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und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zu Freiberg und Braud. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. —— 41 — —- — - — S/r ü Erscheint jeder Wochmtag Nachmitt.>/,6 Uhr für den Inserate »«dm bis Bormittag 11 Uhr cmgenmn- 211. zxLLLM Sonntag, den s. September "SLU«»S-». IM«. Die Woche. In der Familie des deutsche« Kaisers ist nach vielen trüben Tagen der Sonnenschein der Freude eingekehrt und auf ein herrliches Tauffest wiederum am Montag ein neues, glückliches Ereigniß, die Verlobung einer Schwester unseres Kaisers, der Prinzessin Sophie von Preußen mit dem Herzog Constantin von Sparta, Kronprinzen von Griechenland, ge folgt. Seit dem Monat März d. I. kam der in Leipzig stuvirende griechische Kronprinz häufig nach Berlin und Potsdam und stand derselbe im lebhaftesten Verkehr mit der Familie des Kaisers Friedrich. Bei der letzten An wesenheit der Könige von Dänemark und Griechenland, des Großvaters und des Vaters des Prinzen, im Schloß Friedrichskron, lernten diele ebenfalls die einstimmig aner- kannten herrlichen Eigenschaften der Prinzessin Sophie kennen und ermuthigten den Kronprinzen Constantin zu der am Montag erfolgten Werbung bei Sr. Majestät dem Kaiser. Der Letztere fuhr sofort zu seiner erlauchten Mutter, der Kaiserin Friedrich, und bald darauf kam auch der griechische Kronprinz nach Schloß Friedrichskron, wo im engsten Familienkreise das Verlöbniß stattfand, das noch an demselben Abend im .Reichs-Anzeiger" veröffentlicht wurde. Nach einem vielverbreiteten Gerücht soll der Sohn des Prinzen Friedrich Carl von Preußen, Prins Friedrich Leopold, um die jüngste Schwester unseres Kaisers, Prin zessin Margarethe, werben und demnach in dem Kaiserhause noch eine zweite Verlobung in Aussicht stehen. Die Uner müdlichkeit, mit welcher Kaiser Wilhelm H. sich den Besich tigungen der Armee und der Marine widmet, erregt allge meine Bewunderung; seine große Feinheit und Leutseligkeit, deren Wirkung sich in letzter Zeit so vielfach bewährte, bürgen dafür, daß auch sein nahe bevorstehender Besuch in der ewigen Stadt die treuesten Anhänger des italienischen Königshauses befriedigen werde, ohne den päpstlichen Stuhl zu verletzen, mit welchem die preußische Regierung gern die jetzigen freundlichen Beziehungen unvermindert fortsetzen möchte. Der deutsche Kaiser ist dabei in einer günstigeren Lage als der Kaiser von Oesterreich, der dem italienischen Monarchen den schuldigen Gegenbesuch in Rom nicht ab- statten kann, weil man im Vatikan an katholische Fürsten in Bezug auf die Frage der weltlichen Herr schaft des Papstes strengere Anforderungen stellt als an protestantische. Ueber den Empfang unseres Kaisers im Vatikan haben eingehende Verhandlungen stattgefunden, an welchen der Nuntius Galimberti und der preußische Gesandte im Vatikan, von Schlözer, in hervorragender Weise be- theiligt waren. Eigenthümlich berührte es, daß deutsche klerikale Blätter es noch nach dem befriedigendsten Abschluß dieser Verhandlungen für unmöglich erklärten, daß Kaiser Wilhelm gleichzeitig Gast im Quirinal und im Vatikan sein könne. Noch eigentümlicher erscheint es, daß in dem Augenblick, wo sich der deutsche Kaiser rüstet, durch seinen Besuch in Rom dem Königreich Jtalim die vollste Aner kennung zu zollen, der Katholikentag in Freiburg im Breis gau eine Resolution zu Gunsten der Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft des Papstes annahm, statt die Lösung dieser Deutschland nur sehr mittelbar berührenden Frage Italien zu überlassen, wo 30 Millionen katholische Ein wohner nur einer Handvoll von Nichtkatholiken entgegen stehen. Darüber kann sich der Zentrumsführer Windthorst, der in Freiburg auch für die Jesuiten eine Lanze brach, kaum täuschen, daß von dem Fürsten Bismarck weitere Zu geständnisse an den Ultramontanismus nicht zu erwarten sind. Der deutsche Reichskanzler wird schon in den nächsten Tagen von Friedrichsruh nach Berlin kommen und nach kurzem Aufenthalte daselbst nach Varzin gehen. In Berlin dürfte Fürst Bismarck nochmals zwei wichtige, dem Reichs tag zug-dachte Vorlagen prüfen, den abgeänderten Entwurf des Alicrs- und In Validenversicherungsgesetzes und eine Novelle zum Kranken kaffen - Gesetz. Die Emennung Rudolf v. Bennigsens zum Ober-Präsidenten von Hannover ist vielfach als der Beginn großer und tiefeinschneidender Veränderungen im Organismus der Reichsbehörden be- tracktet worden. Die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg." be merkte aber dazu, daß die in erster Linie von den ver bündeten Regierungen gegen verantwortliche Reichsministerien geltend gemachten Bedenken auch heute noch in voller Kraft fortbestünden. Wie die „National-Korresp." annimmt, be absichtigt die Reichsregierung überhaupt nicht in die Wahl- beweaung durch Kundgebungen über Fragen der Verwaltung, des Steuerwesens, der Kirchen- und Schulpolitik einzu greifen. Um so mehr wird es Sache der Parteien sein, ihre Bestrebungen und Ziele auf allen Gebieten des inneren Staatslebens den Wählern klar zu machen. Ebenso gleich- müthig hat sich die Reichsregierung neuerdings Frankreich gegenüber verhalten, wo man wegen des von Garnier auf der deutschen Botschaft zu Paris verübten Attentats auf Weiterungen gefaßt war. Unangerechnet soll deshalb den Franzosen dieser Zwischenfall sicher nicht bleiben, denn die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg." legte bereits den in Paris „von oben her äus politischen Zwecken geförderten Zeitungs- Hetzereien" die Schuld bei, daß Garnier überhaupt irrsinnig wurde, und meinte, daß eine solche That weniger auf das einzelne Individuum, als auf das ganze Land und seine Bevölkerung zurückfalle. Nachdem die großen Truppenübungen bei Pisek in Böhmen, denen der Kaiser von Oesterreich am Montag und Dienstag beiwohnte, durch eingetretene Ueberschwem- mungen eine empfindliche Störung erlitten hatten, begab sich der österreichische Monarch mit dem Kronprinzen Rudolf zu den Manövern, welche unmittelbar darauf zwischen Wien, Linz und Neustadt ststtfanden. Vorher noch ließ Kaiser Franz Joseph durch den Statthalter Baron Kraus den Bewohnern von Pisek und den Landgemeinden des Piseker Bezirkes für die gelHentlick der Truppen-Konzrn- trirung in hervorragender Äeise vethätigte, opferwillige, militärfreundliche Gesinnung den besonderen kaiserlichen Dank und die vollste Anerkennung kui.dgeben. Allgemein hat es einen sehr peinlichen Eindruck gemacht, daß sich zu dem großen Wiener Schützenfest, durch welches das Regierungs- Jubiläum des Kaisers gefeiert werden sollte, bei dem der österreichische Thronfolger im Namen des Monarchen per sönlich die Huldigung entgegennahm, zu dem die Stadt Wien ihre Gastfreundschaft anbot, kaum 600 Männer zu sammengefunden haben. Die liberalen Wiener Blätter nehmen diese unangenehme Thatsache zum Anlaß, um den Niedergang Wiens und des österreichischen Gemeinsinns aus der Taaffe'schen „Versöhnungspolitik" herzuleiten. Die ministerielle alte „Wiener Presse" trat dieser Zusammen stellung von Politik und Schützenfest entgegen und meinte, die verschwindend geringe Zahl von Schützen erkläre sich daraus, daß das Komit« die Veranstaltung mehr als eine lokale durchgeführt habe. Nach der czechischen Zeitung „Politik" soll sich die geringe Betheiligung gerade aus dem Umstand erklären, daß das Komitö bei den Einladungen die nichtdeutschen Nationalitäten unzureichend berücksichtigte. Wohin der König Humbert von Italien bei seiner jetzt beendeten Reise durch die Romagna kam, strömte ihm die bisher als republikanisch verrufene Bevölkerung zu Tausenden jubelnd entgegen und wurde er in Forli, Faenza, Cesena, Lugo, Rimini und Ravenna mit fast unbeschreib licher Begeisterung empfangen. Der König eroberte durch seine Leutseligkeit und wohl auch durch seine wahrhaft königliche Freigebigkeit die Herzen dieser stolzen Bevölkerung, welche sich nach vielhundertjähriger Mißregierung einen Monarchen fast nur als einen Tyrannen vorzustellen schien und nun in König Humbert einen freundlichen Menschen von Fleisch und Blut sah, dessen mildes Wohlwollen Jung und Alt erwärmte. Als Nachklang dieser Triumphreise gilt der Depeschenwechsel zwischen dem König und Crispi, der in der Absicht veröffentlicht wurde, den guten Willen des Monarchen und der Regierung zur Verbesserung der wirth- schaftlichen Lage in jenem Theil Italiens zu zeigen. Der ganze Verlauf des nun abgeschlossenen Versuchs einer Mobilisirung der franzöfische« Reserveflotte hat allgemein befriedigt und nicht wenig dazu beigetragen, die allgemeine gute Meinung von der Tüchtigkeit des Marine ministers Crantz zu bestätigen. General Boulanger ist seit einiger Zeit von Paris abwesend, ohne daß bisher mit Sicherheit zu erfahren war, wohin er sich gewendet hat. Die boulangistischen Blätter bestreiten die vielverbreitete An nahme, daß Boulanger durch Deutschland nach Schweden gereist sei, mit großer Gereiztheit, weil von deutscher Seite jeder etwaige Versuch einer Annäherung an den Fürsten Bismarck im Voraus als aussichtslos erklärt wurde. Mittwoch Nachmittag hat das russische Kaiserpaar mit dem Großfürsten Wladimir und großem Gefolge Peters burg verlassen, um sich zunächst zu den Truppenübungen des Charkower und Odessaer Militärbezirkes, dann zu kurzem Aufenthalte nach der Krim und später nach dem Kaukasus zu begeben, von wo die Rückkehr nach Petersburg erst in der zweiten Hälfte des Oktobermonats erfolgen dürste. Alle Nachrichten aus Griechenland bestätigen de« freudigen Eindruck, den dort die Verlobung des Kronprinzex Constantin mit einer Schwester des dentschen Kaisers her vorbrachte. Nachdem der griechische Kronprinz an der Sette des Kaisers Wilhelm die militärischen Uebungen und Manöver mitgemacht haben wird, soll derselbe nach Athen zurückkehren, wo Ende Oktober der König von Griechenland sein 25jährige- Regierungsjubiläum feiert. Die serbische Regierung befürchtete am 7. d. M-, de» Namenstage der Königin Natalie, in Belgrad ernstliche Kundgebungen zu Gunsten der hohen Frau, welche bei ihrer in Bukarest wohnendm Schwester die Entscheidung ihres in Belgrad anhängigen Ehescheidungsprozesses abwartex will und jetzt der serbischen und russischen Grenze nahe genug ist, um auf die Gegner des jetzigen Regierungssystems auf- munternd zu wirken. Alle Gast- und Kaffehäuser Belgrad- mußten am Freitag Abend frühzeitig schließen; außerdem wurde von den Behörden das AuSstecken von Fahnen und jede festliche Beleuchtung streng verboten. Tagesschau. Freiberg, de» 8. September Der deutsche Kaiser kam am Donnerstag Abend mittelst Sonderzuges von Potsdam über Charlottenburg nach Berlin und traf daselbst um 11 Uhr 1S Minute» ein. Bom Bahn hof Friedrichstraße reiste der Monarch sofort Wetter »ach Frankfurt a. O., langte dort gestern früh 1 Uhr 6 Miu. an und fuhr mittelst Sonderzuges von Frankfurt a. O. über Bentschen und mit kurzem Aufenthalte daselbst um 3 Uhr 23 Minuten nach Dombrowska Wetter. Dort langte der Kaiser gestern früh um 4'/, Uhr mit seiner Begleitung wohlbehalten an und suhr von der Station au- sofort zu Wagen nach de« Manöverterralu. Die Uebung der 10. Division begann eine halbe Meile hinter Konarzewo und endete dicht bet letzterem Orte. Zum Schluß sand ein zweimaliger Vorbeimarsch stimmt« lichrr Truppen statt. Vormittag» 10 V, Uhr kehrte Aller« höchstderselbe zu Wagen von dem Manöverterrain nach Dom browska zurück. In dem Kaiserlichen Salonwagen war rin Frühstück zu einigen 20 Gedecken angertchtet, zu welchem der kommandtrende General v. Meerscheidt-Hüllefsem, sowie der Oberpräsident Graf v. Zedlitz und deren Begleitung zugrzogen wurden. Um 11 Uhr trat Se. Majestät der Kaiser die Rückfahrt nach Potsdam an, woselbst er Nachmittags 4 Uhr rirtraf. — Der Kaiser hat den Ches des JngenieurkorpS und Generalinspekteur der Festungen, General v. Stiehle, auf sein Ansuchen unter Belassung aus dem Posten als Generaladjutant mit Pension zur Disposition gestellt und den General v. d. Goltz mit der Wahrnehmung der Geschäfte der Generalinsprktion des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen beauf« tragt. — Der nächstjährige Relchsmllttäretat soll keinerlei Mehrsorderungrn enthalten. Dagegen darf al» sicher ange nommen werden, daß der Etat der Marine Neuforderunge», auch für SchiffSbautrv, enthalten wird, wie solche bereit» in der vorjährigen Denkschrift angekündigt und auch noch auf Anordnung des General» von Caprivi in den in Vorbereitung begriffenen Etatsentwurf eingestellt worden find. Diese bereit früher angekündigten Mehrforderungrn für Schiffsbauten be ziehen sich nicht etwa auf neue Schlacht- und Panzerschiffe, sondern es wird im Anschluß an den Nordostsrr-Kanal der Bau von zehn Panzer-Kanonenbooten, von denen jede» 3*/z Millionen Mark kostet, in Angriff genommen werden. — Gegenüber den fortdauernden Angriffen auf den Freimaurer« bund — in der auch in unserem Blatte erwähnten „Berliner" Korrespondenz der Wiener „Politischen Korrespondenz" war in diesen Tagen von „sreimaurertscher Sekte" die Rede — weist die Berliner „National-Ztg." auf folgende Aeußerung hin, welche Kaiser Wilhelm I. al- Protektor der deutschen Freimaurer seiner Zett in Darmstadt grthan hat: „Sie sind hier weiter, al» viele Geistliche in Berlin, welche sich nicht nur von den Bauhütten abwenden, sondern die Freimaurer sogar anklagen und bekämpfen. Lasten Sie sich dadurch nicht beirren. Ich schätze den Orden, de» ich genau kenn«, so lange ich lebe, aber erwarte auch, daß er seinen Grundsätzen immer treu bleibe und ihnen gemäß handle. — Die Kaiserin Augusta bleibt bi» zum 10. d. M. in Weimar, begiebt sich dann nach Baden-Baden und gedenkt am 29. d. M. in Mainau einzutreffen, um dort ihren Geburts tag zu verleben. Die Kaiserin drückte den Wunsch au», die« selben Zimmer zu bewohnen, welche Kaiser Wilhelm I. bet seiner Anwesenheit inne hatte. Kaiser Wilhelm IL. trifft am 30. September aus der Mainau ein. Der Großhrrzog von