Volltext Seite (XML)
W O M Feierabend Unterhaltungs-Beilage -er Sächsischen Volkszeitung Nr. 50 Sonntag den ^0. Dezember IM Advent. ie Jungfrau kniet und steht und ringt Zu Nazareth in stiller Kammer, Und durch das kleine Lenster dringt Des Zimmcrmcisters lauter Kammer. Und Sehnsucht spannt die Llügel weit Und trägt hinauf ihr Llehn, das fromme, Daß in des Lebens Nacht und Leid Nun endlich der Erlöser komme. Da — plötzlich tief ihr Herz erbebt, Ls schreckt sie ungewohnte Kelle, Und wie sie scheu die Äugen hebt, Grüßt sie ein Engel auf der Schwelle: „Dir ist an würde.keine gleich, Dich hat der Himmel auserkoren; von dir, der Jungfrau gnadenreich, wird aller Welt das Heil geboren. Und ob du keinen Mann erkennst — Nichts wird dein reines Herz gefährden. Und der, den du dein Aindlein nennst, wird Gottes Sohn geheißen werden." Der Engel sxricht's. Sein Gruß verklingt. Noch steht er leuchtend aus der Schwelle, Und in das Herz der Jungfrau dringt Ein Strahl von überirdhchcr Kelle. verwirrt senkt sie den keuschen Blick, Die Wangen röten sich, die blassen: Sie kann das hohe Himmelsglück In ihrer Unschuld nimmer fassen. Und doch, die fromme Demut wagt, Des Engels Botschaft zu erfüllen, Und spricht: „Ich bin des Herren Magd, Und mir gescheh' nach deinem willen!" Mit Geaebmi ung der BerlaAsbuchhandluiig Brecr L Thiemaim, Hannn entnommen aus „TeS Heilands Erüenwallcn ' von Hans Ärlltz Merlen-:- Preis broschiert Ml, 2.VV, elegant m Leinwand gebunden Mk, S.vv. Zweiter Adventsonntag. Evangelium: Johannes im Gefängnisse. Mauh. ll, 2—10. Johannes kannte keinen Erlöser, der erst kommen sollte. ! Er ist ihm gekommen er hat ihn erkannt und den Seinen s gezeigt und daß sie für immer ihm anhangen möchten, sie zu ! ihm gesendet. Und wie stellt sich ihnen der Erlöser dar? ^ Tie Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen wer- ! den rein, die Tauben hören, die Toten stehen auf, den Armen ? wird das Evangelium gepredigt und selig jeder, der sich an , ihm nicht ärgert, darin offenbart sich des Erlösers Wirk- > samkeit. Wohin er kommt, da weichen die Uebel, die bisher i geherrscht, da lösen sich die Fesseln, die bisher gedrückt, da bricht ein neuer, Heller Tag der wahrhaftigen Freude an. Hat es vor ihm einen solchen Erlöser gegeben unter all den gepriesenen Weisen und Helden und Königen, deren Namen in der Weltgeschichte leuchten? Wird es nach ihm einen geben, der es zu tun vermöchte, was er getan: Erlösungsbedürftig hat der Bater der Liebe den Men schen nicht erschaffen, er hat ihm vielmehr alles gegeben, was ihn in Wahrheit glücklich, selig machen kann. Erst durch seine Entzweiung mit Gott ist der Mensch aus dein Paradiese, aus dem Leben der Glückseligkeit herabgesunken rn da? Tal des Jammers und der Tränen, wie die Schritt von nun ab die Erde nennt. Wer diese Entzweiung n.rt Gott, die Erbsünde, leugnet, der leugne uns ihre Folgen; er leugne den Wahl. der bis zu dem furchtbarsten Un- und Aberglauben hinreißt; er leugne das Böse, das mit schauer licher Gewalt bis zu den entsetzlichsten Verbrechen forttreibt s er leugne den Schmerz und das Elend, die das menschliche Leben verzehren und endlich in den Tod begraben. Und. wenn er es nicht leugnen kann, so frage er sich, ob das alles Gott getan. Und wenn er ohne Wahnsinn einen solchen Frevel nicht aussprechen kann, so schlage er in Demut an seine Brust und gestehe: Das hat der Mensch getan, und nur. wer den Menschen wieder zu seinem ursprünglichen Zustande der Glückseligkeit, zu seiner Vereinigung mit Gott erheben kann, der ist sein Erlöser. Ist nun dieser Erlöser in Christus gekommen oder sollen wir auf einen anderen warten? — Betrachten wir das Schauspiel, das die alte Welt, die Welt vor Christo, uns darbietet. Die Geschlechter entstehen, sie verbreiten, sie drängen sich, aber je weiter sie sich in der Zeit entfernen von ihrer Wiege, um so weiter entfernen sie sich auch von der Wahrheit, die ihnen vom An fänge noch geblieben war. Sie häufen Aberglauben auf Aberglauben, Wahn auf Wahn, Torheit auf Torheit. Ihnen entschwindet das Bild des lebendigen Gottes und sie beten Sonne, Mond und Sterne, beten Menschen, Tiere und Pflanzen als ihre Götter an. Verschwunden ist ihnen das Licht auf ihren Wegen, verschwunden das Ziel am Ende ihres Weges, verschwunden das Bewußtsein ihrer Würde und ihrer Bestimmung: und wie viel und wie lange sie for schen und suchen und lernen in dem Sichtbaren und Sinn lichen. über das Sichtbare und Sinnliche hinaus ist ihnen die geistige Welt verschlossen und kein Licht leuchtet in ihre Finsternis. Auch die Besten aus dem verirrten Geschlecht? und die Weisesten widersprechen und bekämpfen sich in dem. was wie ein mattes Dämmerlicht in ihren umflorten Seelen aufleuchtete; selbst die Patriarchen und Propheten, die die Erbarmung des Herrn gesendet, wie Sterne in der Nacht, sie konnten nur ans das Licht Hinweisen, das da kommen sollte, und was sie verkündet, nur in einem hat es sich er füllt. und erfüllt in seiner ganzen Herrlichkeit in dem, der sich uns als den Weg. die Wahrheit und das Leben offen bart hat. Es erfüllt die Verheißungen, die Israel in seinem Schoße und die Sehnsucht, die die Menschheit in ihrem Her zen getragen hat. Sie zeigt der Welt den verhüllten Gott. Er öffnet der Welt den verschlossenen Himmel. Er lehrt die Welt den Weg zum würdigen Ziele. Er spricht von dem höchsten Wesen nicht als Knecht, sondern als Sohn; von dem höchsten Ratschlüsse nicht als Gesandter, sondern als Teil nehmer: von der unsichtbaren Welt nicht als Fremdling, sondern als Einheimischer. So gibt er den Geistigblinden ihr Gesicht, den Geistigtauben ihr Gehör, den Geistiglahmen ihre Gebkraft wieder. Und daß keine Bürgschaft dem for schenden Blicke des zweifelnden Erdensohnes fehle, beglau bigt er sein Wort durch Taten und macht auch leiblich die Blinden sehend, die Lahmen gehend und die Tauben hörend und bewährt sich durch ein Leben voll jeder sanften und gro ßen Tugend, durch ein Vorbild, in dem von allen, die unter der Sonne gewandelt, keiner strahlte, als der Erlöser, der