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Blatt Amts und des Stadtrathes WurÄnrh Als Beiblätter: 1. Jllustrirtes Sonntagsblatt (Wöchentlich); 2. Landwirthschaftliche Beilage (monatlich). Inserate sind bis Dienstag und Freitag Vorm. 9 Uhr aufzugeben. Breis für die einspaltige Cor- Puszeile (oder deren Naum) 10 Pfennige. Geschäftsstellen: Buchdruckereien von A. Pabst, Königsbrück, C. S. Krausche, Kamenz, Carl Daberkow, Groß röhrsdorf. Annoncen-Bureaus von Haascn- stein L Vogler, Jnvalidendank. Rudolph Mosse und G. L Daube L Comp. Erscheint: Mittwoch und Sonnabend. - chchenL/, -^fLir Pulsnitz, Königsbrück, Radeberg, Radeburg, Moritzburg und Umgegend Ab ° nnem ° nts - 8 reis: des Königl. "Amtsgerichts Vierteljährl. 1 M. 25 Pf. Auf Wunsch unentgeltliche Zu ¬ sendung. r^« u«d Mechsu«ddisujiB«V Jahrgang. Mittwoch. Ur. 69. 29. August 1894. Mittwoch, den 3. September: Viehmarkt in Radeberg. Die Rechtsfrage im Börsenspiel. In weiten Volkskreisen herrscht gegen die Börse oder vielmehr gegen das Treiben an der Börse ein so großer Unwille, daß man in parlamentarischen und juristischen Kreisen sich schon längere Zeit mit der Frage beschäftigt, wie man den Auswüchsen in den Börsengeschäften ein Ende oder doch wenigstens eine empfindliche Strafe bereiten kann. Es muß übrigens, um bei der hoch gehenden Agitation gegen die Börsenmanöver nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten, darauf aufmerksam gemacht werden, daß sich vernünftige Reformbestrebungen niemals gegen die Börse und die legitimen Börsengeschäfte richten dürfen, denn die^Börse ist eine Einrichtung zur Ermittelung der Preise aller Werthe und zur Anlage von Geldkapitalien in Zins- und Dividenden tragende Papi re, sowie zum Verkaufe der letzteren, und es würden sich sofort neue Zusammenkunftsorte von Kaufleuten, Kapitalisten u. s. w. bilden, also neue Börsen in allen Städten entstehen, wenn die bestehenden aufgehoben würden. Sowohl hinsichtlich des wirthschaft- lichen Gemeinwohles als auch bezüglich der Verwerthung von Geldkapitalien sind deshalb die Börsen, an welchem vorzugsweise die Käufe und Verkäufe von Staats- und Stadtanleihen, Eisenobligationen, Bank- und Industrie- Aktien stattfinden, sehr nützliche Institute. Dieselben bieten aber zu einer Menze mehr oder weniger bedenklicher Ge schäfte Gelegenheit, welche man allgemein Börsenspiel nennt, und wobei es sich nicht um eine eigentliche Kapitalanlage, sondern um sogenannte Differenz- und Termingeschäfte, also um Scheinkaufgeschäfte oder Spekulationsspiel handelt. Mit dieser Art Börsengeschäfte wird nun vielfach ein kolossa ler Unfug getrieben, hauptsächlich insofern, daß eine große Anzahl berufener und unberufener Börsenmänner theils selbst diese Scheinkäuse zu Spiel- oder Spekulationszwecken abschließen und dadurch die Preise vieler Werthe und Waaren oft ganz unsinnig beeinflussen, theils aber auch eine ganze Menge großer und kleiner Privatkapitalisten zn dieser Art Börsenspiel verleiten. Es ist nun an sich un möglich, derartige Geschäfte überhaupt gesetzlich ausrotten zu wollen, denn für gewisse Geschäftsleute, welche zum Beispiele für ihre Ankäufe im Auslande russische Rubel und ungarische Gulden, die im Werthe steigen und fallen, brauchen, ist das Differenz- und Termingeschäft in solchen Geldsorten ein durchaus rechtliches Geschäft, denn dadurch können solche Kaufleute den wirklichen Einkaufspreis bei Abschluß des Geschäftes festlegen und find mit der zu zahlenden Kaufsumme nicht vom Rubel- und Guldenkurs abhängig. Verwerfliches Spielgeschäft ist aber das Differenz- und Termingeschäft, wenn Leute, welche gar nie Vie Absicht haben, die russischen Rubel oder den amerikanischen Weizen je anzunehmen, solche Scheinkäuse machen, bez. Scheinlieferungen übernehmen und solche Fälle sollten ein fach als verbotenes, bez. strafbares Hazardspiel behandelt Werden. Thatsächlich hat auch das Reichsgericht in einer ganzen Anzahl aus solch m Börsengeschäften entstandenen Prozessen den Sp-eleinwand seitens der Verklagten gelten lassen. Differenz- und Termingeschäfte sind also bis zum Beweise des Gegentheiles Glücksspiel und dürften von unsei en Gerichten künftig stets in diesem Sinne abgeurtheilt werden. Damit ist aber wenigstens manchen Auswüchsen in den Börsengschäften immerhin ein Damm vorgeschoben. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Beiträge für diesen Theil werden gegen Vergütung dankend angenommen. Pulsnitz. Der hiesige Turnerbund beging am Sonntage sein diesjähriges Stiftungsfest durch Auszug, Schauturnen auf dem Schützenhausplane, Abends Conceri im Herrenhause, Freiübungen und Ball. Die Uebungen auf dem Schützenhausplane gingen glatt von statten, beim Kürturnen an den verschiedenen Gerüchen zeigte sich die jugendliche Kraft und G-wandtheit am vortheilhaftesten, jMch erregten die Keulenübungen beim zuschauenden Pub likum vielen Beifall. Die am Abend nach dem Concert auf dem Saale des Herrnhauses stattfindenden Freiübungen und Gruppenstellungen gelangten ausgezeichnet zur Aus führung, sodaß am Schluß den Turnern ein lebhafter App laus seitens der Anwesenden zum Lohn ward. Pulsnitz. Am vergangenen Sonntage konnten unsere Nachbargemeinden Pulsnitz M. S. und Böhm.- Vollung bei schönstem Wetter lhr feit Wochen vorbereitetes Schulfest begehen. Nachdem frühzeitig die größeren Schul knaben die Bewohner durch lebhaftes Trommeln aus dem Schlummer geweckt und damit das Fest eingeleitet hatten, erfolgte am Nachmittage der Auszug der Kinder, der sich erst nach dem Oberdorfe, alsdann zurück nach dem Fest- Platze bewegte. Der Ort war festlich mit Fahnen geschmückt und zahlreiche Ehrenpforten waren auf den Straßen, durch welche sich der Zug bewegte, errichtet. Nach Ankunft der Kinder auf dem Platze begann mancherlei Splel und Kurz weil, viele Erwachsene beteiligten sich hierbei, den Herrn Lehrer Berge, der allein dies Kinderfest in seiner Vorberei tung und Ausführung zu leiten und zu übersehen hatte, bereitwilligst unterstützend. Das Fest hatte auch sehr viele Besucher aus der Stadt herbeigelockt, sodaß sich auf dem Platze ein sehr lebhafter Verkehr entwickelte. Den Höhe punkt des Jubels und der Freude erreichte das Fest an dem Abends nach eingetrctener Dunkelheit erfolgenden Ein züge der Kinder. Zahlreiche Roth- und Grünfeuer leuch teten auf und erhellten die Straßen der Ortschaft bis zur Schule. Hierselbst erfolgte Gesang und Ansprache, womit das Fest endete. — Der August geht seinem Ende entgegen und mit ihm die Sommerlust. Der September ist immerhin auch noch ein sehr höflicher Herr, viel sanfter und liebenswür diger und meist beständiger als der leidenschaftliche August, der sich Heuer nicht durch große Hitze, sondern mehr durch Niederschläge auszeichnete. Alle Prophezeiungen über den Witterungscharakter des Jahres 1894, das sehr trocken und dürr, wie das vorige, werden sollte, sind hinfällig geworden und man sieht wieder einmal, was auf solche Reden und auf „Nordpoleis, lange Haideähren" rc. zu geben ist. Hoffentlich gewährt uns ein schöner, sonniger Herbst Ersatz für den traurigen Sommer. Viele erfahrene Leute gehen deshalb auch erst im September auf Reifen, weil das Wetter schöner und beständiger, die Lust kühler und klarer und die Hotelpreise aller Orten niedriger sind. Aber der September bringt uns doch den Herbst und der Sommer geht zu Ende. Da gilt es jetzt die Sommer luft noch einmal mit voller Lust zu schöpfen. Weiß doch Keiner, wie ost ihm der Sommer wieberkehrt. — Die meisten Blumen sind verblüht, die Vierfüßler des Waldes beginnen fchon jetzt das leichte Sommerkleid abzulegen, um es später mit dem dicken, warmen Winterpelze zu vertauschen; die gefiederten Sänger in den Wipfeln folgen ihrem Beispiele und rüsten sich für die nahe bevorstehende Wiederkehr der großen Wanderschaft nach dem Süden durch tägliche, mit Gewissenhaftigkeit ausgeführte Flug übungen. An den Gestaden ferner Meere, an den Usern heiliger Ströme, wo die Lotosblume blüht und die breiten Sykomoren rauschen, da wissen sie ein verborgenes Plätz chen, wo sie Ruhe und friedliches Glück finden werden. Kurz, alle Vorbereitungen und Anzeichen für den kommen den Herbst sind vorhanden. Darum benützet die noch be vorstehenden sonnigen Tage! Hinaus in den dunkelgrünen Wald, durch Auen und über Wiesen, so lange noch Jugend und Sommer um uns weben! — „Sind Sanct Lorenz und Sanct Barthel schön, ist trockner Herbst vorauszuseh'n!" — so heißt es in einer alten Bauernregel, deren Bewahrheitung diesmal umso willkommener wäre, als leider die Folgen der anhaltenden Nässe sich schon nach den verschiedensten Seiten hin recht fühlbar gemacht haben. Mancher Landwirth seufzt Angesichts des auswachsenden Getreides und der faulig werdenden Kartoffeln, während aus den Sommerfrisch 'n und Luft- curorten die Klage kommt, daß die diesjährige Saison, welcher zuerst so große Erwartungen gegolten hatten, in folge des eingetretenen nassen Verhängnisses eine bedauer liche Verkürzung erfuhr, da zu dem trostlos verpantschten Juni sich dann auch noch ein zum guten Theil verregneter August gesellte und daher viele Sommergäste zeitiger, als zuerst beabsichtigt war, ihre Koffer packten. Sollte nun der erquickende Sonnenschein des St. Bartheltages — 24. August — in der That die oben bezeichnete Wirkung für die weitere Gestaltung des Wetters haben, so ließe sich dies allseitig nur freudigst begrüßen. — Am letztvergangenen Sonntag, Abends gegen 11 Uhr brannte m Röhrsdorf bei Königsbrück eine 180 Schock Roggen enthaltende Feime nieder, deren Aus drusch am anderen Morgen beginnen sollte. Den Besitzer, Herrn Rittergutspachter Löser, trifft indeß kein Schaden, da die Feime genügend versichert ist. — Bisher verfügte Dresden über ein Vermögen von 57 080 926 Mk. Der neueste Abschluß bewerthet das gesammte Besitztum der Stadt mit 60 553 389 Mark. — Leider ist abermals von einem Vorfall zu berich ten, welcher die ohnehin herrschende Besorgniß um die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs nur noch zu steigern geeignet ist. Ein am Dienstag Abend nach beendetem Feuerwerk vom Leutersdorfer Schießplatz heimkehrender Fabrikarbeiter aus Neugersdorf ward, als er in einen Abzweigungsweg einbog, plötzlich von zwei Kerlen angefallen, deren einer ihm am Halse faßte und die Bar schaft verlangte, welch letztere — sie bestand nur in wenigen Pfennigen, die der Angegriffene in der Weste trug — die Strolche erhielten, worauf sie, da Passanten auf die Hilferufe des Neugersdorfers herbei eilten, alsbald verschwanden. Letzterer kam mit einem nachhaltigen Schreck davon, infolgedessen er am Mittwoch das Bett hüten mußte. — Ein entsetzlicher Unglücksfall wird aus Nasse- böhla bei Großenhain gemeldet. Am Freitag früh fand man die Gutsbesitzer Wilhelm Günther und Gottfried Große in den inmitten des Dorfes gelegenen Teichen todt auf, und zwar lag jeder der Entseelten seltsamerweise in einem andern Teiche. Wie man mittheilt, sind die beiden Gutsbesitzer am Donnerstag Abend bis gegen 10 Uhr im Gasthofe zusammen gewesen und haben sich dann auf den Heimweg gemacht. Ob ein Selbstmord vorliegt oder ob die beiden Gutsbesitzer im Dunkel der Nacht vom Wege abgeirct und so in die Teiche gefallen sind, dürfte die ein geleitete Untersuchung ergeben. — Ueber den entsetzlichen Unglücksfall in Nassen, böhla bei Großenhain dürfte wohl schwerlich Aufklärung erlangt werden. Der unter so seltsamen Umständen er folgte Tod der beiden Gutsbesitzer erregt allenthalben das größte Aussehen. Eigenthümlich berührt hierbei, daß man nicht nur jeden der Verunglückten in einem anderen Teiche fand, sondern daß auch beide in ganz gleicher Lage vorge funden wurden, die Füße noch am Ufer befindlich und nur der Kopf unter Wasser. — Unter großem Andrange des Publikums hat am Donnerstag nachmittag 1 Uhr in Ebersbach das Be- gräbniß des ermordeten Blattsetzers Hoffmann stattgefunden. Der des Mordes an seinem Vater verdächtige Sohn Hoffmanns aus Niederfriedersdorf ist am Dienstag Nach- mittag nach Bautzen überführt worden und hat auch nicht an dem Begräbniß seines Vaters, was allgemein erwartet wurde, theilnehmen dürfen. Von feiten des anderen Sohnes Hoffmanns, des Gärtnereidesitzers in Schwarzen berg, ist der Kgl. Staatsanwaltschaft ein neuer Verdacht mitgetheilt worden. Derselbe hat einen Arbeiter beschäftigt, den er später infolge verschiedener Vorfälle entlassen mußte. Dabei hat der Arbeiter gegen Herrn Hoffmann verschiedene Drohungen ausgestoßen und besonders geäußert, er werde sich an der Familie furchtbar rächen. Dem Manne war es bekannt, daß der Vater Hoffmanns in Ebersbach lebte. — Das in meilenwetter Entfernung von Leipzig sichtbare mächtige Gerüst, welches gegenwärtig über der Kuppel des Reichsgerichtsgebäudes errichtet worden ist,