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Voigtländischer Anzeiger. Sechs und fünfzigster Jahrgang. Redigirt von Advocat C. Wieprecht. Druck und Verlag von C. Wieprechts seel. Wittwe in Plauen. Jährlicher Al'onnementspreis für dieses Blatt 25 Neugroschen. — Die Jnsertionsgebübren werden mit 1 Neugroschen für die gespaltene Corpus - Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß des Raumes. — Sonnabend. 27. September 1845. Zeitungen Deutschland. Die Reisen des Fürsten Metternich an den Rhein, um der Königin von England aufzuwar ten, hat zu verschiedenen Vermuthungen Veranlassung ge geben. Namentlich brachte man die dcutschkatholische Frage damit in Verbindung. Eine Vereinigung über gemeinsam zu ergreifende Massregeln gegen weitere Verbreitung dieser Lehre ist jedoch am Rheine nicht zu Stande gekommen, da Preußens König, vorsichtig genug, wohl auch einge denk der Verdienste, die sich sein Volk in den Jahren 1813 und 1814 um Preußens Thron erworben hat, sich gegen jede Zwangswaßregel erklärt hat. Es dürfte übri gens vergeblich sein, diese geistige Entwicklung wieder in papistische Schranken eindämmen zu wollen, da die Fluthen desselben bei dem dermaligen Stande der Bildung in Deutsch land und dem erwachten Glaubensgefühl über kurz oder lang wieder überschlagen müssen und einen Durchbruch da anrichte» werden, wo man'S am wenigsten vermuthet. Es ist dies das unterscheidende Merkmal bei allen derartigen großen Erscheinungen im Volksleben und die Geschichte weist nach, daß eS der Gang weltbewegender Ereignisse immer so gehalten hat. — Was nun am Rheine in Ver» einigung mit protestantischen Fürsten zu erreichen unmöglich war, das soll nun in Königswarth mit den Katholischen ins Werk gerichtet werden. Nach Berichte» auS Wien sollen verschiedene Gesandte Oesterreichs an fremden Höfen die Einladung erhalten haben, sich nach Königswarth zu be geben, um wahrscheinlich eine zweite Auflage der heiligen Ligue zu gründen und mit dem Staatskanzler daselbst zu nächst Raths zu pflegen, was nun den katholischen Regie rungen zu thun übrig bleibe. Wir sagen: nichts! Man lasse das Werk ruhig gehen; ist's von Gott, so wögen sie den Geist nicht dämpfen; wo nicht, so zerfällt es von selbst wieder, wie es schon mit so vielen neu entstandenen Secten der Fall war. Denn der Geist der Neuerung ist schon zu tief in das Volk gedrungen; gerade weil man den neuen Glauben verbietet und hemmen will, erhält er wie alles Verbotene doppelten Werth und Reiz, selbst in den un tersten Regionen hat er Platz gegriffen und eine uns im Laufe dieser Woche zu Händen gekommene Eckensteher Gas- conniade beweist, wie die Volksansicht sich darüber aus spricht. -- „Wat meenst de denn, Hammerschmidt, bist'n Hengstenbergsch, Rongensch oder Wislicensch?" — fragte Pefke, ein solcher Straßenphilosoph Berlins sei nen College«, der lhm oie erfreuliche Antwort gab: „Siehst de, Pefke, ich hab da meinen Kopp für mich, und mach'S wie der Ludwig Filippe, ich bin Schißmiliö!" — Die katholische Geistlichkeit, insbesondere die höhern, scheint dar über anderer Ansicht zu sein und trägt kein Bedenken, die Saiten — wie dies unlängst der Erzbischof von Freiburg in Baden in Betreff der gemischte» Ehen gethan, wodurch er dem Erlaß der Regierung in derselben Sache geradezu entgegen gesetzt ist — immer höher zu spannen. Wenn sie nur nicht platzen! Die Furcht vor Rom ist nachgerade in Deutschland nicht mehr groß. In diesem allerdings für unsere Zeit höchst merkwürdigen Erlaß ist es hauptsächlich auf den katholischen Ehetheil abgesehen, und die Geistlichen, denen eine strenge Nachachtung zur Pflicht gemacht ist, sind bei Collissionsfällen mit der weltlichen Obrigkeit angewiesen, zu erklären, daß der Bischof alle Verantwortlichkeit auf sich nehme. Allerdings ein starkes Stück. Was wird der Großherzog von Baden zu dieser Anmaßung sagen? — An die deutsche Bundesversammlung kann er sich deshalb vorläufig nicht wenden, denn die hat ihre Ferien angetre ten , die erst mit de» 8. Januar zu Ende gehen. — Das Deutfchkatholischthu» greift in Würtemberg, obschon auch dort ihnen der Gebrauch einer Kirche vom Ministerium untersagt worden ist, immer weiter um sich und durch daS