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vetblatt zu: «Seneral-Llrizeigcr, Lhemaitz. «U> zu: Sächsischer Land-ote. — Rr. 39. — September 1998. — »erlag von Alexander Wtede. LhemntG Kettenlast und Dornenpfad Folgt als Strafe böser That- SchamundReue,GramundNoth ! Weise wägend soll allzeit FolgtderSchuldbisindenTod. j Walten die Gerechtigkeit. Unschuld, die sich selbst vertraut. Hat auf festen Grund gebaut. Frieden, Ordnum Giebt uns des l Ein Idyll aus der Spitzbubenwelt. Ein sonniger Junimvrgen war in seiner oollen Pracht erglommen; goldne Strahlen flimmerten über die üppig grünende Ebene dahin; auf den Wiesen schafften schon seit Tagesgrauen fleißige Hände, um die Heuernte zu sichern, und auf der Dorfstraße trippelten just die flachsköpfigen Kleinen eilfertig zur Schule. Abseits vom Dorfe, hart am Rande des Waldes, gähnt eine tiefe Sandgrube, von dem vorbeiführenden Wege durch ein dichtes Birken» und Kieferngebüsch getrennt. Dort war es um die Zeit ganz einsam. Touristenvolk verirrte sich hierher schwerlich; für solche Leute ist die Gegend zu monoton, zu flach, zu reizlos, aber ein einsamer Jägers mann, der in der Nähe irgendwo aus dem Anstand gelegen, hätte wohl sein frugales Frühstück dort eiunehmen können und seine Freude daran haben, wie das gefiederte Volk im Birkicht jubilirle und seines Lebens froh im grünenden Gezweigs herumhüpfte. In der That diente die entlegene Sand grube augenblicklich einem menschlichen Wesen zum Aufenthalt. Ucbcr die Wipfel der Birken stieg eine dünne blaue Rauchsäule empor» ei» leises Knistern und Knacken, sowie ein würziger Harzgeruch verriethen, daß ein wohlgeschichteter Reisighaufen brannte. Mitten auf dem kahlen Grunde der Grube war das Feuer um einen aus Sand künstlich geformten Herd herum angesacht, aus dem ein alter Blcchkessel seinen Platz gefunden hatte, und daneben stand eine weibliche Gestalt, die den brodelnden Inhalt des Kessels sorgsam zu überwachen schien. Die Frau war noch gar nicht alt und mochte einmal eine recht aumuthige Erscheinung gewesen sein, aber ihre zerlumpte und ver lotterte Kleidung, das wirr um den Kopf herumhängende Haar und ein frecher Zug im Gesicht verliehen ihr etwas Gemeines, Zigeuner bastes. Hinter ihr stand ein geöffneter Henkelkorb, In dem wahrscheinlich der Kessel und etwaige Speiseoorräthe transportirt zu werden Pflegten, und daneben lag eine umfangreiche, aus Bast geflochtene Tasche, ganz vollgestopft mit Sachen, — jedenfalls das gesammte Reisegepäck der Person. Während sie jetzt ihr Frühstück bereitete, raschelte es in dem Gebüsch, ein Laut erscholl, wie verschlafenes Gähnen, dann reckte sich Etwas zwischen dem Haidekraut lang aus, und zuletzt kam ein Kopf mit struppigen» Bart und Haupthaar zum Vorschein, der auf einem sich langsam aufrichteuden Oberkörper saß. Der Mann hatte offenbar dort im Grünen geschlafen und jedenfalls sehr schön geträumt, denn er schaute mit grämlichem Gesichtsausdruck um sich, als er die Traumbilder verscheuchend inne wurde, daß der neue Tag für ihn nicht in einem reichen Schlöffe, sondern aus der Haide unter Gottes freiem Himmel anbrach. Das Gesicht ward nicht freudiger, als die Hände, in den Taschen wühlend, weder etwas Eßbares, noch irgend welche gemünzten Schätze fanden und auch das schmale Bündel, das als Kopfkissen gedient hatte, kein Frühstück hergab. Mit verdrossenem Brummen schickte sich der Wandersmann an, aufzustehen und die Lagerstatt zu verlassen, als ihn plötzlich eine Wahrnehmung stutzen machte. Ein leises Lüft chen war aus der Richtung der Sandgrube zu ihm herübergeweht» und seine Nase hatte daraus Düste aufgesogen, die ihm hier mitten in der freien Natur auffällig vorkamen. Er schnupperte, noch immer im Haidrkraut sitzend, rings umher und konstatirte dann, daß hier ganz in der Nähe etwas Genießbares gekocht werden müsse. Diese Wahrnehmung veranlaßte ihn, mit einem Ruck auf die Füße zu springen und langen Halses durch das Gezweige Um schau zu halten. Aha — dort in der Sandgrube! Und ein Weib, anscheinend auch von der Zunft, — das hatte der gefällige Zufall einmal wunderbar gefügt. Der Strolch schüttelte ver gnügt die Spuren seines Nachtlagers von den Kleidern, machte sorgsam etwas Toilette, in» dem er mit den zehn Fingern die Haare glättend hinter die Ohren zurückstrich und den Schnurrbart aufwichste, und trat dann aus dem Gebüsch heraus, um geraden Weges auf die Sandgrube zuzusteuern und sich dort ohne große Förmlichkeiten selbst zu Gaste zu laden. Die gegenseitige Vorstellung wurde rasch bewerkstelligt. Der Herr nannte sich Karl Rex — (auf Deutsch „König" sagte er, mit Stolz seine Keuntniß des Lateinischen accentuirend) — war seines Zeichens Arbeiter, wenigstens behauptete er das, und kam weither, vom fernen Westpreußen gewandert, wo an der Mündung des Weichselstromes einst seine Wiege gestanden hatte. Widrige Schicksale hatten ihn genöthigt, seine Heimathserde zu verlassen und als freier Wanderer sein Fort- kommen zu suchen. Ab» es ging ihm gar nicht gut; die Konkurrenz war zu groß; die. hartherzigen Menschen meinten immer, er sein em junger, kräftiger Kerl, der arbeiten könne uud nicht zu betteln brauche. Das hatte ihm das Wanderleben schon ganz verleidet, und er wollte sehen, baldmöglichst in eine große . Stadt zu kommen, wo er seine reichcn Talents bester verwerten könnte. Madame hatte aufmerksam und theilnahn voll zugehört. Auch sie war nicht hinter. 1 Hecke geboren, wie sie selbstgefällig mit eftrtzr » gewissen Koketterie versicherte. Ihr Name war Anna Schwarzer geb. Magiera; sie stammte aus dem schönen Oesterreich und war bis vor kurzer Zeit mit ihrem Galten aufi Jahrmärkten, Schützenfesten und derartigen Veranstaltungen umhergezogeu, nm böhmische Glaswaaren feilzubieten. Aber der Herr Gemahl war ein gar zu versoffener Lump 1 gewesen; deshalb hatte sie sich ft, diese» Frühjahr von ihm getrennt und wollte nun / auf eigene Hand irgendwie und irgendwo ihr Glück versuchen. „Es ist ein schweres Leben." — setzte sie mit einem tiefen Seufzer hinzu, — .denn eine alleinstehende Frau ist in dieser böses Welt überall den schlimmsten Anfechtungen aus gesetzt, aber cS bleibt mir doch weiter nichts übrig." Karl Rex drückte seine Theiluahme pantomimisch aus, indem er seinen Arm um die Taille der Sprecherin schlang, sich zu ih, herabneigte und ihr galant einen Kuß ans die Lippen zu drücken versuchte. Sie wehrte diese Kundgebung der Sympathie sanft ab, da ihr der Athen» des neuen Bekannten gar zu intensiv nach Schnaps roch und sei« Gesicht gar zu ungewaschen aussah, aber während sie sich auf einer bonkähnlichen Sandschwelle niedersetzte und ihm einen Platz neben sich anwies, verrieth sie ihm durch einen freundlichen Blick doch ihre Dankbarkeü für sein theilnahmvolles Verhalten und bezeigt« ihre Erkenntlichkeit, indem sie ihn zum Früh» stück einlud. Darob erhellte sich sein borstiges »ngeficht merklich und bald saßen die beiden Schicksal», genossen neben einander, immer abwechselnd den Kessel zum Munde führend und den dari- befindlichen „Kaffee" mit sichtlichem Behagen schlürfend. Auch Brot und Butter hatte Frau Anna aus ihrem Korbe zum Vorschein gebracht, und so wurde eia Mahl genossen» das beiden Theilnehmern königlich vorkam uud den vom Zufall —