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Tagesgeschichte. Die Kundgebung im „Reichsanzeiger" in Sachen der durch den Prozeß Leckert-Lützow bekannt gewordenen skandalösen Treibereien gegen hochgestellte Personen ist in weitesten Kreisen mit unverhohlener Genugthuung ausge nommen worden. Stellt dw'amtliche Erklärung des „Reichs anzeigers" doch fest, daWbereits in dem am 7. Oktober in Schloß Hubertusstock4 abgehaltenen Kronrathe diese Machenschaften zur Sprache gekommen sind, und daß Kaiser- Wilhelm in gerechter Entrüstung sofort strengste Unter suchung und vollständige Klarstellung der Angelegenheit auordnete. Indessen, selbst der mächtige Wille des Monarchen hat doch nicht vermocht, eine völlige Klarlegung der gegen das Auswärtige Amt gesponnenen Jntriguen zu erzielen, und ob dies nun wenigstens im Verlaufe des gegen Herrn v. Tausch bevorstehenden Meineidsprozesses gelingen wird, steht einstweilen dahin. Was die Blättermeldung anbelangt, die Stellung des Berliner Polizeipräsidenten v. Windheim habe durch den wischenfall niit dem Criminalcommissar v. Tausch eiue Erschütterung erfahren, so sollen die bezüg lichen Gerüchte unbegründet sein. Der Bundesrath hat, nach einer Meldung der „Milit. Polit. Corresp.", die vom Reichstage bei der zweiten Lesung der Justiznovelle beschlossenenÄbänderungen abgelehnt. Hiermit wäre ein abermaliges Scheitern dcr Novelle sehr wahrscheinlich geworden. Der Reichstag nahm am Freitag zunächst Berichte seiner Geschäftsordnungskommission entgegen. Dieselben betrafen einerseits eine 'Privatklageangelegenheit gegen den sozialdemokratischen Vertreter für Mülhausen i. E., Abu Bub, anderseits eine ehrengerichtliche Angelegenheit des polnischen Abgeordneten Radwattski. Das Haus beschloß nach unerheblicher Debatte, die nachgesuchte Genehmigung zur Einleituug der betreffenden Privatklage gegen den Abg. Bub zu versage», dagegen der Einleitung eines ehrengerichtlichen Verfahrens gegen den Abgeordneten Rad wanski, welches letzterer selbst gewünscht hatte, die Zu- ftimmung zu ertheilen. Die weitere Sitzung wurde durch Erörterung von Resolutionen zum Bürgerlichen Gesetzbuch ausgcfüllt. Den breitesten Raum nahm hierbei die Be sprechung der von der Commission für das Bürgerliche Gesetzbuch gefaßten Resolution ein, wonach die Rechtsver hältnisse der Berufsvereine, die Arbeitsverträge, das Berg recht, Jagd- und Fischereirecht, Versicherungsrecht u. s. w. baldthunlichst einheitlich geregelt werden sollen. Der Führer der Freikonservativen, Abg. v. Kartoff bekundete die Meinung, daß die Forderungen dieser Resolution viel zu viclZukunfts- musik darstellteu. Es sei ganz zwecklos, die Regierung zu eiuer baldigen Regelung solcher wichtigen und zahlreichen Fragen aufzufordern, da dieselben wohl erst nach Jahr zehnten ausreichen würden. Dagegen äußerten sich fast alle anderen Redner ans dem Hause mehr oder weniger im Siune der Resolution, wobei namentlich die Nothwendig keit einer baldigen Regelung der Rechtsverhältnisse der Verufsvereine betont wurde. Nur der Centrumsabgeordnete Lerno wich einigermaßen von der überwiegenden Ansicht des Hauses ab, indem er ausführte, daß es mit der Neu ordnung des Jagd- und Fischereirechts, sowie des Berg rechts und des Wasserrechts keineswegs so eile. Regierungs seitig äußerte Staatssekretär Nieberding verschiedene Be denken, er meinte, die Lösung der in der Resolution ent haltenen Aufgaben würde mindestens ein Jahrzehnt er fordern, im Besonderen wandte er sich gegen Nr. 3 der Resolution, belr. die Regelung der Haftpflicht des Reiches für Schäden, welche durch seine Beamten in Ausübung ihrer Amtsbefugnisse verursacht worden sind. Schließlich gelangte die Resolution in allen Punkten zur Annahme. Die württembergische Abgeordnetenkammer nahm wu Sonnabend die Vorlage überjdie Umwandlung von bl5 Millionen Mark 4prozcntiger württembergischer Staatsanleihen in Zst^prozentige an. Das unter dem Vorsitz des Königs von Sachsen Uammeugetreteue Schiedsgericht zur Lösung der lippe'schcn ^fbfolgefrage soll, wie in' Detmolder Hofkreisen verlautet, llmen Spruch gefällt und sich hierbei zu Uugunsteu des Prinzen Adolf zu Schaumburg-Lippe, des jetzigen Regenten von Lippe-Detmold, erklärt haben, Bremen, 12. Dezember. Der „NorddeutscheLloyd" bestätigt, daß die Gesammtzahl der an Bord des „Salier" befindlich gewesenen Passagiere nach genauen Feststellungen 214 betragen habe. Die Ziffer schließt die in Cornnna an Bord gekommenen Passagiere ein. — Die von sozia listischer Seite aus Hamburg verbreitete Nachricht, daß der Dampfer „Salier" möglicherweise ein Opfer des „Hafen arbeiter-Ausstandes geworden sei, insofern nur schlecht ge schulte Leute das Verstauen der Ladung besorgt hätten, ist nach einer Mittheilung von „Boesmanns Telegr.- Äureau" gänzlich unbegründet. Es wird vielmehr konstatirt, daß der Dampfer „Salier" nicht in Bremen, sondern aus schließlich iu Bremerhaven, wo ein Ausstand überhaupt nicht vorhanden war, beladen wurde. Die Beladung erfolgte, wie diejenige aller übrigen Schiffe, durch die geübten regu lären Stenermauuschaften unter unmittelbarer Beaufsichtigung des ,-Norddeutschen Lloyd." Hambnrg, 12. Dezember. 108 englische Dockarbciter sind heute hier angekommen. In 37 Steuerbetrieben ar beiteten gestern 2352 Arbeiter, während unter gewöhnlichen Verhältnissen eine Anzahl von 8307 erforderlich gewesen wäre. Die Belästigungen der Arbeiter durch die Streikenden nehmen einen ernsten Charakter an. Gestern Abend über fielen auf dem Berliner Bahnhofe die Streikenden dreißig aus Magdeburg angekommene Arbeiter, als dieselben nach dem Hafen gebracht werden sollten und rissen sie vom Wagen. Die Schutzleute zogen blank und säuberten den Platz. Mehrere Personen wurden verwundet und die Rädelsführer verhaftet. Zum Untergange des „Salier". Brüssel, 11. De zember. Der Antwerpener Kapitän Tausenfrennd vom Dampfer „Antwerpia", welcher den Dienst zwischen Ant werpen und Bilbao versieht, befand sich in der Nacht zum 8. Dezember, während welcher die Katastrophe mit dem „Salier" stattfand, in der Nähe von Lacoroua. Es herrschte furchtbarer Seesturm, die „Antwerpia" wurde schwer be schädigt, alle Lichter verlöschten, die Mannschaft vernahm aus der Ferne furchtbares Geschrei, welches die Vermuthung verstärkte, daß ein großes Schiff unterginge. Man glaubt hier, daß es sich um den „Salier" gehandelt hat. Von einer Hilfeleistung konnte keine Rede sein, da die „Ant werpia" selbst in höchster Gefahr schwebte. Die Ant werpener Seebehörde entsandte zwei Dampfer zur Auf suchung des „Salier". Der mit dem „Salier" unterge- gaugene Schiffsarzt Dr. Schmidt ist ein Neffe des Vice präsidenten des Reichstags, Schmidt. Von den Ertrunkenen sind Sachsen: der Leichtmatrose Gustav Grunert-Leipzig, der Oberheizer Otto Schmidt-Kleinzschocher und der Steward Robert Görlitz-Serkowitz bei Dresden. — Aus Madrid, 12. Dezember liegt folgende Meldung vor: Der Dampfer „Salier" hatte Cornnna, wo er 52 Auswanderer an Bord genommen hatte, bei schlechtem Wetter verlassen und auf der Fahrt gegen einen furchtbaren Sturm zu kämpfen. Dabei verlor das Schiff zwei seiner Boote. Nach der Aussage des Kapitäns des spanischen Schiffes „Iberia" waren'die Wellen über 20 Fuß hoch. Der Untergang des „Salier" erfolgte in der Frühe des 8. Dezember. , Bis jetzt sind 20 Leichen geborgen. Auch die Leiche des Kapitäns Wempe ist gefunden worden. Die Taschenuhr desselben war um 5'., Uhr stehen geblieben. Zahlreiche Gegen stände aus dem Schiffbruche sind bereits aufgefunden worden. Antwerpen, 11. Dezember. Dem „Etoile Belge" zufolge ging in Folge des gleichen Orkans wie an der spanischen Küste, dem der „Salier" zum Opfer fiel, der Dampter „Kington" unter, welcher sich auf der Fahrt von Odessa nach hierher befand. Vierzig Personen sind er trunken. Madrid, 11. Dezember. Nach Meldungen äusseres ist ein Haus daselbst eingestürzt und hat eine größere An zahl Personen unter seinen Trümmern begraben; elf Leichen sind bereits zu Tage gefördert: die genaue Zahl der Ver unglückten ist noch nicht bekannt. In Spanien herrscht auf's Nene Erregung gegen Nordamerika wegen der kubanischen Frage. Die Botschaft des Präsidenten Cleveland an den amerikanischen Kongreß, in welcher den Spaniern der wohlmeinende Rath gegeben Zweites Blatt. ThmM, Men, Menlehn und die Umgegenden. ImlsblnU für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. ErscheintZwöckentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Psg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlan von Martin Nerger m WMdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 148 Dienstag, den 15. Dezember 1896 wurde, den Aufstand auf Cuba durch Gewährung von Selbstverwaltung an die Insel zu beendigen, und in der dann freilich auch die leise Andeutung eines möglichen Ein greifens Nordamerikas in die cubanischen Wirren enthalten war, hat im Lande der Kastanien arg verschnupft. Die gesammte Madrider Presse protestirt gegen eine etwaige Einmischung Nordamerkas auf Cuba, als eine Ernied rigung Spaniens und als eine angebliche Herausforderung ganz Europas: die „Correspondencia Militär" versichert hierbei, Spanien hätte übergenug Streitkräfte, um eine etwaige Einmengung Nordamerikas in die cubanischen Dinge zurückzuweisen. Auch der frühere Ministerpräsident Sagasta hat sich scharf mißbilligend über die Botschaft Clevelands ausgesprochen. Die stolzen spanischen Dons würden aber doch gut thun, sich Nordamerika gegenüber niche auf's hohe Pferd zu fetzen, die Union ist nun ein mal weit stärker als Spanien, ein Krieg zwischen beiden Mächten würde sicherlich mit einer Niederlage der Spanier enden. Auf Cuba wollen die Spanier neue Siege erfochten haben, aber anderseits verlautet von einem stegreichen Vor- drinakn Maccos. des küknfien JnsurgentepMrers. General Weyler soll verwundet worden sem. Auf den Philip pinen häufen sich die Schwierigkeiten für die Spanier. Auch auf der Insel Paragua ist eine Verschwörung ent deckt worden; General Blanco gab seine Entlassung als spanischer Oberstkommandirender und Generalgouverneur der Philippinen. Der Getreidemarkt. (Berichtswoche vom 4. bis 11. Dezember.) Der Getreidemarkt zeigte in der verflossenen Woche jene seltsame Schaukelbewegung, deren fortwähren des Auf- und Niedersteigen in der Preisbildung nur in der nicht ganz geklärten Lage seine Ursache haben konnte. Bald wog das Angebot an Weizen und Roggen über und die Preise sanken, dann schienen die Käufer nicht recht an das Vorhandensein wirklich großer Marktvorräthe zu glauben und daun steigerte sich wieder die Nachfrage, sodaß nach zeitläufigen Preisrückgängen doch wieder eine steigende Preisbewegung zum Durchbruche kam. In Berlin, Ham burg und Leipzig wurde gekauft: Weizen, je nach Güte per Tonne (20 Centner) für 163—182 Mark, Roggen für 123-130 Mark, Gerste für 117-185 Mark, Hafer für 127—154 Mark (Hafer blieb im Preise nachgebend), Mais für 99-104 Mark. Amtliche Mittheilungen aus der am 11. Dezember 1896 abgehalienen öffentlichen Stadtgemeinderathssitzung. 1. In Ergänzung des früheren Beschlusses, wonach dem am 1. Januar 1897 antretenden Schutzmanns außer seinen: Gehalte noch freie Wohnung und freie Heizung gewährt werden soll, wird noch beschlossen, dem genannten Beamten überdies ein jährliches Beleuchtungsäguivalent von 25 M. zu vcrwilligcn. Die infolge der Begründung der Schutzmannsstelle nothwendig gewordene Ergänzung des Ortsstatuts wird so, wie sie entworfen, gutgeherßen. 2. Die Parkdeputation schlägt dem Stadtgemeinderathe vor, zur Bepflanzung des Gickelsberges mit Schwarzholz, Blutbuchen, Sträuchern sc. 500 Mark zu verwilligen. Da die Vergrößerung des Parkes und die Bepflanzung des Gickelsberges bereits früher beschlossen war, auch in dem 1897er Haushaltplan zu diesem Zwecke eine größere Summe eingestellt worden ist, wird der Betrag bewilligt. 3. Im Anschluß an die Berathung von Punkt 2 stellt Stadtverordneter Reiche den Antrag, es möge das in der Communalwaldung an der Struth stehende Besenholz mit Reifstäben geschlagen und versteigert werden. Der Antrag wird debattelos angenommen und der Antragsteller sowie Stadtverordneter Dinndorf mit der Ausführung des Be schlusses beauftragt. 4. Der Wittwe Gerhold wird der fogen. Schnee'sche uud Weber'sche Garten, der Wittwe Krippenstapel die Wiesenparzelle 404 am Gründchenwege und dem Tischler meister Paul Birkner der Grasrand an seinem Hausgrund stücke allenthalben unter den: Vorbehalte des jederzeitigen Widerrufes und — was die Gerhold anlangt — mit der Bedingung auch fernerhin pachtweise überlassen, daß der Zaun stets in gutem Zustande erhalten Wird.