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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preis 22j SUbergr. (j Thlr.) viertelsährlich, Z Wir. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin sür die Pränumerationen werden non jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Como., IägerNraße Nr. 25), so wie non allen König!. Post 'Aemlern, angenommen. Literatur des Auslandes. -48. Berlin, Donnerstag den 22. April 1847. Die Denk- und Glaubensfreiheit des Alterthums?) III. Historische Uebersicht über die Entwickelung der Dcnk- und Glaubensfreiheit im römischen Alterthum. °°) Viele Jahrhunderte vergingen, ehe die Welt die Entdeckung machte, daß freie Worte ein Verbrechen sepen. Im Morgenlande gab es freilich keinen politischen Denkzwang, aber nur deshalb, weil es kein freies Denken gab, weil man die Freiheit an sich weder aus der Gegenwart noch aus der Ueber- liefcrung kannte. Der Despot herrschte über Sklaven, gleichwie die Nuthc über Kinder: Auflehnungen in Wort und That waren bloße Worte, und die Strafen bloße Sinncnzucht. — In Griechenland dagegen kam der Geist zum Ausbruch, mit ihm das Bewußtscyn der Freiheit, und mit diesem das freie Denken. Allein auch hier gab eS keinen politischen Dcnkzwang, weil die Gegenwart wirklich frei und daher der Zwang eine Unmöglichkeit war. Da her war die griechische Staatenbildung so voller Leben und Jugendfrische, daß wir noch heute sie bewundern, die griechische Literatur so voller Adel, Saft und Mark, daß sie noch jetzt, nach Jahrtausenden, dem Geiste die schönste, gesundeste Kost gewährt; denn der griechische Geist ist ein ewiger, weil er ein freier war. Die römische Republik gestaltete sich ebenfalls in freier männlicher Kraft. Das Obere und Untere des Staats glich sich aus durch das Selbstgefühl Aller. Es gab keinen Druck ohne Gegendruck, und eben darin besteht die Freiheit. Das Gesetz war für Alle die Schranke der That; Rede und Schrift blieben ungefefselt. „Handlungen", sagt Tacitus, „wurden geahndet, Worte blieben ungestraft." Und sie blieben cö, bis die männliche Kraft alterte, die Bsstandthcile der Macht auSeinanderficlcn und nur Wenige, dann Einer sie an sich riß. Die Verfolgung des freien Wortes ist eine Erfindung des römischen KaiserthumS, angebahnt indessen durch die Bürgerkriege. Die Proskriptionen find in der ersterbenden Republik, was die Majestäts- Prozesse in der Monarchie. Jene entwickelten den Keim, diese den Flor des Gedankenzwanges. Denn mit den Bürgerkriegen verlor der Druck und Gegendruck der Staatskräfte das Gleichgewicht. Die Parteien find zwar die nothwcndigen organischen Hebel in dem Triebwerk des Staates — oder, wie Apollonius von Tpana eben so schön als paradox sich aus drückt: das Heil des StaatS besteht in der „uneinigen Eintracht" oder in der „guten Zwietracht" — weil ohne sie der Staat ein Körper in der Lethargie, ein Druck ohne Gegendruck, ein Dasepn ohne Leben, ein Moment, nicht der Geschichte, sondern der Statistik ist. Aber die Parteien müssen im Staate, nicht über demselben stehen, nur incinandergreifcn, nicht einander zerdrücken. Daher konnte es keine wahre Gedankenfreiheit geben, so lange Marius und Sulla, Cäsar und Pompejus, Antonius und Oktavian mit ein ander rangen; denn in solchen Gegensätzen ist jedes Wort, jede That, je nachdem die eine oder die andere Partei Richterin ist, zugleich Verdienst und Verbrechen. Jene gegenseitigen Verfolgungen der kämpfenden, jene Pro- scriptionen der siegenden gegen die besiegten Parteien waren daher bloße Aus übungen der Rache, und obwohl sie noch nicht den wirklichen Gedankenzwang hervorbrachten, der gleicherweise nur auf den Unterschied von Wort und That und auf ein friedliches Nebeneinander der Parteien Anwendung findet, so müssen sie doch als Keime desselben betrachtet werden, weil das Prinzipat aus ihnen die Ucberzeugung von der Möglichkeit und die Anleitung zur Ausfüh rung desselben schöpfte. Unmittelbar vor dem Untergange der Republik herrschte zu Rom die zügelloseste Demagogie und unmittelbar nach Gründung dcS Prinzipats der zügelloseste Despotismus. Und doch war der Umschwung nicht eine Folge äußerer und offener Gewalt! Wie also diese auffallende Erscheinung anders erklären, als durch das Dasepn einer geheimen und inneren Gewalt, durch die Wirkung jenes Zwangssystemö, welches die Monarchie, um die republi kanischen Gesinnugen zu ersticken und die servilen zu erziehen, gegen die Rcde- und Schriftsreiheit organisirte und das in den Majestäts. Prozessen seinen Mittelpunkt fand. Ein Majestäts-Gesetz gab eü freilich schon in den Zeiten der Republik, allein es war, wie eben TacituS sagt, nur gegen Thaten, nicht gegen Worte gerichtet; cs hatte nur dann Untersuchung zur Folge ge- -) Geschickte der Denk- und GlanbenSsrecheü im ersten Jahrhundert der Kaiserherr- sckasl und deS ChristenthumS. Don Nr. 28. Adolph Schmidt, außcrordenu. Prof, der Geschichte an der UnneisttN zu Berls». Beilin, Verlag non Veil u. Comp., 1X47. ") Dgl. Rr. öl' und Nr. 44 deS Magazins. habt, wenn Jemand durch Verrath, Empörung oder schlechte Staatsverwal tung die Majestät des römischen Volks oder die Sicherheit des StaatS ge fährdet hatte. Als nun aber die Dynastie cs für gerathcn fand, die Rechte deS souveraincn Volks und mit ihnen die Glorie der Majestät auf sich selbst zu übertragen: da ward das Majestäts-Gesetz in seiner Wirkung auch aus Rede und Schrift ausgedehnt und in dieser Ausdehnung zum Vorwande dcö heillosesten GcdankenzwangeS. Die Hoffnung dcS Julischen Prinzipats, sich auf diesem Wege die geistigen Kräfte des Staats zu unterwerfen, schlug in dessen fehl. Vielmehr brachte das Zwangsverfahren auf die Dauer gerade die entgegengesetzte Wirkung hervor; der gepreßte Gedanke gcrieth in Ver zweiflung und machte, am Wort verhindert, endlich sich in Thaten Luft. Es ist jedoch eine höchst denkwürdige Thatsachc, daß fast sämmtlichc Julicr ihre Negierung der Rede und Schrift gegenüber mit edler Freimüthigkcit und außerordcntichcr Mäßigung begannen, alsbald aber mehr oder minder davon abgingen und in das Gegentheil umschlugen. Theils lag allerdings die Schuld, z. B. bei Caligula und Nero, in einer allmäligcn Verschlechte rung des Charakters, theils findet diese Erscheinung ihre Erklärung, wie bei Cäsar und Tiberius, in. der berechnenden Politik des selbstsüchtigen Machthabers, der da glaubt, erst durch Milde befestigen zu müssen, um dann desto entschiedener auftreten zu können; oder sic hat endlich ihren Grund in dem Verdruß des offen sich hingehenden Fürsten, der in seinen Erwar tungen sich getäuscht und gekränkt fühlt, wenn er, trotz einer freisinnigen Regierung, unaufhörlich sich selbst und seine Umgebung angegriffen sieht. Dieser Fall findet bei Augustus statt. Was den alternden Fürsten auf seinem Wege irre machte, war augenscheinlich eine unerwartet hartnäckige Oppo sition; bei einem wahrhaft großen politischen Charakter wäre ihm freilich nicht unerwartet gekommen, was so natürlich war. Denn wie nur da die freie Rede möglich ist, wo es Parteien giebt, so muß cs auch Parteien geben, 'wo die Rede frei ist. Die Julicr gabcn also den Ruhm der Nachwelt preis dadurch, daß sie die bessere Erkenntniß bösen Gelüsten, falschen Berechnungen oder gereizten Stimmungen zum Opfer brachten und dergestalt den Staat an den Rand des Verderbens führten. Denn indem sie die Rede fesselten, lähm ten oder vernichteten sie die Parteien, und indem sic diese aufhoben, ver setzte» sie den Staat in jenen Zustand der Lethargie, nahmen ihm den Gegen druck und das Leben. Darum ist die Geschichte des Julischen Prinzipats kaum mehr als wer Verwesungsprozeß eines Leichnams. Cäsar's Diktatur leitete das Prinzipat des Augustus ein. Seitdem er nach dem Tode des Pompejus Gebieter des Staats war, machte er, wie sich Sueton ausdrückt, zu seinem leitenden Grundsatz, „gehässige Gedanken und Worte lieber zu verhüten, als zu ahnden." Cäsar's Prävcntivsystcm bestand jedoch in nichts Weiterem, als daß er diejenigen, welche in Rede und Schrift sich Bitterkeiten gegen ihn erlaubt hatten, entweder selbst warnte oder durch Andere warnen ließ, sic möchten nicht damit fortfahren. Doch erkannte er damit, da er Niemanden Geschehenes nachtrng, die Straflosigkeit der Ncdc und Schrift nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis an; und indem er Werke und Verfasser nicht nur nicht verfolgte, sondern auch seinen Unwillen nicht einmal merken ließ, erkannte er gleicherweise die Thatsachc an, die man so ost verkannt, daß nämlich am leichtesten vergessen wird, was man am wenigsten beachtet. Fast alle solche Schriften waren daher bald nach ihrem Erscheinen verschollen; Niemand legte einen Nachdruck auf sie, weil Cäsar selbst dies nicht that: Niemand brannte vor Begierde, sie zu lcsen, weil ihre Anschaffung Keinem erschwert oder verwehrt war. Wo aber Cäsar aus irgend einem Grunde Angriffe zu beachten und gegen sie ciü- zuschrcitcn für nöthig fand: da bekannte er sich stets zu dem bisher geltenden Grundsätze Noms und Griechenlands, daß kein anderes Mittel gcgc» das Wort gebraucht werden dürfe, als das Wort selber. AIS daher Cicero in einer Lobschrift auf den Cato diesen, den erbittertsten Gegner Cäsar's, säst bis in den Himmel erhoben hatte, so tbat cr dawider nichts Anderes, als daß er eine Gegenschrift, den „Anti-Cato", in zwei Büchern herausgab und so die öffentliche Meinung zur beiderseitigen Richterin machte. Widerlegen also — nicht ahnden, Mäßigung — nicht Rache war Cäsar's Streben als Sieger. Und doch artete nicht selten die Rede- und Schriftsreiheit damals in Frechheit auö: so weit war man noch in diesem Augenblicke davon entfernt, Worte als Verbrechen zu betrachten. Allein nur zu bald hörte diese Toleranz auf. Unter Tiberius war sie ganz verschwunden, und auch unter Augustus haben wir schon Symptome des rasch sich entwickelnden Absolutismus. Ja selbst Cäsar gab in der späteren Zeit, als rr sich in seiner Stellung sicher glaubte, jene Milde aus. Mit dem wachsenden Vcrtrauen aus seine Allgewalt