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Großenhainer Unterhaltungs- und Ameigeblatt -EdGES— Mit Hoher Concession gedruckt, verlegt und redigirt von Herrmann Starke. . 18. Mittwoch-, den 1. März . 1848. Der Dorf-Arzt. (Fortsetzung.) . Gott, wie.-liebten sich diese Menschen, Nie mals habe ich ein Wese» gekannt, das,so mit ganzer Seele sich hingrgeben, wie Eva Meredith ihrem Gemahle. Was sie auch beschäftigen mochte, immer setzte sie sich so, daß sie nur die Augen aufschlagen mußte, um William sehen und ihm zulächeln zu können. Sie las nur das Buck,.das er las; auf seine Schuller ge lehnt, folgten ihre Blicke den Augen des Ge liebten; dieselben Gedanken sollten ihre Seele beschäftigen. Wenn ich durch den Garten nach dem Hause ging, folgten meine Augen mit Rührung den Spuren von Evas kleinem Fuße neben den Tritten Williams; sie war ihm stets zur Seite, der gute Engel, den Gott ihm zu- gesellt! Welch ein Unterschied, meine Damen, zwischen dem einsamen alten Hause dort-Und der schönen Wohnung meiner jungen Freunde! Ein Reichthum herrlicher Blumen schmückte dal mals die Wände, prächtige Bouquets prangten auf dem Kamin! Ueberall umher lagen schöne Bücher und erzählten von einer Liebe, zärtlich, wie die Liebe Evas war, und zwischen den Blumen sangen lustige Vögel ihr süßes Lied. Wie that es so wohl, dort zu leben, bei diesen glücklichen Menschen, und von ihnen, die ein ander so zärtlich liebten, sich auch ein wenig geliebt zu fühlen. Aber glauben sie mir, die glücklichen Tage haben auf Erden keine Dauer, und das Maß der Freude, das uns hienieden zugemesseu, ist nicht groß. Eines Morgens fand ich Eva bleich und- still, sie schien leidend, und . ich fragte theilnehmend nach ihrem Befinden. Doctor, erwiderte sie rasch, suchen Sie die Ursache meines Uebels nicht so weit, .prüfen Sie nicht so nachdenklich meinen Puls, es ist nur mein Herz, das zu heftig schlägt. Schelten Sie mich kindisch, Doctor, wenn Sie^ wollen; abernich bin traurig;--weil William mich verlassen will. Er gehr' zur nächsten Stadt, um Geld zu holen, das man uns gesrndet hat. : - . -'s, (nost Und wann wirbt er zurückkehren? fragte ich. Sie lächelte unter Erröthen, und mit einem Blick, der zu sagen schien : Spotten Sie nicht! erwiderte sie: Diesen Abend. Ich konnte mich ohngeachtet-ihres flehenden Blickes eines Lächeln nichterwessrem Da führte der Diener das völlig aufgezäumte Pferd vor die HauSthür, Eva stand auf und ging in den Garten ; sie näherte sich dem Pferde, streichelte sanft seine Mähne und neigte ihren Kopf auf den Hals des Thieresi, vielleicht Um einige Lhränen zu verbergen, die ihren Augen ent strömten. William kam, schwang sich auf sein Pferd und seine Hand richtete sanft den Kopf seiner Frau auf: Kind! sagte er, indem er sie liebevoll anblickte und einen Kuß auf die schöne Stirne drückte. William! So viele Stunden auf einmal sind wir noch nie- getrennt gewesen! Meredith neigte sich zu Eva und küßte ihre herrlichen blonden Haare; dann gab er seinem Pferde Vie Sporen und sprengte im Galopp davon. Ich bin überzeugt, auch er war be wegt, denn Nichts ist so ansteckend, als die Schwäche der Menschen, die man liebt; Thrä- nen rufen Lhränen hervor und es ist kein edler Muth, wenn die Augen trocken bleiben, wah rend der-Freund weint. Ich entfernte mich. In mein Hüttchen zurückgekehrt, überließ ich mich dem Grübeln über das Glück, zu lieben und geliebt zu wer den. Ich fragte mich, ob wohl jemals eine Eva mein bescheidenes Loos ttzeilen werde, und prüfte, ob ich auch solcher Liebe würdig sei. Mein Gott! die wahre Liebe knüpft sich eben nicht an Das und Jenes; man liebt sich, weil man nicht anders kann! Der gütige Zufall, dachte ich/^werde auch mich auf meinen Wan derungen eineSeele finden lassen, der die Liebe ei« Bedürfnißssei- und ich nahm mir vor, sie zu suchen-, wie man eine schöne Blume sucht, an deren Düft man sich erquicken will. So träumte-ich, obschon es ein tadelnswertyes Ge fühl ist; wenn man beim Glück Anderer an das denktv was Wan selbst entbehrt, i - l i - Dn: Tag- neigte sich zu Ende; ich Hatte so eben mein frugales Mahl genossen, als ein Bote kam und mich bat, schnell zu Frau Meredith zu-kommen. In fünf Minuten war ich an der Thür des weißen Hauses. Ich sand Eva noch