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Dresdner Journal. Verantwortlicher Redaeteur: I. G. Hartmann. :r — vrrr Erscheint mit Autnahm« der Sonn, «rnd Festtage täglich Abend» und ist durch alle Postanstalte« zu beziehen. . > . , V"i» für da« Vierteljahr N/L Thaler. 2?TlztW0M, von Io. FovkUNk. Insertion«.Gebühren für den Raum > einer gespaltenen Zeile 1 Neugroschen. » Nichtamtlicher Theil. Nebersicht. Tagesgeschichte. Dresden: Berichtigung. Da« söge» nannte Dresdner schwarze Buch und die Gvthaner. — Berlin: Hofnachrichten. Vom Landtage. — AuS dem Großherzogthnm Weimar: CivilgesetzgebungSftagen. Der Regent von Baden. — Au« Thüringen: Keine Zweifel an dem Zustandekommen der Werrabahn. — Itze hoe: Au« der holsteinschen Ständevrrsammlung. — Paris: Tagesbericht. Lord Cowley nach London. Marquis De Moustier eingetroffen. Abdü Bonaparte nach Rom zurück. — Aus der Schwei,: Die Session der Räche geschloffen. Die Angelegenheit de« Bischof« Marilley. — London: Bevorstehende Abreise der Conferenztzevollmächtigten. Sine Stimm, für die Zuziehung Preußen«. Dr. Sandwich über den Fall vvn Kar«. — St. Peter«burg: Fürst Gortscha- koff zum Statthalter von Polen ernennt. Local, und Provtnzialangelezenheiten. Dresden: Der Wasserstand der Elbe. AuS dem Programme der Bürgerschulen Dresden«. Die Vorlesungen über dir Strafproceßordnung. — Meerane: Einbruch. Armen» r speisung. — Lausigk: Sparkasse. — Königsbrück: Unglücksfall. —Cunewalde: Selbstmord. — Reichen« dach: Feuer. Feuilleton. Inserate. Börsennachrichteu. .. ... -. Tagesgeschichte. Dresden, 12. Februar. Die „Freimüthige Sachsenzei» tung" vom heutigen Lage (Nr. 36) erwähnt, daß der Minister vr. ZschinSky in voriger Woche mit zwei Ministern der thü ringischen Staate« zusammengetroffen sei, um, wie e« heiße, mit denselben über den neuen sächsischen Civilgrsetzbuchent- wurf sich zu berachen, „dessen Annahme bekanntlich die thü ringischen Staaten vor zwei Jahren abgelehnt hätten" und bmnrkt dabei, daß „diese Zurückweisung für Sachsen« Juris prudenz ein ungünstige« Ereigniß gewesen sei." Wir kön nen au« guter Quelle versichern, daß die thüringischen Staa ten zu keiner Zeit eine Erklärung wegen Ablehnung jenes Entwurfs abgegeben haben. Dresden, 12. Februar. Da« in Dresden unter dem Titel „Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands auf die Zeit vom 1. Januar 1848 bis zur Gegenwart" erschienene, lediglich für deutsche Polizeibeamte bestimmte Handbuch hat einen Theil der deutschen LageSpresse in Alarm gebracht. Vorzugsweise sind die Organe der gothaischen Partei in Aufregung versetzt worden. Zwei Aufsätze über „DaS Dresdner schwarze Buch" in der von Biedermann redigirten „Weimar'- schen Zeitung" vom 22. und 23. Januar', deren sich auch die „Deutsche Allgemeine Zeitung" in Nr. 20 bemächtigt hat, geben ein treue« Bild von der jetzigen Stimmung der Gothaner, und da sie noch immer den alten Standpunkt verrathen, zufolge dessen jene Partei sich berufen glaubt, Fürsten und Regierungen öffentlich zu Hofmeistern, wollen wir um so weniger säumen, unsre Ansicht über daS Dresdner „schwarze Buch" und dessen Beziehungen zur gothaischen Partei gleichfalls öffentlich au-zusprechen. Wir thun die«, obgleich jenes Buch nicht im Auftrage und nicht unter Ver tretung der Regierung oder einer Behörde erschienen, son dern lediglich aus eigenem Antriebe von einem Polizei beamten auSgrarbeitet worden ist, und folglich, wenn auch nur für Beamte zum Gebrauch in ihrer BerufSthätigkeit be stimmt, al« ein Privatunternehmen erscheint. Zuvörderst haben wir zu bemerken, daß daS fragliche Buch nicht für den Buchhandel, überhaupt nicht zur Verbreitung im Publicum bestimmt ist. Es wurde al« Manuskript für Polizeibehörden gedruckt und wird nur Polizeibeamten mikge- theilt, eS gehört also lediglich in die Acten und nicht vor die LageSpresse. Die LageSpresse konnte von dem Inhalte des BucheS überhaupt nicht- mittheilen, außer wenn sie kein Be denken trug, aus einer unerlaubten Handlung — Verletzung pflichtmäßiger Verschwiegenheit oder unbefugtem Eindringen in fremde Geheimnisse — Vortheil zu ziehen. Die „Deutsche ReichSzeitung" hat zuerst das Geheimniß gebrochen, und zwar, wie in solchen Fällen gewöhnlich ge schieht, durch einen oberflächlichen, jedem Mißverständniß Raum gebenden Auszug. Auf diesen Auszug stützt sich nun die Ergießung der „Weimar'schen Zeitung", der man auf jeder Zeile ansieht, daß ihrem Verfasser daS Buch selbst nicht Vorgelegen hat. WaS also von dieser Seite gegen den In halt de« BucheS bemerkt wurde, könnt, auf sich beruhen. Man ist aber nicht bloS über Zweck und Bestimmung des Buch,« , die man entweder nicht kannte oder nicht kennen wollte, hergefallen, auch die Richtigkeit seiner Angaben ist angefochten worden. Unter den Blättern, welche sich vor- zugSweise dieser Waffe bedienten, ragt durch ihre leidenschaft liche Sprache die „Ostdeutsche Post" hervor. Sie glaubt einige Jrrthümer in dem Buche entdeckt zu haben; etwa 20 Namen, bei welchen ein Jrrthum über die frühere Lebensgeschichte eine« Individuums oder eine NamenSverwechselung angeblich vor kommen soll, und darauf hin erhebt sie das Geschrei: „Gewissen loser und frecher sei nie mit Menschenehre und Glück verfahren worden, als in diesem Pamphlet, wo Zeitungsnotizen unv Kaffee hausklatsch zu einer Art steckbrieflicher Charakteristiken verarbeitet seien." Sie nennt daS Werk „Buchmacherei eines Hunger leider«, der auf Skandal rechnete"; .sie droht mit Denun- ciationen; sie verlangt, die sächsische Regierung solle das Buch unschädlich machen. Die „Deutsche Allgemeine Zeitung" hat e« sich nicht versagen können, auch diese Artikel durch ihr Blatt weiter zu verbreiten. Sollten wirklich jene wenigen Jrrthümer, die wir, wenn sie begründet sind, an u. für sich durchaus nicht entschuldigen wollen, der Grund sein, au« dem sich die „Ostdeutsche Post" so gewaltig erhitzt? Sind einige Namensverwrchselungen oder unrichtige An gaben über den Lebenslauf einer in der Revolutionszeit plötzlich aufgetauchten Persönlichkeit von solcher Wichtigkeit, daß man deshalb die Polizei gegen die Polizei zu Hilfe ruft? Dies wird schwerlich Jemand glauben. Oder wären eS die ge fährlichen Folgen dieser Jrrthümer, vor denen die Urheber jener ZeitungSstimmen so erschrecken, daß der Eine den Re gierungen unter ängstlicher Anpreisung seiner Partei eine neue Revolution zeigt, die mit dem Buche muthwillig herauf beschworen werde, der Andere schon im Geiste das traurige Schicksal eines Schuldlosen sieht, welcher in dem Buche de- nuncirt worden ist und „als Reisender in einer kleinen deut schen Stadt übernachtet"! Für Diejenigen, welche an jenen wenigen faktischen Unrichtigkeiten Anstoß nehmen sollten, sei zum Tröste bemerkt, daß der Verfasser deS BucheS, wi, wir versichern können, gewissenhaft genug ist, um zu Vermeidung jeder Unrichtigkeit in nächster Zeit einen ganz neuen, sorg fältig revidirten Abdruck seines Werkes erscheinen zu lassen. Nur wird man sich freilich bescheiden müssen, daß die Ein sprüche betheiligter Personen oder der Tadel von Partei blättern nicht hinreichen können, um die Unrichtigkeit einzel ner Thatsachen alS bewiesen anzunehmen und zu diesem Behuf« vielmehr die Erklärungen der sbetreffenden Regie rungen abzuwarten sein werden. Denn nicht Alles, was die Blätter an dem Buche für falsch auSgeben wollten, ist wirklich unrichtig; und wenn insbesondere die „Ostdeutsche Post" gewisse Angaben de« fraglichen BucheS mit Achsel zucken und Hohnlächeln ausgenommen hat, so wird sehr zu erwarten sein, ob die k. k. österreichische Regierung diesen Angaben ein eben so entschiedene« Dementi gegenüberzu stellen sich veranlaßt sehen wird. Wer da« Angstgeschrei und den ganzen Lärm der „sitt lichen Entrüstung", welcher die liberale Presse Deutschlands durchzieht, mit anhört, ohne das Völkchen, daS diesen Lärm verursacht, zu kennen, der müßte glauben, wir befänden uns mitten in der Zeit geheimer VerhaftSbefehle, brutaler Polizei willkür, despotischer Beamtenschererei und dergl. Wer aber über den Zweck jene« BucheS richtig belehrt ist, wird dergleichen Besorgnisse wegen Mißbrauchs der Schrift belächeln. DaS Buch ist nicht und soll nicht sein: rin Steckbrief, welcher die Behörden verpflichten würde, auf jeden darin Genannten zu fahnden; eS ist nicht und soll nicht sein: eine Denunciation, auf deren Grund behufs späterer Bestrafung der Denuncirten neue Recherchen einzuleiten wären. Dagegen ist es und soll es sein: ein Hilfsmittel für jeden Polizeibeamten, damit nicht vergessen werde, von welchen Per sonen und welchen Kreisen einerseits die Beförderung, von welchen andererseits die Leitung und Ausführung der letzten Bewegung ausging, wie sich die politische Treue und der Charakter verschiedener zur Revolutionszeit aufgetauchter oder in Aufnahme gekommener Personen bewährt habe, von welchen Elementen Gefahr zu fürchten und welchen gegenüber mindesten« Vorsicht am Platze sei. DaS Publicum hat also nicht Ursache, wegen diese« Buches sich zu beunruhigen. Es gilt nicht, eine politische Rache zu üben oder verhaßte Personen mit polizeilichen Nadelstichen zu quälen, eS gilt nicht, die Jahre von 1848 und 1849 immer wieder im Gcdächtniß der Regierungen aufzufrischen, und den damals Beteiligten jede Umkehr von ihren Verirrungen auf einen bessern Weg abzuschneiden. Es wäre ja diesen Zwecken ganz widersprechend gewesen, daS Buch als eine lediglich für Polizeibehörden bestimmte und zugängige Geheim schrift erscheinen zu lassen. Auch zeigt ja täglich die Er fahrung oder eia Blick auf die während der letzten Jahre im öffentlichen Dienste erfolgten Anstellungen und Beförderungen, daß von den Regierungen, insbesondere auch von der säch sischen, auf die Tage von 1848 und 1849 mit Nachsicht zu- rückgeblickt wird, daß Intelligenz, Berusstreue und Tüchtigkeit ohne allzu strenge Erinnerung an vergangene Zeiten in aus gedehnter Weise benutzt und belohnt werden. Den Regie rungen kann gewiß nicht vorgeworfen werden, daß sie die Jahre 1848 und 1849 gar nicht vergessen wollten. Aber es giebt Dinge, die sie nicht vergessen dürfen. Sie dürfen nicht vergessen, wer vor dem Jahre 1848 die gesetzliche Fort bildung zum Aushängeschild oppositioneller Umtriebe machte und die Entstehung der politischen Parteien vorbereitete; sie dürfen nicht vergessen, daß die Revolution nicht aus den untersten Volksklassen hervorging, die unter dem Segen eines langjährigen Friedens sich damals wohler befanden, als jetzt, sondern auS den höhern und gebildeter» Klassen, welche dem Volke so lange von „gesetzlichem Fortschritt" vorpredigten, bis eS „reif" geworden war, auch ohne Gesetze vorzuschreiten. Die Regierungen dürfen nicht vergessen, wie die Revolution von 1848 sich entwickelte, wer sie leitete und wer sie benutzte, wer auf der Bühne und wer hinter den Coulissen stand. Die Regierungen dürfen endlich nicht vergessen, in welchem Zustande gutmülhigster Harmlosigkeit sich damals die Polizei Konstantinopel und der Bosporus.*) Bon A Sh. I. XI. (Topchana und da« goldene Horn.) Ehr der strömend« Bosporus sich in die ewig heitere Fluth der Proponti« hinrinstürzt, schenkt er einen Theil seiner Gewässer dem tiefen Thalgrunde, der Stambul von den europäischen Vor städten scheidet. Sie füllen diese endlose Tief» auS und erstrecken sich in derselben Spalt» bis weit über die Stadt und die Vor städte inS Land hinein und nehmen die beiden Flüßchen KpdariS und BarbyseS in fich auf. Diese lang«, aber schmale Bucht nannten schon die Alten daS goldene Horn, nicht allein wegen d«S ReichthumS der Thunfisch», die fich hier sammeln, sondern weil die Schätze dreier Weltthelle sicher auS- und etnliefen und wenn der Pontu« und die Proponti« tobten und rasten, hier im ruhigsten Schutze standen. Dieser Hafen hat auch heute noch di« Gestalt eine« Hornr« und die genannten Flüsse eilen ihm in der Form ein^ Hirschgeweihe« zu. Unvergleichlich« Borzüge machen ihn zu de« ersten der Welt; all» Flotten, srlbst di« zu künftige deutsche mit eingerechnet, würden hier Platz finden. Aber nicht allein dies» «uSdehnung und Sichnheit, die er bittet, sondern die r«izenden Hügel und di« malerisch »«porsteigende Stadt übrr denselben machen ihn, al« Bild bewachtet, zu dem schönsten Punkte de, bewohnten Erde. Da« ist di» Meinung selbst Derer, welche di» Welt in Ostindien, wi» in Amerika ge- *) Bgl Nr. SKS, «iS, NS, »», »7, VS, »M d. »l. v»m ». 2-; «r. 7, 1«, » von b.2. Feuilleton. sehen hatten. Durch den Bosporus ziehen vom Norden herab deutsche und russische Schiffe in diesen Busen, die Dardanellen eröffnen ihm die ganze übrige Welt. Eine Wafferfahrt auf diesem langen Wasserarme von Topchana bi« nach Ejub, dem äußersten Winkel von Stambul, zeigt keine geringere Anzahl Schiffe, al« di« Themse in London, aber da« Leben auf dem Wasserspiegel ist hier mannichfaltiger und buntfarbiger, und die von beiden Seiten hereinblickende Stadt unter dem blauen süd lichen Himmel läßt auch nicht den entferntesten Vergleich mit dem schwarzgeräuchertrn London zu. Ein Spaziergang am Ufer zeigt nur da« Menschengewühl, da« hier auf-und abwogt; da goldene Horn verlangt aber eine Wafferfahrt. Wenn man den BoSporu« herab bis Funduktü gelangt ist, so zeigt fich am Fuße de« Hügel« von Pera zuerst Topchana oder di» Grschützwerkstatt, auffallend durch die Kuppeln de« Gebäude«, durch ein» Mosche«, wie durch die starken Batterien, welche mit denen auf der Eerailspitz« gegenüber den Eingang zum goldenen Horn vrrtheidigen und bewachen, wie di« Fanaraki« den Eingang zum BoSporu« und wie einst der hundrrtäuqige Drache da« goldene Vließ hütete. Von hier au« werden alle ankommenden Kriegsschiffe begrüßt, nachdem dieselben da« Serail mitLl Kanonen schüssen vernehmbar angesprochen haben. E« finden sich hier außer der Stückgießrrri auch di« Artillerie-Lasernen und endlose Magazin«; nicht« fesselt aber den Blick von Allem in Topchana so sehr, al« di« Fontäne Mahmud'« l., vielleicht die größte und schönst« der ganzen Stadt. Man würde fi« für den Tempel einer Gottheit halten, die un« Europäern fremd ist. Ein vier eckige«, hohe« Vebäud» mit platte«, aber hervorragende« Dache, dessen Wände mit Schnörkeln und Schriftzügen überzogen find. Rn einer stolzen Bedeutung erhebt stch die« Biereck mitten auf dem Markte von Topchana und wird von Menschen und Thieren umlagert, denen der herauSquellende Gott theil« in steinernen Kesseln, theil« in blechernen Kasserollen Labung spendet. „Nur in dem Wasser ist Leben" steht hier wir auf vielen andern ge schrieben. Die Moschet Mahmud » II. in Topchana ist nicht minder schön, al« jene Fontäne, aber man fleht ihr auch ein andere« Zeitalter an, obgleich fie stch in den wesentlichen Theilen von den andern Moscheen durchaus nicht unterscheidet. Sie liegt so dicht am Hafen, daß die strenge Andacht der Türken wohl oft durch profanen Lärm gestört wird. Ihr Seußere« hat etwa« Saubere«, Zierliche«, ja Freundlich-Heitere«, daß man die Ber- ehrung eine« hndnischen Goike« der irdischen Freude in dem- selben vorauSsetzt; eine Verwandtschaft zwischen dem Tschiragan und allen neuern Gebäuden der Reform ist nicht zu verbergen. Auch da« Innere macht, densttbrn heitern Eindruck. Dir Zeit ist doch rin mächtiger Herrscher, der besonder« den Künsten seinen Geist einhaucht und seinen Gesetzen unterwirft. Meine« Wissen« hat im IS. Jahrhundert kein deutscher Komponist einen Protesten- tischen Choral erschaffen, der fich seine« Geiste nach mit denen der frühern Jahrhundert« verwechseln ließe. So trägt dieser Tempel, trotz der strengen Formen der andm, Moscheen, mit einem andern Jahrhundert auch einen andern Geist zur Schau. Nachdem ich die größten der frühern Zeit alle gesehen, besuchte ich ihn absichtlich noch einmal, und da schien er mir noch moderner, al« bei« ersten Anblick. So unterscheidtt stch Rosstni