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chimbuM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. nnd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 238. Donnerstag, den 12. October 1882. "Waldenburg, 11. October 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser wird den neuesten Nachrichten zu folge Baden-Baden vor dem 19. d. nicht verlassen. Anfangs nächsten Jahres soll der preußische Volkswirthschaftsrath wieder berufen werden; der Staatssecretär von Bötticher hatte bei der letzten Verabschiedung dieser Körperschaft derselben ein Wiedersehn für Anfangs 1883 zugerufen. Von großem practischen Interesse ist die Taktik des Centrums bei den dermaligen preußischen Wahlen. Die Parteileitung hat den Grundsatz aufgestellt, unter allen Umständen gegen „Cultur- kämpfer" zu stimmen. Unter Culturkämpfern aber werden in der ultramontanen Redeweise alle politi schen Richtungen mit Ausnahme der äußersten Flü gel sowohl der Conservativen als der Fortschrittspartei verstanden. Insbesondere sind die mittleren Parteien, die Nationalliberalen und Freiconservativen, vom Centrum in Acht und Bann erklärt, aber selbst bis tief ins conservative Lager hinein wird der Begriff „Culturkämpfer" ausgedehnt und dementsprechend gehandelt; selbst mit Stöcker und dem „Reichsboten" ist die Freundschaft der Ultramontanen seit dem Mischchenstreit getrübt. Unbedingtes Vertrauen auf Entgegenkommen gegen die Forderungen des katho lischen Volkes hegen die Ultramontanen, wie ihr Comit« im Wahlkreis Solingen neulich erklärte, nur noch zu den speciellen Anhängern Eugen Richters. In nächster Zeit sieht man in Berlin dem Er scheinen einer politischen Flugschrift entgegen, welche von der „Nationalpartei der Zukunft" handeln soll, und, wie man sagt, einen conservativen Autor von Bedeutung zum Verfasser hat. In dem Schrift- chen wird der Versuch gemacht werden, die Aufgabe einer wahrhaft conservativen Partei in Deutschland zu bestimmen, welche nicht in der künstlichen Erhal tung der Vergangenheit, sondern im reformatorischen Aufbau auf der neuen nationalen Grundlage von 1870 bestehe. Nicht um Reaction, sondern um das Sammeln der staatserhaltenden Kräfte unter dieser Fahne handle es sich. Die „Germania" schreibt angesichts des Kölner Bimetallistencongresses: „Den Bimetallisten liegt der Beweis ob, daß und wie die wirkliche Con- solidation des gesammten Geldwesens auf Grundlage der Doppelwährung zu erreichen ist. Wenn sie einen gangbaren sicheren Weg zu diesem Ziele zeigen, wird das Volk und die Regierung ihnen folgen müssen. Inzwischen aber wird die Regierung wohl nicht zu bewegen sein, von dem Status guo, der die Schäden unserer gesetzlichen Theorie praktisch durch einen Rest von Doppelwährung zu mildern sucht, ab zulassen." Ungarn. Im ungarischen Unterhaus kam am 10. d. die Verhängung des Standrechts über Preßburg zur Sprache. Moczary (Opposition) fragt den Mi nister des Innern, warum über Preßburg das Standrecht verhängt sei, ohne daß das Comitat dasselbe verlangte. Der Ministerpräsident antwor tete, der Erlaß erfolgte blos darum, damit wenn es nothwendig, das Standrecht sogleich angewendet werden könne. Die Preßburger Judenkrawalle hät ten übrigens die Blätter übertrieben; amtlich con- statirt seien nur unbedeutende Unruhen. Doch konnte die Regierung nicht die persönliche Freiheit eventueller Räuber, Mörder und Mordbrenner in Betracht ziehen, sie mußte in Ruhe und Frieden die Landesbürger beschützen. Vocsary constatirt ebenfalls, daß viele Journalberichte unwahr gewesen, weshalb er nicht dem Erlassen des Standrechts zu ¬ stimmen könne. Denn außer dem Schutz der Ruhe, dem Frieden der Bürger, müsse deren persönliche Freiheit respeclirt werden. Frankreich. Wie aus einer Unterredung hervorgeht, welche ein Mitarbeiter der Clemenceau'schen „Justice" mit Noirot, dem Secretär des I)r. Bayol, hatte, der von der französischen Regierung in den Niger- Gegenden und am Flutab wieder mit einer neuen Mission betraut wurde, steht Frankreich im Begriff, sich eines großen Theiles von Aequatorial- Afrika zu bemächtigen. Der directe Zweck un serer Ausforschungen, meinte Herr Noirot, ist, auf friedliche Weise den Weg der Expedition des Obersten Desbordes, dieses tapferen Offiziers, vorzubereiten, dem Frankreich den Besitz eines Forts zu Kilo, einer auf dem halben Wege von Bafulabo zum Niger gelegenen Stadt, verdankt. Diese Militärcolonne soll bis nach Bamako gehen, bis wohin in der Zu kunft die Eisenbahn des Senegals reichen wird. Wenn Frankreich in dieser Stadt, welche den Niger beherrscht, seine Fahne ausgepflanzt haben wird, wenn unsere Fahne gleichfalls endgültig im Congo, den Brazza bereist, wehen wird, so werden wir für immer unsern Einfluß fin Aequatorial-Afrika ge sichert haben. Unsere Colonie in Senegambien wird alle Erzeugnisse des Sudan an sich ziehen. Die von Tumbuklu den Niger herabkommenden Karawanen werden nicht mehr in Namdallahi, Jeune Segu-Sikoro, die ihre Wichtigkeit verlieren werden, anhalten. Ihre Waaren, wie Gummi, Elfenbein, Erdreiche, Kautschuk u. s. w., sowie der Kaffee, der in Tutob wild wächst, werden Dank der Eisenbahn nach St. Louis gehen. Zugleich werden wir einen ungeheuren Absatz für unsere Waaren finden und, dieses darf man nicht außer Acht lassen, werden wir zugleich den englischen Einfluß vernichtet haben, der uns so nachtheilig war. Italien. In einer beim Wahlbanket zu Stradella am 8. v. M. gehaltenen Rede erinnerte der Minister Depretis an sein Programm von 1875, dessen Versprechungen er aufrichtig gehalten habe. Die Mahlsteuer sei aufgehoben, der Steuerdruck vermin dert, die Abschaffung des Zwangscourses gesichert, die Zollreform vollendet, die Integrität des Budgets aufrechterhalten, die Wahlreform durchgeführt, die Durchführung der anderen noch übrigen Reformen habe lediglich die Kürze der Zeit gehindert. Wäh rend der letzten sieben Jahre seien 534 Gesetze votirt worden. Erreicht sei die Befestigung des Gleichgewichts im Staatshaushalte, und die Herab minderung der Zweige des öffentlichen Dienstes; die Stellung der Beamten sei verbessert, die schwebende Schuld vermindert, das Eisenbahnnetz erweitert. Der Cours der öffentlichen Rente habe um ungefähr 20 Procent sich gehoben, das Gold- und Silberagio sei reducirt. Depretis erklärte ferner, die Monarchie und die Verfassung würden niemals Verbesserungen auf politischem socialem Gebiete hindernd entgegen treten; er erkläre sich als Gegner eines Jeden, der dieses Glaubensbekenntniß nicht ohne Hintergedanken und Vorbehalte acceptirte. (Beifallssturm). Den Clericalen könne man seiner Ansicht nach keine wei teren über die Garantiegesetze hinausgehenden Zuge ständnisse machen. Die Garantiegesetze enthalten Alles, was zur Wahrung der geistlichen Gewalt des Papstes zuzugestehen möglich. (Folgt ein längerer Passus über die Rüstungssrage und die auswärtigen Beziehungen). Die ausgezeichneten Beziehungen würden sich in Folge der bevorstehen den Verbindung der italienischen mit der baierischen Königsfamilie noch mehr befestigen. Auch im Ver kehre mit einer anderen edlen Nation werde jede Spur der jüngsten Ereignisse verwischt und durch die unmittelbar bevorstehende Ernennung der respec- tiven Botschafter das gegenseitige Wohlwollen be siegelt werden. Die dem Parlament vorzulegenden Schriftstücke werden beweisen, daß unser Beitritt zu der Aufforderung, in Egypten zu interventiren, nicht mit unseren internationalen Pflichten vereinbar war. Schließlich trank Depretis auf das Wohl des Königs, der ältesten liberalsten Dynastie Europas, welche es stets verstanden, ihre Geschicke mit denjenigen des Vaterlandes zu verbinden und die Liebe zu den Waffen mit der Pflege der öffentlichen Freiheiten zu vereinigen, um Italien durch die eine geachtet und gefürchtet, durch die andere groß und glücklich zu machen. (Beifallssturm). Infolge erlassenen Steckbriefes ist der entflohene Mitschuldige des Bombenmanns Oberdank, Apotheker Ragosa, in Sisto Fiorentino in Toskana verhaftet worden. Rußland. Der Gouverneur der Provinz Transbaikalien in Ostsibirien wurde von einem weiblichen politischen Sträfling erschossen. Egypten. Arabi Pascha wird von den Egyptern wie der gemeinste Verbrecher behandelt. Selbst das Rauchen ist ihm verwehrt. Seine Verurtheilung zum Tode gilt als sicher. Aus dem Mttldenthale. "Waldenburg, 11. October. Heute wird es wiederum jährig, daß die untere Häuserreihe unseres Marktplatzes, sowie eine Anzahl anstoßender Häuser ein Raub der Flammen wurden. Den über dieses im Jahre 1835 sich ereigneten Brandunglück damals im „Schönburgischen Anzeiger" veröffentlichten Bericht sind wir heute in der Lage nachstehend wieder geben zu können. Derselbe stammt aus der Feder des zu jener Zeit in der Altstadt angestellt gewesenen Herrn Pastor Oesfeld und lautet: „Der letztver gangene Sonntag, der 11. Octbr., welcher in ruhiger Stille, ohne alle geräuschvolle Lust, verlebt worden war, endigte für diese Stadt auf eine sehr erschüt ternde und traurige Weise. Gegen 11 Uhr des Nachts brach nämlich an der untern Seite des Marktes, aus dem Dache eines mit Schiefer bedeck ten Hauses, nahe am Stadtberge, ein Feuer aus, dessen Veranlassung noch jetzt unbekannt ist, dessen Gewalt aber eine so große Verwüstung anrichtete, daß bis früh um 5 Uhr, des andern Morgens, 54 Häuser in Asche lagen, 3 eingerissen worden waren, und 112 Familien ihr Obdach verloren hatten. Bei einem Anfangs nur mäßigen, später aber immer stärker sich erhebenden Westwinde verbreitete sich dis Flamme zunächst den Markt entlang nach der Schloßgaffe zu, deren rechte Seite auch, blos mit Ausnahme des Schuhmannischen und des etwas tiefer gelegenen vr. Viewegischen Hauses gänzlich niederbrannte. Zugleich wurden aber auch die Häuser hinter den Höfen, sowie die vom Markte abwärts nach dem Stadtberge zu gelegenen Häuser ergriffen und das trennende Thorhaus über dem untern Thore trug die Flamme auf die rechte Seite des Berges, wo mit großer Schnelligkeit ein Haus nach dem andern ergriffen wurde, so daß sich das Feuer immer weiter nach der Buchdruckerei herauf zog und erst bei dem neuauf- aber noch nicht aus gebauten Richterschen Hause, der Buchdruckerei gegen über mit der größten Mühe und Anstrengung, unter Gottes augenscheinlichem Beistände bewältigt wurde. Hier war einer der gefährlichsten Punkte. Denn, wenn es hier weiter fortbrannte, und das Feuer besonders die Buchdruckerei ergriff, so zog es sich