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WMlltt für MW Tharandt, Massen, Siebenteln und die Amgegenden. Amtsblatt j 82. ^«hrtz Sonnabend, den 29. August 1993 Ns 192 geringste Bedürfnis, geschweige Senn die Notwendigkeit vor, immer von dem zu reden, welcher der unpopulärste ist. Der Durchschnitts-Deutsche kann grimmig werden, wenn er von einer neuen Lier- und Tabaksteuer hört. Und es ist ihm nicht zu verdenken, niemand will gern seine liebsten Passtonen angetastet wissen. Aber man denke einmal daran, wie immens durch die großstädtische Grundstücksspekulation, z. B. in Berlin, die Unkosten gerade für jede Bier-Aus- chankstelle dermaßen verteuert werden, daß ein Betrieb nur mit Hilfe einer Brauerei im Großen denkbar ist! Solche Geschäfte, bei welchen Unsummen verdient werden, sind gerade so wenig einer Verbilligung des beliebten Genuß- niltels förderlich, wie eine Steuer; die winzige Biersteuer kommt im Gegenteil kaum in Betracht, aber sie ist nun einmal ein Projekt, das totgeschlagen, vergiftet und auf- gehängt werden muß, damit es sich ganz und gar nicht mehr rühren kann. Und wenn wir nach dem Ausfall der letzten Reichstagswahlen in Deutschland allen Anlaß haben, populäre Volkspolitik zu treiben, so tuen unsere Finanz- Autoritäten im Reichs-Regiment auch wohl daran, die Bier- und Tabaksteuer auf sich beruhen zu lassen; was notwendig ist, kann auch in anderer Weise verwirklicht werden. Bei der Bicrsteuer kommt zudem noch der Um stand in Betracht, daß die jetzt von vielen Städten und größeren Gemeinden cingeführte kommunale Biersteuer not wendiger Weise wegfallen oder beschränkt werden müßte, wenn die Reichs-Bicrsteucr wesentlich erhöht werden sollte. Und dann hätten die Städte wieder einen Ausfallin ihrem städtischen Budget, und die Klagen würden dort im stärkeren Maßstabe laut werden. Gehen wir also zu dem sachge mäßeren Wege über, für Reichszwecke, wenn es nötig ist, diejenigen Objekte bluten zu lassen, die es leisten können. Wenn z. B. das Reich den nordamerikanischen Petroleum- Jobbern dies Geschäft aus den Händen nähme, so würden unsere deutschen Hausfrauen ein besseres Licht, die Reichs kasse den Gewinn haben, der heute Herrn Rockefeller und Genossen drüben alljährlich zu Millionen die Taschen füllt. Jedenfalls wird der finanzielle Ausgleich zwischen dem Reiche und den Einzelstaaten zur Tatsache; es ist weder würdevoll, noch praktisch, daß der Reichs-Finanzminister bei den einzelnen Bundesstaaten mit dem Hut in der Hand herumgeht und für die Reichskasse sammelt. Am wenigsten wird damit der neue Staatssekretär im Reichs-Schatzamt, der bisherige bayerische Ministerialdirektor Freiherr von Stengel, einverstanden sein; in ihm kommt eine bayerische Kraft-Natur unter die ersten Räte des Reiches. Das war noch nicht da, aber es schadet nichts, im Gegenteil! Unser Kaiser, der Mittwoch abend aus dem Tau nus nach Wilhelmshöhe bei Kassel zurückkehrte, machte dort am Donnerstag mit der Kaiserin und dem Herzog von Koburg-Gotha einen Spazierritt. Später hörte der Monarch militärische Vorträge. Die Festlichkeiten aus Anlaß der bevorstehenden Kaisermanöver werden heute und morgen durch große Abendessen eingeleitet, die das Kaiserpaar im Kasseler Schloß den Offizieren des 11. Armee korps und den bürgerlichen Behörden gibt. Das jüngste bemerkenswerte politische Ereignis in Deutschland, der Personalwechsel im Reichsschatz amte, scheint bereits seine Wellenkreise ziehen zu wollen, denn zweifellos hängt mit diesem Vorgänge die für Ende Sep tember oder Anfang Oktober angckündigte Konferenz der Finanzminister in Berlin bis zu einem gewisfen Grade wenigstens zusammen. Von offiziöser Seite versichere man zwar, daß es sich bei dieser Konferenz keineswegs um einschneidende Prinzipienfragen, sondern lediglich um die Frage der Balanzierung des Reichshaushaltsetats handele. Vermutlich wird indessen hierbei doch auch das Problem der Reichsfinanzreform, zu dessen Lösung ja der S-o waren wir denn wieder mit „verhängten Zügeln" m den unbegrenzten Kampfplatz der Finanz-Steuer- Debatten hlneingesturmt. Ein Kavallerie-Korps kann v^^dm Manövern nicht stürmischer dem An- miff^-Signal folgen, als unfer deutscher Partei-Eifer dem atnfe: Ausgleich zwischen den Finanzen des Reiches und denen der Einzelstaaten! Sofort erscheint ein Steuer- Bukett in der Phantasie der Rufer im Streit, und dem deutschen Bürger wird zugesetzt, daß ihm vor Schauder beinahe das Herz im Leibe stille steht. Es ist auch zur teinschen Richtung vertretene Forderung eines sozialdemo kratischen Reichstagsvizepräsidenten. Die große Mehrzahl der Genossen will indessen nach wie vor von einer solchen larlamentarischen Vertretung der eigenen Partei nichts viffen, weil angeblich eine sozialistische Vertretung im Reichstagspräsidium den Grundsätzen der Sozialdemokratie widersprechen würde, eine Auffassung, die soeben erst wieder n verschiedenen sozialdemokratischen Versammlungen, welche n Berlin abgehalten wurden, zum Durchbruch gelangt ist. In Sachsen wird die geplante Reform des Landtags wahlrechts fortgesetzt eifrig diskutiert, doch gehen die An- schauungen und Meinungen hierüber ziemlich weit aus- einander. Ein sehr energisches Dementi der umlaufenden Preßgerüchte von angeblich zwischen dem Kaiser und dem Reichskanzler Grafen Bülow stattgehabten Auseinander setzungen, hinsichtlich der von letzterem befürworteten Aus- Hebung des 8 2 des Jesuitengesetzes bringt die „Nordd. Ällg. Zlg." Das offiziöse Blatt, welches die Zeitungs- mitieilung über solche Auseinandersetzung schon einmal als Erfindung bezeichnet hat, erklärt jetzt jene mit dürren Worten als eine Lüge! In Sachen der phantastischen „Vorwärts"-Erzählung von der Kaiserinsel nimmt jetzt das Gericht das Wort. Der verantwortliche Redakteur des „Vorwärts" ist am Donnerstag wegen der schweren Beleidigung, welche das sozialdemokratische Blatt dem Hof marschall v. Trotha im Zusammenhänge mit der Kaiser- insel-Geschichte zugefügt hatte, vom Untersuchungsrichter vernommen worden, entsprechend einem seitens des Herrn v. Trotha bei der Staatsanwaltschaft gestellt-n Antrages gegen den „Vorwärts". Die schwebende ungarische Kabinetskrisis hat auch durch die längere Anwesenheit des Kaisers Franz Joseph in Pest ihre Lösung noch nicht gefunden. Die ungarische Krisis droht bereits lähmend auf den Gang der gemeinsamen Angelegenheiten fürOcsterreich und Ungarn einzuwirken, namentlich der militärischen. So hat sich das Reichskricgsministerium genötigt gesehen, die Mannschaften des dritten Jahrganges, welche gewohnheitsmäßig nach den großen Manövern bis zum 31. Dezember dauernd beurlaubt werden, im aktiven Dienst zurückzubehalten, weil durch die nicht rechtzeitige Erledigung des Rekrutenkontingents die Assentierung in Ungarn nicht vorgenommen werden konnte. Gerade während des Aufenthalts des Monarchen in der ungarischen Hauptstadt ist dieselbe durch den Brand des Goldbergerschen Warenhauses zum Schauplatz einer erschütternden Katastrophe geworden; selbst jetzt weiß man noch nicht genau, wieviel Menschen bei diesem Brand- Unglück eigentlich ums Leben gekommen sind. Der König und die Königin von Italien sind anläßlich der großen italienischen Herbstmanövcr, welche diesmal im Venetianischen vor sich gehen, in Treviso ein getroffen. Daselbst hat sich auch der österreichische Feld- marschall-Lcutnant v. Steininger eingefunden, um den König Viktor Emanuel im Namen des Kaisers Franz Josef zu begrüßen. Letzterer Vorgang ist geeignet, auf die gegenwärtigen Beziehungen zwischen dem italienischen Königshofe und dem österreichischen Kaiserhofe ein recht freundliches Licht zu werfen. Der Vesuv setzt seine in jüngster Zeit wieder be gonnene unheimliche Tätigkeit fort. Am Mittwoch öffnete sich die Krateröffnung vom Jahre 1859 wieder, aus welcher eine große Lavamaffe ausgeworfen wurde, die bis auf 850 m vor die Station der Drahtseilbahn gelangte. Einst weilen besteht noch keine Gefahr, doch zeigt sich die Be völkerung der Ortschaften in der Umgebung des Vesuv immmerhin beunruhigt. In Frankreich erfährt der Konflckt zwischen der Staatsgewalt und der Kirche unter dem herrschenden Regime eine weitere Verschärfung. Nachdem Ministerpräsident Combes in seiner Rede zu Samtes die Trennung der Kirche vom Staat bereits als bevorstehend angckündigt Versicherung gegen unverschuldete Arbeits losigkeit. Es ist schon lange der Wunsch edler Menschen- freunde wie auch das Verlangen dec ohne Schuld brotlos gewordenen Arbeiter, durch eine entsprechende Versicherung oie durch Arbeitslosigkeit so schwer heimgesuchten vor Hunger und Elend zu schützen Genau betrachtet liegt in vielem Bestreben ja auch der Vcriuch, die Versicherung der A-bester aeaen Krankheit und Juvalldioat folgerichtig zu Verein ru Leipzig vor einigen Tagen seinen Betrieb er öffnet bat dürfte es für die Oeffentlichkeit von Interesse sein die Grunvzüge dieses durchaus gemeinnützigen, politisch völlig neutralen Unternehmens kennen zu lernen. Der Verein bezweckt die Versicherung gegen unverschuldete Ar beitslosigkeit für männliche arbeitsfähige, und mindestens seit zwei Jahren ununterbrochen in der Stadtgemeinde Leipzig wohnhafte Arbeitnehmer, deren Alter zwischen dem vollendeten 16. und dem noch nicht vollendeten 60. Lebens jahre liegt. Nur diejenigen Versicherten erlangen Anspruch auf Tagegeld bei eintretender nachweislicher unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die mindestens 42 Wochenbeiträge pünktlich spätestens von 4 zu 4 Wochen eingezahlt haben. Es sind vier Beitragsstufen eingeführt und auf diese die ver schiedenen Berufsgruppen verteilt. Bei Verteilung der Be rufe auf die Bcitragsstufen ist besonders die statistisch er wiesene Höhe der Arbeitslosigkeitsgefahr aber auch die Möglichkeit der Arbeitsverschaffung und die Höhe des Lohncinkommens maßgebend gewesen. Je nach der Be- rufsgruppe, zu welcher der Versicherte gehört, beläuft sich der Wochenbeilrag auf 30, 40, 50 oder 60 Pfennig. Auf diese Weise glaubt der Verein zu einer rationellen Regel ung der Beitragsfrage gelangt zu sein. Jede der vier Verstchertengruppen bildet auch rechnerisch für sich eine besondere Abteilung. Soweit Ueberschüsse dadurch ent standen sind, daß innerhalb einer Versichertenklasse die gezahlten Beiträge durch die ausgezahlten Tagegelder innerhalb eines Jahres nicht aufgebraucht werden, sind die Ueberschüsse zu Gunsten derselben Versichertenklasse zu verwenden, oder zurückzulegen oder vorzutragen. Hier über entscheidet der Gesamtvorstand, in dem die Interessen der Versicherten durch einen Vcrsichertenausschuß von 12 Mitgliedern und 6 Stellvertretern gewahrt werden. Eine Haftung der einen Versichertenklaffe für die andere greift also nicht Platz. Darum bleiben auch diejenigen Ver sicherten, welche wegen der hohen Gefahr der Arbeits losigkeit in ihrem Berufe erhöhte Beiträge zu leisten haben, an der Benutzung der Versicherung doch immer interessiert, da ja der Verein bei kostenfreier Verwaltung und Ga- rantieleistung ihre sämtlichen Einzahlungen nebst Zinsen im Interesse ihrer Versichertenklaffe verwendet. Bei seinen Versicherten aber, die in Ansehung ihres Lohneinkommens nur teilweise den ihrem Risiko entsprechenden Beitragssatz aufzubringenvermögen, erfolgt Ergänzung aus den Mitteln des Vereins, die er außer den Zinsen des bereits vor- h""öeu,en Stiftungskapitals weiter aus den Jahresbeiträgen der Förderer und einem jährlichen Zuschuß der Stadt- gememde zu gewinnen hofft. Ferner ist Vorsorge ge- daß Versicherte bei längerer Mitgliedschaft wesentliche Vorteile genießen, wenn sie von Arbeitslosig- kcst nicht betroffen worden sind. neue Reichsschatzsekretär v. Stengel berufen ist, berührt werden, und man dürfte alsdann wohl bald etwas näheres ! über die betreffenden Pläne des nunmehrigen Leiters des Stunde Wieder so: Hohe Bier-und Tabaks-Steuern werden! Reichsfinanzwesens hören. Lebhaft gehen die Ausein- wrscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.54 Pf. ^Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 15 Pfg. pro viergespaltene Lorpuszeile. Druck und Verlag von Marlin Berger m Wilsdruff. — Verantwortlich für die RedaMo» Marlin Berger Saisibü. s... Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruffs 1 sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, «... Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, HerzogSwallre mit Landberg, Hühndorf, „ ^"».ss-lsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorfe Kaufbgch, u h„rf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Keffelsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildbertz. als selbstverständlich bezeichnet! Warum so eilig? Eslandersetzungen und Erörterungen über mancherlei ausge- führen viele Wege zum guten Ziele, und es liegt nicht das! tauchte Themata und Vorgänge der letzten Zeit weiter. Speziell im sozialdemokratischen Lager unterhält man sich rmmer wieder über die von den „Genossen" der Bern-