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MMufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Dv» ^Wilsdruffer Tageblatt" erscheint tägllch nachm. 5 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Wk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Postbeftellung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ^°Ln unLs^ träger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit De» strllungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefandter Schriftstücke erfolgt nur. wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gefpaltene Raumzeile 20 Goldpfennig, die Lgespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Vold- pfennig, die 3gespalteneReklamezetle im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Nachweisnngsgebühr 2V Goldpfennige. 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Macdonald hatte zu allem Ja und Amen gesagt und die amerikanischen Politiker hatten wertvolle Dienste geleistet, — da ist in letzter Stunde die ganze Konferenz noch über den Felsblock gestolpert, der ihr von denenglisch-amerikanischenFinanz« leuten in den scheinbar so glatten Weg geworfen wurde. Alles ist teils entrüstet, teils tut man so; Paris tobt natürlich. Aber das nutzt alles nichts, weil jene Finanz- lente die Hand auf dem Portemonnaie Haden und nicht daran denken, sich ans Gedeih und Verderb der franzö sischen Politik auszuliefern, soweit es die von ihnen zu gebende 800-Millionen-Mark-Anleihe angehl. Wie groß die Verlegenheit der Konferenz ist, das geht ' am besten aus der verblüffenden Tatsache hervor, daß am Mittwoch nachmittag zwar eine Vollversammlung siattgefunden hat, bei der ganzen Geschichte, die zwei Stun den dauerte, aber nichts weiter als die sanfte Mahnung an die Ausschüsse, daß sie sich mit ihrer Arbeit etwas beeilen möchten, herauskam. Und daß zu den vielen schon bestehenden Ausschüssen noch ein neuer, ein juristischer Ausschuß hinzukommt, der aus einem englischen und einem französischen Rechtsgelehr ten besteht. Und der soll das Preisrätsel lösen, ob durch die Inkraftsetzung des Dawes-Berichts Fragen aufge worfen werden, die durch Vereinbarung mit Deutschland geregelt werden müssen, und was für Fragen das sein könnten. Und er soll weiter feststellen, welches Verfahren man anwcnden müßte, um zu einer solchen Vereinbarung zu gelangen, ohne irgendtvie dem Versailler Vertrag zu widerzuhandeln. Das sind allerdings die beiden kritischsten Fragen, das ist allerdings der- Kernpunkt der ganzen Londoner Konferenz, weil im Hintergründe die Frage der Betei ligung Deutschlands steht,, un!d weil von der Lösung der diesem neuesten Ausschuß gestellten Aufgaben das Schicksal alles dessen abhängt, was man bisher in den anderen Ausschüssen beschlossen hat, ohne jede Rücksicht nahme ans Deutschland. Es ist der Hintergrund des Ein greifens der Finanzleute, weU diese die Erfüllung des von der Sachverständiger aufgestellten Zahlungsplanes geknüpft wissen wollen an eine innere Zustimmung Deutschlands, nicht an eine äußerlich erzwungene, und damit das Gutachten wieder aus den Punkt zurück- sühren, vou dem es ausging, rmd der in London vollständig verschoben worden ist. Wie sich nun in diesem Tohuwabohu die Dinge weiter entwickeln werden, läßt sich im Augenblick nicht sagen; von allen Seiten regnet es Kompromißvorschläge. Und hinter den Kulissen regt es sich noch stärker. Vielleicht ist das Gerücht richtig, daß man zwar nichtdieDeut- schen direkteinladen, sondern daß man den deut schen Botschafter fragen will, o b die Deutschen bereit sind, zukomMen, und warm sie kommen wollen, — um dann der Konferenz mitzuteilen, daß die Deutschen da sind, und ihr anhcimzustellen, sie zu hören. Das geschieht nicht etwa um unserer schönen Augen willen; das geschieht ein fach darum, weil man mit den gewöhnlichen diplomatischen Mittelchm um jenen Felsblock nicht herumkommt und nun die ganze Sache vorwärtszubringen sucht, indem man die Lettischen heranzieht. So sieht es jetzt aus, in dem Augen blick, da dies geschrieben wird, — ob es nach 24 Stunden viftiaster Kulisscuarbeit nicht schon wieder anders aussieht, das wissen kaum die Halbgötter in London. Wenn aber wirklich eine deutsche Delegation nach Loudon geht, nicht, um nur ein Diktat entgegenzunehmen, sondern unl auf der Konferenz den deutschen Standpunkt geltend zu machen, so ist erfreulich dabei, daß hinter ihr nicht mehr eine anscheinend unheilbar z e r- klüftetedeutscheFront steht. Denn dieSoziall dem o k r a t i e hat sich in einem am Mittwoch nachmittag erschienenen Artikel dazu bekannt, daß ihr von den sieben Punkten, die die Deutschnationalen als Richt punkte sür die deutsche Politik gegenüber London auf gestellt haben, fünfals annehmbar erscheinen. Das wird der am Freitag stattsindenden außenpolitischen De batte im Reichstage zweifellos ein ganz anderes Gesicht geben, als es zuvor den Anschein hatte. Und das wird auch der deutschen Delegation eine tveit stärkere Stellung geben, falls sie wirklich Gelegenheit erhält, aus der- Konserenz sich zu äußern. Denn damit wird end lich auch von der deutschen Linken der bisherige Stand- punkt verlassen, daß wir angesichts der Entwicklung der politischen Lage unsre Bedingungen nicht so scharf formu- lieren und die Erfüllung der Ententesorderungen bedin- önngslos annehmen sollten. Das ist nicht nur politisch nchag, sondern auch innerpolitisch erfreulich. Das Erfreu- neyste atzxr wäre, wenn in der Debatte im Reichstage vor allem das Einigende stärkstens betont und die Differenz- Punkte energisch in den Hintergrund geschoben würden. Daß aber vor allein nicht zu viel geredet wird, weil die Reichstagsabgeordneten eine seltene Geschicklichkeit darin besitzen, bei längeren Reden sofort in Par lei politische Zänke reien ru Verfällen. '' M NW Mm sch M SbMMdU Neue Einigungsversuche. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". - London, 25. Juli. Gestern hatten einige Komiksemst- gl«her eingehende Besprechungen mit den Bankiers. Man lugt noch nach einer Kompromißlösung, rnn den toten Punkt zu über winden. Das dritte Komitee hat di« durch die Erweiterung seiner -Befugnisse entstehenden Fragen erörtert. Ferner nahm das juri stische Komitee seine Beratungen wieder aus, und man glaubt in gulunterrichteten englischen Kreisen, daß diese beiden hervorragen den Juristen die Brücke betreten werden, die ihnen die Konferenz gebaut hcü. Von maßgebender Stelle wurde darauf aufmerksam ge macht, daß die Besprechungen unzweifelhaft das Ergeb nis einer gleichberechtigten Einladung und Vertretung Deutschlands auf der Konferenz zur Folge haben Wurde. Die Londoner französischen Korrespondenten beurteilen die ! Lage nach wie vor pessimistisch, doch wäre es nach Auffassung i gut informierter amerikanischer Kreise verfrüht, schon jetzt von einem Zusammenbruch der Verhandlungen zu sprechen. Sicher lich ist ein kritisches Stadium ekngctreten. Aber diese Krisis war nötig und sie wird auch von den entscheidenden Mächten sür not wendig gehalten. Frankreich muß eben bedenken, daß seine Si tuation gegenüber der in London zutage tretenden Macht sich , nicht oder nur um Grade von der Deutschlands unterscheidet. Das Diktat der Finanz ein Diktat des Friedens. Eigener Fernsprechdienst bes „Wilsdruffer Tageblattes". Neuyork, 25. Juli. Das Neuyorker Blatt „Sun" be merkt in einer Besprechung der Fcrderungen der Bankiers in London, daß die französisch^elgisch« Forderung, eine eigene Be amtengrupps auf den Bahnen des Rhein- und Ruhrgedietes auch nach der Räumung beizubchalten, im Widerspruch zu den deut lichen Bestirmmmsen des Dawes-Planes stehe. Die zeitlich rm- bsschränktr Beibehaltung alliierter "Aussichtsorgane auf deutschem Gebiet würde die dauernde Ursache von Erregung und Reibun gen sein. Ob die relativ geringe Zahl der alliierten Aufsichts- organe im StrcÄfaile irgend etwas richten könnte, sei zweifel- HM. „Evenina World" erinnert daran, daß Hughes sich in seiner Rede tatsächlich ganz aus die Seite der Bankiers in ihrem Konflikt mit den französischen Politikern gestellt habe. Es werde , jetzt viel Aufhebens davon gemacht, daß die Finanzmagnatrn versuchen, den Regierungen ein Dittat aufzusrlegen. Nach sechs Nähren fortwährender Mißerfolge der Diplomaten und Staats männer sei es aber nun allerdings an der Zeit, daß ein Dittat auserlegt werde, nämlich das des Friedens. Frankreich müsse endlich begreifen, daß Ler Krieg nun vorüber sei. Reparationskommisfion und Gesetzentwürfe. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 25. Juli. Dis Reparationskommission hat für die Beratung der Gesetzentwürfe über die Eisenbahnfrage, Jntmstr«- Msgationen und Goldnotenbank noch kernen Zeitpunkt festgesetzt. Sire John Bradbury hält sich zurzeit in London auf. Bedrückte Stimmung in Parts. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 25. Juli. Nn offiziellen Kreisen in Paris wird zugegeben, daß die Londoner Konferenz sich eventuell bis in die ersten Augusttage hinziehen wird. Da Herriot, wie nunmehr seststeht, beabsichtigt, London nicht vor dem Ausgang der Kon ferenz zu verlassen, ist es möglich, daß der aurf den 29. IuSi festgesetzte Zusammentritt des Parlaments auf ein späteres Datum verschoben wird. Die StMWUMg in Paris ist sonst ziemlich ge drückt. Einigung in der Eisenbahnfrage? Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Londo », 25. Juli. Wie der „Daily Telegraph" mitteitt, soll m Kürze ein Ausschuß unter Vorsitz Owen Heungs errichtet werden, um die Kontrokmaßnahmen über die Einnahmen de» deutschen Budgets anszuarbeiten. Der Organisationsausschuß der Eisenbahnern der Betrieb einer kurzen Strecke westlich von Köln fünftes neutrales Mitglied einberufen zu müssen. Es hat den Anschein, daß man sich m der Eissnbahnsrage aus den englischen Vorschlag geeinigt hak, wonach den französischen und belgischen Eisenbahnern der Betrieb einer kurzen Strecke westli chvon Köln suvertraut werden soll, während im ganzen übrigen Netz aus schließlich deutsches Personal tätig sein wird. Schwere Kämpfe um Sao Paulo Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer- Tageblattes". Paris, 25. Juli. Gestern abend wurde aus Buenos Aires berichtet, daß die brasilianischen Aufständischen sich ent schlossen haben- gegen die Hauptstadt zu marschieren. FrommeWünscheFrankreichs BernWW der RuhmdWe. Sanktionen besser als Zahlungen. Ein maßgebendes Pariser Blatt hat dieser Tage ge schrieben, daß es sich für Frankreich oarum handele, ent weder Zahlung zu erhalten oder die Nichtzahlung auszu beuten. Poincarö hat immer nur Wert auf die Ausbeutung der Nichtzahlung gelegt, hat sein Streben darauf gerichtet, Deutschland die Zahlung unmöglich zu machen, um dann zu Sanktionen zu schreiten. Denn sein Wille ist, Deutsch land zu vernichten, das an der Ruhr am leichtesten und am schwersten getroffen werden konnte. Deshalb die vertrags widrige Besetzung mit der unerträglichen Belastung der Industrie. Sie sollte zunächst vernichtet werden. Mit solchen Absichten steht Poincarö nun keineswegs allein. Daß sie naMentlich auch in der französischen Schwer industrie geteilt werden, hat jüngst einer, der ihr zugehört, der Lothringer Schmidt, einem Vertreter des „Paris Soir" gegenüber ganz offen und^rmverfroren bekannt. Er er klärte, die französische Industrie habe ein Interesse daran, daß die Londoner Konserenz ergebnislos bleibe; denn die Weltlage auf dem Eisenmarkt sei seit dein Kriege vadurch charakterisiert, daß infolge der allgemeinen Ver armung 390 Hochöfen znvicl in der Welt seien. Die fran zösische Industrie habe natürlich ein Interesse daran, daß nicht ihre, sondern die Hochösen der Konkurrenz anSgc- blasen würden. Dieses Nesultat sei dadurch zu erreichen, daß die Ruhr gewissermaßen erdrosselt werde. Dies habe der französischen Industrie gestattet, die deutsche Schwer- irrdustrie auf den Exportmürkten kaltzustellen. Wenn Deutschland wieder in den Stand gesetzt wird, seine frühere Machtstellung zurückzugewinnen, so werde dies fiir die französische Schwerindustrie die Aufhebung der Gewinne und gleichzeitig den Ruin bedeuten, denn sie habe cs nötig, die durch den Anschluß Lothringens um sechs Mil lionen Tonnen vermehrte Eisenproduüion in« Auslande absetzen zu können. Der Franksturz kümmert diesen Industriellen mit dem echt französischen Namen nicht, weil der Umfall der Valuta eine Ausfuhrprämie darstelle. Mag darüber Frankreich zugrunde gehen, wem« er nur. seinen Beutel Men kaim. Ganz wie Poincarö: mag Frankreich in den Sturz Deutsch lands hineiugezogen werden, wenn er nur seinen Macht gelüsten frönen kann. Amerika bleibt fest. Einverständis Deutschlands notwendig. Nach wie vor sprechen die amerikanischen Vankenvertreter sich unter allenUmständen gegen eine will kürliche Festsetzung der Maßnahmen im Falle etwaiger deutscherVerfehlungen aus. Die Amerikaner verlangen, daß unbe d ing t das deut sche Einverständnis ein geholt werde, ohne das die amerikanischen Geldgeber nicht die von ihnen verlangte Sicherheit erhalten würden. Andernfalls setze man sich der Gefahr aus, daß Deutschland Vorbehalte mache, durch die die Durchführung des ganzen Sach verständigenplans gefährdet werde. Offenbar Hai die Konferenz die Einsetzung eines juristischen Aus schusses beMossen, um einerseits diesem amerikanischen Standpunkt gerecht zu werden, und andererseits den Fran zosen die von ihnen bekämpfte Teilnahme Deutschlands an den Verhandlungen schmackhaft zu machen. Der Aus- Mrß soll folgende Fragen prüfen: 1. In welcher Frage gebt der Finanzbericht über das Versailler Diktat hinaus und in welchem Umfange «nacht er deshalb eine -Verständi gung mit Deutschland notwendig? 2. Durch welche Pro zedur soll der Bericht durchgesührt werden, ohne dabei den Versailler Vertrag zu verletzen? — Man hat das Thema, das eigentlich „die Einladung Deutschlands" heißen müßte, etwas verschoben, um den Franzosen die Zustimmung ZU erleichtern.