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Sonntag. Eeipzig. D«« Z<ktm,g «rscheitit «rtAulnahniede« Montag« täglich and wird Nachmittag« ä Uhr au«, ««geben. für da« Viertel- sahr I'/, Thlr.; jede ein- zelne Nummer 2 Ngr. Nr'30 4. Februar I8SS. - t ! , Zu beziehen durch alle cj.' M Postämter de« In- und Mutsche Allgemme Zcitimg. MM- Anfertton«P«bühr 'Wahrheit und Recht, Freiheit und SesthI- für den Raume,nerZetle Oesterreichö Mobilisirungsantrag am Bundestage. — Leipzig, 3. Febr. Wie verlautet, hak der mit Vorberathung des österreichischen Mobilisirtmgsantrags beauftragte Ausschuß der Bundesver sammlung sich gegen diesen Antrag erklärt, dagegen einen vermittelnden Vor schlag angenommen, dem sich auch Preußen angeschlosscn,haben soll, dahin gehend: sämmtliche Bundesstaaten hätten ihre Conlingcnte dergestalt kn Kriegs bereitschaft zu setzen, daß sie nvthigenfallS binnen 14 Tagen mobilgemacht werden könnten. Der österreichische BundeStagSgesandte hat hierauf, soviel man hort, lediglich seinen Antrag zurückgezogen, ohne sich über jenen Ver- Mittelungsvorschlag zu erklären, und erwartet neue Instructionen von seiner Regierung. So liegt die Sache jetzt. Ob die Bundesversammlung dem Gutachten ihres Ausschusses bcistimmcn, ob Oesterreich sich noch zum Ein gehen auf den Vermittelungsantrag herbeilaffen, oder was cs im Fall einer gegen seine Wünsch« ausfallenden definitiven Entscheidung der Bundesver sammlung weiter thun werbe: das sind Fragen, deren Lösung ganz Deutsch land mit ängstlicher Spannung erwartet, weil ihr Ausfall für das Schick sal des ganzen Deutschland verhängnißvoll werden kann. Auf den ersten Anblick ist eS nur eine Frage der Zeit, welche den vom Ausschuß ange nommenen Antrag von dem Antrag Oesterreichs scheidet. Eine Kriegsbe reitschaft, welche binnen 14 Tagen in die wirkliche Mobilmachung übergehen kann, scheint wenig verschieden von dieser letztern selbst. Die Sache so an gesehen, könnte man wol die Hoffnung hegen, Oesterreich werde sich für den Augenblick mit einer solchen Kriegsbereitschaft des Deutschen Bundes be- gstügen. Allein der Unterschied liegt doch noch in etwas Anderm, Wesent- licherm. Wenn der Bund jetzt sofort mobilisirt, so erkennt er damit an, daß er Oesterreichs Vorgehen zur Herbeiführung eines dauerhaften Friedens auf Grundlage der vier Garantien, auch seine neuesten Schritte in dieser Richtung, das Deccmberbündniß und die daraus fließenden Verpflichtungen gegen die Westmächte, unbedingt gutheiße und nöthigenfallS selbst ein acti- veS Auftreten Oesterreichs zu solchem Zweck durch die Aufstellung seiner Truppenmacht zu dessen Schutz nachdrücklichst unterstützen werde. Daß Oesterreich seinen Antrag auf sofortige Mobilisirung so gemeint hat, geht unter Anderm deutlich aus der vielbesprochenen vertraulichen Note an die deutschen Regierungen (vom 14. Jan.) hervor, worin ganz unverhohlen eine „thätige Mitwirkung" derselben gefedert lind ihnen dafür ein Antheil an den Errungenschaften des Kriegs „nach Maßgabe der von ihnen aufgewcndelen Kräfte" in Aussicht gestellt wird. Und daß die Gegner des Antrags, insbesondere Preußen diese Tendenz desselben recht wohl erkannt haben, daß sie gerade deswegen dem Anträge so entschieden widerstreben und daß die von ihnen, an der Stelle der von Oesterreich verlangten „Mobilisirung", als Aeußcrstcs zugestandene „Kriegsbereitschaft" des Bundes nach ihrer Absicht keineswegs ein erster Schritt zu einer nachfolgenden activen Betheiligung des Bundes am Kriege, vielmehr nur das Mittel zur Erhaltung einer „achtunggebie tenden Neutralität" sein soll— auch darüber läßt sich nach der Erklärung des preußischen Bundestagsgesandten in der betreffenden Ausschußsitzung nicht wohl zweifeln. Die Differenz der Ansichten zwischen Oesterreich und der seinen An trag bekämpfenden Opposition am Bundestage ist also groß genug, um ein Nachgeben Oesterreichs und eine Vermittelung der bestehenden Gegensätze auf dem vom Ausschuß betretenen Wege mindestens als sehr zweifelhaft erscheinen zu lassen. Gelingt aber eine solche nicht, so wird es ferner dar auf ankommen, ob der Bundestag in seiner Mehrheit dem Ausschußantrage beitritt, also sich gegen Oesterreichs Wünsche erklärt, oder nicht. Was Oesterreich in jenem Fall thun werde, hat es in der erwähnten Note un zweideutig ausgesprochen, und Oesterreichs Haltung im ganzen Verlauf der bisherigen Verhandlungen zwischen ihm und Deutschland ist von der Art gewesen, daß man an die Ausführung dieses Entschlusses wol glauben kann. Freilich wird dann erst wieder abzuwarten sein, ob sich deutsche Staaten finden, welche der Auffoderung Oesterreichs zu einem Separatbündniß Folge leisten. Daß principielle Bedenken, aus dem Bundesrecht oder aus allge meinen nationalen Gesichtspunkten geschöpft, solchen Beitritt verhindern soll ten, will uns kaum wahrscheinlich dünken, wie sehr auch einzelne officiclle Zeitungen jetzt dergleichen Bedenken hervorheben mögen. Formell betrachtet, wäre ein solches Bündniß, wie wir gestern auseinandersetzten, wenigstens nicht ganz ohne einen bundcsrechtlichen Boden, und der nationale Gesichtspunkt könnte von gewissen Seiten her ebenso wohl zu dessen Gunsten als gegen dasselbe geltend gemacht werden. Vor allem aber dürft« doch daS Jnter- «sse, welches nun einmal in der sogenannten hohen Politik eine so große Rolle spielt, auch hier das entscheidende Wort sprechen. Den Schlüssel die ser Situation hat Baiern in der Hand. Sein Beitritt dürste manchen an dern Staat zur Nachfolge bestimmen, sein Nichtbeitritt würde auch den dazu willfährigen die Ausführung ihres Entschlusses erschweren, wenn nicht un möglich machen. Für Baiern aber gäbe cS allerdings ein nicht unwichtiges Motiv, durch Theilnahme am Kriege sich die Theilnahme an den künftigen Friedensbcrathungen oder doch an deren Vortheilen zu sichern — das Schick sal Griechenlands, sür welches gerade Oesterreichs Fürwort bei seinen west- lichen Verbündeten von entscheidendem Einfluß sein kann. Wie dem auch sei, wir trauen der österreichischen Politik zu viel Vorsicht zu, als daß sie einen so kühneli Trumpf sollte ausgespielt haben, ohne versichert zn sein, daß sie damit mehr ausspreche als eine leere Drohung. Welche verhäng- nißvollcn Folgen aber eine solche Spaltung Deutschlands, einmal ins Leben getreten, nach sich ziehen muß, haben wir in einem früher» Artikel (Nr. 17) bereits angcdeutet. Wir müssen daher sehnlichst wünschen, daß eS nicht dahin komme, und es wird nicht dahin kommen, wenn der Bund in seiner Gesammtheit sich zu einer Politik entschließt, mit welcher Oesterreich gehen kann, ohne den Weg, den es entschlossen scheint bis ans Ende zu verfol gen, wieder anfgcben zu müssen. Und dieses Letztere kann kein deutscher Patriot wollen, denn, so wahr eine kräftige und nachhaltige Bekämpfung der russischen Uebermacht Deutschlands höchsten Interessen entspricht, so wahr ist eine solche nur denkbar unter Oesterreichs thätigster Mitwirkung. Aus doppeltem Grunde also ist zu wünschen, daß der Antrag des Aus schusses nicht von der Bundesversammlung zum Beschluß erhoben werde, einmal wegen der in solchem Falle sehr möglichen, ja wahrscheinlichen Spal tung Deutschlands (und ist e- nicht schon ein« Spaltung Deutschlands, wenn auch nur' Oesterreich seinen abgesonderten Weg gehen muß?), sodann wegey des unmittelbaren, dringenden Interesses, welches das ganze Deutsch land an dem Gelingen der Bestrebungen Oesterreichs, also auch an deren Förderung durch deutsche Kräfte hat. Für eine solche, den Wünschen Oester reichs mehr entsprechende Entschließung des Bundestags biet«t übrigens die Erklärung Preußens selbst eine Handhabe. Die gegenwärtigen Ver pflichtungen Preußens und Deutschlands gegen Oesterreich, ward gesagt, seien durch die Verträge vom 24. Juli und 9. Dec. v. I. festgestcllt und begrenzt. „Eine weitere Entwickelung dieses Vertragsverhältniffes würde, wenn das Bedürfniß eintritt, nur durch freie Ucbereinstimmung der drei Theilnehmer auf Grund gegenseitiger klarer und vollständiger Einsicht in die Beziehungen eines jeden unter ihnen zu den kriegführenden Mächten er folgen können." Es käme also nur darauf an, daß man am Bundestage das Eingetretensein des Bedürfnisses einer solchen „weitern Entwickelung des VertragSverhältnisses" anerkennte. Auch der Vertrag vom 26. Nov. und der Bundesbeschluß vom 9. Dec. waren solche „weitere Entwickelungen" früherer Vcrtragsvcrhältnisse. Oesterreich wird auf der bloßen äußern Form der Verpflichtung jetzt so wenig bestehen, als es damals darauf be stand. Oesterreich wird seinen deutschen Bundesgenossen die ,;klare und vollständige Einsicht in seine Beziehungen zu den kriegführenden Mächten" nicht verweigern, sobald es dieselben nur ernstlich entschlossen sieht, in diese Beziehungen miteinzutretcn. Oesterreich nebst seinen Verbündeten haben der zweiten deutschen Großmacht den Zutritt zum Decemberbündniß förmlich ungebeten; Preußens.Schuld ist eS, wenn von diesem Anerbieten bisher kein Gebrauch gemacht ward; Oesterreich würde, wir sind davon überzeugt, den Beitritt deö Deutschen Bundes in seiner Gesammtheit, als europäische Macht, zu jener Allianz ebenso freudig begrüßen und auf alle Weise zu erleichtern suchen. Hier also liegt der Weg für eine zugleich unabhängige und ehrenvolle, wie den eigensten Interessen Deutschlands entsprechende Po litik des Bundes, nicht in einer Kriegsbereitschaft, die entweder, unter der Form der Neutralität, sich zwar von den unmittelbaren Gefahren des Kriege, aber auch von seinen Vortheilen ausschlicßt und Deutschland um die gün stigste Gelegenheit zur Stärkung seiner europäischen Stellung betrügt, oder am Ende doch, dem Andringen der Verhältnisse weichend, in eine Theil nahme am Kampfe übergehen muß, aber dann abhängig von fremden Ent schlüssen und dienstbar fremden Vortheilen. Wir sollten meinen, die Wahl könnte nicht schwer sein. Das preußische Circular vom 11. Jan. Dem in Schwerin erscheinenden Norddeutschen Correspondenten wird folgendes Circular an die preußischen Gesandten bei den deutschen Regie rungen, datirt Berlin, 17. Jan. 1855, mitgetheilt: Ew. rc. haben durch den Ihnen unter dem 6. d. M. mitgetheilten Erlaß an den Grafen Ainim vom 5. d. M. von Len Gesichtspunkten Kenntnis; erhalten, welche un- ere Haltung gegenüber den zwischen dem kaiserlich russischen Gesandten und den Ver- retern von England, Frankreich und Oesterreich angeknüpste» Besprechungen zurRicht- chnur dienen. Die letzter» haben inzwischen bereits zu einem erfreulichen Ergebniß geführt. Denn die genannten Vertreter habe» sich zu der Neberzeugung geeinigt, daß hre gegenseitige Auffassung über die den Friedensvcrhaudümgen zum Grunde zu le gende Basis nicht so weit auseinandergeht, um ein Hindcrniß für die Eröffnung Lieser Verhandlungen zu bilden. Daö wiener Labinet hat infolge dessen seine Gesandten zu Pari« und London angewiesen, bei diesen Höfen die Einholung von Instructionen und