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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930118028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893011802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893011802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-01
- Tag 1893-01-18
-
Monat
1893-01
-
Jahr
1893
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Gestern bat der Reichstag anch die Branntwein steuernovelle an die Militairconiniission verwiesen, tie nun mit destillirter Einsicht den Bersncb niackcn soll, eine Form der Mehrbestcuerung deö Brannlweins zu finden, die eine Mehrheit im Plenum findet. Und sie wird gefunden werden, diese Form, vielleicht sehr rasch, wenn der Reichskanzler im Rainen der verbündeten Negie rungen die Militairvorlage in der Form sür annehmbar erklärt, die der Borschlag des Abg. von Bennigsen umschreibt, d. b. wenn der Reichskanzler mit einer jäbrlichen Mebr- einstellung von 40 Om» Recruten, statt der geforderten i!<> ooo, sich begnügt. Dieser Vorschlag und sein Geschick beschäftigt deute die gesammte Presse. Die „Nat.-Lib. Eorr." sagt von ihm: „Es ist dies ein sehr weitgehendes Zugeständnis», und ob im Reichstag dafür eine Mehrheit zu erlangen ist, bängt immer von dem großen unbekannten Factor, der Haltung deS Centrums, ab. Die Rede deS badischen Abgeordneten v. B»ol wurde in dem Sinne gedeutet, daß die Neigung im Eentrum zunehmc, eine Verständigung berbeisühren zu helfen Auch die Möglichkeit, eine Anzahl den Freisinnigen sür ein Compromiß zu gewinnen, gilt nicht für ganz ausgeschlossen. Man bat den Eindruck, als rb auch die Regierung im Fall der Sicherheit, eine NeickS- lagSmebrheit für dies große Zugeständniß zu gewinnen, nicht mehr starr auf ihren vollständigen Forderungen bestehen werde. Im Allgemeinen betrachtet man den Bennigsen'schen Kerschlag, der sich voraussichtlich bald zu einem bestimmt sermulirlea Antrag gestalten wird, wenigstens als eine Grund lage zu erfolgreichen Verstäntigungöocrsuchen. Aber freilich viel geändert in der kritischen Sachlage hat sich auch dadurch dcrläufig noch nicht." Im Reichstagswahlkreis Liegnil) scheinen sich wieder merkwürdige Dinge vorzubereitcn. Der dcutscksrei- finnige Eandidat, Stadtrath Wecker, hat bekanntlich seine Bewerbung zurückgezogen und diesen Schrill damit begründet, daß ikn hierzu seine Selbstachtung nöthjgc, und den Anlaß dazu soll das wüste und robe Auftreten der antisemitischen Agitation gegeben haben. An dem letzteren zweifeln »vir durchaus nicht, die Freisinnigen können aber bei dieser Ge legenheit am eigenen Leibe die Wahrnehmung machen, wie die Saat ausgeht, die sie selbst gestreut. Der Abg. I)i. Bartk, der im Wahlkreis ausgetreten, scheint cs anch an grober Vcr betzung nicht fehlen gelassen zu baden. Jetzt aber zeigt cS sich wieder, daß die freisinnige Agitation an Auswühlcn der Massen noch lange nicht so viel zu leisten vermag, wie die noch radikaleren Elemente. Ein freisinniger Eandidat, der sich zurück zieht, weil ihm seine Selbstachtung verbietet, die Rohheiten der heutigen Wahlkämpfe noch mitznniachen, ist gewiß eine bemerkenswcrlhe Erscheinung. Es wird eben mit jedem Jahr wüster und für einen anständigen Menschen unerträg licher, sich in dieses Treibe» einzulassen. Die Eonservativen scheinen auch in diesem Wahlkreise die Flinte bereits voll ständig ins Korn geworfen zu haben und de» Antisemiten keinen ernstlichen Widerstand mehr zu leisten. Die Wahl physiognomie ähnelt bereits in bedenklicher Weise derjenigen von ArnSwalde. Heute sind die aus Paris über den Panamascandal vorliegenden Mitlheilungen ziemlich dürftiger Natur Die große, »och andauernde Gefahr der Lage ist augenblicklich darin begründet, daß tie meisten betbeiligten und leitenden Persönlichkeiten in der Panama-Angelegenheit nicht mehr nach ihrem Verstand und Unheil bandeln, sondern sich blind von ihren Empsindnngen leiten lassen unk, ebne Rücksicht auf die Folgen, nur an die Vcsriedigung ihrer jeweiligen blinden Triebe denken. Die Opportunisten z. B., die sich verloren fühlen, haben nur den einen Wunsch, sich vor dem Untergang zu rächen, und sie sind der Erwägung völlig »»zugänglich, daß ihre Rache in erster Reibe nicht einzelne Personen, sondern ihr Vaterland trifft. Wenn, um nur einen Fall ins Auge zu fassen, Herr Earnot zurücklrcte» würde, so wäre Wust und Zerrüttung die unmittelbare, eine Umwälzung wahrscheinlich die weitere Folge. Dennoch greifen Opportunisten und Radikale mit wachsender Heftig keit Herrn Earnot an und scheinen entschlossen, nicht abzu- lassen, ehe sic ihr Ziel erreicht baden. Aus der andern Seile ist auch Herr Earnot mehr Stimmung-- und Rervenmensch, als eS ein verantwortlicher Staatsmann in höchster Stellung unter solchen Verhältnissen wie tie gegenwärtigen sein darf. Er will sich solchcAngrissc, wie sie in der „La»teriie",tcr „Eocarde" nnd dem „Gaulvi.ö" gegen ihn veröffentlicht werden, nicht gefalle» lassen und hat dies Herrn Ribol offen gesagt. Herr Earnot ist ein ruhiger Mann ohne großen Ehrgeiz. Den Rubin seines Namens hat er in seiner fünfjährigen Präsidentschaft genügend gemehrt. Von de» Wonnen der Macht bclommt ein Präjlvent der französischen Republik, der sich in de» Schranken der Verfassung hält, kaum etwas zu fühlen. Sein Vermögen vermehrt er im Elysöe nicht; er muß sogar genau rechnen, um cS nicht zu vermindern. Daß er im Tccember 1894 aus neue sieben Jahre gewählt wird, glaubt er nicht und wünscht cö vielleicht nicht einmal. Es ist anch nicht wahrscheinlich. Würde der Prä sident mittelst Volksabstimmung gewählt, so wäre er Wohl der großen Mehrheit sicher. Aber die Wabl wird von den Senatoren und Abgeordneten vollzogen und diese „sind eö müde, Aristides den Gerechten nennen zu Horen". Es ist also verständlich, daß Herr Earnot sich sagt, cS sei nicht der Mühe Werth, sich verunglimpfen und mit Schmutz bewerfen zu lassen, um noch zwei Jahre lang im Elysee ein Leben der Mühsal, der langweiligen Förmlichkeit, deS hohlen Pompes, ohne wirkliche Macht und ohne andere als kleinliche EitelkcitSbcfriedigungen, zu führen. Achnlich muß Herr Earnot sich Herrn Ribot gegenüber geäußert haben, »vorauf dieser erschrak und ihn de schwor, sich seiner Vaterlandsliebe zu erinnern und der Pflicht daö Opfer seiner Empfindlichkeit zu bringen. In Parlaments kreise» erfuhr man rasch den Inhalt dieser Unterredung, und die Abordnung der Gruppenvorstände des Senats an Herrn Ribot war die Folge der Aufregung, in die, ivenn nicht die Abgeordneten, so dock die älteren, ruhigeren und minder bloggestelltcn Senatoren durch die Aussicht a»f eine Präsi- denlenkrisc versetzt wurden. — Wie »vir schon bemerkten, hat das Auftauchcn deö Namens Mobrenbeim in der großen Scandalgeschichte deS Tages den leitenden französischen Staats männern peinliche Verlegenheit bereitet, und cö ist begreiflich, baß der sonst so kaltblütige, bedächtige Ribot einen brennenden Eifer entwickelt, tie verdrießlich gerunzelte Slir» des russischen Botschafters wieder zu glätten. Diesem Zwecke galten sein EnIschnldigniigSbcsuch bei Herrn von Mobrenbeim und die Ausweisung deutscher, italienischer und österreichischer Berichterstatter, ibm gelten die Einbringung eines Schutzgesetzc« sür fremde StaatSobcr Häupter nnv ihre Gesandten ebenso wie ein vom Unter suchungsrichter Franqncvillc eigens vorgcnvinmencS Verhör der Panamaleiter, worin diese erklärten, die Panamagescll schast habe niemals irgend welche Beziehungen z» ans ländischen Gesandten gehabt. — Tie Entscheidung deS Unter suckungSrichterS über die gegen Mitglieder deS Parlaments ein- geleitete gerichtliche Verfolgung wegen Bestechung soll morgen veröffentlicht werten. Angeblich sollen acht Angcschuldigtc vor die Attslagckammcr verwiesen werden: Baibauk, der ehemalige Minister sür öffentliche Arbeite», Sans Leroy, Blondi», der Angestellte des Erökit Lyonnais, Duguö de la Faueonneric, Lövn Renault, Antonin Proust, Devos und Albert Grövy. Außer Verfolgung sollen gesetzt werden: Rouvicr, der frühere Finanzministcr, Jules Roche, der frühere HandelSminister, Thevcnct, Vcral und Einanuel Arönc.— Die Anklagerede des GeneralstaatSanwalts im Panamaproceß hat wegen der charsen und bündigen Beweisführung, mit »reicher sie die Schuld der Panama Administratoren, einschließlich Lesseps' (Pater), scststcllle, liefen Eindruck gemacht. Gegen das französische Gesetz vom 2. November v. I., betreffend die Neuregelung der Arbeitszeit in den Fabriken, regt sich >n allen Kreise», sowohl der Arbeit geber, wie ganz besonders auch der Arbeiter selber, die lebhafteste Opposition. Es bereitet sich ein PetilionS- sturm zu dem Zwecke vor, eine gründliche Revision dieses mit der gesunden Präzis auf gespanntestem Fnße leben den Gesetzes berbcizusührcn. Ter Hanptansloß wird allgemein an derjenigen Bestimmung genommen, »reiche die Arbeitszeit der Kinder ans zehn Sluiidc» scstictzt, während die Eltern elf Stunden und länger i» de» Fabriken tbätig sind. Dadurch, daß die jugendliche Arbeit früher in Wegfall kommt, gelangt auch die Arbeit der Maschinen und der Er wachsenen, welche aus de» Handlangerdienst der .»linder angewiesen ist, praktisch znm vorzeitigen Stillstände. Tic Arbeiter selber sind im höchsten Grade miß vergnügt darüber, baß man ihre Kinder zwingt, die Fabrik eine rolle Stunde früher als sie selbst zu verlassen. Allgemein wird serner berrorgehoben, daß tie wirtbschaftlichc Lage Frankreichs, verglichen mit jener Deutschlands, Englands, Belgiens und der Schweiz, die Aufrechterhaltiing des Gesetzes vom 2. November v. I. aus das Dringendste wikerrathe, wenn nicht die nationale Industrie unwiederbringlichen Schaden davontragen solle. Papst Leo Xlkk. ist durch den Panamascandal in eine besonders mißliche Lage geratbcn. Vor der Katastrophe hatte er keine Gelegenheit vorüber gehen lassen, den Franzosen anzuralhcn, daß sic ihren ehrlichen Anschluß an die republi kanische» Einrichtungen vollziehe» möchten. Es kann daher nicht überraschen, daß diejenige» Katholiken, welche bereit waren, der Aufforderung des Papstes Folge zu leiste», sich nunmehr an diesen wegen weiterer BerhallungSniaßregeln gewendet haben. Graf Albert de Pinn, der unlängst in eine», katholischen Vereine eine bezügliche Manisejlalion gehalten batte, in der er im Hinblick auf die jüngsten Vorgänge auösübrtc, daß man wohl gegenüber der Negierungsform der Republik, aber nicht gegenüber den Personen und ' den Doclrincn abrüsten dürfte, hat den Wortlaut dieser Rede an den Papst gesendet. In einigen Pariser Blättern liegt nun die 'Antwort Lco'S XIII. vor Ohne sich durch die gegenwärtigen Vcrbältnisse in seiner Auf sassung »mstininien zu lasse», w'edcrholt der Papst seine Er Mahnungen an die sranzösischen Katholiken, die Nolbwendigkeit einer Einigung hinsichtlich der gegenwärtig constitnirten Regierung zu acecptircn, da dies das einzige Mittel wäre, durch daS Znsammensasscn aller wirksamen Kräfte den religiösen Frieden und dadurch die Eintracht unter allen Bürgern, sowie die Achtung vor der Autorität und die Gerechtigkeit und die Wohlanständigkcit im öffentliche» Leben wieder bcrznstcllcn. Im Vatican liegt man jeden falls von geringer Kenntniß der sranzösijchcn Zustände zeugende Illusionen, da weder die Radicalc», die gegen wärtig leicht maßgebenden Einfluß erlangen könnten, bereit sind, dem Klerus irgend welche Zugeständnisse zu mache», noch die mit de» Klerikalen verbündeten Monarchisten gewillt sind, der Tiöcrcdilirnng der Republik durch den Panamascandal entgegenzuwirken. Die Tbatsachc, daß Leo Xlll. an der von ihm in seiner Encyklika entwickelten Ausfassung iestbält, wird an dem (»»äuge der Ereignisse in Frankreich kaum etwas ändern Die bevorstehende» Jubiläum-feierlich keilen werde» dem Papste übrigens Anlaß bieten, den franzö sischen Pilgern unmittelbar inS Gewissen zu reden. Am 31. d. M. soll daS n^ue englische Parlament zusammentreten, dessen erster Sessionsabschnitt voraussichtlich zu den interessantesten Ereignissen in der neueren parla mentarischen Geschichte Großbritanniens gehören »vird. Mr. Glatslone, der Achtziger, kämpft seinen letzten großen Kampf. Im letzten Ministerrath, dem Besprechungen leö Premiers mit John Morlch und dem Anti-Parncllitenführcr Mac Eartby vorangiuge», dürfte daö vorläufige RegierungS- prcgramm sestgcstcllt worden sein. Mittlerweile sammcln die verschiedenen Parteien ihre Kräfte. Die Ilnionistcn veranstalten eine Reihe von Protestversanimliingen gegen Home Rule, deren erste am 12. d M. in Belfast abgcballen wurde. Die Fractio» der englischen Arbeiter Abgeordneten in Wcstminstcr — neun Mann hoch, also beinahe ei» Viertel der Gladstone'schen Mehrheit — haben sich, wie schon gemeldet, in Bradford als unabhängige Arbeiterpartei constituirt und in dieser ersten Eonfcrenz unter Kcir Hardie'S Vorsitz einen SocialiSmuS zum Programm erhoben, welchen die „Daily News" einen „gcmäßigtcn" zu nciiiic» sich gefallen, während die „Times" in dieser Fractionöbildung wohl nicht mit Unrecht eine üble Vorbedeutung für Gladstvnc'S Regime erblickt. Dieser „ge mäßigte" SocialiSmiiö verlangt unabhängige Vertretung der neuen Arbeiterpartei im Unterhause, sowie in den Verwaltungs- Körperschaften und die collective Eigciischast aller Produclionö-. mittel. Mr. Glatstone wird gcnölhigt sein, diesen Forde rungen gegenüber Stellung zu nehmen, was ihm nach seiner bisherigen Haltung in der Arbeiterfrage nicht leicht werde» dürste. Waö die aus den „Daily NcwS" wicdergcgebenen Mittheilungcn über die zu crwarlende irische Vor lage anbelangt, so möge hier kurz auf einige Unter schiede von der am 8. April l886 cingebracbtcn Homc- Rulc Bill bingewicscn werde». Damals waren zwei Kammern geplant: eine Pairskammcr mit l(»3 und ein Unterhaus mit 2»«i Mitgliedern. Jetzt, behaupten die „Daily News", wolle Gladstonc Irland mit Einer Kammer beglücken, denn — so meint das ossieiöse Blatt — wo daS Material zur irischen Pairskammcr berncbmen? lieber die Velo Frage »chreibt das Gladstone'sche Organ: „Folgt die wichtige Frage des Veto, welches die Eontrole der Krone und des Rcichs- parlamenlS sichern soll. DaS Velo ist ein Theil der Eon stilurion und kan» nicht ausgegcben werten. Tie Frage, wie cS in Irland auögeübt werden soll, ist schwierig. Einige irische Mitglieder haben cm solches vorgcschlagcn, welches jede Acte, die individuelle oder gemeinsame Interessen des Reiches schädigt, für nichtig erklärt." In Betreff der finan ziellen Bestimmungen sürZttkunstS-Jrland wäre zu bemerke», daß die 1886er Vorlage den Beitrag Irlands zu den gemein same» Reichslastc» von einem Zwölftel aus cm Fünfzehntel hcrabsctzt, womit sich damals Partiell ciiiverslantcn crllärtc. Hcaly ist jedoch beute damit nicht ciiiverslantcn, die neue Bill soll denn auch, beißt es, den Iren sür ihren Reichvbcitrag eine neue Verminderung ciiiräumen. Dem jnngen .Kbcdive AbbaS II. von Egypten sagte man schon bei seinem Regierungsantritt »ach, daß er, im Gegensatz zu seinem Vater Tcwsil, lein gcsügigcs Werkzeug der Engländer sein werde. I» diesen Tagen ist cö nun zu osienluiikigen Zwistigleitc» des l8jährige» Herrschers »ul England gekommen, die ihren Grund >» der Ersetzung des bisherigen, den Engländern srcnndlich gesinnten EabinclS Mustapha Fchmi Pascha durch ein Eabincl Fabkri Pascha haben. Tic Mitthcilnnge» der Londoner Blätter über den Eindruck, den das Vorgehen deö Khcdive AbbaS aus die eingeborene cgyptftche Bevölkerung hervor- Feuilletsn. Für die Ehre -er Familie. Roman von Claris»'« Lohde. riachtnict »erboten. (Fortsetzung.) „Ich habe eie Frau heute gesehen", misckte sich jetzt der KammergerichtSratb von Alle», der alljährlich im Früh ling ans einige Wochen Gast im Hanse deö Majors und einige Tage vorder dort cingctroffen war, ein — und merk würdig — sie hat eine Erinnerung in mir geweckt, eine Erinnerung —" „Wie?" fragte ein Anderer, „Ist Mrs. Herald nicht Amerikanerin?" „Ich glaube nicht", entgrgnete der Major, „wcnigstens erzählte die kleine Miß, die auch etwas Deutsch radebrecht, ihre Mutter wäre eigentlich eine Deutsche —" „Dann", rief der Kaninicrgerichl-rath, „könnte cö ja doch am Ente sein, daß sie eS wäre —" „An wen denkst Du?" „Erinnerst Du Dich noch deS KreiSgcrichlSralbeS Woldcn in Glogau? Er war dort zu der Zeit, als ich als Assessor beim Gericht arbeitete und Tu als junger Lieutenant in der Garnison standest." „Ja. ja, er hatte eine hübsche, sehr kokette Frau, sür deren schöne Augen Du damals auch schwärmtest." „Wie rin junger Mann sür eine reizende Frau schwärmt, die e- deutlich zeigt, daß sie angebetcl zu werden wünscht Dolden selbst liebte sie schwärmerisch und batte Jahre lang kein Auge sür ihre Gefallsucht »ud ihren leichten Sinn, der sie schon in der steinen Sladt vielfach zu Dingen versührte, die übel beurthrilt wurden." „Und dann passirle irgend etwa« mit ihr —", warf der Major, ausmcrksam geworden, ein. „Sic war a»S Glogau sorlgezangen. nach dem Süden, wie ich glaube, und kehrte nicht mehr zurück." ^er KammrrzerichlSratb nickte. „Allerdings, und der arme Wolde» wurde das Opfer ihres Leichtsinns, der seiner Ebre, wie seinem Herzen eine tiefe, nie keilende Wunde schlug." „Sie war mit irgend einem Liebhaber durchgegangen?" fragte der Major »veiler. „So erzählte man sich, obwohl cS der getäuschte Gatte nicht Wort haben wollte, und iiiimer nur von der andaiierntcn Kränklichkeit seiner Frau sprach, die sie an der Rückkehr hindere. Niemand glaubte daran, obwohl inan cS dem un glücklichen Man», dem man sein HerzcnSleid vom Gesichte ablaS, nicht merken ließ. Sehr bald auch nahm Woldcn de» Abschicv »nd verließ Glogau, um nach Berlin über- zusicbeln, wo er wohl besser die Schande, die ihm das ge wissenlose Weib angctban, verbergen zu können hoffte. Der Gram muß jedoch seine Gesundheit gar zu sehr erschüttert haben, denn er starb schon einige Jahre daraus." „Und Sic meinen, Herr KammcrgcricktSrath", fragte Or. Ermann intcressirt, daß diese MrS. Herald und die Frau Wolken ein und dieselbe Person sein könnten?" „Sie erinnert mich trotz deS Verfalls ihrer Züge lebhaft an dieselbe", cntzegnele der KammergerichtSratb, „und Alles, was ick, bicr von dem Mr. Herald und der ganzen Familie höre, töniile daraufhin paffen —" „Aber, was sollte die Frau, die doch wahrlich keinen Grund bat, nach Deutschland zuriickznkchren, hierher geführt haben?" fragte der Major. „Vielleicht Sehnsucht nach den Kindern, die sie verlassen hat", meinte Doclor Ermann. „Nein, nein", schüttelte der Kanimergerichtsralb den Kops, „eine Fra» wie diese, die nm einer ausslammcnden Leiden schast willen Ha»S und Hos, Mann und Kinder verlassen, eine ekrenwcrthe Stellung ausgcben kann, die weiß nickt« von Sehnsucht »nd Reue. Vielleicht aber sind die Leute am Ende ihrer Mittel und hoffen bei den Kindern Wolden'S Hilfe zu finden, tie, wie ick in Berlin ersabren habe, alle in guten Verhältnissen leben. — Der in letzter Zeit vielgenannte Maler Wolden ist ein Sohn von ihm, tie älteste Tochter soll sehr gut verbkirathe» sein, und von den ZwillingSschwestrrn, zwei allerliebste Mädchen, denen ich zuweilen in Gesellschaft begegne, hat die eine, die Pflege tochter deö reiche», dem verstorbenen Wolken eng bcsrcnndet gewesene» Coinmcrzicnraih Rösicke, sich kürzlich mit Assessor von Engelhard, dem Sohne des bekannten Präsidenten, verlobt." „Ei, ei", unterbrach ibn der Major, „sollten Deine An nahmen ans Wahrheit beruhe», so dürfte diese Schwieger mutter dem stolzen Herrn Assessor eben so wenig wie dessen Eltern angenehm sein. — Und abzuschüttel» ist sic nickt, da sic dock nun einmal die Mutter ihrer Kinder ist und bleibt. Aebnliche Gedanken bewegte» MrS. Herald zur selben Zeit, als sic die durch ihren Gatten ihr telegraphisch angekündigtc Ankunft ihrer ZwillingStöckter erwartend unruhig in ihrem Zimmer ans- und nictcrjchritt. Nicht leicht war cS ihr gewcrdc», Mabcl »nd Walter z» bestimmen, zur Rnbe zu geben. Mabel besonders batte schon sehr ihren eigenen Willen »nd erklärte, durchaus den Vater und die unbekannten Schwester», von denen die Mutter gesprochen, empfangen zu wollen Aber da dieselben erst eine Stunde »ach Mitternacht cintreffcn konnten, hatte doch tie Müdigkeit den junge» Körper überwältigt. Morgen würde sie sie ja seken, die glänzenden reichen Schwestern, »nd daß sie ikr schöne Kleider und Cchmucksachcii, wie sie selbst trugen, mit- bringen würben, daS batte ihr Betsy, die Negerin, zur Bc- rudignng immer und immer wiederholt. „Jetzt gebt eine goldene Zeit sür nnS an", batle sie ihr in ihrem ncgcrcnglffch beim Schlascngeben vorgeplaudcrt, „nun wird daS Geld bei un« nicht mehr so knapp sein, und Miß Mabel wird de» lang gewünschten goldenen Kamm sür ihr dnntel lockige« Haar bekommen, und einen Spitzen- shawl, wie ikn die vornehmen Danien trage», und Arm bänder und Spangen." „Hör' aus. Betsy, bör' aus", unterbrach Mabcl die Eifrige. „Am Ende bringen sie nichlS, und dann mag ich sie nicht leiden " „Aber sie sind reich, sebr reich", s»br Belsy unbeirrt fort „Alle Notk hat setzt ein Ende, wir brauchen nicht mehr unsere schönen Juwelen zu verkaufen, wie noch in New-Hork vor unserer Abreise nach Deutschland. — Kehren wir jetzt heim, dann kaufen wir ein schönes HauS, und die Betsy bekommt all ihr rückstehcade« Lohn, und wir halten wieder Diener und Kutscher wie vordem, als ick zu der Mistreß kam, damals, als unsere Miß Mabel noch gar nickt geboren war. DaS war ei» Leben, mv little giil. — da batten wir eine reizende Eottagc bei Elcveland und Mr. »nd MrS. Herald waren beide noch jung und schön. Da ging'S herrlich und in Freuden her. Das schönste Geschirr im ganzen Orte war das nnsere, »nd dazu die kostbaren Reitpferde — DaS Haus wurde nickt leer von Gästen und der Ebampagncr floß, und Alle, Alle waren sic verliebt in die schöne MrS. Herald und lagen ihr zu Füße», und Mr. Heralk freute sich darüber nnv läckcltc dazu; denn alle tie reichen Herren, die zum Besuch kamen, setzten sich AbcntS mit ibm und der schönen Mistreß um den Spieltisch, und dann ließen sic gewöhnlich drei und viermal so viel lSNd da, als Hans »nd Wirtbschaft und Pferde kosteten. Aber nun ist die Mistreß alt geworden — ivenn sic auch noch immer schön ist, — und z» sparen ver stand die gute Seele nie — und da wurde cs leerer und leerer »m uns —, und wo sollte daS viele Geld zur Führung des Haushaltes da noch Herkommen? — Da verkauften »vir tie Wagen und Pferde zuerst und dann die Eottagc und zuletzt tie Juwelen. — Nun, das »vird jetzt Alles ander- werken, und wen» meine kleine Mabel erst ganz erwachsen ist, dann »vird sic ebenso schön sein, wie tie Mama es war »nd — dann »verte» die reichen Herren sic auch so um- schwärmen, wie damals in Elcveland die Mama." „Geben die Schwestern denn auch mit nnS nach Amerika?" warf Mabel, die mit »veitgcössncten Augen und strahlenden Antlitzes zubörte, fragend ein. „Vielleicht, süße Miß. Aber das weiß ich nickt; besser jedoch, sie geben nickt mit, denn sic sind Deutsche, und Teutschc paffen nickt für nnS da drüben —* „Mama ist doch aber auch eine Deutsche? —" Darauf wußte die Alte nicht- z» erwidrrn — aber Mabel erwartete auch keine Antwort mehr, denn von süßen ZuknnstSträumen umslattcrt, in denen sie sich, wie einst die Mutter, auf schnaubcndcni Zelter tabinjagc» sab, von einer Anzabl sie bewundernder Eavaliere umringt, schlief sie rin. Unk nun stand tie Alle, mit MrS. Herald in dem kleinen Slübckcn, das mit Hilfe der Wirtbin für die beiden erwarteten Töchter hergerichtct war. Einfach genug sah es au- mir den
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