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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.10.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111013021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911101302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911101302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-10
- Tag 1911-10-13
-
Monat
1911-10
-
Jahr
1911
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Be-uqö-Prei- Mr Leipzia und Vorort« durch unser« Träger und Sordttrur« Lmal tigltch rn» Ha», gebracht «I Ps. monatü, 2.7U VU. vierteliährl. Bet unlern Filialen u. An- nuhmestellen abaeholt 7S Ps. monatig 2.25 Ml. oierteljLhrl. Durch di« Polt: innerhalb Deutschland» und per deutschen Kolonien vierteljährl. ».»! Ml., inonatl. 1LV Ml. au^ichl. Poltdestellaeld. Ferner in Belgien, Dänemark, den Donaustaaten. Italien, Uuremvura. Niederlande, Nor wegen. Lesierreich-Ungarn, Nutzland. Schweben, Schweiz u. Spanien. In allen ädrigen Staaten nur drrekt durch di« Eeichästsstell« de» Blatte» erhältlich. Das Leipziger Tageblatt erscheint 2 mal täglich. Sonn- u. Feiertags nur morgens. Ldonnements-Älnnahm«: Iohannisgasse 8, der unseren Trägern, Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, sowie Pogämtern und Briefträgern. Einzelverka»f»prri» 10 Ps. Abend-Ausgabe Vtip.ügtr TagtblaN - . - .. (14 692 lNächtanschlu» Tel.-Änschl.^ 14 893 >14 894 r-i.-Än,ch^!L Handelszeitung Amtsblatt des Rates und des Volisciamtcs der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS fdr Inserat« aus Leipzta und Umgrbun, dl, lspalrigi Petitzeil« »Ps, di« Reklame- »,U« 1 Ml. von auswärts SO Ps^ Reklamen 1Ä> Mk.' Inserate von Behörden im amt lichen Teil di« Petttzeil« SO Pf Teschäftoanzrigen mit Platzoorschrifte« im Preis« erhöht Rabatt nach Tarif. Beilagegebuhr Gesamt auflage L Mk. p Tausend riki. Postgebühr. Terlbeilage H^her. FefterteUte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Iohannisnnss« S, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Ezpeditionen de» In. und Auslandes. Druck und Verl«, ,»« Fischer L Dürste, Inhaber: Paul Dürsten. Redaktion und Deschästsstell«: Iohannisgasse 8. Haupt - Filial« Dre»de«: Eeestrage < 1 (Telephon 46211. ly§. Ishrgsng Nr. 284 Freitag, üen l3. Dktvber lSil Der Krieg uw Tripolis. Tr polis. Nom, 13. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Aus Tri polis wird gemeldet, daß General Caneva mit den Truppenfiihrern und Geschwaderkommandanten einen Kriegsrat abhielt, in dem beschlossen wurde, mit allen verfügbaren Truppen sofort ins Innere auszubrechen und den Widerstand der noch im Felde stehenden türkischen Truppen so schnell als mög. lich zu brechen. Nom, 13. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) „Giornale d'Ztalia" meldet aus Tripolis: Am Vormittag sei ein Kameltreiber mit einem Briese des Führers der türkischen Truppen, Munir Pascha, «ingetroffen, worin dieser die Absicht geäußert haben soll, zu kapi- tuliercn, da die Lage der Türken unhalt, bar sei. Nom, 13. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Zwei Be amte des Ministeriums des Innern sind nach Tripolis gesandt worden, um dort die bestehende türkische Ver waltungsorganisation zu studieren, um die Vorbe reitungen für die Einrichtung desitalient. scheu Zivildienstes zu treffen. Waffenstillstand zwischen der Türkei uud Italien? Paris, 13. Oktober. (Eig. Drahtmeldung.) Zn Pariser diplomatischen Kreisen ging heute das Ee> nicht, Laß zwischen der Türkei und Italien ein W a f- f e n st i l l st a n d geschlossen worden sei. Eine An frage auf der hiesigen italienischen und tür- kischen Botschaft stellte fest, daß bis heute in den späten Nachmittagsstunden dort noch keine Bestätigung dieser Meldung vorliegt. Ein Aufruf des Generals Caneva. Tripolis, 13. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) General Caneva, der Oberstkommandierende der italieni- schen Truppen, erlieg andieVevölkerungvon Tripolis und Chrenaika einen Aufruf, worin er erklärt, er fei nicht entsendet worden, um die Bevölkerung zu Sklaven zu machen, sondern um ihr, die bisher der türkischen Knechtschaft unterwor fen gewesen sei, ihr Recht wieder zu ver- schaffen, ihre Bedrücker zu strafen und sie frei zu machen. Das Volk würde von seinen Häuptlingen unter dem Schutze des Königs von Italien regiert werden. Alle religiösen und bürgerlichen Gesetzes vorschriften sollten unantastbar bleiben. Es werde auch keine Kontribution eingezogen und die jetzt be stehenden würden revidiert und herabgesetzt, eventuell sogar ganz abgeschasft werden. Niemand solle gegen seinen Willen zum Waffendienst gezwungen werden. All Lies werde die Grundlage für die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Schirmherrn und seinen Schutzbefohlenen bilden. Der Aufruf schließt: Ita lien wolle den Frieden und wolle, daß das Land unter dem Schutz des Königs von Italien ein Land Les Islams bleibe, und daß die italienische Flagge darin wehe als ein Zeichen der Treue, Liebe und Hoffnung. Italienische Disziplinlosigkeiten. Rom, 13. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Aus Tri polis hierher gelangende Nachrichten lasten erkennen, Laß die Disziplin unter den italienischen Truppen des Landungskorps nicht die b e st e ist. Zu wiederholten Malen ist cs jetzt vor gekommen, daß italienische Patrouillen namentlich in der Nacht auseinander feuerten, und das; maro- dierende Soldaten, die sich nachts hrrumtrieben. von Rondepatrouillen erschossen wurden. Rußland ist ungehalten. Petersburg, 13. Oktober. (Eig. Drahtmeldung.) Angesichts der Befürchtungen der interessierten Kreise wegen des freien Exportes russi schen Getreides infolge des Krieges erhielt der russische Botschafter in Konstantinopel den Auftrag, die Pforte auf die Wichtigkeit hinzuweisen, die die Frage für Rußland habe. Die Pforte antwortete, sie werde sich nach der Londoner Deklara tion von 1909 richte n. Das Nichterhalteu einer bestimmten Antwort bewog die russische Regie rung, ihrem Botschafter vorzuschreiben, der Pforte folgende schriftliche Mitteilung zu machen: Die Kaiserliche Regierung erklärt auf Grund der Pariser Deklaration von 1856, wie auch von Artikel 24 und 33 der Londoner Deklaration, sie erachte diejenigen Ladungen russischen Getreides als weder dem Arrest noch der Konfiskation unter liegend, welche unter neutraler Flagge aus den russischen Häfen im Schwarzen Meer nach Häfen Italiens oder den Häfen anderer Reiche adressiert seien, soweit solche Ladungen nicht für die Streit kräfte oder amtliche Stellen Italiens bestimmt seien. Jeden Versuch, die genannten Ladun gen zu arretieren oder zu konfiszieren, werde die russische Regierung als eine Ver letzung der Rechte Rußlands ansehen. Sie warne vor der schweren Verantwortung, welche die türkische Regierung dadurch übernehme. Der russische Botschafter habe nunmehr mitgeteilt, daß die Uebergabe der Note an das Ministerium des Auswärtigen am 8. Oktober erfolgt sei. Bisher fehle aber noch eine offizielle Antwort. Die Pforte beabsichtige jedoch augenscheinlich, sich auch an Artikel 34 der Londoner Deklaration zu hal ten. — Unterdessen erhielt dergriechische Dampfer „Krtlra", der inzwischen den Bosporus erreichte, freie Durchfahrt. Der Fall gibt Anlaß, zu er warten, daß auch dis übrigen Schiffe mit russischem Getreide ungehinderten Durchlaß erhalten. Dessen ungeachtet besteht der Botschafter auf der Mitteilung einer offiziellen Antwort. Odessa, 13. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Fast alle ausländischen Dampfer mit Getreide ladungen an Bord sind nach ihren Bestimmungs häfen ausgelaufen. Bulgariens Haltung. Sofia, 13. Oktober. (Eig. Drahtm.) Blätter meldungen zufolge beschloß der Ministerrat als Ge genmaßnahme auf das Vorgehen der türkischen Mili tärverwaltung die Mobilmachung zweier Erenzdivisionen. Die bulgarische Regierung soll vertrauenswürdige Informationen erhalten haben, daß das jungtürkische Komitee eine aggressive Aktion gegen Bulgarien beschlossen habe. — Amtlich wird dies für entschieden als völlig unbegründet und tendenziös bezeichnet. Die bulgarische Regierung habe ihre bisherige friedliche Haltung keines wegs geändert. Stead in Konstantinopel und die Zungtürken. Konstantinopel, 13. Oktober. (Wien. k. k. Telegr. Korr.-Bur.) Der hier eingetroffene englische Friedensapostel William Stead hatte gestern abend eine Besprechung mit dem Minister des Aeußeren. In j u n g t ü r k i s ch c n Kreisen ver lautet, daß die Kammcrmehrheit in der Tripolisfragc den Standpunkt vertrete, den Krieg gegen Italien auf das hartnäckigste fortzusetzen, alle Italiener auszuwcisen und andere Repressalien an zuwenden. Protesterklärungen. Konstantinopel, 13. Oktober. Die Pforte pro- testierte bei den Kretaschutzmächten gegen die Eröffnung der kreten fischen Kammer im Namen des Königs der Hellenen und erklärte, wie verlautet, die jetzigen Schwierigkeiten könnten die Pforte nicht von der Wahrung ihrer Souveränitätsrechte abhalten. Wie die Blätter melden, hat England gegen die Entsendung türkischer Truppen nach Samos protestiert. Die Retwlutmn in Lhins. China steht am Vorabend blutiger Er eignisse, die die Grundfesten des himmlischen Reiches in noch höherem Maße erschüttern dürften, als der Taiping-Aufstand, der 15 Jahre lang das Reich der Mitte durchzuckte und Millionen von Opfern an Menschenleben kostete. Die neue gegen die Mandschu.Herrschaft gerichtete Revolution, deren Zen trum Wutschang ist, nimmt jeden Tag ein bedroh licheres Aussehen an. Nach den letzten Nachrichten sind 6000 Mann des stehenden Heeres zu den Rebellen übcrgegangen. die das ganze Gebiet in der Umgegend von Wutschang beherrschen. Zwei- bis dreihundert Mandschus, darunter mehrere hochangesehene Man darinen, sind ermordet worden. Auch Suifu ist in die Hände der Rebellen gefalle». Die Regierung Hot zweiArmeekorps europäisch ausgerüsteter Trup pen unter Befehl des Kriegsministers. General Pinchang, der selbst einer alten Mandschufamilie angehört, mobilisiert und nach dem Süden ab gesandt. Pinchang, der in der deutschen Armee gedient hat, hat weitgehende Vollmachten erhalten, mit der äußersten Strenge gegen die Empörer vor- zugehcn. Falls die Nordarmee in Petschili meutert, ist das Schicksal der Regierung besiegelt. An der Spitze der Revolutionäre steht ein junger 24jähriger Student namens Huh, der sich eines großen Anhanges und nahezu göttlicher Verehrung bei üen Masten er freut. Im einzelnen verzeichnen wir folgende De peschen: Peking, 12. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Ueder den Ausbruch der Revolution im Gebiete von Wutschang erhielt die Regierung folgende Nach richten: Die Regierung hatte nach Szetschwan aus Hupeh Truppen gesandt, die von dem Kom plott zwischen den Revolutionären und der Armee, das in Hankau ausgebrochen war, noch nichts wußten. Plötzlich wurde ein e i n e m russischen Tee- hänülergehörendesHaus durch eine Bombe in die Luft gesprengt. Die Wut der Revo lutionäre richtete sich in Hankau deswegen gegen die Russen, weil die Rusten dort die größten Teehändler sind und als Ausbeuter der ärmeren Bevölkerung gelten. Die Behörden liefen sofort eine Reihe Ver haftungen vornehmen, und es stellte sich heraus, daß an 30 verschiedenen Orten Explosiv stoffe verborgen waren. Vier der Verhaf teten wurden sofort enthauptet, wahrend die übrigen in ein strenges Verhör genommen wurden. Die Untersuchung ergab, daß die Führer des Heeres mit den Revolutionären im Lunde waren. Als die Offiziere sich entdeckt sahen, hielten sie eine Ansprache an die Truppen und for derten sie auf, sich öffentlich zu den Revolutionären zu schlagen. Zu gleicher Zeit brach in verschiedenen Stadtvierteln die Revolte aus. Die Revolu tionäre bewaffneten sich in den nicht von der Polizei entdeckten Bombenlagern und sprengten die Regierungsgebäude in die Luft. Die revolutionären Banden, die im Verein mit den meu ternden Truppen durch die Stadt zogen, verbreiteten überall Schrecken, da sie ohne Unterschied zu rauben und morden begannen. Peking, 12. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Die Re volutionäre haben Emissäre nach Hupeh, Szetschwan, Hünan, Honan, Kiangsu und Pllnnan entsandt. Sie entfalten dort eine große Tätigkeit, um die Bewohner dieser Provinzen zum Anschluß an die Revolution zu bewegen. Peking, 12. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Die anfrührerische Armee hat Utschang eingenom men, wo sich die gesamten Vorräte der chi» nesischen Südarmee befanden. Peking, 13. Oktober. (Reuter-Meldung.) Die ge setzgebende Versammlung der Provinz Hupeh sagte sich von der kaiserlichen Regierung los. Die Aufstä irdischen in dieser Provinz, die 10000, nach anderen Berichten 15 000 Mann zählen, sollen 30 moderne Geschütze erbeutet haben. Aus Tschengtu wird gemeldet, daß die Aufständischen von Szetschwan das ganze Gebiet westlich vom Minho zwischen Kiating und Kwan besetzt haben.' Das Feuergefccht zwischen den Aufstän dischen in den Forts von Wutschang und einem treugebliebenen chinesischen Kriegsschiff wurde nach kurzer Dauer eingestellt, nachdem die bri tischen und japanischen Kcnsulatsbeamten erklärt hatten, daß durch die Geschosse die Fremden« Niederlassungen gefährdet würden. P e k i n q, 12. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) 2000 treugebliebene Soldaten haben sich auf Hanyang zurückgezogen. Sie bilden den Kern der Truppen des Bizeköuigs, der aus Petschili Ver stärkungen verlangt hat. Die Regierung fürchtet den Ausbruch der Revolution in Peking und hat bisher Der ksMe Sunüertmarkschein. 4j Roman von Arthur Zapp. (Nachdruck verbalen.) Kopfschüttelnd und sinnend sah er nach der Tür, hinter der die bleiche, angegriffen- junge Frau am Arm ihres Gatten verschwunden war. Merkwürdig, wie sehr sie sich verändert hatte! Er hatte sic als junges Mädchen gekannt, damals war sie ihm immer als die Frische und Gesundheit selbst erschienen und von munterem, heiterem Tem- perament. Die Ehe hatte sie auffallend verwandelt. Und der Gedanke von gestern mittag und die wei- teren Leobachtungen, die er während des Tages uno des Abends gemacht hatte, wurden wieder lebendig in ihm. So scch sicherlich keine glückliche junge Frau aus . . . Frau Irmgard legte sich in ihrem Schlafzimmer auf die Chaiselongue. Der besorgte Gatte nahm naben ihr Platz und liebkoste ihre bleichen Wangen. Seinen liebevollen Fragen aber wich sie aus, indem sie matt die Augen schloß. Als er sich nach einer Stunde von ihr verab schiedete, um sich nach dem Gericht zu begeben, fragte er sie, ob sie noch irgendeinen Wunsch habe. Sie erhob ihren Oberkörper 'lebhaft, sich vuf einen Arm stützend. „Ja. bitte telephoniere doch an Ingeborg — du weißt, an den Kaufmann Kersten unten im Hause. Der schickt hinauf zu ihr. Ich laste sie bitten, ein bißchen zu mir zu kommen." Eine Stunde später — der Landgerichtsrat be- fand sich bereits auf dem Gericht und auch der Marineleutnant hatte di« Wohnung verlassen, um eine dienstliche Meldung abzustatten — traf die Cousin« der Hausfrau Ingeborg Ruland ein. Die junge Dame war ein dunkelhaariges Mädchen mit lebhaften braunen Augen, aus denen eine stark« geistig« Regsamkeit blitzte. Was die Gestalt anbe- traf, so batte sie in dieser Hinsicht viel Aehnlichkeit mit der um etwa vier Jahre älteren; auch sie war groß und schlmrk und wohlproportioniert. Si« waren beide nicht nur verwandt, sondern von Kind heit an innig befreundet. Die äußeren Verhältnisse der jüngeren waren bessere als di« Irmgards; sie batt« zwar keine Eltern mehr, lebte aber in sorgen freien Verhältnissen, denn die Zinsen des ererbten Vermögens reichten au», sh« Bedürfnisse und di« einer weitläufig verwandten älteren Dame, die bei ihr lebte, reichlich zu bestreiten. Die Leidende lag noch auf der Chaiselongue im Schlafzimmer, die Cousine setzte sich zu ihr und eine Stunde lang blieben die beiden Damen in leb haftem Gespräch beisammen. Als Ingeborg sich wieder verabschieden wollte, weil sie dringerL» zu tun habe, hielt die andere sie mit heftiger Dringlich keit zurück. „Nein, nein? Ich lasse dich noch nicht." „Aber dir wird gut tun, allein zu sein und zu ruhen." „Nein, nein! Denkst du, ich könnte schlafen mit dieser Unruhe und Angst im Herzen?" t Das junge Mkdchen ließ sich nicht lange bitten. Es mochte wohl auch die Neugierde und der geheime Wunsch dabei mitfpiclcn, den Marineoffizier, dessen Bild noch treu in ihrer Erinnerung lebte, wieüer- zusehen. Als Richard Werder eine Stunde später nack) Hause zurüKehrte, befanden sich die beiden Damen — Irmgard hatte inzwischen Toilette gemacht und schien sich bereits völlig erholt zu haben — im Salon. Der junge Marineoffizier war offenbar sehr angenehm überrascht, sich Ingeborg Ruland, die er im fernen Asien nicht vergessen hatte, gegen über zu sehen. Mit leuchtenden Augen, in denen sich sein lebhaftes Interesse spiegelte, betrachtete er die leicht Errötende. „Sie haben sich sehr verändert, gnädiges Fräu lein," kam es ihm unwillkürlich über die Lippen. Sie lächelte. „Dasselbe wollte ich von Ihnen sagen, Herr Werder." „Ich bin eben drei Jahre älter geworden, gnä diges Fräulein." „Waren es nur drei Jahre? Einem Mann kann man das ja sagen; Sie sehen um zehn Jahre reifer aus." Er verneigte sich leicht und entgegnete mit ernstem Gesicht: „Drei Jahre im Ausland Mlen doppelt und dreifach. Man erlebt da eine Menge und reift deshalb wohl schneller äußerlich und innerlich" Tie nahmen beide im Etter Platz, in dein außer zwei Puffs nur ein kleines Tischchen und eine Palme standen. Frau Irmgard verließ leise das Zimmer, um in der Küche Anordnungen zu treffen. „Und in welcher Hinsicht habe ich mich so sehr ver ändert?" fragte Ingeborg Ruland trotz ihres Ernstes ! und ihrer geistigen Interessen mit einem Anflug natürlicher Koketterie. Richard Werder lick seins Blicke sinnend und prüfend auf oem Antlitz der jungen Dame ruhen, über das sich wieder eine sanfte Röte verbreitete, die den ernsten, gedankenvollen Zügen in Verbindung mit einer leichten Befangenheit, deren sie sich nicht erwehren konnte, etwas Liebliches und mehr Mädchen haftes verlieh, als ihr sonst eigen war. Der Leutnant begann zu sprechen, zuerst langsam, als müsse er sich erst das Resultat seiner Drob- achtungen vergegenwärtigen, dann lebhafter, schneller: „Ich war mir im ersten Moment nicht klar über die doch sofort ausfallende Veränderung. Es schien mir zunächst nur die natürliche Folge der drei Jahre, während deren wir uns nicht gesehen. Aber Lae allein tritt ja in Ihren Jahren nicht so merklich in dir Erscheinung. Nein! Es ist die Wirkung des geistigen Lebens, das Sie führen, fleißiger, ange strengter Denkarbeit, die Sie in der verhältnismäßig doch kurzen Zeitspanne geleistet haben. Ja, das ist es: das Studium hat Ihrem Antlitz einen anderen Charakter gegeben." Sie lachte laut auf und verbarg die angenehme Empfindung des Geschmeickeltseins unter einer ge künstelten humoristischen Miene der Gekränktheit: „Sie meinen, etwas Blaustrumpfiges, so etwas Ver staubtes? Aber —" sie streckte mit einer graziösen Bewegung ihre beiden Hände aus — „Tintenkleckse habe ich nickt an den Fingern." Er sah ibr bewundernd ins Auge und wollte mit einer instinktiven Bewegung ihre Hände ergreifen, aber sie zog sie hastig zurück. „Nein, nein", beteuerte er voll Eifer, „vom Blau strumpf hastet Ihnen ganz und gar nichts an. Und wenn Sie sich verändert haben, so wahrhaftig nicht zu Ihrem Nachteil. Ick finde, gerade der geistig be lebte Ausdruck, das Merkmal eines reichen Innen lebens. verleiht erst einem weiblichen Gesicht seinen anziehendsten, fesselndsten Reiz. Für hübsche, leere, ausdruckslose Puppengesichter habe ich weniostens nie geschwärmt." Ihre Stirn legte sich In Falten und ein ironisches Zucken umspielte ihren feinaezeichneten Mund. „Ich sehe, Sie baben auch in Asien die Eigeki- schäft nicht verlernt, die wohl eine der hervor ragendsten bei den deutschen Offizieren ist." „Welche, pnädiges Fräulein?" „Die Neigung. Komplimente zu drechseln, Schmeicheleien zu sagen." I Das Gesicht des jungen Offiziers wurde sehr ernst, eine lebhafte innere Bewegung spielte sich in seinen Mienen ab, ja, er erhob sich sogar in dem Eifer, der ihn erfaßte. „Gnädiges Fräulein", sagte er mit vor innerer Erregung bebender Stimme, „halten Sie mich wirk lich für so leichtfertig und oberflächlich, daß Sie glauben, ich wüßte bei unsrer ersten Wiedcrbegeg- nunq nack so langer Zeit nichts Besseres zu tun. als Ihnen leere Artigkeiten zu sagen? Ich habe nie aufrichtiger, nie mit solch innerlickrer lleberzcugung gesprochen. Schon damals, als Sie die Gymnasial- kurle für Damen besuchten und sich zum Abiturium vorbereiteten — das hat mir ungemein imponiert Ich gehöre nicht zu den rückständigen Miv-uer-.',. die cs für unweiblich halten, nenn «ick eine Dame dem Studium widmet und den Mannern an geistiger Bil dung gl-schzulommen bestrebt ist." Sie sah ihm schweigend in das glühende, von ehr licher, warmer Empsindunq strahlende Gesicht. Dann nickte sie, wie dankend, und erbeb sich. „Sehen Sie", sagte sie, mit schnellen Schritten an die Wand zur Rechten schreitend, ohne auf seine Worte einzugehen, „das Bild haben Sie gewiß noch nickt betrachtet. Es ist ein Aquarell von Irmgard — ein Motiv aus dem Grünewald. Finden Sie nicht, daß die Farben frisch und natürlich sind und daß Stimmung in dem Bild ist?" Der junge Offizier stellte sich folgsam neben sie Aber er war noch zu erregt, als daß er zu ruhiger Prüfung imstande gewesen wäre. Zerstreut liefen seine Blicke über das Bild. Sie war erstaunt, daß er nicht antwortete. , „Es scheint, Sie besitzen noch immer Ihre heftig« Voreingenommenheit gegen Irmgard", bemerkte sie in einem tadelnden Ton. „Nein. nein, wirklich nicht!" beeilte er sich zu ver sickern. „Meine heißblütigen Empfindungen in dieser Beziehung haben sich draugen in der Fremde sehr ab- gc kühlt und ich habe gerechter denken gelernt. Ich glcube jetzt, daß auch Ehen berechtigt sind, die ledig lich auf den Gefühlen der Dankbarkeit und ehrlichen Sympathie und Achtung beruhen, ohne daß leiden, schaftliche Liebe vorhanden ist. Mein Vater ist jeden falls glücklich und zufrieden und schon da, allein verpflichtet mich Irmgard gegenüber -um Dank. Nein, ich hege gegen sie nicht mehr den mindesten Groll, im Gegenteil, ich sehe -u meinem Bedauern, daß sie nicht glücklich zu sein scheint." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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