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WnlmM TngMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 26. August 196. 1881. k. "Waldenburg, 25. August 1881. Die französischen Wahlen. Die Wahlen in Frankreich sind nunmehr voll ständig bekannt. Die Wahl Gamvetta's in Belle- ville bildet dabei das Hauplthema. In den weiteren politischen Kreisen will man für die Republik und für Gambetta selber ein Glück darin sehen, daß die Bande, welche bisher den Deputieren des ultra- radicalen Belleville an feine Wähler knüpften, durch die neuste Abstimmung gelockert worden sind, Gam betta, meint man, wird sich um so besser zum officiellen Leiter der französischen Politik eignen, wenn er nicht mehr der Mann von Belleville ist. Sein Einfluß im Parlament wird nicht erschüttert werden, denn die gewaltige Mehrheit der gewählten Depu- tirlen ist ihm ergeben. Darauf deuten in der Thal alle Wahlresultate, die bisher bekannt geworden sind. Die Majorität wird, wie es sich seit Wochen vermuthen ließ, eine Majorität der republikanischen — 'nion sein. Von den französischen Blättern wird das Resul tat der Wahlen verschieden aufgefaßt. So schreibt das „Journal des Debüts": „Die Wahlen von Paris sind, was sie mit der Arrondissementsabstim mung sein konnten, weder ganz gut, noch ganz schlecht, und Niemand hat das Recht, Sieg zu rufen, nicht einmal die Sieger. In Belleville hat Gam betta zwei intransigente Gegner geschlagen, aber nur mit unendlich kleinen Majoritäten, und es ist nicht gesagt, daß eine Option für einen der beiden Be zirke nicht Sigism. Lacroix oder Touy Novellon, die er so mühsam überwältigt hat, in die Kammer bringen wird. Die Lection vom 21. August wird nicht verloren sein. Gambetta wird mit seinem scharfen politischen Vcrständniß begreifen, wie schwer es ist, diesen Widerspruch fort bestehen zu lassen zwischen einem Politiker von hoher Intelligenz und großer Zukunft, der sich an alle Gemüßigten wendet und doch der Vertreter eines Stadttheiles bleibt, der so wenig gemäßigt ist. Da Gambetta den be rechtigten Anspruch hat, ein Regierungsmann zu sein, so wird er sich nicht mehr auf ein 12 Jahre altes Programm berufen, das in den meisten Thei len hinfällig und gefährlich in einigen anderen, die er schon wirklich aufgegeben hat. Wir sind weit entfernt, ihn darum zu tadeln." In seiner gewöhnlichen Manier triumphirt Roche fort in seinem „Intransigent". Er rechnet aus, daß Gambetta im zweiten Bezirk nur 1 Stimme über die absolute Mehrheit hat, und knüpft daran seine Spöttereien. „Gambetta", sagt er, „hat die Mauern mit seinen Affichen bedeckt, er hat seine Gegner verleumdet, er hat zahllose Agenten ins Feld geschickt und ist mit Wahlmanövern, Procla- mationen, Reclamen und Bitten nicht sparsam ge wesen. Er hat 50,000 Frcs. für seine Wahl aus gegeben in einem Stadtviertel, in welchem er seit 12 Jahren die Einstimmigkeit besessen. Seine Geg ner nahmen keine Staatsämter an, sie hatten weder Zeit noch Geld zur Verfügung, und Gambetta siegt mit 1 Stimme! Er, der ironisch Mac Mahon den Präsidenten von 7 Stimmen genannt hatte, wird sich selber künftig den Präsidenten mit 1 Stimme nennen müssen/' Aehnlich spottet die ganze intran sigente Presse und prophezeit, daß Gambetta jetzt an dem mit so großer Mehrheit in beiden Bezirken von Montmartre gewählten Clemenceau einen furcht baren Widersacher finden werde. Und Gambetta? Er macht gute Miene zum bösen Spiel. Sein Orgän, die „Republique frantzaise", läßt sich nicht in langen Betrachtungen ein und meint mit anerkennenswerther Bescheidenheit, ange- üchts der Feindseligkeiten, Jntriguen und Infamien, denen Gambetta ausgesetzt gewesen, hätte man einen schlimmeren Ausgang befürchten können. „Es muß in dem Volke ein unzerstörbarer Grund von gesun dem Verstand und Billigkeitssinn existiren, da es, so vielen Lügen zum Trotz, seinem Deputaten Ge rechtigkeit hat widerfahren lassen. Die Abstimmung beweist, daß in dem republikanischen Frankreich kein Platz ist für eine Partei, welche die Revolution an die Stelle der Reform und die Gewaltthätigkeit und Anarchie an die Stelle der freien Discussion setzen möchte." "Waldenburg, 25. August 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser war durch Erkältung von einem leichten Unwohlsein befallen, ist aber jetzt völlig wiederhergestelll und erfreut sich des besten Wohlseins. Die Kaiserin hat in jüngster Zeit erfreuliche Fortschritte in der Wiederherstellung ihrer Gesund heit gemacht, sodaß sie bei günstigerer Witterung bereits Ausfahrten hätte unternehmen können. Als Termin für die Reichslagswahlen nennt man jetzt den 19. October. Bezeichnend für das Gebahren eines großen Theiles der Berliner Presse ist der denunciatorische Eifer, mit welchem das „Berliner Tageblatt" die Herren Stöcker und Henrici, weil sie gegen die Judenwirthschaft gesprochen und agitirt haben, der Fürsorge der Staatsanwaltschaft empfiehlt. Das Mosie-Levysohn'sche Organ schreibt nämlich: „Es ist im Interesse des Siaatswohles durchaus nöthig, daß so schnell als möglich der Proceß gegen Stöcker und Henrici beginne. Ehe dieser Proceß nicht ge führt worden ist, wird der Glaube des Pöbels nicht auszurotten sein, daß die Aufreizung zum Land friedensspruche und natürlich auch die Störung des selben den Aufrührern keine Gefahren bringe. Der Richter muß sprechen, nicht die Polizei." Also die Rede- und Gedankenfreiheit hat bei der nicht weg zuleugnenden Judencalamität in Deutschland keine Geltung mehr. Und das hat den Fortschritt gepachtet. Wir gaben neulich die Mittheilung, daß sich der Prof. v. Treitschke von der liberalen Partei losgesagt habe. Heute sind wir in der Lage, ein darauf bezügliches Schreiben des Herrn v. Treitschke, welches von ihm auf eine erhaltene Anfrage aus Kreuznach dorthin gerichtet wurde, nachstehend mit- zutheilen: „Sie fragen mich wegen eines, in Ihrem Wahlkreise offenbar mit Absicht verbreiteten Gerüchtes, das mir nachsagt, ich hätte meine Gesinnungen ge ändert und wolle mich von jeder Berührung mit den Liberalen fernhalten. Die Wahrheit ist, daß ich über alle wesentlichen politischen Fragen noch heute genau ebenso denke wie vor 10 Jahren, als mir Ihr Wahlkreis zuerst sein Mandat übertrug. Ich bin damals nicht auf den Namen einer Partei gewählt worden und habe vor der Wahl von 1878 ausdrücklich erklärt, daß ich mich nicht für eine Frac- tion verpflichten könne. Ich habe stets auf der Rechten der nationalliberalen Fraction gestanden und mich 1878 vergeblich bemüht, die Verwerfung des Socialiste.!gesetzes zu verhindern. Mit ihr begann der Bruch zwischen dem Reichskanzler und den Nationalliberalen. Im folgenden Jahre trat ich aus der Fraction aus, weil sie den Zolltarif verwarf und doch nicht anzugeben wußte, durch welche andere Mittel das Reich seinen Geldbedarf decken solle. Was mich von der Fraction trennte, war nicht ihr Liberalismus, sondern ihre Gleichgiltigkeit gegen die nationalen Pflichten des deutschen Reichs tags. Ebenso habe ich neuerdings, der Meinung der Fraction zuwider, die Politik des Reichskanzlers unterstützt, als sie darauf ausging, die verfassungs mäßige Einheit des deutschen Zollgebietes zu vollen den und den, für alle Theile schädlichen, Privilegien der Hansastädte ein Ende zu machen. Ich vermag nicht einzusehen, daß das Festhalten an particula- ristischen Privilegien oder der Ruf „Fort mit Bis marck" ein Zeichen liberaler Gesinnung sein sollte. Nach meiner Meinung ist es Pflicht aller wahrhaft Freigesinnten, die Politik des Reichskanzlers zu unterstützen, natürlich in voller Unabhängigkeit, wie es einem Parlamente geziemt. Nur wenn die Mittelparteien der ini wesentlichen berechtigten Politik des Reichskanzlers ihre Unterstützung leihen, wird es möglich sein, die Extreme von Links und Rechts in ihre Schranken zurückzuweisen. Es ist eine, von der Fortschrittspartei und ihren Genossen ausge sprengte Unwahrheit, daß der Reichskanzler reac- tionäre Pläne verfolge. Ich hoffe, über diese Dinge mich demnächst mündlich vor meinen bis- härigen Wählern auszusprechen." Der Beschluß des Schweizer Bundesraths, dem russischen Fürsten Peter Krapotkin den Aufenthalt in der Schweiz zu untersagen, muß in Deutschland besondere Genugthuung Hervorrufen. War es doch diese nihilistische Durchlaucht, welche bei dem gelegentlich des neulichen Socialistencongresses in London stattgefundenen Banket sein Glas zu Ehren des „zukünftigen heldenmüthigen Jünglings" erhob, der den deutschen Kaiser „abthun" würde. Die Absichten, welche die Reichsregierung mit den dem Reichstage vorgelegten Denkschriften wegen Unterstützung transatlantischer Dampferlinien bekundet hat, werden zweifellos weiter verfolgt. Eine Reihe von Petitionen und Anträgen in glei chem oder ähnlichem Sinne dürften an die Reichs regierung gelangen, welche die Frage dauernd in Fluß erhalten und dafür sorgen werden, daß sie im Reichstage wenigstens zur Debatte gelangt. Auch die Colonisationsfrage wird nicht von der Ta gesordnung verschwinden. In Köln wird demnächst ein internationaler Con- greß der Gegner des Impfzwanges zusammen treten. Inzwischen werden, da wiederum Masien- petitionen für Aufhebung des Impfzwanges an den Reichstag vorbereitet werden, im Reichsgesnndheits- amt Untersuchungen über die Frage, ob die Impfung mit thierischer Lymphe im deutschen Reiche allgemein zur Ausführung gebracht werden könne, angestellt und sind die Bundesregierungen angegangen wor den, ihre Erfahrungen über diesen Gegenstand dem Gesundheitsamte mitzutheilen. Ferner hat das Ge sundheitsamt dem Reichskanzler eine Reihe von Vor schlägen zu einer wirksameren Ueberwachung des Jmpfgeschäftes nach für alle Bundesstaaten gemein samen Gesichtspunkten unterbreitet und sind dieselben den Bundesregierungen zur Rückäußerung vorgelegt. Dagegen hat das Gesundheitsamt bis auf Weiteres die Anträge auf Einsetzung einer Commission aus Anhängern und Gegnern des Impfzwanges zur Prüfung der wissenschaftlichen Unterlagen des Jmpf- gesetzes abgelehnt, da dieser Vorschlag so lange nicht als zweckmäßig bezeichnet werden könne, als eine umfassende Statistik über die Erfolge der Impfung nicht vorhanden ist. Die hannoversche Welfenzeituug ist gegen Alles, was preußisch ist, äußerst giftig. So auch in einem neuerlichen Falle. Der Oberpräsident v. Leipziger halte die in Hannover versammelten deut schen Forstwirthe namens der Staatsregierung be- bewillkommnet und dabei kurz der Bemühungen des Staates in neuester Zeit um Aufforstung großer Haideflächen erwähnt. Diese Thatsache gibt dem Welfenblatte Anlaß zu folgender Betrachtung: „Tie Auslassung des Herrn Oberpräsidenten erinnert uns daran, daß der im Jahre 1867 gegründete „Verein