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ZchöMiiM TanMii und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonntag, den 23. Juli 1832 163 Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. ^Waldenburg, 22. Juli 1882. Deutschlands Interesse in der egyptischen Frage. Die deutsche Regierung hat sich bis jetzt in der egyptischen Frage völlig auf den Standpunkt ruhigen Zuwartens und absoluter Neutralität gestellt und sich sogar jedes Urtheils über das eigenmächtige Vorgehen der Engländer enthalten. Es handelt sich für sie eben in erster Linie darum, daß ihre guten Beziehungen zu den Mächten nicht alterirt und der Friede Europas nicht gestört werde. Das bedeutende wirthschaftliche Interesse, welches Deutschland an einer günstigen Entwicklung der egyptischen Verhält nisse hat, scheint bis jetzt in den maßgebenden Krei sen noch nicht die hierfür wünschenswerthe Beachtung gefunden zu haben. Der directe Verkehr des deutschen Reiches mit dem Nillande war bisher ein sehr geringer. Unsere Haupt-Einfuhrartikel waren im Jahre 1880: Eisen draht 123,000 Ko., wollene Tuche und Zeugwaaren 92,000 Ko., Thonwaaren 82,500 Ko., Porzellan- waaren 19,900 Ko., Glaswaaren 16,000 Ko., baumwollene Strumpfwaaren 13,100 Ko. Daß sich unser Import unter günstigeren Verhältnissen, als die seitherigen waren, außerordentlich steigern ließe, erhellt aus den bedeutenden Ziffern, auf welche sich die Einfuhr der Engländer und Franzosen beläuft. Die ersteren importirten jährlich für c. 350, die letzteren für o. 111 Millionen Piaster. Im Interesse unserer Industrie wäre es daher ganz besonders wünschenswerth, wenn von der deut schen Regierung der bedeutende Einfluß, den sie gegenwärtig in der Türkei besitzt, auch zu Gunsten der weiteren Ausbreitung unseres Handels in der Levante und hauptsächlich in Egypten benutzt würde. Die Zeitverhültnisse sind dazu die denkbar günstigsten. Der überwiegende Einfluß der beiden Westmächte ist gebrochen, zum mindesten wird er wohl kaum mehr seine seitherige Höhe erreichen: die Lö sung der egyptischen Wirren durch Eingreifen der Türkei scheint auch vom politischen Gesichtspunkte aus geboten. Und mit der Mehrung der türkischen Macht in Egypten müßte sich eine Steigerung des deutschen Einflusses und des deutschen Verkehrs mit dem Nillande leicht verbinden lassen. Ueber die Culturverhältnisse des Landes und den Verkehr durch den Suezkanal dürfte noch Folgendes von Interesse sein: Die Gesammtheit des cultivirten Landes in Egyp- ten das heißt im eigentlichen Egypten, also bis Assuan aufwärts gerechnet, wird auf nur 630 geschätzt, wovon noch etwa drei Sie- . " liegen sollen — während der Flächen- mhalt des ganzen Landes gegen 5500 bis 6000 Ouadratmeilen beträgt, so daß also ungefähr neun Zehntel Wüste und nur ein Zehntel für den Acker bau geeignetes Land sind. Die Bevölkerungszahlbetrug 1878: 5,5 Millionen; darunter waren 68,000 Fremde, wovon 44,000 männlichen, 24,000 weiblichen Geschlechtes. Von den Fremden waren fast 30,000 Griechen, 14,500 Italiener und fast ebensoviele Franzosen, 3800 Engländer, 2480 Oesterreicher und Ungarn, 1000 Spanier, gegen 900 Deutsche. Von den größeren Städten zählte damals Kairo 327,400, Alexandrien 167,500, Damiette 32,700, Rosette 16,200, Port Said 3800 Einwohner. Nach den Mittheilungen des egyptischen statisti schen Bureaus ist zu entnehmen, daß den Suez- Canal 1880 im Ganzen 2017 Schiffe mit 4,378,964 Tons passirten. Die Bemannung dieser Fahrzeuge belief sich auf 128,453 Köpfe, die Anzahl der Rei senden betrug 53,517. Der Nationalität nach ge ¬ hörten von den Schiffen England 1579, Frankreich 103, Oesterreich-Ungarn 60, Italien 52, Deutschland 38, Spanien 35, Rußland 22, Egypten 14 und der Türkei 11 an. Obwohl die Frequenz eine stärkere war als jene der Vorjahre, so ist doch bis jetzt die von Lesseps ursprünglich angenommene Jahrestransitziffer von 6 Millionen Tonnen nicht erreicht worden. Die Ursachen hierfür liegen zum Theil in der Höhe des Canalgeldes und der für manche Schiffe schwierigen Passage im Rothen Meere, zum Theile in der Ablenkung des Waaren- zuges von New-Park nach Ostindien durch die Pacific- Bahn nach dem Stillen Ocean. *Waldenburg, 22. Juli 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der „Reichsanz." veröffentlicht den Endabschluß der Reichshauptkasse für das Etatsjahr 1881—82. Im Ganzen wurden 25,902,517 Mk. Mehrein nahmen erzielt, denen 825,402 Mk. Mehrausgaben gegenüberstehen, so daß sich 25,077,114 Mk. Ueber- schuß ergeben. Darin sind allerdings 9,065,000 Mk. einmaliger Mehrertrag von der Rübenzuckersteuer infolge der Verlängerung der Fristen für die Zahlung der Exportvergütungen enthalten. Wird derselbe abgezogen, so bleibt ein Ueberschuß gegen den Voran schlag von ca. 16 Millionen Mark. Branntwein-, Brau- und Wechselsteuer haben mehr eingebracht als veranschlagt war, während Zölle und Tabak steuer einen Minderertrag von ca. 4'/« Millionen ergaben. Bei der Reichspost- und Telegraphenver waltung ergab sich ein Ueberschuß von ca. 5'/-, die Reichseisenbahnverwaltung einen solchen von ca. 5^/4 d Millionen rc. Mehrausgaben erforderten die Militär- Verwaltung, das Reichsamt des Innern (die Be kämpfung der Rinderpest und der Berufsstatistik) und das Reichsschatzamt (verstärkte Silberausprägung). Zur Affaire Meiling erfährt die „Kreuzzeitung", daß der in die Angelegenheit verwickelte, angeblich russische Student, Namens Riwlin, welcher sich kurz nach seiner Verhaftung im Gefängniß tödtete, weder Nihilist noch Student war; er gab sich für einen Ingenieur aus und wollte, obschon er schlecht Deutsch sprach, nicht als Russe gelten. In der Eigenschaft als Ingenieur wußte er sich auch in die preußische Admiralität einzuführen, indem er vorgab, eine wichtige Erfindung im Torpedowesen gemacht zu haben, die er der deutschen Regierung zum Kaufe anbot. Die von Meiling verrathenen Ding; sollen sich auf die Lage von Seeminen, auf Tiefenmessun gen für Stellen, die sich zur Landung eignen, und auch auf wichtige, nicht allgemein zugängliche Sig nale beziehen. Riwlin war offenbar nur eine vor geschobene Persönlichkeit, namentlich sah er nicht aus wie Jemand, dem man viel Geld anvertraut. Das Urtheil über Meiling soll übrigens vom Kriegs gericht bereits gefällt und dem Kaiser zur Bestäti gung unterbreitet worden sein. Ein Vergleich der Verkehrsmittel der beiden Kaiserstädte Berlin und Wien fällt sehr zu Un gunsten der letzteren aus. Während in Berlin zum Beispiel 101 Postämter bestehen und gewöhnliche Briefe innerhalb 1'/r bis 2 Stunden dem Adressa ten zugestellt werden, bestehen in Wien ausschließlich der Bahnhöfe und Vororte nur 38 Postämter und gelangen Stadtbriefe mitunter erst am andern Tag an ihre Adresse. In Berlin, welches annähernd denselben Flächenraum bedeckt wie Wien, erreicht die Pferdebahn eine Länge von 139 Kilometer und in Wien von nicht ganz 46 Kilometer. Der billigste Fahrpreis beträgt in Berlin 10 Pf. --- 5 Kreuzer, in Wien dagegen 12 Kreuzer, bezw. im Abonnement 10 Kreuzer. Berlin besitzt nicht nur eine Ringbahn um die Stadt herum, sondern jetzt auch eine Stadt bahn, auf welcher Sonntags an 400 Züge verkehren und werden Arbeiterbillets, deren Preis sich noch niedriger als der der Billets vierter Wagenklaffe stellt, ausgegeben; in Wien existirt nichts derartiges, und können noch Jahre vergehen, ehe sich auch Wien eines derartigen Verkehrsmittels erfreuen kann. Der „Frkf. Ztg." gegenüber constatirt die „N. A. Ztg." in einer officiösen Mittheilung, daß die Be soldungen der Reichpost- und Telegraphenbeamten höher seien, als die in Bayern und Würtemberg. Oesterreich. Auf den Kohlenwerken der Dux - Bodenbacher Bahn soll nächstens eine Erhöhung der Löhne und eine Verkürzung der Arbeitszeit eintreten. Ungarn. Der am 20. d. erschienene officielle Saaten standsbericht constatirt aufs Neue, daß die Wei zenernte eine vorzügliche ist und daß der Roggen eine gute Mittelernte erzielt. Frankreich. Ueber die Mutter Gambetta's, welche den Folgen des vor einiger Zeit erlittenen Schlagan falls erlegen ist, wird geschrieben, daß sie die Toch ter des Apothekers Maffabie in Cahors ist und den Vornamen Orosie führte. Zusammen mit ihrer Schwester hat sie auf den Entwicklungsgang Gam betta's in dessen ersten Stadien keinen zu unter schätzenden Einfluß ausgeübt. Sie hatte es gegen den Wunsch des Gatten durchzusetzen gewußt, daß der Sohn des Krämers von Cahors eine gelehrte Bildung erhielt. In den letzten Jahren hatte sie mit ihrem Gatten eine kleine Villa m Nizza bewohnt, - die ihr der reich gewordene Sohn zum Geschenk gemacht hatte. In dem hohen Alter von fünfund siebzig Jahren stehend, war sie nach Paris gekom men, um dem Nationalfest beizuwohnen. Sie sollte ihren Sohn zum letzten Malesehen. Man erinnert sich, daß Gambetta seine vielbesprochene Reise durch Deutschland unter dem Namen seiner Mutter ge macht hatte. England. „Daily News" vernehmen, daß die britische Re gierung die Erklärung der Pforte, daß sie jetzt bereit sei, an der Conferenz theilzunehmen, als Ablehnung der von der Conferenz an dieselbe gerichteten Einladung, Truppen nach Egypten zu senden, ansehe. Deshalb werde englischerseits ohne Verzug ein Expeditionscorps nach Egypten gesandt werden, mit der Aufgabe, die Autorität des Khedive herzustellen und die internationalen Rechte zu schützen. Im englischen Unterhause theilt der Premier Gladstone ein eingelaufenes Telegramm mit, welches einen Auszug aus Arabi Paschas Proclamation enthält, worin gesagt wird, daß der Khedive mit den Engländern im Bunde stehe, die Nächte an Bord der britischen Schiffe zubringe und am Tage beim Tödten der egyptischen Truppen und der un bewaffneten Egypter in Alexandrien helfe. Arabi fährt dann fort, er werde das gejammte Land unter dem Kriegsgesetze halten, wie bisher, nur seinen Befehlen sei zu gehorchen, die militärischen Vorbe reitungen würden activ fortgesetzt, jeden Ungehorsam gegen seine Befehle werde er summarisch bestrafen. In Irland setzt die Mondscheinbande allent halben ihr Treiben fort. Auf der Waterford- und Limerick - Eisenbahn wurde ein unbeaufsichtigter Waggon, welcher Gewehre und Munition für die Garnison von Waterford enthielt, erbrochen und gänzlich geplündert. Die Polizei hat weder das gestohlene Gut noch die Diebe entdeckt. Im Juni wurden 283 Agrarverbrechen verübt, worunter vier . Morde.