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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000802021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900080202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900080202
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-08
- Tag 1900-08-02
-
Monat
1900-08
-
Jahr
1900
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Sonntag nach Trinitatis. — Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen. Text: 2. Mose 17, V. 11: „So lange Moses seine betenden Hände emporhielt, siegte Israel; wenn er aber seine Hände niederließ, siegte Amalek." — Amen." Nach einer lebendigen Schilderung der den deutschen Kämpfern in China drohenden Gefahren und der ihrer harrenden Beschwerlichkeiten, in denen ihnen nur durch Gebet geholfen werden könnte, kam der Kaiser auf die Pflicht der Zurückgebliebenen zu reden, für die Kämpfer zu leben, und sagte: „Oder wollten wir etwa die Hände müßig in den Schoß legen? Wehe uns, wenn wir träge und lässig wären, während sie das harte, blutige Handwerk treiben! Wehe uns, wenn wir hinter den Schranken dem großen Schauspiel nur neu gierig zusähen, während sie ringen in heißem Todeskampf Das wäre Kains-Geist mit der grausamen Sprache: „Soll ich meines Bruders Hüter sein!" Das wäre Treulosig keit gegen unsere braven Brüder, die ihr Leben eiusctzcn! Nimmermehr! Wir wollen nicht nur Ba taillone von Kriegern mobil machen, nein auch eine heilige Streitmacht von Betern. Ja, wie viel giebt es doch für unsere ins Feld ziehenden Brüder zu erbitten und zn erflehen. Sie sollen der starke Arm sein, der die Meuchelmörder bestraft; sie sollen die gepanzerte Faust sein, die in das wüste Treiben hineinsährt; sie sollen mit dem Schwerte in der Hand eintreten für unsere heiligsten Güter. Ueber die Macht der Fürbitte sagt der Kaiser dann u. A.: „Und wenn das die Gebete eines MoseS vollbracht, sollten nicht auch unsere Gebete solches vermögen! Gott hat keine Silbe von seinen Verheißungen zurückgenommen — treue Gebete können noch heute die Drachenbanner in den Staub werfen und die Kreuzesbanner auf die Mauern pflanzen. Wie wird es sie (die deutschen Kämpfer) stärken, begeistern, ent flammen — der Gedanke: Tausende, nein, Millionen daheim tragen uns aus betendem Herzen. Der König aller Könige ruft: Freiwillige vor! Wer will des Reiches Beter sein? O, wenn es auch hier hieße: Der König rief uns Alle, Alle kamen! Fehle kein Einziger von uns. „Der ist ein Mann, der beten kann."" Der Kaiser schloß mit folgendem Gebet: „Allmächtiger Gott! Lieber himmlischer Vater! Du Herr der Heerfchaaren und Lenker der Schlachten! Wir heben betend unsere Hände zu Dir empor. Auf Dein Herz legen wir die Tausende der Waffenbrüder, die Du selbst gerufen hast in Len Kamps! Schirme mit Deinem allmächtigen Schutze unserer Söhne Brust! Führe Du unsere Mannschaften zu kräftigem Siege! Aus Tein Herz legen wir die Verwundeten und Kranken. Sei Du ihr Trost und ihre Kraft und heile ihre Wunden, die sie empfangen haben für König und Vaterland. Auf Dein Herz legen wir alle die, denen Du be stimmst, auf fernem Schlachtselde zu sterben. Stehe Du ihnen bei im letzten Kampfe und gieb ihnen den ewigen Frieden! Auf Dein Herz legen wir unser Volk! Wahre, heilige, mehre die Be geisterung, die uns jetzt Alle durchglüht. Herr unser Gott! Wir wagen es auf Dich! Führe Du uns an im Kamps! Wir rühmen, Herr, daß Du uns hilfst und in Deinem Namen werfen wir Panier auf. Herr, wir lassen Dich nicht, Du segnest unS denn! Amen." Die Dlutthnt von Monza. -p Fortgesetzt hält die Frage, ob die Ermordung deS Königs von Italien das Werk einer anarchistischen Bcrschwörung ist, die politische Polizei in fieberhafter Spannung und in Atbem. Nach dem Mailänder „Corriero della Sera" verstärken und niedren sich die Grundlagen für die Annahme eincs Complots. Besonders legt man den römischen Blättern zufolge der Verhaftung des Anarchisten Lanner (oder Launer) in Jvrea große Bedeutung bei. Wie gerüchtweise verlautet, hatte Lanner unwiderruflich den Tod des Königs Humbert beschlossen, und er hätte, wenn der Mordanschlaz in Monza fehlgeschlagen wäre, einen neuen Anschlag bei der demnächst staltsindenden Tausendfeier in Joreau, der der König und die Königin beiwohnen wollten, ausgeführt. Während in Monza die Bevölkerung gestern Abend dem König und der Königin bei ihrer Ankunft herzliche und be wegte Kundgebungen veranstaltete, riefen zwei unbekannte Fremde: „ES lebe die Anarchie!" Die Individuen wurden verhaftet; die erbitterte Menge wollte sie lynchen. Tas Bcttkhmcn des Mörders in dem gerichtlichen Gewahrsam entspricht dem von Anfang au von ihm zur Schau getragenen CyniSmus. Dem „Bert. Loc.-Anz." wird darüber auS Mailand, 1. August, berichtet: Die Beamten, die mit Bressi zu verkehren haben, erklären, er sei nach wie vor sehr aufgeräumt, macke sich absolut nicktS aus der Sache und entwickle sehr guten Appetit. Er wird vom Staatsanwalt scharf auf Complicen inquirirt. Es soll auch auf Requisition von hier aus bereits eine Ver haftung in Amerika stattgefunden haben. Gegen die Familie Namella in Mailand, wo Bressi wohnte, hat sich irgend etwas direct Belastendes bis zur Stunde nicht nach weisen lassen. Trotzdem dauert die Haft fort. In dem Revolver, welcher dem Mörder zu seiner That diente, fanden sich sieben verschiedene Daten eiuciselirt, unter Anderm das Datum des 4. Mai 1894, dann das Datum der Er mordung des Präsidenten Carnot, endlich eine Zahl mit dem darauffolgenden Wort „Massaua". Aus den in der Heimath Bressi's gemachten Erhebungen ergiebt sich, daß der Mörder etwa sechs bis sieben Jahre von Prato abwesend ist — er stammt aus einer braven, ehrlichen Familie, die ihr Brod mit strenger Arbeit verdient. Von seinen zwei Brüdern ist einer Trainleutnant im 10. Artillerie- Regiment, der von unten auf gedient bat, der andere Schuster, drei Schwestern befinden sich noch zu Hause, in Prato hat man mit der unglück lichen Familie tiefes Bedauern. Der Bruder Bressi's hat aus der Armee bereits seinen Abschied genommen. Letzten Freitag schon war der Mörver nach Monza gekommen, hatte sich dort an der Via Cairoli eingcmiethet und das LogiS mit 4 Lire 20 Cent zum Voraus für eine Woche be zahlt. Bei seiner Wirthin, Frau Rossi, nahm Bressi auch Kost und suchte mit ihr in Beziehungen zu treten. Als er bei Frau Rossi eintraf, war cr sehr elegant gekleidet, trug eine goldene Ubrkette, sowie Fingerringe mit Brillanten. Er führte auch einen ziemlich voluminösen Koffer mit, darin eine gute Garderobe mit allerlei Toilettengegenständcn. Er trat sehr sicher auf, gab an, vor einem Monat auS New Dort zurückgekehrt zu sein und in Paris der Weltausstellung einen Besuch gemacht zu haben. Bressi ist in das Untersuchungsgefängniß überführt worden. Er befindet sich in einer unterirdischen Zelle des mittelalterlichen Baues. Als man ibn in seiner Zelle auf suchte, war er halbnackt und saß mit trotzig aufgestemmtem Ellbogen da. Es handelte sich zuerst nicht um ein striktes Verhör. Der Verlauf des Gesprächs war folgender: „Wie lange sind Sie in Monza?" — „Drei Tage." — „Woher kommen Sie?" — „Direct auS Amerika." — „Wie kam Ihnen die grauenhafte Idee?" — „Sie ist nicht grauen haft, sondern gerecht." — „Aber der König war doch allen Italienern lieb und theuer, wie kaum ein Mensch!" — „Aber mir war er nicht theuer." — Bressi bekennt sich zur revolutionären Anarchie. Er verwahrt sich dagegen, ein Delitto begangen zu haben, das sei eine That, ein Fatto. Seinen Wärtern soll er erklärt haben, er würde die Todes strafe jeder anderen Strafe verziehen. Nach Artikel 117 dcS italienischen Gesetzes kommt jedock die Todesstrafe auch für Rückfällige nickt zur Anwendung, das Gesetz kennt uur lebenslängliche Galeerenstrafe. Auch für Mord am Staats oberhaupt giebt es keine Ausnahme. Dagegen hat der Mörder die ersten acht Jahre in Einzelhaft zuzubringen. Tie Beisetzung der Leiche. Der „Tribuna" zufolge hat daS Ministerium einstimmig beschlossen, dem Könige vorzuschlagen, daß die Leiche König Humbert's in Rom beigesetzt werden soll. 15 000 Mann Land- und Seetroppen sollen nach Rom zur Trauer feier zusammengezogen werden. Nach dem „Esercito" wird, obgleich noch nicht endgiltig darüber entschieden ist, die Leiche des Königs nach Rom übergeführt werden. Die feier liche Beisetzung soll Mittwoch erfolgen. Die Leiche ist gut erhallen infolge der Maß nahmen, die die Aerzte auf Wunsch des Königs Victor Emanuel, der telcgraphirt batte, er wolle seinen Vater ein letztes Mal umarmen, getroffen haben. In dem neben dem Sterbezimmer liegenden Gemach sind Altäre errichtet, an denen Priester aus Monza und Mailand Messen lesen. Der Herzog von Aosta, Graf von Turin und der Herzog von Oporto halten in großer Uniform ab wechselnd die Todtenwache. Außer der Königin Margherita und den Prinzessinnen, die im Sterbezimmer beten, darf Niemand dasselbe betreten. Die Königin Wittwe Margherita zeigt trotz ihres unendlichen Schmerzes große Seelenstärke; sie bat persönlich die Todesnachricht den Personen, die dem König am nächsten standen, zugeben lassen, beschäftigt sich mit allen Einzelheiten und trifft die geeigneten Dispositionen. König Victor Emanuel und die Königin sind gestern gegen 7 Uhr Abends in Monza eingetroffen. In Mailand, wo der Zug kurze Zeit hielt, hatten sich die Behörden auf dem Bahnbofe eingefunden. Das Königspaar wurde bei seinem Eintreffen in' Monza von der Herzogin von Aosta und Oporto, dem Prinzen Ferdinand von Genua, dem General adjutanten Pongiovaglia und der Deputirten Chinazlia und Nadise empfangen. Die Majestäten, die tief bewegt waren, fuhren durch die in stummer Trauer Spalier bildende Be völkerung zum Schlosse. An der Treppe wurden sie von der KönigimWittwe Maria Pia von Portugal, den Herzoginnen von Genna und Aosta und den Prinzessinnen Clotilde und Lätitia in tiefer Trauer empfangen. Die Begegnung der Majestäten mit der Königin Margherita war erschütternd. — Heule früh werden sämmtliche Minister in Monza ver sammelt sein; auch Visconti-Venosta, welcher in Mai land weilt, bcgiebt sich dorthin. Man glaubt allgemein, daß König Humbert ein politisches Testament hinterlassen hat, doch ist eS bis jetzt in seinen Papieren nicht gefunden worden. Kundgebungen. Bisher sind ungefähr 5000 Depeschen auS dem AuSlande in Monza eingetroffen, dazu große Mengen Blumen. Viele fürstliche Personen haben angekündigt, daß sie dem Leichen- begängniß beiwohnen werden. Die Königin Margherita erwiderte auf die Beileidsdepesche des Bürgermeisters von Rom, sie sende Rom, das in Allem voranleuchte, innigsten Dank und glaube, ihn damit den letzten schmerzlichen Gruß des Entschlafenen zu entbieten, der Rom so sehr geliebt habe und cs groß und glücklich sehen wollte. — Der Gemeinde rath von Rom beschloß, nachdem ein Theil der Sitzung dem Andenken des Königs gewidmet war, einen Trauer- gotteSdienst im Dom abbalten zu lassen, zu der Leichenfeier in Monza und der Beisetzung in Rom Vertreter zu ent senden und für das Veteranenheim in Turate 100 000 Lire zu stiften. In einer Sitzung des Turiner Gemeinderatbs wurde ein besonderer Ausschuß mit der Ausarbeitung von Vorschlägen für die dauernde Ehrung des Königs in Turin betraut. Für wohlthätige Zwecke wurden 50 000 Lire ausgesetzt und an das Königspaar und die Königin-Wittwe Margherita Beilcidsadressen abgesandt. Die deutsche Gruppe des in Paris tagenden Jour- nalistcn-CongresseS entsandte eine Deputation zum hiesigen italienischen Botschafter, um ihm im Namen der deutschen Presse warme Theilnahme auszuvrücken, welche der Tod König Humberts hervorgerufen hat. Die Deputation begab sich außerdem zum Fürsten Münster, um ihre Beileids kundgebung auf diplomatischem Wege der italienischen Regie rung übermitteln zu lassen. Ans dem Leben Umberto s. Die Lebensgcwohnheiten des Königs Humbert waren seit jeher die denkbar einfachsten. Der Monarch schlief selten mehr alS fünf, sechs Stunden, und zwar aus dem Grunde, weil ihn seit Jahren ein schweres Asthma, verbunden mit einem schlecht geheilten Bronchialcatarrh, quälte. Nachdem er sich erhoben, trank er eine halbe Tasse schwarzen Kaffee und nahm sofort eine kalte Douche oder, wenn er sich etwas unwohl fühlte, ein lauwarmes Bad, an das sich ein viertelstündiger Ritt im Garten des Quirinals anschloß. Dann empfing der Monarch in seinem Arbeitszimmer den auch mit der Verwaltung des königlichen Hauses betrauten General Donzio Vaglia, mit dem er Abrechnungen prüfte oder eifrigst arbeitete. Gegen II Uhr begab sich König Humbert wieder auf die Terrasse, Feuilleton. Ls Gold und Llut. Roman aus Südafrika von O. Elster. SiaL druck Verboten. Höher und höher stieg hie Sonne und zerstreute die Nebel. An Stelle der nächtlichen Kühle trat eine trockene, schwüle, ver sengende Hitze, die selbst den Aufenthalt auf der Plattform zu einer Qual machte. Jin Innern der Wagen war es überhaupt kaum zu ertragen. Di« ausgedörrte Luft war in beständiger, zitternder Bewe gung, jeder Gegenstand schien zu flimmern und zu zittern. Am ganzen Himmel kein Wölkchen, wie ein ungeheures, weiß glühendes Metallgewölbe ruhte der Himmel über der grenzenlos erscheinenden Wüste, aus der die wie in einem Backofen trockene Luft beständige Luftspiegelungen veranlaßten, so daß die ent fernten Berg« ganz nahe und doppelt so groß erschienen. Di« Luft war dabei so durchscheinend klar, daß die kleinsten Gegen stände sich in schärfsten Umrissen darstellten. Hans starrte, wie in einem bösen Traum befangen, auf das öde Lauck. So lveit das Auge reichte, überall dieselbe Wüste des vertrockneten Lehmbodens, deren Eintönigkeit nur durch vereinzelte laublose Büsche oder durch eine Reihe felsiger flach gerundeter Hügel oder „Kopjes" von 20 bis 30 Metern Höhe unterbrochen wurde. Aber unter dieser ausgedörrien Erde, die seit einem Jahre fast keinen Tropfen Regen getrunken, in diesem rissigen Felsen und dem Schutt und Geröll der ausgetrockneten Flußläufe, da ruhte das Gold, da verbarg sich der blitzende Edelstein — da ruhte der Reichth-um — das Glück! — — „Das ist die gottverlassenste Gegend, über welche simalS die Sonne geschienen hat, selbst die Sahara nicht ausgenommen", seufzte der Graf, der neben Han» auf der Plattform Platz ge nommen hatte. »Ja*, sprach da eine tiefe Stimme neben ihnen, „unsere „Karroo" ist gerade kein Paradies, und auch nur ein so zäher Volksstamm wie di« Afrikander oder Boeren können hier leben und gedeihen." Neben den beiden Reisenden stand ein hochgewachsener, breit schulteriger, älterer Mann mit einem energischen, sonnenver brannten Antlitz, da» ein dichter Vollbart umrahmte. Gekleidet war er in einem leichten, graugelben Jagdanzuy, ledernen Bein kleidern, Gamaschen bis zum Knie und einem breitrandigen leichten Hut auf dem ergrauenden aber noch dichten Haupthaar. In seinen blauen Augen lohte jugendliches Feuer, ein Zeichen von fester Willenskraft und rascher Entschlußfähigkeit. „Sie sind kein Engländer, Herr?" fragte der Graf. „Nein", entgegnete der Fremde mit eigenem Lächeln, „ich bin ein Burgher von Transvaal und stehe im Begriff, nach Pretoria heimzukehren. Wohin gehen die Herren?" „Nach Kimberley und die Kalaharie-Wüste." „Zu einem Jagdausfluge?" „Ja. Kennen Sie die Kalaharie-Wüste?" „Gewiß, habe oft dort auf Springböcke, Gnus, Giraffen und allerhand Raubzeug gejagt. Aber stellen Sie sich Vie Wüste nicht wie diese öde Karroo vor. In der Kalaharie finden Sie eine reiche Flora, ähnlich wie in Transvaal. Es giebt dort Wasser, und das ist der Quell alles Lebens hier zu Lande. Sehen Sie dort die einsame Hütte mit dem leeren Biclhkraal? Nun, dort wohnte ein Boer, den ich kenne; vor einem Jochre war er ein reicher Mann und Besitzer großer Viehheerden. Jetzt ist er ein Bettler, die schon seit einem Jahre dauernde Dürre hat ihm all' sein Vieh geraubt." „Das ist ja entsetzlich! Weshalb verlassen di« Leute nicht dieses trostlose Land?" „Weil es ihre Heimath ist, Herr. Weil ihre Vorfahren schon seit Hunderten von Jahren hier gewohnt haben, weil wir Boeren unser Land mit unserem Blute errungen haben. Jetzt freilich sind die Engländer Herren im Lande — wer weiß, was noch kommt . . . Und dann", fuhr er nach einer Weil« fort, indem er nachdenklich in die Ferne geschaut — „hält die Hoffnung die armen Boeren aufrecht. Ein ausreichender Regenguß verwandelt diese scheinbar hoffnungslose Wüst« in wenigen Tagen, ja in wenigen Stunden in ein üppig grünes, lachendes Weideland, das Tausenden und Abertausenden Rindern und Schafen Nah rung bietet. Dann beginnt die Erntezeit der Boeren! Die Wüste belebt sich, Antilopen und Steinböcke tummeln sich in dem mannshohen Grase, während Sie sitzt nur hin und wioder einen Aasgeier mit schwerfälligem Fluge über Vie Ebene streifen sehen." „Weshalb beschäftigen sich die Leute nicht mit der Gold gräberei, die doch lohnender sein dürfte, als diese traurige Land- wirthschast?" fragte HanS von Ehrenstein. Der TranSdaal-Mann sah ihn mit einem durchdringenden Blick an. „Der Boer ist mit seinem Lande verwachsen, Herr", entgegnete er ernst. „DaS Gold hat un» kein Glück gebracht, sondern nur habgierige» Speculantenthum au» allen Weltteilen und das Bestreben Englands, uns unsere Freiheit zu rauben. Wir lebten zufrieden als einfache Farmer und Jäger, bis das Gold und die Edelsteine entdeckt wurden. Da kam der Reichthum freilich ins Land, aber auch der Unfrieden. Gold macht Nicht glücklich, zumal wenn Blut daran klebt. Die Unterhaltung stockte. Man näherte sich Siner Station, wo man das Mittagsmahl einnahm. Dann ging es weiter durch die tobte Wüste in rasender Fahrt. Am Abend erreichte man die Station de Aar, wo ein zwei stündiger Aufenthalt war. Von hier zweigte sich die Bahn nach Middelburg, Colesberg und Bloemfontein ab, die dann weiter nach Johannesburg und Pretoria führte. Der Graf und Hans saßen an einem Tische des Wariesaals und verzehrten ein frugales Abendbrot), als der Transvaal- Mann wieder zu ihnen trat. „Verzeihen Sie, meine Herren, wenn ich störe", sagte er höflich, „darf ich mich zu Ihnen setzen?" „Gewiß", entgegnete der Graf. „Ich würde mich mit Ihnen gern noch über d'ie Zustände in Transvaal unterhalten. Wir beabsichtigen, später nach Johannesburg zu gehen. Mein Freund, Herr von Ehrenstein, will im Lande bleiben." Ein rascher Blick des Boeren streifte Hans. Dann sagte er: „Sie sind deutscher Officier, Herr von Ehrenstein?" „Ja — das heißt — gewesen .... ich habe meinen Abschied genommen . . ." „Konnt's mir denken. Und' wollen hier Ihr Glück ver suchen?" .Ja." „Darf ich fragen, welcher Waffe Sie angehören?" „Ich bin Artillerist. . ." „Ah — und wissen Sie, daß man gerade jetzt in Trans vaal gute deutsche Instruktoren für diese Waffe sucht?" „Nein, ich wußte e» nicht." „So möchte ich Ihnen rathen, Ihren Jagdzug nach der Kala- Harie-Wüst« aufzugeben und mit mir nach Transvaal zu geben. Ich verlasse Sie hier, um direct nach Bloemfontein und Jo hannesburg zu fahren — Sie werden mich dort seicht erfragen können — mein Name ist General Cronje . . . ." Die beiden Reisenden erhoben sich fast gleichzeitig und be grüßten den alten Kämpfer für Transvaals Freiheit ehr furchtsvoll. „General Cronse, der Jameson gefangen nahm?" „Derselbe, mein Herr", entgegnete der General lächelnd. „Und wenn Sie jetzt nicht sofort mit mir kommen können, so hoffe ich, Ssi später zu sehen." „Sicherlich, General . . „Wenn Sie nach Johannesburg kommen, seien Sie meine Gäste." „Wir nehmen die Einladung mit Dank an", sagte der Graf lebhaft. in Draußen gellte die Glocke auf dem Bahnsteig, und die Lokomotive stieß einen dumpfen Pfiff aus. General Cronje er hob sich. „Ich muß gehen, — mein Zug fährt — also auf Wieder sehen, meine Herren, in Johannesburg . . „Auf Wiedersehen, General . . . ." General Cronje schüttelte Beiden in treuherziger Weise die Hände, nickte ihnen noch einmal zu und verschwand auf dem dunklen Bahnsteig. „Das war ein glücklicher Zufall!" sprach der Graf auf- atbmend. „Wenn Sie, lirber Hans, General Cronsi zum Freunde haben, kann es Ihnen nicht fehlen. Jetzt bedauere ich fast, nicht gleich nach Transvaal mit Ihnen gegangen zu sein." Hans blickte sinnend zur Erde nieder. Sollte er dem Rufe des Generals folgen oder den lockenden Bildern von Gold und Reichthum, di« ihm seine Phantasie vorspiegelte? Wo würd« er das Glück finden? In den Goldfeldern Transvaals und Kim berleys oder in den beschränkten Militäroerhaltnissen de» Boeren- landcs? — Ja, wenn es Krieg gäbe?! Mehrere englische Officicre traten in den Wartesaal, schnei dige, soldatische Gestalten, denen man e» ansah, daß sie schon in allen Welttheilen Dienste gethan und gefochten hatten. „War das nicht der alte Cronje?" fragte einer von ihnen. „Allerdings", entgegnete ein Anderer. „Der Besieger Ja- meson's..." „Na, auch seine Stunde wird schlagen", sagte Sin Anderer. „Ich wette, daß wir binnen wenigen Wochen den Krieg mit Transvaal haben. Dann heißt e», Revanche für die Schlacht am Majuba-Hügel!" Die Officiere traten an die Bar und ließen sich Whi»ky und Sodawasser geben, um auf den Sieg der englischen Waffen zu trinken. „Wenn sich die Herren Engländer nur nicht täuschen", flüsterte der Graf Hans zu. „'Dieser General Cronje steht ge rade nicht auS, als ob er sich so leicht von den Engländern schla gen ließe." Ein Bahnbeamter tcat ein und meldete, daß der Zua nach Kimberley bereit sei. Nach kurzer Zeit saß man wieder m den ToupSS, und weiter donnerte orr Zug durch dir Nacht, über
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