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Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bantzen als Konsistorialbehörde der Oberlausitz. Amtsblatt -er Amtshcuptmannschaften Bantzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, ingteichen der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeindcräte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Orga« der Handels- und Gewerbekammer zv Zittau. Erscheinungsweise» lüft!ich abends mit Ausnahme der Sonn- und Fcintage. Schriftleitung und Geschäftsstelle: Bauycu. Innere Laucnstraßt 4 Fernsprecher: Nr. 51. — Diahmachnchl: Amtsblatt, Bautzen Bezugspreis: Monatlich I Mart. Einzelpreis: IO Pfennige. Anzeigenpreis: Die ögcspaltenc PemzeUe vde> Seien :>>oum 15 Pnanuae, in geeigneten Fallen Ermäßigung. ^ap rnlio:egund teurer. Reklamen; Die Zgespaltcne Petipzeile 50 Pieuui.u -tr. 22. Freitag, den 28. Januar 1S1O, abends. 129. Jahrgang Das Wichtigste vom Tage. * Die englischen Parlamentswahlen ergaben ibtSher sie Wahl von 258 Unionisten (darunter 120 neue Mandate), 258 Liberalen, 40 Arbeitcrparteilern uni» 74 Ir ländern, einschließlich 8 O'Brienistcn. * In Horton und Durham griffen die streikenden Bergarbeiter die Zentralbureaus der Konservativen an und zerstörten sie. * In Athen rechnet man auf ein neues Mini sterium mit General Zorbas als Kriegöministcr, wo durch die Militärliga ans Ruder kommen würde. * Ter deutsche Botschafter in Paris, Fürst Radolin, hat infolge der H v ch wa s s e r n o t mit seiner Familie den Botschaftspalast räumen müssen. Stellenweise erreicht der Wassevstand die Höhe des zweiten Stockwerks. * Bei Campobasco (Mittelitalien) entgleistc in- Lolge eines Erdrutsches ein P e r s o n e n z u g. 8 Personen tot. * Wetteraussicht sür Sonnabend: Etwas wärmer, zeit- «veise Niederschlag. * Ausführliches siehe an anderer Stelle. Das Problem der besten Gesellschaftsorduuu Unsere Zeit darf sich nicht mehr genügen lassen an Kund gebungen irgendwelches Parteiwollens ohne begründende Vertiefung, wie das jetzt eigentlich durch Jahrzehnte ge schehen ist. Ein Wille kann aus logischem Denken, aus einer nach allen Seiten bereiteten, wissenschaftlich aufge- rtssenen Grundüberzeugung erwachsen; er kann aber auch auf bloßem Vorteilsbcgehren oder meinungsmäßigem Wünschen erwachsen, und die beiden letzteren Grundlagen führen Entartungserscheinungen herbei. Denn wenn schon nicht nackte Vorteilswirtschaft getrieben wird, dann tritt svenigstens an Stelle sachlicher Werbetätigkeit sür das eine oder andere der gesellschaftlichen Hochziele der untergeord- uete Kampf der Person gegen die Person, sodaß sich ein Stierkampf entwickelt, bei dem der mit den stärksten Hör- «ern oder der mit der größeren äußeren Gewandtheit aus- geftattete Kämpfer den Sieg erringt. Uebrigens bleiben die Versprechungen selten aus, die geradewegs in die Vvr- teilswirtschaft hincinführen, und unter solchen Verhältnissen werden es denkende Leute am Ende bedauern müssen, daß das Volk heute in allen seinen Gliedern — auch wenn denen tiefere politische Einsicht vollkommen abgeht — zur Mitlei tung seiner Geschicke berufen ist. Die besseren Geister empfinden diese Unzulänglichkeiten unserer staatlichen Sittigung seit langem, und mehr und mehr wendet man sich einer tieferen Heraufbegründung der politischen Willc.nsziele zu. Allerdings bislang eigentlich nur auf der Rechten — soll man den Eindruck bekommen, alS ließen sich etwa die politischen Hochziele der Linken nicht von einer zweifelsfreien Erkenntniswurzel aus schluß- sicher in ihrer Notwendigkeit und ihrem Werte entwickeln? Woran es auch auf der Linken nicht fehlt, das sind farben- sprühende, oft geistgetränktc Darlegungen von nur Mci- nungswert — man braucht nur des Naumannschcn Werkes „Kaisertum und Demokratie" zu gedenken. Die gründlichen Arbeiten aus dem Lager der Rechten aber finden nur selten den Weg in das Volk; denn die Presse ist zum allergrößten Teil in Händen der Linken, und was sie totschweigt, dessen Bestehen bleibt leider dem größten Teile des Volkes verborgen. So geht es wohl auch der vor züglichen Schrift des deutschvolklichen Schriftstellers vr. O. Schmidt-Gibichenfels: „Das Problem der besten Gesellschaftsordnung", das bei -er Thüringischen Vcrlags- anstalt zu Leipzig im vergangenen Jahre erschienen ist. Das Merkchen würde verdienen, in weitesten Kreisen immer wieder gelesen zu werden — aber wir haben es bislang in keiner unserer größeren Zeitungen diesem Werte gemäß besprochen gefunden. Es läßt sich nämlich gegen die Dar legungen nicht allzu viel sagen, und was man dagegen ein wenden kann, erschüttert nichts am Ganzen. Deshalb ist eS sehr begreiflich, daß die große Presse die dankenswerte Arbeit mittels -er einfachsten Widerlegurrgsform einfach nnks liegen läßt. Redlich denkende Politiker müssen aber heute solche Ver- bffentlichungen geradezu ersehnen, einerlei, aus welchem (Sager sie stammen, wenn sie nur von unangreifbaren Ur- gedanken ausgehen und über ehrliche Beobachtungen un- einwandfreie Schlußfolgerungen ihrem Ziele zustreben, sodaß man erkennt, das letztere ist nicht etwa vorgefaßt und muß nun mit allen Künsten des Sprachgebrauchs auch be gründet werden. Tenn gerade die leidigen Vorurteile sind cs, die den echten Männern von heute so vielfach die Be teiligung am politischen Leben verekeln und die Volksver tretungen wie die Wahlkämpfe den untergeordneten Geistern ausliefern, die ohne Rücksicht auf sachliche Erkennt nisse und Erfordernisse mit Verhetzung, Schimpf und Glimpf die Massen aus ihre Seite zu bringen suchen. vr. Schmidt-Gibichenfels' Arbeit ist ordentlich ein kuapzgehaltenes, für jeden strebsamen Mann verständliches Lehrbuch vom gesunden und kranken Vvlkskörper, vom lebensfähigen und vom unterganggeweihten StaatStum- und der Verfasser schildert beide nach den Erscheinungen bezm. Notwendigkeiten der gesellschaftlichen, der staatlichen und der wirtschaftlichen Ordnung. Zum ersten Punkte er weist er die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Rang gliederung, deren naturgemäßen Werdegang er schildert zu gleich mit den Grundziigcu, von denen die GliederungSaus- lese beherrscht sein soll. Wir sehen da mit aller Deutlichkeit, wie verfehlt das demokratische Ziel der öden Gleichmacherei ist, da solche Gleichmacherei eigentlich zur Auslösung aller Ordnung und zur Führung der Massen durch äußerliche Talente oder durch geldmächtige Selbstlinge führen muß. Die Ausführungen über die staatliche (politische) Ord nung bringen ein fein durchgeführtes Bild und zeigen die Vernunftgemäßheit einer versassungsgemäß beschränkten Monarchie, deren Ausgaben und Eigenwert gegenüber absolutistischen oder republikanischen Verhältnissen treffsicher gekennzeichnet werden, und als die wirtschaftliche Ordnung, die den Gcsellschaftsbestand dauernd bei gesundem Volks leben sichert, wird eine gradmäßig al>gestufte Besitzvertei lung gezeigt mit möglichster Bodenständigkeit aller Er-, rverbsschichten, mit Vermeidung kapitalistischer Wirtschafts methoden, soweit das nur immer angängig erscheint. Es sollen diejenigen Erzeugungsformen von der Gesellschaft mit allen Kräften geschützt werden, die die Grundform (die Zelle) des Staates, nämlich die Familie am meisten er forderlich machen und in denen auch der ideelle Wert der Arbeit dem Leistenden am stärksten fühlbar wird. Alles in allem: eine außerordentlich wertvolle Arbeit, die auch kein selbstfertiger Ucberzeugungspvlitiker ohne Ge winn aus der Hand legen wird, lind wenn das beliebte Wort von der „deutschen Gründlichkeit" auf politischem Ge biete nicht leider heute eitles Geflunker wäre, so könnten wir der Schrift von vr. Schmidt-Gibichensels eine erheb liche Zahl von Auflagen Voraussagen. Möchten aber wenig stens unsere Gesinnungsgenossen gerne zu diesem Quell gründlichen politischen Denkens und erkenntnismäßiger Klarheit über die Fragen der Gesellschaftsordnung greifen; denn es ist wahrhaftig kein unfruchtbares Wissen, das hier vermittelt wird! Politische Nachrichten. Deutsches Reich. Reform des sächsischen Volkdschutwcscus. Zu der im Gange befindlichen Reform des Volksschulwesens im König reiche Sachsen erfahren wir von kompetenter Stelle, daß der betreffende Gesetzentwurf noch nicht vollendet vorliegt, und daß er auch noch einige Zeit auf sich wird warten lassen. Die dem Königlichen Kultusministerium sür dieses wichtige Werk zur Verfügung stehende Zeit ist gegenwärtig sehr knapp bemessen, weil der Kultusminister vr. Beck und seine Räte durch Landtagsarbeiten stark in Anspruch genommen sind. Sobald aber der gegenwärtige Landtag seine Tätig keit für die Finauzpcrivde 1810/v erledigt haben wird, was Mitte Mai d. I. zu erwarten ist, erfolgt die Fertigstellung der erwähnten Gesetzesvorlage. Dem im Landtage und von anderen Interessentenkreisen mehrfach ausgesprochenen Wunsche, cs möge das neue Volksschulgcsetz so bald als möglich der öffentlichen Kritik zugestellt werden, steht der Herr Kultusminister vr. Beck sympathisch gegenüber; allein die Entscheidung dieser Frage liegt in letzter Linie beim Gesamtministerium. An dieser Stelle hat man sich aber mit der Angelegenheit der zeitigen Veröffentlichung des Gesetz entwurfs noch nicht beschäftigt. Die Fortbildungsschulreform wird voraussichtlich gleichzeitig mit der Bolksschulreform erfolge«, ein besonderes Fortbildungsfchulgesetz also nicht kommen. Die Autorität des Präsidenten der Zweite» Stände- kammcr scheint noch immer nicht genügend von den Tri- bünenbcsuchern anerkannt zu werden. Trotzdem tribüne sich kürzlich veranlaßt sah, aus die Ungehörigkeit von Beifalls- oder Mißsallenskuudgebungen seitens der Tribünenbefucher aufmerksam zu machen und eventuell mit Räumung der Tribüne zu drohen, war vor- einigen Tagen bei der Beratung über den Schuletat zu Zeiten di« Unruhe so groß, daß es den Pressevertretern nicht möglich war, den Verhandlungen zu folgen. Erst nachdem ein Be richterstatter — es war der Vertreter mehrerer großer libe raler Zeitungen — sich an einen Abgeordneten gewandt hatte und dieser beim Präsidenten vorstellig geworden war, schritt letzterer ein und drohte mit Entfernung der Ruhe- törer. Hierzu bemerkt unser G-Korrefpondent: „Unseres Lrachtcns dürste eine einmal durchgesührte energische Maß regel, wie die Räumung der Trihüne, allerdings bessere Erfolge haben, als fortgesetzte Verwarnungen. Außerdem dürfte cs auch schwer werden, bei der geringen Anzahl von überwachenden Beamten die Schuldige« heraus zu finden, um ihre Entfernung veranlassen zu könne«." Nochmalige Gemciuderatswahl.' Nachdem das Ober- verwaltuugsgericht auch die zweite Wahl ripes Gc- meindevertreters für die 4. Klasse (Unaufäfsige) in Gröba bei Riesa sür ungültig erklärt und das ge forderte Zurückgreifen aus die erste Wahl für ungesetzlich bezeichnet hat, da diese Wahl bereits rechtskräftig geworden sei, wird in nächster Zeit eine dritte Neuwahl statt- finden. Bürgcrmeisterwahl j» Burgstädt. Zum stellvertretenden Bürgermeister von Burgstädt wurde für daS laufende Jahr Stadtrat Leonhard Pfau gewählt, da Stadtrat Böttger eine Wiederwahl ablehnte. Gcmeindestcuerrcform in Plauen. Nach Dresdner und Chemnitzer Unterlagen ist in Plauen eine neue Gemeinde steuer-Reform ausgearbeitet worden, die vom Stadtverord- netenkollcgium an zweite Lesung verwiesen worden ist und ohne Zweifel nach der Ausarbeitung der vereinigten Fi nanzausschüsse in zweiter Lesung angenommen werden wird, trotz eine erhebliche Minorität jm Kollegium vorhan den sein wird. Die Steuerreform dürfte in nächster Sitzung der Stadtverordneten angenommen werden. * * * Reichskanzler uud Parlament. Zu der Nachricht, daß in parlamentarischen Kreisen mit Bestimmtheit versichert wird, der konservative Parteiführer vr. v. Heydcbrand sei bisher der einzige Parlamentarier, mit dem der Reichskanz ler in engerer Fühlung steht, wir- mitgctcilt, baß Herr von Bethmann Hollweg aus bestimmtem Anlaß wieder holt auch mit Parlamentariern anderer Fraktionen Rück sprache gepflogen hat, so u. a. mit den Abgg. Basser mann und vr. Pach nicke. Ein peinlicher Zwischenfall. Ein Zwischenfall, der in Karlsruhe Aufsehen erregte uud besonders in politi schen Kreisen lebhaft besprochen wurde, ereignete sich bei der von der Karlsruher Bürgerschaft veranstalteten Vor feier zu Kaisers Geburtstage, an der die Spitzen der Regierung, sowie die Zivil- und Militärbehörden teil nahmen. Ter zweite Redner, der den Toast auf den Groß herzog auszubringen hatte, Kammerstenograph Frey, Vor sitzender des Jungliberalen Vereins von Karlsruhe, kam in seiner Rede auch auf das Verhältnis der Bundes staaten unter sich zu sprechen und nahm dabei Gelegenheit, ziemlich scharfe Angriffe gegen Preußen wegen des Verhaltens in der S ch i f f ah r ts a b g a b c n - Frage zu richten. Der betreffende Passus in der Freyschen Rede lautete: „Als der Erzieher, dessen Beispiel und Wort in allen Schichten der Bevölkerung viel gilt, ba«e (Großherzog) Friedrich der Deutsche mit geholfen, uns den Reichsgedanken einzupiägeu, unauslöschlich eiuzu- impsen, so daß wir nicht wanken und nicht irren weiden, auch nicht in trüben Zeiten, wie der gegenwärtigen, wo wir mit banger Torge in die Zukunst unseres badischen Volkes blicken müssen, weit größere mäch tigere deutsche Bundesstaaten aus eigenen Vorteil bedacht sind Unbe kümmert darum, daß uns dadurch viel bleibender Schaden zugesügt wird, ist eS ein Verdienst des Gwßhcrzvgs Friedrich d-s Deutschen, daß er kein Partikularist ist, daß wenn wir Wilhelm II im Geiste vor uns sehen, in unserem Empfinden der Preußenkönig dabei verblaßt vordem deutschen Kaiser, so daß nyr auch in einer solch trüben, sorgenvollen Zeit voll herzlicher germanischer Treue, voll Anhänglichkeit dem Jubilar Heil- rüf entgegenschallen lassen." Der anwesende preußische Gesandte am badischen Hose Admiral z D. Karl v. Eisendccher sprach daraus dem neben ihm sitzenden Oberbürgermeister von Karlsruhe sein Bedauern aus, daß diese An griffe gefallen seien, und betonte, daß er sich gezwungen sehe, eine Feier, bei der derartige Angriffe aus den von ihm vertretenen Bundesstaat Preußen erhoben werdry, zu verlassen. Tatsächlich erhob sich der Ge sandte auch sofort, nachdem der Redner seine Ausführungen beendet hatte, und verlieb ostentativ den Saal. N*«« P-ers. Der Kaiser hak au» beson ¬ derem Vertrauen zu Mitgliedern -cs Herrenhauses auf Lebenszeit berufen: Lan-rat a. D. v. Bülow auf Both kamp-Borderholm, Landrat Otto v. Peftel-Melle, Wirklichen Herr Präsident Vr. Vogel infola« eines durch die Presse Geheimen Rat Professor vr. Adolf Wagner-Beyljn, Bsthk- gegangenen Artikels über die Unruhe auf der Zuhörer-I direktor Artur v. Gwinner-Berlin, vr. sui. Gustav Krupp