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Nr. dl — Lv. Jahrgang Sonnabend den X». April SächslschePolks^ilung Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn-und Festtag«. «„Habe 4 mit .Die »eit In Wort und Bild- vierteljährlich ^Jn.Drerken durch Boten »,4t» ^ In «an, Deutschland frei Hau» 2,8» in Oesterreich 4,4« IO ° illustrierte Beilage vierteljährlich 1,8» U». Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werben die »gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 45 Reklamen mit 5» z die ^eile berechnet, bei Wicderhotungen entsprechenden Rabatt, Bnchdruikeret, Redaktion nnd Geschäfttiftelle- Dresden. Pillniher Strafte 4». - Fernsprecher 4»««» SsiirRllckgabe unverlangt. Schrtststiiike keine Berbtudltchket« RcdaktionS-Sprechslunde: 4 4 bi« 42 Uhr. Sie Lebenskraft der katholischen Kirche. Dresden, den 21. April 1911. Tagtäglich bemühen sich die Gegner der katholischen Kirche mit Prophezeiungen, die sich diametral entgegen- stehen. Der eine Teil sieht bereits den Felsen Petri ab- bröckeln und entdeckt Risse in seinen Grundfesten. Man spricht auch mit Vorliebe vom „Modergeruch" der mittel alterlichen Kirche, von der Versteinerung, die der Feind eines jeden modernen Fortschrittes sei. Ein anderer Teil der Gegner weist mit größtem Aufwands von Lungenkraft auf die gewaltige Macht der Kirche hin: sie sei eine offene Gefahr für den Protestantismus: nur ein energischer Kul turkampf aller freiheitlichen Gegner könne die Macht brechen. In dem Geschäftsberichte des Luthervereins, der am 19. April in Dresden die zweite Hauptversammlung abhielt, beißt es, um ein Beispiel zu geben, u. a.: „Das Jahr war besonders geeignet, die Angen zu öff- neu über das Wesen des Papsttums, lieber Borromäus- enzyklika, Prinz-Max-Streit und Modernisteneidsrage mußte man klarer als je die Notwendigkeit erkennen, daß alle Mächte, die nicht auch für religiöse und kulturelle Er starrung eintreten, mobil gemacht werden müssen gegen jene ultramontanen Gewalten. Nach den Erfahrungen von 1910 muß man überzeugt sein, daß sonderlich wir Deut schen unsere Heiligtümer, evangelisches Christentum und deutsche Volksart, mit allen Mitteln gegen Rom verteidi gen müssen." Man spricht von „ultraniontanen Gewalten" und von der Verteidigung der Heiligtümer der Deutschen, als wenn die Katholiken nicht auch Deutsche wären und als ob deutsche Volksart nur die Protestanten aufzuweisen hätten. Diese beleidigende Anmaßung wird noch übertroffen durch die Vorspiegelung, das; von der kathol. Kirche dem „evange lischen Christentum" Gefahr drohe. Das Christentum wird von ganz anderer Seite bedroht: auf der Generalversamm lung des Evangelisch-lutherischen Schulvereins, die am 18. dieses Monats in Frciberg stattfand, hat dies Rektor Griin- weller in seinem Vortrage iiber den alten und neuen Glau ben offen ausgesprochen, wie wir an anderer Stelle der Heu- ligen Nummer berichten. Eine große Bedeutung hat die katholische Kirche für die Erhaltung des wahren Christen- lums. Die Debatten über den Modernisteneid haben dies klar hervorgehoben. Wenn wir Katholiken auf diese Tat- iache Hinweisen, so geschieht cs nur, weil die Gegner zu dieser Abwehr durch ihre fortgesetzten Angriffs zwingen. Lassen wir in folgendem kurz den historischen Werde gang der letzten Jahre vor unseren Augen vorüberziehen, den Werdegang zu der Konsolidierung des Katholizismus, zum einheitlichen Zusammenschluß und zur inneren Reim- gung und Stärkung. Im Jahre 1907 erläßt der heilige Vater einen neuen Syllabus. In diesem verwirft er 65 Jrrtümer der modernen Bibelkritik. Der Nationalismus schrie erzürnt auf, deklamiert daS alte Lied von Knebelung der Wissenschaft und wie die Ladenhüter sonst heißen. Der gläubige Protestant aber sieht mit Staunen, daß das an geblich „bibclfcindliche" Rom sich zum Schutze der bedrohten heiligen Schrift erhebt. Er sieht im Gegensatz zu dieser kraftvollen Tat des Papstes die Kraftlosigkeit, mit der von seiten der evangelischen Kirchenbehörden der Zerstörungs arbeit der Vibelkritik zugesehen wird. Ter Papst wird zum Hort der gcoffenbarten Glaubenswahrheit und mehrere Zuschriften von Protestanten an unsere Redaktion erklärten in jenen Tagen, daß sie ihre mit der Muttermilch einge- iogene Ansicht über „Rom und die Bibel" einer Revision unterziehen müssen, denn sie sehen, wie sich der Papst gegen jene wende, die von der heiligen Schrift nur noch den Ein- band unberührt lassen. Als Heiligtum betrachtet der Luther verein das Christentum und die Bibel: Rom hat beide ge- Witzt gegen die große Gefahr der Zeit. Dann kam die Modernistenenzyklika Pascendi, über die so viel gesprochen worden ist nnd die die wenigsten Akatho- liken gelesen haben. Hier wird der gesamte Modernismus, der das Lebensmark der Kirche anzufressen droht, verworfen als die „Summe aller Jkrtümer". In philosophischen ge lehrten Ausführungen legt das Rundschreiben dar, wie ge fährlich diese Lehren für das ganze Christentum sind. Auf dieses Rundschreiben hin bäumte sich wieder die liberale Welt auf, weil eS die Lieblingsidee des Liberalismus ins Herz trifft, besonders mit den disziplinären Maßnahmen am Schlüsse. Damals erhoben sich gelehrte Protestanten, um in edlem Wettbewerbe das Ende der katholischen Wissen schaft zu verkünden. Es sei nur an die vielen Abhandlun gen der „Internationalen Wochenschrift" erinnert: man spe kulierte auf einen Massenabfall der Katholiken und beson der» auch der katholischen Professoren. Zwei dürre Aeste Motr nocb nie äsgovvesener lLakkee - l'euerunx kostet unser be liebtsr, vorrügliclrer ^amilien-kafkee nur ISO pk. ilas k>kunö. üerlmx k kockstroli, Dreien. IReäerlagen in all n Htnötteilen, nur fegte dieses Rundschreiben herunter: diese beiden Pro fessoren wären auch ohne Enzyklika ausgeschieden: der eine von ihnen hat seinen vollendeten Unglauben erst kürzlich aller Welt kundgetan. So waren die Hoffnungen der Geg ner abermals vereitelt. Rom besteht weiter. Als dritte Maßnahme hielt der Papst den Moder nisteneid für die Geistlichen erforderlich. Nun nnichsen die Hoffnungen der Liberalen himmelhoch. Sie redeten in ihren Blättern von der „schweren Schicksalsstunde für den deutschen Katholizismus" und sahen schon den Massenabfall der Priester, obwohl der Papst nur seinen Garten jätete und das Unkraut über die Mauer warf. Freimaurerei, Liberalismus und Freidenkcrtum aber setzten nun im Par lamente ein und in tagelangen Debatten erörterte man diese innerkirchliche Angelegenheit, den neuen Amtseid unserer Geistlichen, den nahezu alle abgelegt haben nnd der nur in ganz wenigen Fällen verweigert worden ist. Wir haben alle Namen, die die liberale Presse nannte, verfolgt und kommen unter den 20 000 Geistlichen airf nur 25 Eidesverweigerer. Welch glänzendes Zeugnis für un seren Klerus und die Lebenskraft der Kirche! Kann eine andere Religionsgemeinschaft heute eine solche bindende und verpflichtende Erklärung auf das geoffenbarte Wort Gottes sonst noch wagen? Diese Frage aufwerfen, heißt sie verneinen. Dieser weitere Schritt des armen Greises im Vatikan, der gar keine äußeren Machtmittel hat und dem doch ganze Völkerschichten folgen, ist der beste Beweis von der Macht des Papsttums. Alle Nationen, alle Rassen, alle Stämme, alle Spracl-en lassen durch ihre Priester das eidliche Gelöbnis der Glaubenstreue ablegen. Wir finden es begreiflich, wenn der Liberalismus staunt ob solcher Kraft. Er ruft den Staat, die Polizei, die Ge setzgebung an gegen das Wort des Papstes! Was kann doch nicht der Papst in seinem Glaubenseifer alles in Bewegung sehen? Die Katholiken und ihre Geistlickien bringt er zur freudigen Huldigung und die Gegner der geoffenbarten Wahrheit zu förmlichen Wutausbrüchen, in denen den Ka tholiken der „moderne Sinn", alle „Wissenschaftlichkeit", „freie Forschung" usw. abgesprochen wird. Solche Phrasen lassen uns eisig kalt: sie sind schon zu oft angewendet wor den und verlieren jede Stoßkraft. Die Katholiken haben sich gegen solche abgenutzte Pfeilchen des Liberalismus eine dicke Haut angeschafft. Die gesamte Aktion des Papstes hat somit trotz mancher unangenehmen Nebenerscheinung doch eine Stärkung der Kirche herbeigeführt. - Es bewahrheitet sich der Christus satz: „Und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwälti gen!" Das ist aller Katholiken Trost in den Tagen des Ansturmes, denn namentlich die Einigkeit und der Zusam menschluß der Katholiken haben ungemein viel gewonnen. Gott hat das Böse der Gegner wieder einmal zum Guten gewendet. Potttische Rundschau. Dresden, den 21. April 1911 — DaS Kaiserpaar wird in Begleitung der Prinzessin Viktoria Luise an Bord der „Hohenzollern" am 15. Mai in der Frühe in Port Victoria eintreffen. Der Kaiser und die Kaiserin nehmen als besondere Gäste des englischen Königspaares im Buckingham-Palast Wohnung. Da der Besuch rein familiären Charakter trägt, wird der deutsche Kaiser von keinem Minister oder Staatssekretär begleitet sein. Die Rückreise erfolgt am 20. Mai früh von Port Victoria aus. — Vom Rücktritt deS Staatssekretär» Delbrück wissen einzelne Blätter zu erzählen; er soll nach Pfingsten wegen Scheiterns der reichsländtschen Verfassungsfrage abgeheu. Diese Nachricht ist zum mindesten verfrüht, da mau noch gar nichts über die Aussichten dieses Entwurfes sagen kann. Wenn er zu Fall kommt, kann es allerdings Minsterwechsel in Berlin und namentlich in Straßburg geben, das ist zutreffend. — Das Ende dcr Legislaturperiode. Zu der Frage, wann die Legislaturperiode des Reichstages abläuft, wird uns von einer offiziösen Korrespondenz bestätigt, daß man in Regierungskrcisen der Meinung ist, daß die gegenwär- tige Legislaturperiode erst am 25. Januar 1912 abläuft. Die Ansicht, daß die Legislaturperiode bereits am 13. De zember 1911 zu Ende sei, wie es von liberaler Seite so gern hingestcllt wird, weil an diesem Tage die Auflösung des früheren Reichstages erfolgte, ist unrichtig. Die Regie rung kann also die Session bis in den Januar 1912 hinein verlängern, wenn sich dies als notwendig Herausstellen sollte, — DaS Befinden des Abgeordneten Dr. Freiherr« von Hertling ist fortgesetzt ein ausgezeichnetes: er hofft, in den nächsten Tagen nach München übersiedcln zu können. An den Vormittagen geht er mit seinem Studienfreund Ge heimrat Volkmar, im Berliner Tiergarten spazieren. Die völlige baldige Genesung steht in sicherer Aussicht. Viel Spaß erlebt der Rekonvaleszent an den Bemühungen ein zelner liberaler Blätter, die sein Ableben nicht früh genug erfahren konnten und Geld im Hedwigskrankenhaus hinter legten, um ja als erste die Nachricht bringen zu können. „Aber diesen Gefallen habe ich der Presse doch nicht getan," meinte Freiherr v. Hertling scherzend dieser Tage und ließ sich alle Einzelheiten dieser „liebevollen" Bemühungen schildern. Mit großer Dankbarkeit dagegen nimmt er Kenntnis von der lebhaften Anteilnahme aller Schichten des katholischen Volkes, der Berliner und Münchener Be hörden und einzelner Fürstlichkeiten, wie auch namentlich deS Papstes. — Um de» Sitz des KolonialgcrichtShofes. Die Han delskammer zu Windhuk hat in Gemeinschaft mit der Ver einigung Swakopmunder Kaufleute ein Kabeltelegramm an das Präsidium des Reichstages gerichtet, in dem sie sich der entsprechenden Eingabe der Hamburger Handelskam mer anschloß, die Errichtung des Kolonialgerichtshofes in Hamburg und nicht in Berlin herbeizuführen. In der schriftlichen Eingabe, die diesem Telegramm folgte und die die Gründe für diese Stellungnahme der Kaufmannschaft ausführlich darlegte, heißt es: „Wenn auch die Errichtung des Gerichtshofes in Ber lin infolge der merkwürdigen Versteifung der Regierung auf diese Forderung bereits beschlossene Sache scheint, so hält cs die Kaufmannschaft Südwestafrikas doch — nament lich auch angesichts der sehr eigenartigen Mehrheit für die sen Beschluß, der niit sieben gegen sechs Stimmen bei einer Stimmenthaltung gefaßt wurde — für ihre Pflicht, noch in letzter Stunde ihre warnende Stimme zu erheben und gegen die Errichtung des obersten Kolonialgerichtes in Berlin energisch Verwahrung einzulegen. Sie ist nach wie vor der unerschütterlichen Ueberzeugung, daß sowohl die Verlegung des Gerichtes nach Berlin, wie seine teilweise Besetzung mit Beamten, statt ausschließlich mit unabhängigen Richtern, die Quelle dauernder Unzuträglichkeit sein muß." — Zum Koalitionsrecht der technischen Angestellten beschloß der Delegiertentag des deutschen Werkmeisterver- bandcs, der Ostern in Straßburg tagte, folgendes: „Die Delegiertenversammlung beschließt, durch Eingaben an den Bundesrat und Reichstag dahin zu wirken, daß unter Auf hebung der Z8 162 und 163 der Gewerbeordnung durch Er laß eines besonderen Gesetzes den Berufsvereinen volle Rechtsfähigkeit verliehen werde, mit der ausdrücklichen Be stimmung, daß solche Vereine dem Vereins- und Versamm lungsrecht nicht unterstehen." ^ — Gegen dir ReichSversichernugSorduung. Der Bund der technisch-industriellen Beamten hat in den Ostertagen Stellung zu den Entwürfen einer ReichsversicheruugSordnung und einer Pensionsversicherung der Privatangestellten ge nommen. Sein Urteil fiel hart aus. Die Reichsversiche- rungS-Ordnung wurde in der Fassung, in dcr sie aus der Kommission des Reichstages hervorgegangen ist. als voll kommen unannehmbar erklärt, und gegen die Penstons- Versicherung der Privatbeamten, wie sie die Regierung vor geschlagen Hut, wurden die schärfsten Bedenken erhoben. Vor allem aber protestierte der Bund gegen eine Durch- peitschung der Reichsversicherungsordnung im Reichstage, wie sie geplant sei. Was die materiellen Anklagen betrifft, so sind sie zum Teil begründet, indem die Kommission leider gegen den Antrag des Zentrums beschlossen hat, die VcrsicherungSpflicht bei 3000 Mark Jahreseinkommen zu schließet,. DaS Zentrum beantragte für die Kranken versicherung die 3000 Mark-Grenze; aber hiergegen stimmten die Rechte, die Nationalliberalen und die fortschrittliche Volkspartei. Wir wollen hoffen, daß im Plenum wenigstens 6000 Mark gesetzt werden. Dann sind viele Bedenken der technischen Beamten gehoben. Von einer Durchpeitichung spricht niemand, es handelt sich nur um eine abschnittsweise Beratung, wie sie die Geschäftsordnung zuläßt: solche ist absolut notig, wenn das Werk zustande kommen soll und dabei können alle Bedenken vorgetragen werden. Für die 3000-Mark-Grenze bei der Krankenversiche rung tritt gleich uns sehr lebhaft die „Merkuria", das Ver bandsorgan der katholischen kaufmännischen Vereine ein. Sie meint: „Denn mochte vor 30 Jahren, als der Gesetzgeber die Grenze von 2000 Mark festlegte, diese Summe den Maß- stab bilden dafür, ob jemand in der Lage sei, in den Tagen der Krankheit aus eigenen Mitteln für sich und die Seini- gen zu sorgen, oder ob er, um die durch die Krankheit ent stehenden Kosten tragen und die fortlaufende» Auslagen für sich und seine Faiuilie aufbringen zu können, der Ver sicherung bedürfe: heute ist jedenfalls die Gehaltsumme von 2000 Mark nicht mehr hierfür entscheidend. Denn darüber ist sich jeder klar, daß heute 2000 Mark nicht mehr die Kaufkraft haben wie vor etwa 30 Jahren. Die Lebens mittel sind teurer geworden, die Wohnungsmieten sind ge stiegen, größere Anforderungen werden an den Angestellten, den Handlungsgehilfen gestellt, die Auslagen für eine standesgemäße Erziehung und Ausbildung der Kinder wer den immer größer — kurzum, die Lebensbedürfnisse und Lebensverhältnisse haben sich geändert; die Folge davon ist