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lag. 11. Juni «Erscheint: «glich stütz 7 Uhr. Inserate «oerdeo angenommen: tzieLbendSS.Lonn- tag» bi« Mittag» 12 Uhr: Marienstraße lg. Mnzeig. in dies. Blatte Gaden eine erfolgreich« Verbreitung. Auflage: 13,000 Exemplare Zö«»nem»t: »ie'rteljiihrlich««^. bei uueutgeldlicherLte« I strnng in'« Haa«. Durch die König!. Pest vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummer» 1 Ngr. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. rwd EigvlHam der Hrrau-grbrr: Likpslh sc Neilhardt. — Verantwortlicher Redacteur: IllliUS Neilhardt» Inseratenpreise: ! ^ Für den Raum einer . gespaltenen Zeile: 1 Ngr. Unter„Singe- . saudt" dir Zeile 2 Ngr. D»e<dea, den 11. Juni. — Tagesordnung für die vierte öffmtliche Sitzung der Ersten Kammer, Montag, den 11. Juni 1866 Vormittags 11 Uhr: 1) Vortrag der zweiten Deputation über das Re sultat des Vereinigungsverfahrens wegen des Differenzpunktes bezüglich des königlichen Dekretes, eine außerordentliche Er mächtigung betr. Hierauf: 2) Geheime Sitzung. — Vorgestern 5 Uhr Abends hielt die 1. Kammer in Gegenwart des Herrn Minister v. Beust, v. Falkenstein und v. Friesm und des Geh. Rath Or. Weinlig Sitzung. Es wird -zunächst Herr Advokat v. Könneritz als Vertreter der Schön- Lurgschen Neceßherrschaften in Pflicht genommen, worauf Herr Landesbestallter Hempel den Bericht über das Nothstandsdecret ««trägt. Derselbe schließt sich vollständig den Anschauungen und Beschlüssen der 2. Kammer an. Abg. Ncktner spricht mehrere Bedenken gegen die Staatsunterstützung aus, dieselbe sei gegen die landwirthschastlichen Arbeiter ungerecht und be günstige die Industrie zu sehr. Geh. Rath l-r Weinlig und Bürgermeister Müller aus Chemnitz weisen das Unbegründete der letzteren Ansicht nach, letzterer gedenkt namentlich lobend der ehrenwerthen Haltung d;r 10,000 Arbeiter in Chemnitz. Hierauf genehmigt die Kammer einstimmig die Regierungsvor lage. Der Landtag selbst wird, wie wir hören, nächste Mitt woch geschloffen werden. — Das k. Oberpostamt macht betreffs der Feldpost be kannt: Portofrei werden von und nach der Armee befördert: 1) gewöhnliche Briefe bis 4 Loth incl., 2) Geldsendungen bis zu 50 Thlr. incl., 3) Briefe und Actenpackete in Militärdienst angelegenheiten. Für recommandirte Briefe ist, und zwar gleich bei der Aufgabe, nur die Necommandationsgebühr zu entrichten. Für Privatpäckereien an und von Militärs bleiben die gewöhn lichen Portosätze maßgebend. Portopflichtige Sendungen an Militärs sind vom Aufgeber zu frankiren. Sendungen von Fleischwaaren, Butter, Obst und überhaupt von Consumtibilien aller Art sind unbedingt ausgeschlossen. — Am 8. ist abermals in Leipzig ein Extrazug mit Sil bergeld (300,0^0 Thaler) für die Weimarische Bank von Berlin eingetroffen. — Ein Schiffbruch auf der Elbe, bei dem es sehr hart herging, der aber ohne unglückliche Folgen blieb, ereignete sich am Freitag ohnweit Vlasewitz. Das Dampfschiff „Meißen" kam stromabwärts mit mehr als hundert Passagieren daher. Ihm entgegen kam von Dresden her der Dampfer „Maria." — Das Schiff „Meißen" erlitt plötzlich einen Schaden an der Maschine, kam nicht mehr von der Stelle und mußle mitten auf dem Strome halten. Die „Maria" hatte nur drei Passa giere und wollte blos bis Niederpoyritz. Als die Passagiere „Meißens" sich sestsitzen fühlten, verlangten sie vom Capitän, daß er sie an den Bord der „Maria" bugsire. Der Capitän von der „Maria" wollte darauf nicht eingehen, er w.llte, weil «S seine Passagiere bestimmt verlangten, die Niederpohritzer an Ort und Stelle bringen. Nun entspann sich ein starker Streit, so daß, wie wir hören, sogar ein auf „Meißen" befindlicher Amerikaner dem Capitän Elbwasier kosten lassen wollte. End lich siegten doch die hundert Passagiere auf „Meißen". Der Dampfer „Maria" nahm sie auf und fuhr sie nach Dresden, wo sie einige Stunden später, als bestimmt war, ankamen. Die Niederpoyritz« gingen langsam zu Fuß der Heimath zu. — Fünf kühne Schwimmer schwammen gestern Vormittag von der Krüger'schcn Badeanstalt nicht nur durch die alte Elb brücke, sondern auch noch die große Strecke bis zur Marien brücke und unter den Bogen derselben hindurch. Aus Vorsorge folgte in gemessener Ferne ein Kahn, und hatte diese Bravour «ine Menge zujchauenver Menschen auf beide Brücken gelockt. — Am 7. d. M früh in der dritten Stunde brannte in Niederschmiedeberg die unbewohnte, mehreren Eigenthümern ge hörige Bretschneidemühle bis auf den Grund nieder. Daß keine Spritzen bei diesem Feuer anwesend waren, ist durch die höchst versteckte Lage der Mühle erklärlich. — Am 8. d. M. ist das im dritten Jahre stehende Töchterchen des Bergarbeiters Friedrich in Mittelmarbach in «inen mit einer etwas defecten Decke versehenen Brunnen ge stürzt und ertrunken. — Vorgestern Abend tummelte sich der ohngefähr neun jährige Knabe des Schuhmachermeisters E. aus Friedrichstadt uuf einem Flösse, welches in der Elbe nahe bei Onkel Toms Hütte im Gehege lag. Der Knabe glitt aus und verschwand in den Fluthen, ohne daß es möglich war, ihn zu retten. — In dem Hause Nr. 27 der Forststraße fand in der ersten Etage gestern Morgen ein Stubenbraad statt, wobei leider dem Dienstmädchen Hab und Gut verbrannte. Das Feuer wurde unter Beihilfe der Nachbarschaft bald bewältigt. — Ein in Gedanken liegen gebliebenes Porte- , «nonnaie! Kommt ein Herr in eine Restauration auf der Hauptstraße, trinkt sein Töpfchen, liest die Zeitung und will ' wieder gehen. Als es zur Bezahlung kam — fehlt ihm 's Portemonnaie. Er sucht und sucht in allen Taschen, auf und unter dem Tische — es war weg. „Na", sagt er zur Wirthin, „da muß ich schuldig bleiben!" Und geht. Der Mann sah so respcctabel aus, daß ihm wohl 15 Pfennige creditirt werden konnten. Bald tritt ein neuer Gast ein, der sich an denselben Tisch setzt. Er erhält sein Bier, nimmt die Speisekarte in die Hand, und siehe da — darunter lag ein Portemonnaie in aller Wahrheit. Die Wirthin nahm's in Empfang und zählte das Geld vor Zeugen — es waren gerade 200 Thlr. 7 Ngr. 4 Pf. darin. Der Verlierer hatte den Tisch wohl zehn Mal ange sehen, aber unter die Sptisekarte hatte er nicht geguckt. Nach einer Viertelstunde erschien er wieder, blos um das Bier zu bc zahlen, nach seinem Gelds fragte er nicht, weil er glaubte, er habe es von zu Hause gar nicht mitgenommen. Es läßt sich sein Erstaunen denken, als er die 200 Thaler plötzlich wirdererhiclt. Allgemeine Betrachtung. >:! Dem Scheitern des CongresseS, der Üeberweisung der schleswig-holsteinischen Frage an den Bund, der Einberufung der holsteinischen Stände nach Itzehoe ist rasch das Einrücken der Preußen in Holstein gefolgt. Haben wir darum den Krieg? Nein! Die Oesterreicher ziehen sich unter Protest aus Kiel nach Altona zurück; haben wir darum den Frieden? Nein! Preußen erklärte vorher oft aufs feierlichste, die Weisung der schleswig- holsteinischen Frage an den Bund sei ein casus bvtli; die Ueber- weisung erfolgte und die Kriegserklärung - unterblieb. Na poleon bedauert officiell das Scheitern des Congreffes und — bereitet eine Anleihe von 600 Millionen vor für den Krieg. Tausendmal lasen wir: Oesterreich muß losschlagen, wenn es acht Taze gerüstet hat, sonst bricht der Starts bankerott aus, und — Oesterreich sttht seit vier Wochen kampfbereit. Wir hörten von dem „heidenmäßig" vielen Gelbe, das Preußen habe, und jetzt fürchten viele Staatsgläubiger, daß Preußen am 1. Juli den fälligen Coupon nicht werde einlösen können. Vor einem Jahre mußten wir Mittelstaaten froh sein, daß wir das tägliche Brod hatten, jetzt buhlen die Gesandten Oesterreichs und Preußens an den kleinen Höfen um Unterstützung oder doch um Neutralität. Widerspruch auf Widerspruch! Zweifel und Räthsel aller Orten! Und nur Eins ist sicher — die Noth, das Elend wachsen unerhört im deutschen Vaterlande. Ja, als käme nie ein Unglück allein, so stellt sich Mißwachs in Folge der Nachtfröste ein, so spukt der unheimliche Gast aus Asien, die Cholera, in Pommern und am Niederrhein, so ist die Vieh seuche nicht völlig erloschen. Wir wagen es nicht auszudenken, was werden soll, wenn jene tückische Krankheit in die Hundert lausende zusammengedrängtcr Menschen kommt, wenn die den Armeen nachgeführten Schlachtoiehheerden von der Rinderpest befallen werden. Faß aber scheint es im gegenwärtigen Augen blick, als seien derartig; entsetzliche Bilder übertrieben. Die nruesten Vorgänge in Holstein sahen gar nicht besonders kriege risch aus, sondern gingen sogar recht gemüthlich ab, und der Mensch, nie müde zu hoffen, athmet schon leichter bei dem Ge danken, daß, wenn dem Kriege an der gefährlichsten Stelle oor- gebeugt werden konnte, es doch auch gelingen müsse, das ganze Heer von Landplagen, die rin Krieg über uns bringen würde, noch zu beschwören. Aber in jede Hoffnung mischt sich der eine Wunsch: möchten wir bald von dem einen Manne er.öst wer den, der sich immer mehr als eine „furchtbare Geißel" der Menschheit zeigt Drückt ihm den Daumen aufs Auge und die Augen Aller strahlen Heller! Vergegenwärtigen wir uns in Kürze die Ereignisse der letzten Woche. Die wichtigsten gingen von Oesterreich aus. Daß es den Congreß zum Scheitern brachte, mögen ihm die, welche Frieden um jeden Preis wollen, verdenken. Ein deutscher Sinn aber, den es empört, den Kaiser in Paris uns die Lösung der schleswig-holsteinischen und der Bundesreformfrage vor schreiben zu sehen, kann sich nur freuen, daß diese Schmach von uns abgewendet wurde. Daß es außerdem eine starke Zu- muthung war, Oesterreich auf einen Congreß zu laden, um ihm eine der schönsten Provinzen zu rauben, darüber verlierenSwir kein Wort, das ist ein österreichischer Standpunkt, der geht unS nichts an. Zweitens aber brachte Oesterreich die schleswig- holsteinische Frage an den Bund. Daß es hierbei nichts als seine Schuldigkeit gelhsn, haben wir das letzte Mal anerkannt. Uns erscheinen daher die Lobhudeleien der Wiener Presse höchst lächerlich, welche uns weiß machen wollte, Oesterreich habe damit eine unvergleichlich herrliche That begangen. Wenn der veclorene Sohn ins Vaterhaus zurückkommt, so mag sich dessen die Fa milie freuen; die Genossen Jenes aber sollen nicht mit einer Großihat prahlen. Der Herr Sohn hat erst sich des Vertrauens noch würdig zu beweisen. Was soll man dazu sagen, daß jetzt auf einmal ein zwischen Oesterreich und Preußen abgeschlossener heimlicher Vertrag herauskommt? Was dazu, daß Oesterreich erklärt e« halte am Gasteiner Vertrag fest, während es doch ganz bundestreu zu handeln vorgiebt? Der Bund aber kenn weder den Gasteiner Vertrag, noch den Wiener Frieden, noch sonst ge geheime Abmachungen. Oesterreich muß daher noch gan-, andere Bürgschaften einer bundestreuen Gesinnung gebm, «h> sich die Mittelstaaten von seiner Ehrlichkeit überzeugt halten können. Aus dieser Geheim-Vertragsgeschichte erkennt man deut lich, wie viel beide Großmächte werth sind: die eine einen Dreist, die andere drei Pfennige. Geheim oder öffentlich, sobald fk uns nicht brauchen, können sie über uns stolpern, ohne unS ZV sehen; brauchen sie uns, so prahlt jed; mit ihrem Bundesrechte, ihrer Bundestreue. Wenn wir Mittelstaaten daher uns j nicht unter einander zusammenhalten, kommen wir um ni vorwärts. Kein M>ttelstaat aber hat andere Ziele, als wir wir keine, die nicht jeder derselben hätte. Wie denken nun aber über die Vorgänge in Holstein? Wir meinen so: So lange Preußen und Oesterreich ruhig neben- und zwischen^ einander stehen, jeder behauptet, er halte die Verträge, der Andere sei vertragsbrüchig, so lange Beide aber noch am Wien« Frieden in Frieden festhalten, brauchen wir uns nicht hinein zu mischen. Der Wiener Friede ist ungesetzlich, er besteht nicht für uns; so lange beide Mächte am Unrecht festhalten. mögen sie's; Schleswig-Holstein bekommt doch Niemand Anders, ali wer das Recht hat, und da kann dem Bunde, d. h. unS eine Mitwirkung nicht entgehen. Etwas Anderes wäre es, wen« Preußen den Act der reinsten Gesetzlichkeit, den Zusammentritt i A des Landtags, der heute erfolgen soll, mit Waffengewalt hindert: denn darüber sind Alle einig, daß, so schuldig wie Oesterreich ' ist, Preußen das böse, treibende Princip in diesem Handel ist. H Ohne Preußen wäre Oesterreich nicht so weit vom Rechte ab» gewichen. Noch nie ist der Fall dagewesm, daß ein Staat die sist Emberufung des Landtags für einen Kriegsfall erklärte. Will die» Preußen jetzt in Holstein, dann Gnade Gott allen Ver fassungen in Deutschland, wenn Preußen siegte. Die furchte-: barste Reaction käme über uns. Das Berliner Kabinet empfindet schon ein geheimes Grauen, wenn so ein kleiner Landtag zusam- mentritt; wie soll es ein Parlament ernstlich wollen? Doch hierbei ist Methode; wahrhaft erbärmlich ist aber die jetzige Politik der Gothancr, dieser Partei, die nur in einem so zerrrffenen Lande, wie Deutschland, überhaupt menschenmöglich ist. Sie, die erst die stärksten Eide für Schleswig-Holsteins! Recht abgelegt, schwärmt jetzt für die Heiligkeit des Gast' Vertrags und nennt Oesterreich vertragsbrüchig! Sie, die tausend Resolutionen die Einberufung der Stände in den Elb- her^cgthümern gefordert, ninnt cs, da es nun geschehen, ein schwarzes Verbrechen! Sie, die ewig declamirte, es gäbe kein Bundesrecht, warnt die Mittelstaaten, nicht vom Bundesrecht zu lassen und applaudirt Preußen, wenn es sich darüber weg setzt. Und doch liegt jetzt im Bundesrecht das einzioe Mittel, den Krieg abzuwenden. Möchte sich Preußen demselben fügen! Wir schwärmen nicht für den Bundestag; aber wenn heut« x ein Arzt nach einer entfernten Stadt verlangt wird, zu welcher , morgen erst eine Eisenbahnverbindung eröffnet wird, um da selbst einen Todtkranken zu retten, der Arzt aber erklärt, er fahre nicht per Achse, sondern wolle morgen bequem im Waggon zweiter Klaffe hindampfen, so mißt Jedermann dem Arzt allein ' k-'H die Schuld bei, wenn morgm der Kranke gestorben ist. Wenn wir also h-ute das Parlament noch nicht haben, es morgm aber bekommen werden, Deutschland aber heute noch dem Tode nahe, morgen vielleicht schon zerfleischt ist, warum soll ihm, ihr Herren in Preußen, ihr Golhaner, nenn ihr noch Deutsche seid, nicht auf dem einzig möglichen Wege Rettung werden, dem Bundes» ^ rechte und der Einberufung der holsteinischen Stände? In sol» cher Zerfahrenheit der Ansichten bietet die letzte Woche uns««» I< Landiags ein erfreuliches Bild der Eintracht zwischen Regierung ^ > und Volk. Alle Parteien waren einig! Die Linke, vertreten durch Abg. Schreck: erklärte: sie halte fest an Thron und Vater« land und sie bewilligte jede Forderung — ohne Bedingung. ! Denn eine Bedingung ist es nicht zu nennen, was die Regie rung selbst entgegenbringt: ein Parlament, selbst nach dem 49« Wahlgesetze. Auch die Rechte, sogar die erste Kamm« «klärten sich für die Forderung und das Parlament, und wmn di« , letztere das etwas verclausulirt that, so bedauern wir dies auf» ' richtig; in der Sache aber sind beide Kammern eing. Noch > mehr! Der Abg. Mammen hat uns aus der Seele gesprochen, j daß, wenn auch das Pailament und das 49« Wahlgesetz nicht Hs in einem Antrag der Stände gefordert würden, er doch bestimmt - " voraussetze, die Regierung werde Alles aufbieten, daß wir bald daS Parlament haben. Mit überzeugender Wahrheit hat Herr, von Beust in der ersten Kammer nachgewiesen, wie un» d« aristokratisch organisirte Bundestag nicht vor Mißhandlungen' schütze, wie er selbst innig durchdrungen sei, daß man in weit«« Kreise, in das Volk hineingreism müsse, um sich zu retten, und ; ' der Ernst, mit dem er dies sprach, die trüben Erfahrungen, di«^ wir Sachsen gerade durch den Bundestag erlUten, bürgen «n» ' auch für di« feste Absicht der Regierung in der Parlamentist