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Sächsisch e StMszeitung Staatsanzeiger für den Freistaat Sachsen Anzeigenpreis«: 32 mm breite, 3 mm hohe Grundzeile oder deren Raum 35 Pf. 66 mm breit im amtlichen Teile 70 Pf., Reklamezeile 1 RM. Ermäßigung auf Geschäftsanzeigen, Familiennachrichten und Stellengesuche. Schluß der Annahme vormittag- 10 Uhr. Erscheint Werktag- nachmittag- mit dem Datum de- Erschetnung-tage-. Bezugspreis: Monatlich 3 RM. Einzelne Nummern 15 Pf. Schriftleitg. u. Geschäftsstelle DreSden-A. 1, Gr. Zwingerstr. 16. Ruf 14574 u. 81295. Postscheck.Konto Dresden 2486 / Staatsbank-Konto 674. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungsliste der Staatsschuldenverwaltung, Holzpflanzen - Verkaufsliste der Staatsforstverwaltung, verantwortlich für die Schriftleitung: OberregierungSrat HanS Block in Dresden. Dresden, Donnerstag, 17. September Ar. 217 1931 Die Genfer Aussprache über die Minderheiten Oie Arbeiten des Aeichskabinettö. Berlin, 17. September Das Reichskabinett ist nach der Pause gegen 22 Uhr unter Teilnahme des Reichsbank prätidenten wieder zusammengetreten. Wie Wolffs Büro erfährt, ist es in der Nachmittags sitzung gelungen, die Frage des Bankenkura tor i u m s im wesentlichen so weit zu erledigen, Paß nur noch einige geringfügige Formu lierungen geändert zu werden brauchen. In der Nachtsitzung findet zunächst eine all gemeine Aussprache über die Finanz- und Wirtschaftspolitik statt. Auf dieser Basis wird dann die Reichsregierung in den nächsten Tagen die Erörterung der Einzelentwürfe sortsetzen Vie Frage der Änderung des Etatjahres. Berlin, 16. September. Ein Berliner Blatt berichtet, eS werde augen blicklich erwogen, ob das Etatjahr des Reiches ge ändert werden solle. Bekanntlich beginnt es jetzt am 1. April und endet am 31. März. Die Er wägung soll nun dahin gehen, ob es nicht besser sei, es mit dem Hoover-Jahr in Übereinstimmung zu bringen. Da- würde also bedeuten, daß es in Zukunft mit dem 1. Juli beginnen würde. Nach den Informationen des Wolfs-Büros hat sich das Kabinett bisher mit dieser Frage nckch nicht beschäftigt. Es liegt aber aus der Hand, daß derartige Gedankengänge durchaus akut sind. In der französischen Öffentlichkeit wurden Le bereit-,Mit Reziebuna M den Staatshaushalt Frankreichs erörtert. Praktisch liegen die Dinge ja so, daß man zwar weiß, daß wir bis zum 1. Juli nächsten Jahres keine Reparationen zu be zahlen haben. Niemand aber vermag im Augen blick zu sagen, wie die Reparativ nsv erhält- nisse nach diesem Datum liegen werden. Die Beurteilung ist um so schwieriger, als kaum ein Zweifel daran bestehen kann, daß inWashington eine neue Hoover-Aktion überlegt wird, die auf eine Verlängerung des Fei er jahres abzielt. Wenn die Etatberatungen im Reichstag nicht schon im Januar, sondern erst im April zu beginnen brauchten und damit auch die Vor bereitung der einzelnen Haushalle in den Ministe rien um drei Monate hinausgeschoben werden könnte, so wäre natürlich eine viel klarere und gesündere Finanzpolitik möglich. Es wäre dann natürlich erforderlich, daß die Zwischenzeit durch einen Vierteljahrsetat überbrückt würde, der aber wohl verhältnismäßig leicht in Form einer Verlängerung des jetzigen ReichsetatS, eventuell unter weiterer Anpassung an die Zeillage aufzustellen wäre. Auch in den früheren Jchren mußte ja verschiedentlich ein VierteljahreSnotetat herausgebracht werden, well die Beratungen des Reichstags über den Gesamt etat nicht rechtzeitig abgeschlossen waren. Die Überbrückung des Vierteljahre- würde also kein Novum darsteüen. Immerhin muß aber noch ein mal betont werden, daß da- Reichskabinett sich bis zu diesem Augenblick mit dem Problem noch nicht beschäftigt hat. Ob der Gedanke nicht bei der Aussprache des Kabinett- über die nächste Finanz- und Wirtschaftspolitik mit erörtert wird, ist jedoch eine andere Frage. Dottspartei und Curtius. Berlin, 17. September. Wie der Sozialdemokratische Pressedienst be richtet, soll der Vorsitzende der Deutschen Volks- Partei, Abgeordneter Dingeldey kürzlich an den Reichsaußenminister nach Genf einen Brief gerichtet haben, der EurtiuS darüber unterrichtete, daß die Mehrheit der Volks- parteilichen Fra kt ton gegen sein weiter es Verbleiben im Amt sei. Der ReichSaußen- minister soll auf diesen Brief telegraphisch geantwortet haben, daß er sich aus schließlich dem Reichspräsidenten und der Reichsregierung verantwortlich fühle. Aushebung deS Hastbefehl» gegen vr. Wolf «nd Fra« vr. Jatovowttz. Der Haltbesehl gegen vr Wolf und Frau vr. Jakobowih, Stuttgart, der bisher noch in Kraft war, obwohl die Angeschul digten sich schon lange in Freiheit befinden, ist nunmehr auch formell aufgehoben worden. Die ärztlichen Sachverständigen sind zurzeit mit der Bearbeitung de- sehr umfangreichen Prozeßmoicrlal beschäftigt. Genf, 17. September. Nach der Rede des deutschen Außenministers gab gestern in der Völkerbundsversammlung ein Vertreter Rumäniens im Namen der Tschecho slowakei,Jugoslawiens, Griechenlands, Rumäniens und Polens eine Erklärung ab, in der er auf die Erklärungen hinwies, Vie von diesen Staaten im vorigen Jahre zu den Fragen abgegeben worden seien und in denen die ge nannten Staaten betont hätten, daß sie Ver pflichtungen, die über die bestehenden Minderheitenschutzverträge hinaus gingen, nicht zu übernehmen gedächten. An diese Bemerkung knüpfte sodann der Ver treter Ungarns. Graf Apponyi, an mit der Erwiderung, daß er sich ebenfalls auf seine vor jährigen Erklärungen berufen könne und darauf verzichte, auf die von dem Vertreter der genannten Staaten wiederholten Erklärungen näher einzu gehen. Sehr eindrucksvoll trat sodann ein Vertreter Kanadas, ein kanadischer Abgeordneter, indessen Wahlkreis eine starke ukrainische Minderheit wohnt, für den Schutz der Minderheiten ein. Mit Bezug nahme auf die von dem deutschen Außenminister geforderte größere Öffentlichkeit in der Hand habung des Minderheitenverfahrens erklärte der Vertreter Kairadas, die Justiz solle zwar blind sein, die Gerechtigkeit dürfe aber nicht verdunkelt werden. Zum Schluß trat Beaubien für die SchaffungeinerständigenMinderheiten- kommission ein. Nur auf diese Weise könne den Minderheiten ein wirklich großer Dienst er wiesen werden. Lord Cecil bekannte sich ohne Vorbehalt zu den von vr. Curtius zitierten Worten Hendersons über die Minder heitenfrage und betonte, daß auch die gegenwärtige Regierung an dieser Ausfassung der Frage festhalte. Es sei nicht der Augenblick, in die sachlichen Erörterungen der Minderheitenfrage einzutreten. Die positiven Anregungen von vr. Curtius würden zweifellos sorgfältige Beachtung finden. Es sei auf alle Fälle richtig, den Versuch mit dem gegenwärtigen Verfahren fortzusetzen. Der französische Unterstaatssekretär Maurice Petsche gab eine kurze Erklärung ab, in der er sich den Ausführungen Lord Cecils anschloß pnd sich im übrigen auf die im vorigen Jahre von Briand abgegebenen grundsätzlichen Erklärungen bezog. Er stelle fest, daß das gegenwärtige System nicht London, 17. September. Sämtliche Schifte der atlantischen Flotte haben gestern abend um 9.30 Uhr die Fahrt nach den heimischen Häfen angetreten. Es gab einige Ver zögerung, bis den Mannschaften die Zusicherung gegeben war, daß die heimischen Häfen der Be stimmungsort der Schiffe seien. Die Admiralität veröffentlicht eine Erklärung, worin nachgewiesen wird, daß sich die 25pro- zentige Soldkürzung in der englischen Flotte nur auf den Grundsold bezieht, während die übrigen Zuwendungen einschließlich der Bezüge für die Familie davon nicht betroffen werden, so daß die Herabsetzungen im Vergleich zu den Gesamtbezügen nur 7,7 Proz. bis 13,6 Proz. betragen. Die größtmögliche Kürzung trifft die jüngsten nnd meist unverheirateten Grade. Da jedoch eine Reihe von diesen vor Erreichung des für die Familienzuwendungen vorgeschriebe nen Alters geheiratet hahen, werden sie durch die Kürzungen besonders hart getroffen und es werden in diesem Zusammenhang Erleichterungen erwogen. Die Demonstrationen der atlantischen Flotte beschäftigen die Öffentlichkeit auf da- lebhafteste. ES scheint einwandfrei festzustehen, daß eS sich bei der Bewegung unter den Seeleuten lediglich um einen Protest gegen die Sold- kürzungeu handelt, di« zum Teil 25 Proz. be tragen. Antimonarchistische Motive scheinen de» Streikbewegung nicht zugrunde zu liegen; denn die Mannschaften haben verschiedentlich ihre Loya lität der Monarchie gegenüber durch Ausbringen unmittelbar in die Debatte gezogen werde, und gab dem Wunsche Ausdruck, daß das Verfahren in einem liberalen Geist entsprechend den Rechten der Minderheiten und den Interessen der be teiligten Staaten gehandhabt werde. Als Ver treter Spaniens sprach der in Katalonien gewählte Abgeordnete Miro, der sich grundsätzlich im Sinne der deutschen Anregungen aus sprach und das Hauptgewicht auf die psychologische Seite legte. Zum Schluß stellte der Vorsitzende Motta fest, daß die Aussprache zweifellos von Wert gewesen sei, auch wenn keine formulierten Anträge ein gebracht worden seien. Der Völkerbundsrat werde zweifellos die gemachten Anregungen nutzbar ver werten. Motta schlug sodann die Ernennung des finnischen Außenministers Urgo Köskinen zum Berichterstatter vor, der die Aufgabe hat, einen Bericht über die Völkerbundsversammlung vorzu bereiten. Damit war die Debatte über die Prak tische Förderung des Minderheitenschutzverfahrens beendet. Die Verhandlungen über Vie oster» reichische Anleihefrage. Genf, 17. September. Nach dem bisherigen Verlauf der Verhand lungen des Finanzkomitees über die österreichische Anleihesrage ist man in unterrichteten Kreisen ge neigt, anzunehmen, daß die Verhandlungen heute zu Ende geführt werden können. Auf öfter- reichischer Seite innerhalb des Finanzkomitees be urteilt man die Aussichten des österreichischen Antrags ziemlich zuversichtlich. Wie ver lautet. haben die Mitteilungen, die der öster reichische Bundeskanzler vr. Buresch dem Finanz komitee machte, einen zuversichtlichen und starken Eindruck hervorgerufen. Über den Gegenstand und die Art der Verhandlungen sind in einem Teil der Presse Berichte verbreitet worden, die den Sachverhalt erheblich entstellen. Das gilt, wie von unterrichteter Seite festgestellt wird, nament lich von Behauptungen über angebliche politische Bedingungen, die dem Bundeskanzler gestellt worden sind. Von maßgebender österreichischer Seite wird betont, daß die Verhandlungen sich ausschließlich auf finanzielle und budgettechnische Fragen beschränkten und daß irgendwelche Bin dungen bisher von Österreich nicht ge fordert worden sind. von Hochrufen auf den König zum Aus druck gebracht. Daß immerhin auch kom munistische Propaganda am Werke ist, ist allerdings nicht zu leugnen, wie die Demonstrationen in den Kantinen am Sonntag zeigten, bei denen die „Rote Flagge" gesungen wurde. Wie eS heißt, wurden durch kommunistische Agi tatoren Gerüchte in Umlauf gesetzt, die daS Aus maß der Soldkürzungen übertrieben darstellten. Die Haltung der Mannschaften ist die der passiven Resistenz. Die Lage ist jedoch ruhig und die Leute erwarten mit Zuversicht die Entscheidung der Admiralität. Die erste Massengehorsamsverweigerung fand Dienstag morgen um 8 Uhr statt. Kurz nachdem unter den Klängen der Musikkapellen die Flaggen gehißt wurden, erging der Befehl, die Anker zu lichten. Diesem Beseh! wurde nicht Folge ge leistet. Statt besten brachten die Mannschaften ein dreimaliges Hoch aus den König auS und setzten sich dann rücklings auf die Ankerketten, um ihre Lichtung zu verhindern. Nachdem die Aus fahrt der Flott« unmöglich gemacht war, vertrieben sich ^ie Seeleute die Zeit mit Musizieren und Spielen. Der gestrige Tag verlief ähnlich. Wie der wurden die Flaggen zu den Klängen der Kapelle gehißt, wieder brachte die Mannschaft Hochrufe auf den König auS. Inzwischen haben die Heizer da- Kestelheizen eingestellt. Die bereits erteilten Landurlaube wurden widerrufen. Der Streik ist bisher ruhig und in Ordnung verlaufen. Auf manchen Schiffen wird er Vonden Mannschaften nicht so streng beobachtet, nur daß einige Arbeit geleistet wird. Auslastungen des Neichsbankpräsidenten über den „Aun" auf Deutschland. Berlin, 16. September. Reichsbankpräsidenl vr. Luther veröffentlicht im „Heimaidienst" einen Artikel über den „Run" auf Deutschland und andere aktuelle Probleme der Kreditpolitik. Er faßt feine Ausführungen zu folgenden Sätzen zusammen: Was den Bruch im Kredit- und Zahlungssystem am 13. Juli er zwang. war ein Run der Auslandgläubiger auf Deutschland. 1. Stillhaltung und Devisenbewirt schaftung sind die vorläufige Sicherung gegen die Wiederholung eines Runs der Ausland- gläubiger. 2. Stillhaltung und Devisenordnung machen es möglich, trotz des starken Devisenverluste- der ersten sieben Monate des Jahres 1931 das alte Krcditv olumen, soweit es noch wirtschaft lich gerechtfertigt ist, im wesentlichen auf rechtzuerhalten. Eine Ausdehnung des Kredilvolumens hat zur Voraussetzung eine Ausdehnung des Handelsvolumens, die zurzeit nicht besteht. 3. Binnenwährungsprojekte und ähn liches können die Kreditnöte nicht beseitigen, sondern führen in eine Inflation. Sofern eine entsprechende Ausdehnung des Handels volumens sich vollzieht, ist eine gesunde und gerechtfertigte Kreditausdehnung auch in Reichsmark Währung möglich. Das Reichstagsmandat des Arbeit nehmers Berlin, 16. September. Die Frage der Ausübung eines Reichstags- Mandates durch einen privaten Arbeitnehmer hat dieser Tage die verschiedenen Instanzen des Arbeitsgerichts beschäftigt. Ein Berliner Arbeiter wurde aus seiner Stellung als Maschinensormer entlassen, weil er als Reichstagsabgeordneter für die Zeit der Tagung Permanenten Urlaub bean tragt hatte. Er klagte vor dem Arbeitsgericht und beantragte, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis sortbesteht. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt und berief sich dabei aus den Artikel 160 der Reichsverfassung. Der Artikel 160 der Reichsver fassung schützt den Staatsbürger vor Nachteilen, die ihm durch Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte entstehen könnten. Er garantiert ihm auch die notwendige Freizeit zur Ausübung öffentlicher Ehrenämter. Das Landesarbeitsgericht hob da» Urteil der ersten Instanz auf und das Reichs- arbeilsgericht bestätigte die Auffassung der zweiten Instanz. Nach Ansicht der Leipziger Richter sichert die Reichsverfassung für staatsbürgerliche Funktionen und zur Bekleidung öffentlicher Ehrenämter „allen im Dienstverhältnis stehenden Arbeitern und An gestellten, solange sie in ihm stoben, die erforder liche Freizeit, nicht aber den "Fortbestand de» Dienstverhältnisses selbst". Der Schutz der Reichs verfassung sei so aufzufassen, daß die Ausübung dieser Funktionen nicht als „unbefugtes Fernbleiben" oder als „schuldhaftes Verhalten" aufgefaßt werden dürfen. Sie geben also wenigstens keinen Grund zu einer fristlosen Entlassung. „Zugegeben ist ferner", heißt eS in der Begründung, „daß die Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes manchen Arbeit nehmer abhalten mag, sich um ein Abgeordneten mandat zu bewerben, und daß daS vielleicht im Interesse eines gesunden Parlamentarismus z» beklagen ist." Keine Kirchensteuermittel für Vevahelm. Berlin, 16. September. Entgegen anderen Veröffentlichungen ist da» Nachrichtenbüro de- BDZ. zu der Feststellung er mächtigt, daß Kirchensteuermittel weder direkt noch indirekt zur Abgeltung der Millionenverluste der Devaheim-Sparer heran- gezogen werden. Der Vorsitzende der von der Inneren Mission gebildeten Notgemeinschaft für die Devaheim-Sparer, vr. Dtbeliu-, hat bereit- erklärt, daß an eine Hilfe aus Kirchen steuermitteln oder anderen staatlichen Zu wendungen nicht zu denken sei, weil die Heranziehung solcher Mittel eine Verletzung der bestehenden Verträge bedeuten würde. Da gegen hat die Kirche, um die Hilf-aktion der Notgemeinschaft zu unterstützen die evangelische« Kirchengemeinden aufgerufen, der Rot gemeinschaft Gaben au- Kirchensamm lung«« usw. zuzufahren. Die Protestbewegung bei der atlantischen Flotte.