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MsdrufferTageblatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Das „WUSdrufser Tageblatt' erscheint werktags nachm. 4 Uhr. Bezugspr. monall 2RM. frei Haus, bei Postbestelluna l.so RM. zuzügl. Bestellgeld Einzelnummer III Rps Alle Postanstaltcn, Postboten, unsere Austräger u Geschästsstclle nehmen zu jeder Zeit Be- .. st-llung-n entgegen. 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Jahrgang Drahtanschrift: „Tageblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 18. Februar 1936 Europas Heere und ihre Aufrüstung. Von Major a. D. von Keiser. Fast alle Staaten Europas haben heute ein stehen des Heer mit allgemeiner Wehrpflicht, Rußland und Italien daneben ein Milizheer. Eine Ausnahme macht von den größeren Staaten nur England, das ein stehen des Freiwilligenheer und daneben eine freiwillige Miliz besitzt. Von kleineren Staaten haben Österreich, Ungarn und Bulgarien gemäß den Friedensvcrträgen nur ein kleines stehendes Freiwilligenheer, die Schweiz als ein ziger Staat ein reines Milizheer auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht, und Schweden und Norivegen sogenannte „Rahmenheere", ein Mittelding zwischen stehenden Heeren und Milizen. Stehende Heere mit allgemeiner Wehrpflicht haben den großen Vorteil, daß die Truppenteile schon in Friedenszeiten in beträchtlicher Stärke vorhanden sind, und daß alle Wehrpflichtigen in ihnen eine längere Dienstzeit durchmachen und eine gründliche kriegsmäßige Ausbildung erhalten, so daß im Kriegsfall nach kürzester Mobilmachungszeit schlagfertige Millionenheere zur Ver teidigung des Vaterlandes bereitstehen. Die Länge der aktiven Dienstzeit beträgt in Deutschland nur ein Jahr, in Frankreich und in der Tschechoslowakei ist sie 1935 auf zwei Jahre erhöht worden, in Rußland dauert sie sogar fünf Jahre. Die stehenden Freiwilligenheere, auch Berufsheere genannt, bestehen ebenfalls aus dauernd vorhandenen Truppenteilen, sind aber ihrer weit höheren Kosten wegen immer nur verhältnismäßig klein. Ihre lange Dienstzeit verbürgt zwar eine vortreffliche mili tärische Ausbildung, verhindert aber das Ansammeln starker Reserven: die große Masse des Volkes bleibt un ausgebildet, und seine Wehrkraft kann daher bei Aus bruch eines Krieges nur zum kleinen Teil ausgenutzt werden. Im reinen Milizsystem dagegen gibt es über haupt keine stehenden Truppenteile, sondern nur einen ganz kleinen Stamm von Jnstruktionsoffizieren und -Unteroffizieren (in der Schweiz 200), Von den fremden Heeren ist das sowjet russische zahlenmäßig am stärksten und in weiterer sehr starker Vermehrung begriffen. Die Friedensstärke des stehenden Heeres ist von Anfang 1934 bis heute von 562 000 auf 1 300 000, alfo auf mehr als das Doppelte, erhöht worden. Zusammen mit den milizmäßig aus gebildeten Mannschaften, den fogenannten Territorial truppen, beträgt die Gesamtstärke des Heeres 1 500 000 Mann, im Kriege etwa 9 200 000 Mann (!). Es folgt das französische Heer mit einer Friedensstärke von 643 000 und einer Kriegsstärke von etwa 5 600 000 Mann, wovon mindestens 1 Million Farbige sind. Auch die französische Kriegsstärke nimmt jährlich infolge der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht auch für die farbsige Kolonialbevölkerung um mindestens 100 000 Mann zu. Frankreichs nördlicher Nachbar Belgien ver fügt über ein Heer von rund 600 000 Mann Kriegsstärke. Italiens stehendes Heer hat zusammen mit der faschistischen Nationalmiliz etwa eine Stärke von 420 000 Mann. Dazu kommt aber seit dem Jahre 1934 noch eine große Anzahl von kurzfristig Ausgebilde ten, die weder dem stehenden Heere, noch der National miliz angehören, und mit denen nunmehr die restlose Erfassung sämtlicher Wehrpflichtigen durchgeführt ist. Nach Mussolinis öffentlicher Erklärung soll nach ein jährigem Bestehen dieses neuen Wehrgesetzes die Zahl der ausgebildeten Mannschaften, also die Kriegsstärke, die bisher auf 5 Millionen beziffert wurde, 8 Millionen Mann betragen. — Die Gesamtfriedensstärke des eng lischen Heeres (Berufsheer und Miliz) beträgt rund 450 000, im Kriege 2 Millionen Mann. — Das polnische Heer ist im Frieden säst 300000 Mann, im Kriege über 3 Millionen, das tschechische im Frieden rund 200 000, im Kriege 1 400 000 Mann stark. Allein Frankreich und seine nächsten Bundesgenossen, Rußland, Tschechoslowakei und Belgien, können also Kriegsheere von rund 17 Millionen Mann aufstellen. In der Bewafsnung mit schweren Angriffs waffen marschiert das französische Heer an der Spitze. Mit mindestens 4500 Kampfwagen, von denen im ver gangenen Jahre eine Anzahl besonders stark gepanzerter und bewaffneter Wagen neu aufgestellt wurde, ist es in dieser gefährlichsten Waffe so stark wie Rußland, Eng land und Italien zusammengenommen. Auch an schweren Geschützen, von denen es rund 1200 — außer Festungs geschützen — besitzt, ist es etwa so stark wie Rußland und England zusammen. Die in starker Aufrüstung begriffene Luftflotte besitzt etwa 2300 Flugzeuge im aktiven Dienst, im Kriegsfall rund 6000. Auch das sowjetrussische Heer ist in seiner Bewaff nung unbedingt auf den Angriff eingestellt. Von 1935 bis 1936 hat es seine Kampfwagen von etwa 3000 auf rund 3800, seine Flugzeuge von mindestens 4300 auf mindestens 5300 Stück erhöht. An schwerer Artillerie besitzt es 900 Geschütze, auch die Motorisierung wird mit Hochdruck weitergeführt. An dritter Stelle steht in der Bewaff nung mit Kampfwagen und Flugzeugen das englische Linksruck bei den Parlamentswahlen Alarmzustand über Spanien Kommunistisch-marxistische Ausschreitungen befürchtet In Spanien haben am Sonntag Wahlen zum spanischen Parlament, den Cortes (Land- ständen), stattgefundcn, die ein erhebliches Anwachsen der Stimmen der Linksparteien gebracht haben. Allerdings haben die Parteien der Rechten einschließlich der die gegenwärtige Regierung Portcla Balladcres stützen den Mittel gruppe 231 Sitze im Landtag er langt. DieLinkskoalition erhielt 207 Sitze. 33 Sitze standen bei dieser Zählung noch aus. Besonders stark war der Stimmenzuwachs der Linken in Madrid, wo der frühere Minister präsident Azana mit der Höchstziffer von 216 648 Stim men und der Kommunistenführer Jo sä Diaz mit 214 049 Stimmen gewählt wurden. Der bedeutendste Politiker der Rechten, der Führer der Katholischen Volks aktion, G i l R o b l e s, ist durchgefallen. Der spanische Ministerrat hat nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses beschlossen, über ganz Spanien den Alarmzustand zu verhängen, da kommunistisch- marxistische Ausschreitungen befürchtet werden. Der Ministerpräsident wurde ermächtigt, den Kriegs zustand in denjenigen Provinzen zu erklären, wo diese Maßnahme notwendig erscheint. Die Familie des Staatspräsidenten hat ihre Privatwohnung verlassen und ist in den Nationalpalast übergcsiedelt, um Belästigungen aus dem Wege zu gehen. Der Ministerpräsident erklärte, daß der Volkswille unbedingt respektiert würde. Ebenso aber würde er die Ordnung im Lande mitallen Mitteln aufrechterhalten. In den Vorstädten Madrids kam es bereits zu Schießereien, wobei ein Toter und mehrere Ver wundete am Platze blieben. * Die Wahlen zu den spanischen Cortes waren durch das Drängen der spanischen Linken herbei geführt worden. Spanien kommt innerpolitisch in der nun seit vier Jahren bestehenden Republik noch weniger zur Ruhe als in der früheren Monarchie. Die spanische Nation ist geistig und politisch gespalten, und die äußerste kommunistisch-syndikalistische Linke wie der äußerste monarchistische Flügel der RechtLn stehen sich seit Jahren im erbitterten Kampfe gegenüber, ohne daß durch die Parteien der Mitte ein staatspolitischer Ausgleich zu erfolgen vermag. Als nach dem Volksaufstand gegen die Gewaltherr schaft des Korsen Napoleon 1812 die Cortes in Cadiz unter der Herrschaft der Liberalen zusammen getreten war, erhielt Spanien seine erste liberale Ver fassung. Sie konnte sich unter dem Königtum nicht halten, und so kämpfen heute wie damals die liberal-demokrati schen und die klerikal-monarchistischen Ideen in Spanien um die Vormachtstellung und auch um die Entscheidung in der Frage der Staatsform, die für Zeiten nur als zurück gestellt werden kann. Undurchsichtig ist die Haltung der starken „Katholischen Volksaktion" unter der Führung von Gil Robles, die noch Ende des vorigen Jahres als stärkste Partei Spaniens Entscheidungen hätte herbei führen können. Die ParteienderMitte sind uneinig, was deutlich aus dem Gegensatz zwischen dem Sozialisten führer Azana und dem Bürgerlichen Lerroux sicht bar geworden ist. Uber den Parteien aber steht der Staatspräsident Zamorra, dem eine Regierung partei loser Staatsmänner zur Seite steht. Er hoffe, nach den Wahlen mit einer Regierung der Mitte — er hat eine Heer mit je 600 bzw. 3000 Stück (einschl. Neserveflug- zeugen), an vierter Italien mit 320 bzw. 1530 Stück (einfchl. Neserveflugzeugen). Dafür besitzt Italien 800, England nur 500 schwere Geschütze. Bis zum 31. März 1937 sollen die englischen Luftstreitkräfte in der Heimat 1500 Flugzeuge im aktiven Dienst umfassen, d. h. gegen das Jahr 1935 beinahe verdreifacht werden. Auch die Motorisierung macht in England, besonders bei der Kavallerie und bei der Artillerie, sehr schnelle Fortschritte. Als letztes Heer sei das tschechoslowakische erwähnt, das seit dem „Beistandspakt" mit Sowjetrußland im Zeichen stärkster Aufrüstung steht. Seine Luftflotte ist im ver gangenen Jahre von 1000 auf 1300 Flugzeuge, die Kampfwagenwaffe von 100 auf 200 Wagen gestiegen. Geradezu ungeheuerlich ist diese Aufrüstung in den Staaten Europas, von denen Deutschland am meisten bedroht wird. Daß man aber draußen vielfach den trau rigen Mut besitzt, das deutsche Volk, das endlich, nach langen Jahren völliger Ohnmacht, auch für sich die not wendigen Verteidigungsmaßnahmen trifft, verantwortlich für dieses Wettrüsten zu machen, ist eine Ungeheuerlich keit, die in ihrer Art vereinzelt dasteht. Regierungsbeteiligung der Mitte bisher stets abgelehnt — die Geschicke Spaniens erfolgreich in die Hand nehmen zu können. Wenn nun die Wahlen eine Stärkungder Linken brachten, so sind damit die Hoffnungen des Präsidenten Zamorra ziemlich hinfällig geworden. Kriegszustand über mehreren Orten. Noch im Laufe des Montagabend hat der spanische Ministerpräsident über die Städte Huesca und Cadiz sowie über einige weitere Orte den Kriegszustand verhängt, da alarmierende Nachrichten aus mehreren Pro vinzen in Madrid einliefen. In Madrid durchzogen weiter große Demon- st r a t i o n s z ü g e der Linken die Straßen und forderten die Amnestie der politischen Gefangenen. Insbesondere richteten sich die Kundgebungen gegen das Staätsgefäng- nis in Madrid. Als die Menge unter dem Ruf „Amnestie!" das Ge fängnis zu stürmen versuchte, gab die Wache Feuer, wobei ein Knabe getötet und 17 weitere Personen verwundet wurden. Auch vor dem Innenministerium versammel ten sich Tausende, um die Freilassung der Gefangenen und den Rücktritt her Regierung zu fordern. „Heil- Moskau"-Rufe unterstrichen den Charakter dieser Zusammenrottungen. Der Alarmzustand ist zunächst auf acht Tage begrenzt. 150 000 Mann Militär und Polizei stehen inr Falle ernster Unruhen zu sofortigem Eingreifen bereit. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung fahren ständig Panzerwagen durch die Stadl. Absolute Mehrheit der Linken? Die weiter in Madrid eintreffenden Wahlresultate lassen darauf schließen, daß die Vereinigte Linke (Linksrepublikaner, Sozialdemokratie, Kommunisten und die Syndikalistische Partei) doch noch die absolute Mehrheit für das kommende Parlament erreichen wird. Gefangenenmeuterei in Spanien. Aus Cartagena wird gemeldet, daß politische Gefangene, die seit dem katalanischen Aufstand im Oktober 1934 in. Haft gewesen seien, gemeutert hätten. Ein Wächter sei von ihnen getötet, zwei gefesselt worden; darauf hätten die Gefangenen ihre Strohmatratzen in Brand gesteckt. Das Gefängnis sei von Truppen umstellt, Maschinen gewehre seien auf den Hofmauern in Stellung gehracht worden. Die Behörden seien der Ansicht, daß sie Herren der Lage sind. Die Kommune beherrscht Paris. Die Internationale hallt durch die Straßen. — Heftige Angriffe der französischen Rechten gegen die Regierung Flandin. Der Aufmarsch der vereinigten Mar xisten Frankreichs in Paris, der im allgemeinen ruhig verlaufen ist, gibt den Blättern der roten Volks front Anlaß, von Erfolgen der marxistischen Arbeiterschaft in Frankreich zu sprechen. Die kommunistische „Huma- nits" und der sozialistische „Populaire" geben die Zahl der Beteiligten mit mehreren Hunderttausend an und schreiben triumphierend „Ein ganzes Volk steht auf". In folgedessen ist der roten Volksfront der Kamm sehr geschwollen, und sie erhebt ne ueForder ungen, so die Verhaf tung des Direktors der „Action Franyaise", Maurras, und die Auflösung sämtlicher Bünde und rechtsstehender Vereinigungen. Die PariserPolizei schätzt die Be teiligung an der Protestkundgebung gegen den überfall auf den Sozialistenführer Löon Blum auf hunderttausend. Bei kleineren Zwischenfällen wurden ungefähr 17 Personen festgenommen. An der Spitze des Zuges marschierten die politischen Führer der zur fogenannten Volksfront gehörenden Par teien, unter ihnen der Kommunistensührer Senator Cachin, der Sozialist Monnet und von den Radikal sozialen der Parteivorsitzende Daladier, Eugöne Frot, der noch die Spuren seiner kürzlichen Mißhand lung durch ine rechtsstehenden Advokaten im Justizpalaft im Gesicht zeigte, PierreCot und viele andere. Zahllose rote Fahnen wurden im Zuge mitgeführt, während die Trikolore nur hier und da bei den radikalsozialcn Gruppen erschien. Dort hörte man auch gelegentlich die Marseillaise, während sonst die Inter n a tionale, die Carma-