Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsö^att für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratcnannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. 72.Dienstag, den 15. September 1874. Tagesgeschichte. Kaiser Wilhelm hat dem Reichskanzler folgenden Erlaß über mittelt: „Es sind Mir im Laufe dieses Sommers bei Gelegenheit von Denkmalsenlhüllungen und sonstigen Festlichkeiten durch städtische und ländliche Gemeinden, Corporationcn, Schützengilden, Kriegervereine rc. und nunmehr auch aus Anlaß der Scdanfeier, des deutschen Festes, von nah und fern durch Einsendung von Telegrammen, Gedichten und sonstigen Zurufen überaus zahlreiche Aufmerksamkeiten entgegen gebracht worden. Sie haben Mein Herz mit Freude und Genugthu- ung erfüllt. Eine besonders wohlthuende Empfindung hat es Mir gewährt, in diesen Adressen nicht allein die innigste und lauterste Er gebenheit gegen Meine Person, sondern auch die festbegründete Be friedigung über die au die Waffenthaten des vereinten deutschen Hee res sich knüpfenden nationalen Errungenschaften ausgedrückt zu finden. In diesem Sinne möchte Ich Allen, welche durch ihr Gedenken Mich so angenehm überrascht und Mir namentlich auch den 2. September zu einem so freudig-weihevollen Tag gestaltet haben, die Versicherung Meines Dankes auszusprechen und beauftrage Sie, zu diesem Vchnse diesen Meinen Erlaß zur öffentlichen Kenntniß zu bringen." Die Freude unseres greisen Heldenkaisers über die patriotische Gesinnung, die aus den ibm zugegangenen Adressen spricht, ist wohl- begründet. Ucberall in Deutschland bricht sich der nationale Gedanke Bahn; der Tag von Sedan wird sortleben im Herzen des Volkes; die Erinnerung an die Siege des deutschen Heeres wird eben so un vergänglich sein, wie das Daukgefühl, das jeder vaterländisch gesinnte Deutsche dem Fürsten cutgegenbringt, unter dessen Führung die deut sche Nation die achtunggebietende Stellung errungen, die es heute cinnimmt, sowie den Männern, die ihm bei dem großen Werke mit Rath und That kräftig zur Seile standen. Bremen, 9. September. Gestern Abend wurde der Präsident des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, Hasenclever, bei seinem Eintritt in eine von ihm einberufene Volksversammlung verhaftet und in das Detentionshaus abgesührt. Die Verhaftung erfolgte auf Requisition der Staatsanwaltschaft in Zeitz, woselbst der Genannte 3 Monate Gefängniß zu verbüßen hat. Am II. d. M. wurde in England die zweite, aut den Werften von Samuoa Brothers im Bau begriffene deutsche Panzerfregatle vom Stapel gelassen. Sie ist der Zwillingsbruder des „Kaiser" und er hält den Namen „Deutschland." Ihre Länge beträgt 285, Breite 62, Tiefe 41,4, Tonnengehalt 5000, Wasserverdrängung 7600 Tonnen, Panzerstärke 8 und io". Bewaffnung: Geschütze von je KU/» Bohrung und ungefähr 22 Tonnen Gewicht, nebst einem neunten Geschütz von 8V4" Bohrung und ungefähr 18 Tonnen Schwere. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Die neue Gemeinde- und Verwaltungsorganisation, welche am 15. October ins Leben tritt, erweitert in beträchtlichem Maße, wie das Leipz. Tgbl." hervorhebt, die Selbstständigkeit der Landgemeinden. Die Grenzen, innerhalb jede Gemeinde berechtigt ist, ihrs eigenen Angelegenhcrteu selbstständig zu verwalten, sind unter gleichzeitiger Beschränkung des Obcraussichtsrechts des Staates auf das durch das allgemeine staatliche Interesse gebotene Maß erweitert und auch Theile der obrigkeitlichen und Polizeilichen Befugnisse auf die örtlichen Organe der Gemeindeverwaltungen übertragen worden. Dem Gemeindevorstand ist sonach die Verwaltung der Ortspolizei in nahe zu denselben Angelegenheiten, wie in den mittleren und kleinen Städten Bürgermeister, übertragen und derselbe berechtigt, innerhalb des lhm bei der Polizeipflege, sowie überhaupt bei der Gemeintever- waltung zustehenden Wirkungskreises Geldstrafen bis zur Höhe von 10 Thlr. anzudrohen und auch mittelst vorläufiger Strafverfügung auszuerlegen. Die Landgemeinden werden ihre Aufmerksamkeit darauf Zu richten haben, daß der von ihnen anzustcllende Gemeindevorstand ein Mann von selbständigem, festen Charakter ist. Hoffentlich wird durch die neue Landgemeindeordnung das Bewußtsein der eigenen Verantwortlichkeit mehr und mehr erwachen und gestärkt werden. Die nächste Folge davon wird sein, die Bildung von Charakteren, während in weiterer Consequenz das Bewußtsein der eigenen Verantwortlich keit in den Gemeinden die Sicherheit des Staates und die gedeihliche Entwickelung seiner Verhältnisse begründet. Eine sonst wohl übliche feierleche Einweisung der neuen Verwal tungsbeamten wird diesmal wahrscheinlich nicht stattfinden, vielmehr werden die designirten Beamten, die ja wohl alle schon in Eides pflicht stehen und nur unter Verweisung auf diese den Handschlag abzugeben haben, zur festgesetzten Zeit an dem ihnen angewiesenen Wohnst!' eintreffen, sich selbst, beziehentlich mit den ihnen zugetheilten Hilfsarbeitern, als neue Behörde constituiren und ihre Amtsthätigkeit auch sofort beginnen. Die „Dresd. Ztg. schreibt: Es hat bekanntlich in ganz Deutsch land nicht geringes Aufsehen verursacht, daß trotz des Brandbriefes des einer Sedanseier feindlich gesinnten Bischoss von Mainz, der in seiner Majorität ebenfalls nicht sehr reichsfreundlich gesinnte katholische Clerus im Köiägr. Sachsen die Sedanfeier verherrlichen half. Wie man uns nun von zuverlässiger Seile meldet, ist die betreffende Verordnung des apostolischen Vikars in Sachsen Bischof Forwerk nicht etwa aus freien Stücken ergangen, sondern erst auf den diesbezüglichen aus drücklichen Wunsch Sr. Maj. des Königs Albert, — eine erfreuliche Thatsache, die constatirt zu werden verdient. Dresden. Wie das „Sächs. Wochenbl." mittheilt, hat ein gewisser G. Besser hier beim Königl. Ministerium des Innern um Verleihung eines Patents auf ein Radikalheilmittel gegen Magenkrampf und Koliken aller Art nachgesucht. Welche Ingredienzen vermuthct nun Wohl unser geneigter Leser in diesem Universälhcilmittel? Die chemische Analyse ergab folgendes: Gesiebter Schmutz eines Pferdes, wie er sich beim Putzen im Striegel sammelt, abgeschuppte Haut und Staub! Das Patent ist dem „sonderbaren Schwärmer" natürlich nicht ertheilt worden. Infolge eines eigenen Zusammentreffens wurden am 9. gleich zeitig in Dresden und in Leipzig städtische Oberbcamte gewählt. In Dresden wurde der Stadtverordnete Adv. Hendel zum Stadtrath, in Leipzig der Stadtverordnetenvorstcher Adv. Georgi zum Vice bürgermeister ernannt. Der „Voigtl. Anz." bemerkt zu dieser Doppel wahl: „Was beide städtische Wahlen besonders kennzeichnet, ist, daß sie nicht allein sehr tüchtige ehrenwerthe Männer der städtischen Ver waltung von Dresden und Leipzig zugeführt hat, sondern auch, das beide Männer entschieden nationalliberaler Gesinnung sind. Die unter uns viel besprochene Partei der Nationalliberalcn, zu welcher ja nach der partikularistischen Dresdner „Debatte" wegen ihrer Betheiligung an der Sedanfeier auch unsere Minister zählen, wird sich dieser Wahl freuen und bleibt nur zu wünschen, daß die Besonnenheit und Ruhe der beiden dieser Partei angehörigen Männer dazu führen möge, den Schmähungen, welche die Partei in letzter Zeit über sich ergehen lassen mußte, Halt zu gebieten." In Chemnitz ereignete sich ein recht bedauerliches Unglück. Das 3jährige Mädchen des Herr Obertelegraphist Prädicow fiel unter einen in der Wiesenstraße fahrenden Wagen so, daß der Tod des Kindes augenblicklich erfolgte. Es soll das einzige Kind der unglücklichen Eltern sein. Pirna, 10. September. Eine Thierquälerei der boshaftesten Art ist vorgestern Abend von drei Fleischerburschen, angeblich aus Dohna, verübt worden. Dieselben transportirten durch Neugraupa ' zwei Kühe und hatten sie an einen Wagen, vor welchem ein Pferd gespannt war, gebunden. Die eine Kuh konnte, weil sie, wie cs schien, hochtragend war, aber auch schlecht auf den Füßen sein mochte, mit dem Pferde nicht gleichen Schritt halten, weshalb sie von einer der Personen fortwährend durch Schläge zum schnelleren Laufen ange-