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Feierabend. Dtkrh«tt»s»-Krill»ße der „Sachs. Bslkszeitung". 48. Sonntag, den 26. November 1S0S. Doppett preisgekrönt. Eine Künstlergeschichte von Philip» von Wormbrunn. » Korts^tzimq. Aiachdorck Vorbote.) Unmittelbar frug die Contessa ihre Tochter: ..Was urteilst dn über die Person des Marchese?" Beatrice sab erstaunt ihre Mutter an. ..Er ist ein freundlicher Gesellsckxifter, sonst scheint sein Charakter keine bemerkenswerten Eigenschaften zu besitzen. Leichtlebigkeit und Spielwut ..rühmt" man ihm nach, wie auch ein Ver- hältnis mit der Cenci." „Welcher Kavalier bat nicht derartige Passionen?" er- widerte die Contessa etwas ernst geworden. „Du bist daher ungerecht, wer vor deinem Richterstuhl bestehen soll, müßte ein vollkomener Heiliger sein." „Nein, nur den Charakter echter Männlichkeit besitzen." „Pedantische Kleinigkeiten rauben dir das richtige Ur teil. Der Marchese Moncaliere ist ein vollendeter Mann, voll Liebenswürdigkeit und Cl)arakter und besitzt meine vollste Achtung." Die Contessa machte eine Pause. „Eben bat er mich verlassen, und es wurde zwischen uns eine wichtige Angelegenheit geordnet. Ich weiß, daß du meiner Entscl»eidung deine vollkommene Zustimmung er- teilen wirst, und damit zufrieden bist. Tu hast gewiß schon erraten, um was es sich bandelt?" „Nein, liebe Mutter." antwortete Beatrice etwas be troffen. „Tie feierliche Einleitung läßt eine Sache von Wichtigkeit vermuten." „Sie ist sebr wichtig für dich," fuhr die Contessa fort: als liebende Mutter babe ich dein Bestes beschlossen. Der Marchem interessiert sich schon seit langer Zeit für dich; mir war dies nicht verborgen, dir vielleicht auch nicht. Was ich vorausgesetzt, traf ein: Er bat mich beute um deine Hand." ..Hast du ibn abgewiesen?" fragte Beatrice hastig, „wie alle meine übrigen Verehrer?" „Ich babe." erwiderte die Mutter, „ganz zu deinem Besten gebandelt, mein Kind. Ich sagte ibm detne Hand zu. Längst bemerkte ich ja, daß auch du gern mit ihm konversierst und dich in seiner Näbe wobl fühltest. Seit er unser Haus freund geworden, bist du mebr in dich gekehrt, ganz das An zeichen, daß du verliebt bist." setzte üe lächelnd hinzu. „Nun. habe ich es erraten?" Beatrice starrte betroffen ihre Mutter an. Sie fand keine Worte zur Erwiderung. Allmählich stieg das Gefühl der Entrüstung in ihr auf; wie eine Sklavin wurde sie ver handelt. Tränen füllten ihre Augen — sie fing heftig zu schluchzen an. Tie Contessa stand vor ihr kalt und ruhig, gleichsam verwundert, daß ihr Vorgehen zum Wähle ihres Kindes nickt verstanden werde. „Nun." sagte sie halb beleidigt, bald spöttisch, „wirst du mich bald einer Antwort würdigen?" ..Hast du dem Marchese schon förmlich meine Hand zu- gesagt?" fragte Beatrice mit tränenerstickter Stimme, in- dem sie sich vom Sofa erhob. „Ja, förmlich." gab die Contessa zur Antwort. „Es ist also abgemacht; ich werde noch heute unsere Bekannt«: von deiner Verlobung verständigen." Mt diesen Worten wandte sie sich um, und ohne eine weitere Antwort abzulvarten, rauschte sie stolz zur Türe hinaus. Beatrice fiel vernichtet auf das Sofa zurück und starrte ihr, gleich einem bösen Traume, nach. Unerbittlich bestand die Gräfin auf ihrem Willen. Alle Vorstellungen Beatrices konnten nicht das Geringste an ihrem Entschlüsse ändern. Die Verlobungsanzeigen er regten große Sensation in den höheren Kreisen. Wie viele Mütter hatten selbst darauf gezählt, den Marchese Monca- lieri ihren Schwiegersohn nennen zu können. Daß die be treffenden Kandidatinnen der Contessina spinnefeind wur den und ihre Koketterie und alle den Damen zu Gebote stehenden Künste, um einen Mann in ihren Netzen zu fan gen. vortvarfen, war natürlich. Wie gern wäre die unglück liche Braut zurückgetreten, wie oft hätte sie offen und laut aufweinen mögen, wenn man sie mündlich oder schriftlich be glückwünschte! Ter angeborene Adelsstolz ihrer Familie ließ sie beiter erscheinen, und die Welt hatte keine Ahnung von der Gewalt, womit sie ihren Schmerz niederkämpfte. Niedergebeugt durch ihren schweren Herzenskummer, suchte Beatrice so viel als möglich die Einsamkeit auf, um ihren trüben Gedanken nachhängen zu können. Alma war die einzige Vertraute ihres Kummers. Die Besuche des Marchese empfing sie mit kühler Zu- rücklxiltung. Als er sie selbst um ihre Hand gebeten hatte, gestand sie ibm offen, daß sie ihn nicht lieben könne und ein zig und allein den Wunsch ihrer Mutter erfülle. Dies ver nahm er freilich höchst ungern. Er hätte sich glücklich ge schätzt. außer der reichen Mitgift auch noch das Herz des Mädchens in Besitz zu nehmen. Sie ließ ihn kalt, trotz ihrer Schönheit; er wollte sie ja auch nicht lieben, nur von ihr geliebt werden. Er scheute keine Mibe, um dies Ziel zu er- reichen. Doch das hatte einen gegenteiligen Erfolg: die Contessina wurde noch verschlossener. Schließlich ergab er sich blasiert in sein Schicksal. Durch ihre Geringschätzung batte sie ihn zur freiwilligen Verzicbtleistung auf ihre Hand bewegen wollen. Natürlich waren ihr die täglichen Besuche des Marchese zur Qual ge worden. und sie dachte mit Schaudern an den festgesetzten Hochzeitstag im Oktober. Vielleicht hätte sie sich noch leichter in ihr Schicksal er- geben, wenn in ihrem Herzen nicht mit jedem Tag das Bild Herberts deutlicher in den Vordergrund getreten wäre. War es anfangs nur ein dunkles Gefühl, welches mehr seinem marmornen Bilde galt, so klärte sich dasselbe allmählich, und sie wagte es sich kaum zu gestehen, daß sie Herbert eine innige Zuneigung entgegenbringe. Oft und oft ver- glich sie den Deutschen mit jenem Marchese, und stets fiel der Vergleich zum Nachteil des letzteren aus — sie haßte ihn beinahe. S. Der Monat September batte bereits begonnen, als Beatrice in ihr Landhaus nach Tivoli übersiedelte. Nur mit Mübe hatte die Contessa die Bewilligung dazu gegeben; sie selbst war in Rom zurückgeblieben, um die nötigen Vorkeh rungen zur Hochzeit zu treffen. Der Marchese fuhr nur