwüsten das Heimatland von den Fremden zu räumen?