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G r o ß e n h a y n e r Unterhaltungs- Md Intelltgenzblatt. (Sonnabends, den 2. April 1825.) I4"s Stück. rZt-r Iahrg. Bemerkungen SUS dem Leben für's Leben. H. Uebertreibungen. ^ie nun vergangene heilige Woche könnte man mit Recht eine Zeit der Uebertreibung nenne». Der Bürger- und Vvlksjubel in Jerusalem war bei dem Einzuge Jesu über- trkben, denn er floß aus unreinen Quellen, nämlich aus Haß gegen ihre zeitherigen Herren; aus Eigenliebe, um als Darerlandsfreunde zu' gelten; aus gedankenloser Theilnchmung an dem, was die Menge Gut, und besonders aus Eigennutz, um durch diesen neuen Herrscher ein sorgenloses, üppiges, freies Leben zu erlangen. Konnte sich Jesus, der Gerechte, wohl dieser so unlauter» Hosiannas frcun? Konnte er bei seiner Gesinung ihre thörichten Wünsche erfül len? Nein, nein! Aber jede Uebertreibung hat allemal eine andere als Gegenstück zur Folge, «nd diese war bei den Juden der bitterste Spott, der wüthendste Haß. Jesus hatte sie in ihren Lieblingshvffnungen getäuscht, das konnten sie nie verzeihen; er hatte undankbar ihren Jubel, das Ausbreiten ihrer Kinder und das Streuen der Palmen unbeachtet gelassen, das federte Rache; Er hatte sie, wie andere fromme Propheten vor ihm, im Tempel auf eine 'gewaltige Weise auf ihre mancherlei gei stige Gebrechen aufmerksam gemacht, und daß man ihn nicht deshalb so zuvorkommend em pfangen hatte, mußte ihm fühlbar gemacht werden. Nur wenige Tage und Stunde« dauerte der Taumel, und ein schaudervolles r Kreuzige, kreuzige ihn! trat an die Stelle des Hosianna; statt der Kleider auf den Weg warf man einen alten Purpurmantel auf feinen durch- gciselten Rücken; statt der Palmenzweige gab Dornenkrone, aus dem Sohne Davids Mrd schnell ein Uebelthäter, und der bei sei nem Einzüge gelobt worden war als ein Ge kommener im Nahmen des Herr», gab durch seine Todesseufzer Gelegenheit zum rohen Epok- te. Hätte aber daß jüdische Volk und beson ders Jerusalems Bürger nur auf die Lehren und Warnungen ihrer frühern Propheten gehört und an ihrer eigenen Beßrung ernstlich gearbeitet, so würden sie Jesum nicht mit übertriebenen» Jubel, wohl aber mit stiller, inniger Freude empfangen und nie ein „Kreuzige" über ihn aus- gernfen haben! Noch sind sie nicht ausgeston- ben, welche Liebe und Haß, Gunst und Ver achtung gegen Andere übertreiben, und ihr Lob mit ihrem Tadel so buntkraus mischen, daß man oft das Eine für das Andere halten könn te, Wehe dem , der von der Laune solcher Lei-