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Montag Nr. US. 24. Julius 184» Deutsche Allgemeine Zeitung. «Alande«. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Ueb-r-tick. Deutschland. "Aus Norddeutschland. Verschiedene Auffassung der Freiheit. 'INünchen. Erklärung des Fürsten Oettingcn - Wallerstein in Betreff des Ausschußberichts der H. Kammer über den Kanalbau. Gerüchte von Entlassungen in dem Beamtenpersonalc des Kanal baues. * Frankfurt a. M. Der Bundestag. Personalien. DerZoll- congreß. * Hamburg. Die Armenpflege. Preußen. Einschärfung der Verordnungen in Betreff der Volksver sammlungen und Volksfeste. S Herlin. Einzelnes von der Krankheit und dem Tode des Prinzen August. Rückkehr des Hrn. v. Orlich aus Indien. "Herlin. Prinz August. Die Adresse der Juden. Die Cha rite. Zeitungswesen. ? Herlin. Der türkische Gesandte. Wie man schwimmen lernt, ohne ins Wasser zu gehen. Eine Aebtissin. GHanien. 'Paris. Der Belagerungsstand. Der Marsch des Regen ten. Das Andringen auf Madrid. Die Forts. Andalusien. Christinische Gerüchte. VruGvritanute«. Oberhaus: Der Lordkanzler Lyndhurst über Ir land. — Lord Brougham's Sklavenblll wird angenommen- Die Königin Pomari ruft englischen Schutz an. Die Landenge von Darien wird noch nicht durchgraben. 'Dublin. Das Local und das Publicum der Repealaffociation. Frankreich. Pairskammer: Ausgabebudget. — Das Journal des De büts über die Sendung des Hrn. Ledru-Rollin nach Irland. Ntir-rrlanb«. ErneuerungSwahle». Ftalie«. -f Floren?. Witterung. Lernten. Seidenzucht. Diebstähle. 'Aus öicilien. Sturm. Handelsvertrag mit England. Der König. Braslltea» 'Ilio Janeiro. Die Colonien gedeihen. Nur das Unter nehmen der Fourieristen mislingt. Steinkohlenlager. Handel und Hndufkrie. ' London. Die Eingangszölle in Neusee land. Berlin. kknkündtgungen. r il t f ch l n « H. * Aus Norddeutschland, 2Ü. Jul. In den berliner Blät tern stritt man sich jüngst um germanische und romanische Freiheit herum. UnS scheint, die der Sache zum Grunde liegenden Wahrhti ten wurden verkannt, weil sie nicht richtig, oder nicht verständlich ge nug auögedrückt waren und nicht Alles gleich beim rechten Namen ge nannt wurde. Gewiß ist ein großer tiefgreifender Unterschied in der Auffassung der Freiheit, und gewiß auch, daß die eine Art ihrer Auf fassung unsern germanischen Borfahren ganz besonders eigen war und sich auch bei den Engländern im Wesentlichen sehr treu erhalten hat. Den Unterschied zwischen germanischen und romanischen Völkern wis sen wir aber gleich gar nicht dabei zu gebrauchen. Wir zweifeln stark, ob das römisch« Wesen in Frankreich, Spanien, Italien sehr wesent lich tiefere Eindrücke hinterlassen hat, als die das römische Recht in Deutschland, wo es besonders gepflegt worden und wo cs selbst die Ideen seiner Gegner und ihre ganze Rechtsphilosophie erzeugt hat, hervorbrachte. Worin sich Franzosen, Spanier, Belgier, Irländer etwa von den Deutschen unterscheiden, das scheint uns theilS Folge des Landes, thcilö und hauptsächlich nicht römischer, sondern celtischer Art zu sein, und in dem Charakter der Franzosen erkennen wir viel mehr den Gallier deS Cäsar als den Römer des Livius. Doch auf den Ramen käme weiter nichts an. Das ist schon sicher, daß die antike Welt die Freiheit wesentlich in die Theiluahme an dem politischen Recht, an der Herrschaft setzte und für diese wenigstens in einigen Staaten weit vertheilte Bahnen eröffnet hatte. Es gehört nicht hierher, zu un tersuchen, ob die Folgen der antiken Verfassungen beneidenöwerthe wa ren, genug, jene Ansicht von Staat und Freiheit bestand. Das jedoch kann nicht unerwähnt bleiben, daß die Sache für die Alten deshalb viel leichter war als für unS, weil sie die zahlreichen untern arbei tenden Klassen, die bei uns in der Gemeinschaft der Menschen- und Bürgerrechte stehen, in dem Sklavenstande hielten, sodqß diese außer politischen Betracht kamen und auch die scheinbar weiteste Demokratie des Alterthums immer noch eine Aristokratie war. Durch die Frei heit vom Sklaventhum steht der niederste Staat der modernen Welt höher als der gefeiertste deS AlterthumS: er hat ein schreiendes Un recht, daö schreiendste, was die Gesellschaft verüben kann, weniger. Der Ansicht der antiken Welt von der Freiheit stand nun jedenfalls die der Germanen sehr entschieden entgegen. Diese setzten die Freiheit in die Unabhängigkeit, in das schrankenlose Walten, in die weiteste Berech tigung des Individuums für seine eignen Angelegenheiten, sein eignes Wesen. Die alten Staaten waren mehr auf Das, was man heute politische Freiheit zu nennen pflcgt, gerichtet, die germanischen gingen von dem Grundsätze der persönlichen Freiheit aus. Allerdings bestäti gen sich bei näherer Betrachtung und ticfcrm Eindringen gar manche Annahmen nicht, die man auf den ersten Blick auf diese verschiedenen Staatsweiscn zu fassen sich veranlaßt finden könnte. Während z. B. die antike Staatsart auf eine sehr innige Verflechtung und Verschmel zung des ganzen Volks und ein harmonisches Zusammenwirken hinzu- führen schien, finden wir doch dieselben grundsätzlichen und ewigen Parteiungen bei ihnen, die uns in neuern Staaten wieder begegnen. Wir sehen, wie die am meisten demokratische Republik des Alterthums, wie Athen nur in einem ewigen Wechsel von Tyrannei und Anarchie sich aufrieb und die zeitweise Vertreibung ihrer besten Bürger zum re gelmäßigen Regierungsmittel machen mußte; wir finden in Sparta zwar die antike Beschränkung der persönlichen Freiheit auf die höchste Spitze getrieben und ein uniformirendcS Eingreifen in die persönlichsten Beziehungen, wie es kaum umfassender gedacht werden konnte, dage gen von politischer Freiheit weil weniger Spuren als in den germani schen Staaten; wir finden in Rom durch länge Jahrhunderte densel ben Kampf der Vornehmen und Geringen, der Reichest und Armen, der sich in andern Formen in viel neuern Staaten wieder zeigt. Wir finden dagegen in den germanischen Staaten bei einem Verfahren, wa ber individuellen Willkür den weitesten Spielraum zu lassen schien und in der buntesten, mannichfaltigsten Entwickelung die Gesellschaft ganz aus- einanderzuführcn drohte, zwar in der Lhat eine große Verschiedenheit in Formcn und Aeußerm, auch wol einen Mangel an kräftigem Zusammen wirken und bequemem Einklang, im Ganzen aber doch eine wunderbare Uebereinstimmung in dem Wesen des VolkSthumS und der Gestaltungen, sodaß sich an den von einander getrenntesten Punkten und ohne irgend einen sichtbaren Zusammenhang ganz dieselben Institute entwickelten. Auf der andern Seite führt namentlich daö römische Recht in manchen sehr wichtigen Beziehungen auf einen solchen Schutz der Einzelwillkür, auf eine so gewaltige Berechtigung und Jsolirung des Individuums hin, wie sie bei den Germanen lange nicht zu finden war, und wieder aus dem germanischen Wesen, daö von dem Grundsätze der persönliche» Freiheit ausging, entwickelten sich solche Abhängigkeitsverhältnisse, we niger vom Staat, als des einen Volksgenossen vom andern, wie sie bei den Alten unter freien Bürgern wenigstens rechtlich nicht vorka men. Endlich zeigt sich die in der neuern Zeit aufgelebte Tendenz nach politischer Freiheit keineswegs bloS bei den Völkern, die man in Ber lin romanische zu nennen liebt, sondern auch bei ganz oder vorzugs weise germanischen: bei Engländern, Deutschen, Schweden, Dänen, Norwegern rc. Ja in gewissem Betrachte kann man meinen, daß daS Streben bei den germanischen Völkern ein viel reelleres, und weit we niger als dort durch bloßen Schein zu befriedigen ist. Auf der an dern Seite läßt sich aber auch wieder sagen, daß die modernen Be wegungen weit mehr kosmopolitischer als nationaler Art sind und am meisten von einer Volksklasse bestimmt werden, in welcher sich die na tionalen Unterschiede weit mehr als im übrigen Volke verwischt haben. Die ganze Sache ist aber auch zu vielartig, um in jene zwei Haupt kategorien gepaßt zu werden. Bei näherer Betrachtung kommt maiL von einem Widerspruche zum andern. Der Italiener z. B. scheint heu tigen Tages wenig Sinn für politisches Wirken zu haben, und auch seinen früher» Bewegungen lag zumeist Parteigelst und jener seit An beginn fast durch alles italische Leben durchgehende und tief gewur zelte Geist der Spaltung, der von Provinz gegen Provinz, von Stadt gegen Stadt, von Geschlecht gegen Geschlecht genährten Eifersucht zum Grunde. WaS dagegen die persönliche Freiheit anlangt, so ist er in einigen Punkten, auf die er weit weniger Werth legt als andere Völ ker, mehr beschränkt, in andern dagegen, die ihm grade am Herzen liegen, viel freier, und diese Freiheit, diese mit dem VolkSthume ver wachsenen Gewohnheiten sind iS, die allein dort starke Wurzeln im Leben haben. Ebenso hat der Spanier selbst durch die Jahrhun derte deö Absolutlsmuö weit mehr von der altgermanischcn Freiheit gerettet als die meisten „germanischen" Völker, und wenn er auch