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Dienstag. «r. 15. 20. /ebruar 18««. ^scheint Wcikcril j-Acitnng. M Amts- äs- Anzeige-Klatt der Königlichen Gerichts-Aemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde, /ravenflcin vnd Altenberg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Tagesgeschichte. -j- Bon der Grenze. Wie abergläubisch leider noch ein großer Theil Einwohner hiesiger Gegend ist, davon lieferte die vorige Woche einen neuen Beweis. Als sich nämlich das Gerücht verbreitete, in Böhmisch-Zinn- wald sei eine „berühmte Kartenschlägerin" auf einige Tage anwesend, so entstand ein förmliches Wallfahrten dahin. An jedem Tage war eine solche Menge Aber gläubischer bei dieser berühmten Wahrsagerin versam melt, daß Viele, welche Vormittags bereits angekommen waren, nach vieler Mühe das Glück hatten, Abends erst vorzukommen. Bereits früh 7 Uhr soll die Stube jeden Tag schon gefüllt gewesen sein. Unter dieser Menge, die sich betrügen lassen wollte, waren sogar, was um so mehr Wunder nehmen muß, eine Anzahl Solcher, die sich sonst zu den „Gebildeten" rechnen lassen. Man muß sich wirklich wundern, wie die Leute in unserer Zeit noch so thöricht handeln und ihr Vertrauen auf solch eitles Geschwätz setzen können! In den Augen der Verständigeren ist ihr „Glaube" doch nur Thorheit. Aber weil von zehn Prophezeiungen zufällig eine ein trifft, so baut die thörichte Menge fest auf die Aus sagen solcher „berühmter Weiber," nicht bedenkend, daß sie sich dadurch nur unnütze Sorge und Angst bereitet und ihr Leben erschwert. Nur Mangel an Gottver trauen kann die Menschen auf solche Irrwege bringen, denn wer sich fest auf Gott verläßt, wird seine Zuflucht nicht zu Kartenschlägern und Zigeunern zu nehmen nöthig haben. Gott hat in seiner Weisheit uns die Zukunft verhüllt, um uns das Leben, was ohnehin schon mit Angst und Sorge genugsam gesegnet ist, nicht noch mehr zu verbittern. Wenn aber Gott uns wirklich die Zukunft enthüllen wollte, würde er nicht Zauberweiber und andere Betrüger zu seinen Werk zeugen gebrauchen. Einsender dieses weiß im Voraus, daß er nur Hohn und Spott ernten würde von Seiten genannter „Wallfahrer," wenn sein Name ihnen bekannt würde; aber um der guten Sache willen, die doch endlich siegen wird, konnte er nicht schweigen. In einem zweiten Briefe (aus Altenberg) schreibt man uns über diese Gaunerei: * „ . . . Der Gasthof „zum Bergmannsgruß" ist noch nie so besucht gewesen, als in letzter Woche. Die Zigeunerin, eine junge hübsche Frau, treibt ihre Wahrsager- oder besser gesagt Lügenkünste dort und will verblendeten Leuten die Zukunft enthüllen, d. h. „Sand in die Augen streuen." Anfänglich ließ sie sich nur einige Kreuzer für ihre Orakelsprüche zahlen, allein die Taxen steigen von Stunde zu Stunde, da sich die Leute, um Eintritt zur Seherin zu erlangen, im Ein trittspreis überbieten. Man sollte nicht glauben, daß so etwas 1866 unter gebildeten Völkern vorkommen könne; man nimmt die Worte für baare Münze und Wahrheit, wenn sie auch von der „Wahrsagerin," wie es am Sonnabend der Fall gewesen , in etwas „ange rissenem" Zustande gesprochen wurden." Von dritter Seite erhalten wir über den Schwin del noch folgende Curiosa. „Ein alter Mann mit grauem Haar hatte von früh bis Abends gesessen, ohne expedirt zu werden; diesen erblickend, hat die Wahr sagerin jedesmal geäußert: „Der Graukopf kann noch lange sitzen — ich habe ihm nichts zu sagen!" Ein altes Mütterchen hatte auch den morastigen Weg nicht gescheut, um zu erfahren, wie lang ihr Lebensziel wohl noch gesteckt sei. Ermüdet dort angekommen, ist sie eingeschlafen und spät Abends geweckt worden, als die Wahrsagerin das Zimmer verlassen hatte. Einen Mann hat sie mit den Worten abgewiesen: „Mit Dir altem Sündenbock mag ich nichts zu thun haben." Eine mit Equipage aus der Teplitzer Gegend angekommene Fa milie mußte auch unverrichteter Sache wieder abziehen, und halfen weder gute Worte, noch glänzende Ver sprechungen." " Altenberg. Verklungen zwar sind die lockenden Töne der Musik«, verschwunden die sonderbaren Ge stalten, welche uns am vorletzten Sonntage bis zum Anbruch des andern Morgens fesselten, — aber Eins ist uns geblieben: die Erinnerung an dieses herrliche Fest, welches auch nicht durch den geringsten Mißton gestört wurde. Nur Freude und Verwunderung bekun deten alle Theilnehmer. War schon die herrliche De koration des Saales geeignet, die Festfreude zu erhöhen, so geschah dies in noch höherem Grade durch die Man nigfaltigkeit der Masken, die in buntem Gewühle durch einander wogten. Wer wollte alle die verschiedenen Maskenanzüge nennen? Ein Jeder hatte nach Kräften das Seine zur Erhöhung der Festfreude beigetragen. Auch erfreute der hiesige Gesangverein die Theilnehmer durch eine gelungene Darstellung des „Wilhelm Tell" in verschiedenen Bildern. Den Schluß der Maskerade gegen V»11 Uhr bildete ein vom Gesangverein vorgef tragenes scherzhaftes Lied: „Der Wunderdoctor." Nach dem der durch die Demaskirung entstandene Jubel uni) die Ausrufe der Verwunderung etwas nachgelassen hatten, begann der bis nach 4 Uhr währende Reigen, welcher besonders dem Zuschauer mancherlei Abwechse lung bot. Möge der hiesige Gesangverein für seine gehabten Mühen seinen Lohn auch in dem Bewußtsein finden, uns einmal einen seltenen Genuß geboten zu haben. Ein „Glück aus" dem Gesangverein!