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Dresdner Journal : 04.10.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188710046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871004
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871004
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-10
- Tag 1887-10-04
-
Monat
1887-10
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 04.10.1887
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W 230 veruxspr«»»: I. ^Ldrl.edr - - - - l« UvioU« tntt?o.^ m>U ^Mrllck: 4 K0 L^mpsI-u-cUI»« kinru. kluiiuosrv: 10 ?k.- ^ollkvckl^liv^^dadr«» r kür äso ktLnio eiosr ^«»p»lteo«o 2«il2 ^l«m«r 8okritt 20 ?t. Outor äw 2«U« KO?s. Lei UbsUso- aoü wittern »t« siitipr. ^uksotü»^. Ln»ed«t»«ur FL^liek i»it ^ll«o»tuue üsr 8oru>- m»6 kviort»^« »d«a<i,. li'vrn^prvok-^osodlu«»! t^r. 12SK. Dienstag, den ä. Oktober, abends. Dres-nerIourml. Für di« GesamUettung oerantvrtltchr Gtto Banck, profeffor der Litteratur- und Runstgeschichte. 1887. L»Zu»NM« v» F> Oollllll1»«t«i»Lk 4« Or»ä»« L»»d«r, - I«U» - Vt« - v«1p«lU >—1 I ». ».: La««n«t«n <4 I«rU»-Vt«-U»»^>r, ». N. k»rt» l«iLo»->«rU» kr»k1^»t».M.->t«ttU»re: Da«t/>« <« tt».,- N«rU»: Inva1»<t«^a«t,- S»rUt>: v. ««««-» U»LLo-i: 0 Se^r^t«-,' L»U. ». » : /. 4 0». S«r»»»»«d«r t L0»i^t. Lxp«Utioi» 0«, l>r«»c>»«- ^ounuü», vr«ä«», LMios«r»tr. X). ksnl,pr»«ll-^L»oI^L«: Nr. 12»L Nichtamtlicher Teil. Aekegraphifche Wachrichten. Wien, 3. Oktober (W. T. B) Der König von Griechenland empfing heute nachmittag den Minister des Auswärtigen, Grafen Kalnoky, in lstündiger Audienz. Ber König gedenkt noch einige Tage in Wien zu verbleiben. Kopenhagen, 4. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der Kinanzminister legte dem gestern mittag eröffnrten Folkething das Budget für 188^/89 vor. Das Budget weist an Einnahmen 54 Millionen auf, einschließlich lk Millionen Bestände, an Ausgaben 56 Millionen, einschließ lich 3tz Millionen zurückzuzahlender Staats schulden. Athen, 4. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Heute früh fand auf dem griechischen Kontinent, d n jonischen Inseln und den Cykladen ein hef tiges Erdbeben statt. Schwache Erschütterungen wurden auch im Peloponnes gespürt. Nach bisher vorliegenden Nachrichten scheint kein größerer Schaken angerichtet zu sein. New-Aork, 4. Oktober. (Tel d Dr sdn. Jvurn.) Einem Telegramm deS „New-Jork- Herald" auS Washington zufolge war der Staats sekretär Bayard von der Abficht Deutschlands, König Malietoa abzusetzen, vorher benachrichtigt worden, hatte gleichzeitig aber auch die Versiche rung erhalten, daß nicht die Annektierung SamoaS, sondern lediglich die Bestrafung MalietoaS beab sichtigt sei. Der zwischen Amerika und Samoa bestehende Vertrag, so erklärt Bayard, berechtige Amerika nicht zu einer Intervention, solange nicht die Interessen Amerikas angegriffen würden. Dresden, 4. Oktober. Gegründete Friedenshoffnungen. Es ist eine alte Wahrheit: wer seine Verhältnisse geordnet und der Zukunft vorgesehen hat, kann froh gemut und in ungestörter Arbeit seine Tage ausnutzen, und wer friedfertigen Herzens, aber für jeden Notfall wohl gerüstet ist, braucht sich nicht sorgenvoller Un ruhe hinzugeben, sondern darf die Kraft, welche ihm die Ruhe und Sicherheit giebt, freudig und fruchtbringend aufwenden für die Zwecke des Lebens. In solcher immerhin gesegneten Lage befindet sich das wachsame Deutschland und zwar heute mehr denn in der ersten Hälfte dieses Jahres. Die entschiednere Haltung, welche Deutschland seit einiger Zeit Frankreich gegenüber eingenommen hat und für welche Fürst Bismarcks epochemachende Rede vom 11. Januar d. IS., die wesentlich stärkere militärische Besetzung unserer Westgrenze, das straffere Anziehen der Regierungszügel in den ReichSlanden und die an sich freilich wenig erfreulichen Vorgänge an der Grenze Zeugnis geben, hat also eine unver kennbar günstige Wirkung geübt. Wir sehen, daß die Leute, welche den Rachekrieg dauernd im Munde führen und ihrem unbezähmbaren Nationalhaß vor den Thüren oder im Parterre des Theaters in patrio tischer Weise Luft machen, nicht nur von der die Ge bildeten und Besitzenden umfassenden großen Mehr heit der Nation verleugnet und mit Verachtung ge- strast werden, sondern daß sie auch ihrerseits sofort kleinlaut werden, sobald sie merken, daß der Schwefel spahn, mit dem sie spielen, in ein Pulverfaß fallen könnte. Die Erfahrungen von 1870, so sagt eine Betrach tung der „Schl. Ztg.", sind in Frankreich noch un vergessen, die allgemeine Dienstpflicht hat in dem seinen Erwerb und sein Behagen liebenden Bourgeois da- Bedürfnis nach Gloire wesentlich herabgemindert, das BiSmarcksche Eigner L bluno hat die denkenden Leute an den furchtbaren Ernst eines Krieges, dessen Ende nicht abzusehen, gemahnt, und an die Stelle de» blinden Vertrauens in die Allianz Rußlands ist be reits eine heilsame Skepsis getreten. Die heute herr schenden Parteien sind sich überdies bewußt, daß der erste Fehlschlag im Kriege ihrem Regiment sofort ein Ende machen würde, fei es nun, daß die Kommune mit einer neuen Auflage des Konvents, daß die legi time Monarchie oder ein cäsarischer Diktator an ihre Stelle treten würde. So weit aber, die Eventualität eines unglücklichen Krieges als ausgeschlossen zu be trachten, versteigen sich selbst diejenigen nicht, welche in die neuerstandene gewaltige HeereSmacht Frankreichs das höchste Vertrauen setzen. Anderthalb Jahrzehnte lang hatte man sich allerdings in die Hoffnung einge wiegt, Deutschland in der Streiterzahl überbieten und sich dadurch den Enderfolg sichern zu können; seitdem Deutschland in diesem Frühling gezeigt hat, daß es sich militärisch nach keiner Richtung hin überflügeln lassen will, ist auch diese Hoffnung zu schänden gewor den. Der Graf v. Paris, dem eS doch vor allem darauf ankam, die öffentliche Meinung zu gewinnen, hat allem Anscheine nach einen glücklichen Griff ae- than, als er in seinem Manifest von Frieden, von Ab rüstung sprach. Die Stimmung Frankreichs ist seit etwa 2 Jahren eine gereiztere, als sie es in der Zeit, die dem Frie den von Frankfurt folgte, jemals war. Fragen wir nach den Gründen, so ist zunächst zu bedenken, daß inzwischen eine halbe Generation herangewachsen ist. Die zur Zeit des Krieges Knaben von 7 bis 12 Jahren waren, also für das, was um sie vorging, wenig Verständnis hatten, sind heute Männer von 24 bis 29 Jahren, und diese männliche Jugend ist an der Hand der Legende erzogen worden, daß das Barbarenvolk der Deutschen Frankreich räuberisch über fallen, daß es dessen heiligen Boden frevelhaft ge schändet und zerstückelt habe. Mit allen Künsten einer Pädagogik, welcher der Zweck die Mittel heiligt, ist der heranreifenden Jugend der Nationalhaß und der Rachedurst eingeimpft worden. Diese Jugend ist noch nicht der politisch maßgebende Teil der Nation, aber die politisch maßgebenden Persönlichkeiten müssen mit deren Stimmungen und Gefühlen doch schon einiger maßen rechnen. Dazu kommt der weitere Umstand, daß seit dem Sturze Mac Mahons ein Jahrzehnt hin durch der Schwerpunkt in den Parlamenten weiter und weiter nach links gerückt war und damit die radikalen Parteien, die sich von vornherein als die eigentlichen Träger des Revanchegedankens aufgeworfen hatten, mächtiger und einflußreicher geworden waren. Al kin dritter Faktor wirkt der stetig wachsende Brotneid der französischen Gewerbtreibenden gegenüber der er obernd vorschreitenden deutschen Industrie und der Haß der Pariser Arbeiterwelt gegen die ihnen durch Fleiß und Anspruchslosigkeit Konkurrenz machenden Fremdlinge. Ein weiterer, vielleicht der bedenklichste Faktor muß darin erkannt werden, daß bei der großen Gesamtheit des französischen Volkes, auch bei seinem friedliebenden Teile, die Lüge vollen Glauben findet, Deutschland plane den Krieg und warte nur auf den geeigneten Augenblick, abermals seine Barbarenhaufin über Frank reich herfallen zu lassen, um neue Milliarden zu er pressen, neue Gebiete zu rauben und die Nation der Gloire, die Nation qui marob« ä In tet« üe In oi- vilioatiou, in die Stellung einer Macht zweiten Ran ges hinabzudrängen. Selbst ernste Staatsmänner dürfen es um ihres Einflusses und ihrer Macht über die Gemüter willen nicht wagen, diesem Aberglauben mannhaft entgegenzutreten. Hat doch selbst Ferry, der als Konseilpräsident stets bemüht war, gute Be ziehungen zu Deutschland zu pflegen, sich vor nicht langer Zeit dazu Herbeigelaffen, in einer gegen die radikale Partei gerichteten öffentlichen Rede auszu- sprechen, Frankreich sei dauernd bedroht. Wenn diese verschiedenen die öffentliche Meinung Frankreichs beeinflussenden Momente heute eine mäch tigere Wirkung üben, als eS bis dahin der Fall war, wenn die Stimmung reizbarer geworden, wenn der Deutschenhaß sich in brutalerer Form manifestiert, so ist dies wesentlich auf die seit dem Ausbruch der bul garischen Wirren veränderte Haltung Rußlands zurück- zusühren. Wie sich eben wieder gezeigt hat, verraucht das Krieg-gelüst sofort, wenn Frankreich sich vor die Eventualität gestellt sieht, mit Deutschland auf eigene Hand sich zu messen; eS will de» Sieges gewiß sein und darum nur im Bunde mit einem mächtigen Alli ierten in den Kampf eintreten. Seit 2 Jahren hat eS sich mit der Hoffnung auf die Allianz Rußlands getragen, bis zur Stunde indes ist diese Allianz nicht perfekt geworden. Die Gefahr aber, daß Frankreich unbesonnen losschlagen und sich ohne Alliierten in einen Krieg hineinstürzen sollte, würde nur dann ob walten, wenn, wie dies im Dezember vorigen Jahres zu geschehen drohte, der Schwerpunkt in der De putiertenkammer so weit nach links rückte, daß es nach dem System der parlamentarischen Regierung der äußersten Linken zukäme, das Kabinett zu bilden. Eine Majorität im Parlamente, die ihnen das Regieren ermöglichte, würden die Radikalen nicht finden; sie würden an die Mafien in den Straßen und in den Kneipen appellieren müssen, und der Krieg wäre für sie oder für den von ihnen bestellten Diktator das einzige Mittel, sich in der Machtstellung wenigstens zeitweise zu behaupten. Seit der Bildung des Kabinetts Rou vier und der Beseitigung Boulangers ist diese Gefahr glücklich abgewandt. Und als beste Bürgschaft dafür, daß sie sobald nicht wiederkehrt, darf die auch den Franzosen nicht mangelnde Überzeugung gelten, daß Frankreich bei einer solchen Wendung der Dinge nie und nimmer auf die Allianz Rußlands zu rechnen hätte. Die einzige heute obwaltende Kriegsgefahr beruht also in dem Perfektwerden der russisch-französischen Allianz. Diese Gefahr liegt, wie wir heute nur kurz andeuten wollen, in weitem Felde. Rußland bekennt sich gegenwärtig zur Polilik der freien Hand, seine Hand aber würde sofort gebunden sein, wenn es einen Alltanz vertrag einginge. So lange Rußland, was ja einzig von der Stimmung des Zaren abhängt, uns feindlich oder übelwollend gegenübersteht, kann es keine bessere Lage der Dinge wünschen als eben die gegenwärtige. Den Franzosen Elsaß-Lothringen wieder zuzuführen und sie dadurch zu beruhigen, hat Rußland nicht das mindeste Interesse. Überdies aber glauben wir, daß trotz der üblen Stimmung des Zaren die große Politik des Kabinetts von St. Petersburg keineswegs dahin zielt, sich in Deutschland auf die Dauer einen feind lichen Nachbar zu schaffen, den eS jederzeit unter den Gegnern seiner traditionellen Orientpolitik finden würde. Wir vertrauen also nach bester Überzeugung in die Erhaltung des Friedens und erachten es als Gewissens pflicht, alles zu bekämpfen, was dieses — wie schon der Kurszettel ausweist — in unserem Volke noch immer lebendige Vertrauen zu erschüttern geeignet ist. Wenn der Feind an unsere Thore pocht und der Kaiser zu den Waffen ruft, wird unser Volk der Welt zeigen, daß es sein Eisen blank und sein Pulver trocken gehalten hat. Bis dahin lasse man es im Bewußtsein seiner Kraft ungestört bei seiner friedlichen Arbeit. Unserem reiz baren Nachbar im Westen gegenüber lasse man die Schonung walten, die dem Mächtigen, dem Sieger so wohl ansteht. Mit Zeitungsartikeln kann der nun einmal dem französischen Volke tief ins Blut ge drungene Glaube, daß es von Deutschland dauernd bedroht sei, nicht ausgemerzt, sondern nur genährt werden. Die Ausschreitungen eines Teiles unserer Presse im Jahre 1875 wirken noch heute nach: von russischer wie von französischer Seite gleichmäßig gegen uns ausgenutzt, haben sie in der öffentlichen Meinung Frankreichs das Märchen, Deutschland habe damals Frankreich kriegerisch überfallen wollen und nur das Machtwort Alexanders II. habe ihm das bereits halb entblößte Schwert in die Scheide zurückgedrängt, zu einem Glaubensartikel werden lassen, der sich auf Generationen vererben wird. Tagesgeschichte. Dresden, 4. Oktober. Vom Reichs-Gesetzblatt ist das 40. Stück deS Jahres 1887 heute hier ein getroffen. Dasselbe enthält lediglich: Sir. 1751) Ueber- einkunft, die Bildung eines internationalen Verbandes zum Schutze von Werken der Litteratur und Kunst betreffend * Berlin, 3 Oktober. Se. Majestät der Kaiser arbeitete im Laufe des gestrigen Tages zunächst längere Zeit allein, nahm mehrere Vorträge entgegen, empfing einige Besuche und unternahm bei schönstem Wetter eine Spazierfahrt, gelegentlich welcher Allerhöchstderselbe der Prinzessin Wilhelm einen Besuch abstattete. Das Diner nahmen die Majestäten gemeinsam mit den zur Zeit in Baden-Baden noch anwesenden Fürstlichkeiten ein. Am Abend wohnte der Kaiser mit den Groß- herzogl. badischen Herrschaften, dem Könige von Belgien, dem Großherzog von Sachsen-Weimar und dem Prinzen Heinrich von Preußen dem Feuerwerke vor dem Kon- versationShanse bei und wurde von der zahlreich an wesenden Menschenmenge mit enthusiastischen Ovationen begrüßt. Heute vormittag empfing Se. Majestät die zur Dienstleistung in der preußischen Armee komman dierten türkischen Offiziere, welche sich bei der Rück kehr nach der Türkei abmeldeten. Nachmittags 3 Uhr begab sich Se. Majestät zu einer musikalischen Unter haltung bei Frau Guaitar. An dem Diener bei Sr. Majestät nahm heute die Gräfin Fürstenberg mit ihrer Tochter teil. Der Staatssekretär Graf Herbert v. Bismarck ist heute mittag 2 Uhr in Begleitung deS LegationS- rats Grafen Pourtales vom auswärtigen Amt au» Friedrichsruh hierher zurückgekehrt. Voraussichtlich wird er noch heute nachmittag den französischen Bot schaftsrat Raindre empfangen, um von diesem die in zwischen auf der hiesigen französischen Botschaft fertig gestellte Abschrift der französischen Untersuchungsakten über den deutsch-französischen Zwischenfall entgegen zunehmen Zum Besuche des italienischen Minister präsidenten Crispi in Friedrichsruhe schreiben Vie osfiz. „Berl. Pol. Nachr." folgendes: Der Besuch, welcher demjenigen des Grafen Kalnoky so rasch folgte, liefert den augenfälligsten Beweis für die Festigkeit und Innigkeit der Verbindung der drei mitteleuro päischen Mächte. Was insbesondere die nahen und intimen Beziehungen zwischen Deutschland und Italien anlangt, so beruhen dieselben nicht bloß auf dem vollen gegenseitigen Vertrauen der Kabinette, sondern auch auf der Sympathie der beiden Nationen, welche, noch vor nicht allzulanger Zeit ein geographischer Begriff, durch eigne Kraft in dem letzten Menschen alter die nationale Einheit errungen haben. In dem festen und vertrauensvollen Zusammenstehen der mittel europäischen Mächte, welchen das Ziel der Erhaltung des Friedens gemeinsam ist, liegt die sicherste Garan tie für die friedliche Weiterentwickelung Europas. Was auch immer in diesen Tagen in Friedrichs ruhe verhandelt worden ist, — die Staaten und Völker Europas dürfen fest darauf rechnen, daß durch dieVerhandlungendeSStaatSmanneS Feuilleton 3. Oktober: Trauerspiel leidigteu nicht für das geschädigte Gemeinwohl als gelegentlicher Henker auftreten, so daß sich Piso so weit vergißt, am Tyrannen und am heiligen Gastrecht an den guten Jüngling LuciuS, dessen wohlmeinende Schwächlichkeit den tragischen Knoten schürzt —, die persönliche Rache darf bei dem noch so schwer Be leidigten nicht für das geschädigte Gemeinwohl als K. Hoftheater. — Altstadt. — Am „Die Hochzeit auf dem Aventin". besten Novellen und Romanen tief und eigenartig ein- gedrungen ist in das eigentliche Wesen des modernen Lebens, in die vornehme, ja in die ost so gefällig idealisierte und doch so wahrheit-volle Auffassung und fesselnde Gestaltung seiner Charaktere, — diesen ge dankenreichen, im Dialog überraschenden Dichter hätten wir am liebsten auch einmal auf dem Theater die Lebensfragen und Stoffe von heute behandeln gesrhn. Da Wurzel zu schlagen und Wirkung zu üben, wo sein heimischer Boden und seine Kraft liegt, würde al« die natürlichste und gesündeste Folge erscheinen. Es ist erlaubte Dichterfreiheit, wenn un» statt dessen seine Laune, einer gegenwärtigen wenn auch noch nie mit Glück begünstigten Theaterströmung fol gend, in die Zustände des alten RomS zurückfuhrt. Wir stehen da in den unseligsten Tagen des jungen Cäsarenreichs, welches schon mit Tiberiu- und mehr noch mit dem kaum vier Jahre regierenden Caligula in das Chao» der ausschweifenden Tyrannenmacht, der Willkür, der sittlichen Zerrüttung Hineingetrieben wurde. Diese unerquickliche Entrüstung, dieser Abscheu gegen solche szenisch vorgeführten Verhältnisse der menschlichen und staatlichen Erniedrigung dürfen un» nur auferlegt werden, wenn dadurch für un» selbst al» Zuschauer und nicht minder für die Kunst ein poetischer Gewinn zu erreichen ist. Ein solcher Gewinn hat Paul Heyse auch vor geschwebt, nur blieb e» mehr bei der guten Absicht ohne entsprechenden Erfolg. Er wollte der moralischen Versumpfung und der gemeinen da» Recht und die Pflicht schändenden Gewalt, diesem gesamten dunklen Schmutz de- Kakodämon, einige edle Lichtgestalten sinnige Klaudius wurde nicht von ihm, sondern von ganz anderen Personen und unter anderen Verhält nissen umgebracht. Wir bedauern das arme Weib Pisos, doch haben wir wenig Interesse für diesen selbst, in ganz anderm Sinne ebenso wenig wie für den karikiert gezeichneten und von Hrn. Klein bei allem Fleiß ebenso gespielten Kaiser. Der Dichter, der seinen Stoff überaus frei, wenn auch nicht ohne einige historische Unterlage be handelt, hat somit nicht viel versäumt, wenn er eS nicht klar genug andeutete, daß Caligula, der ent artete Sohn des wunderbar glänzenden GermanikuS, deshalb so wutentbrannt gegen das aus plebejischem Stamm entsprossene Geschlecht der Piso war, weil CnejuS Lalp. Piso verdächtig war, den GermanikuS iu Antiochia auf Tiberiu- Wunsch vergiftet zu haben. Er entleibte sich vor dem erfolgten Richterspruch. Weder die Charakterzeichnung noch der Dialog de- Trauerspiels entbehren einer fleißigen AuSsüh- rung, aber die erstere ist so undramatisch wie unsym- ' pathisch, der letztere steht weit unter der Höhe von HeyseS außerordentlichem Talent. Ich hoffe, daß das Werk, al» eine immerhin wert volle Gabe, manche Wiederholung erfährt und will für diesmal mehr das heiße Bemühen, al» die immer befriedigende Tüchtigkeit der Aufführung hervorheben. Die Hauptrolle Piso wurde von Hrn. Grunert, die Cloefta von Frl. Breier dargestellt. Hr. Jaffa und Hr. Dettmer spielten den Oheim MarcuS und den Vetter Luciu». Otto Banck. gegenüber stellen, die zwar untergehn, aber ideell im Untergänge siegen und von denen der für Alle handelnde Piso seinen Grundsätzen, seiner Mannes ehre und den Forderungen de» verzweifelten Herzens endlich sein eigenes Leben freiwillig aufopfert. Auch sein junge» Weib (Cloelia) tötet sich au» eigenem Antriebe, um auf dem steilen Wege zum vermeint lichen Glücke ihre» Gatten kein hemmender Stein zu sein. Diesen beiden allgemeinen Gegensätzen von ma teriellem Egoismus und selbstloser Idealität, die als Mehrheit und Minderheit in jedem herabsinkendcn Staatswesen um die Herrschaft kämpfen, läßt sich aber nur dann im Drama, in diesem vervollkommneten Sptegelbilde der Wirklichkeit, ein wahrer Erfolg ver leihen, wenn die Handlungen richtig begründet und omponiert, die Charaktere von fesselnder Tragkraft ind. Der Zufall darf dabei nicht, wie es hier ge- chieht, eine entscheidende Rolle spielen — ich erinnere zum Doppelmörder zu werden. Diese Verletzung jedes richtigen Gefühles für Tragik wird dadurch empfindlich verschärft, daß der nur al» Privatmann handelnde Piso überhaupt ohne Teilnahme für sein Vaterland ist und nur durch einen Zufall zum Thronkandidaten und Helden der Geschichte gemacht wird, welcher er, beiläufig bemerkt, gar nicht in ähnlichem Sinne war, denn der wahn- in 5 Akten von Paul Heyse. (Zum ersten Male.) Selbstverständlich liegt es jeder Bühnenleitung nahe, ja es gehört zu ihren Verpflichtungen gegen da» Schrifttum der Gegenwart, die Erzeugnisse eine» so bedeutenden Schriftstellers, wie eS Paul Heyse ist, womöglich in jedem Falle zu berücksichtigen. Eine gleiche Anteilnahme beherrscht folgerichtig das gebil dete Publikum welches bei günstigen Vorurteilen ge spannt sein muß, auch die dramatischen Leistungen von einem seiner beliebtesten und vielgelesensten Schrift steller kennen zu lernen, zumal, wenn sich derselbe aus diesem Gebiete nur so selten bethätigt hat. Mit dieser Sachlage stimmte sowohl das gute Jn- scenesetzen und fleißige Einstudieren, wie die zahlreiche Beteiligung am Theaterbesuch und die verhältnismäßig freundlich« und rücksichtsvolle Entgegennahme des dar gebotenen Stückes überein. Wir sind auf der heutigen deutschen Bühne keines wegs dadurch verwöhnt, auf dem Gebiete de» ernsten Dramas oder gar des Trauerspiel» bedeutende Poeten werke zu empfangen. Um so bereitwilliger hören wir gern mit an, wenn ein mit reichem Geist und litera rischer Anmut begabter Kopf glaubt, von den Brettern berab etwa» Neue» und Tüchtiges zu sagen zu haben. Unerläßlich jedoch steigert dabei der oerühmte Name die Anforderungen, sowohl dem Inhalt wie der Kunst- form gegenüber. Paul Hehse, dessen Muse in seinen
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