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Mchmtz-MlW. Verantwortlicher Redacteur: Carl Ichnt in Dippoldiswalde. Inserate, welche del der bedeutenden Rufla«« de« Blattes eine sehr wirk« same Verbreitung find«, »erden mit 10 Pm. die Spaltenreile oder der« Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaltioneuen Th eile, die Spaltenzeile 20 Pf,. «e „Welßrritz. Zeitung" «scheint wöchmtlich drei ¬ mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 2b Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummer» 10 Pfg. — Alle Postan fialten, Postboten, sowie Vie Agent« nehm« Be- " Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Zsraumstein Nr. 77. Orientalin. Mit der Beilegung des türkisch-griechischen Kon fliktes schien die Orientfrage endlich einmal von der Tagesordnung der europäischen Angelegenheiten ver schwunden zu sein — da bemüht sich plötzlich die russische Politik, die orientalische Krisis wieder auf zufrischen und Europa von Neuem in Beunruhigung zu stürzen. In Konstantinopel intriguirt und manövrirt die russische Diplomatie abermals in bekannter Weise und von der Newa her erschallen die Unkenrufe der Offiziösen, voran das „Journal de St. Petersbourg", so daß man fast glauben könnte, es stünden auf der Balkanhalbinsel neue Umwälzungen und neue Ver wickelungen bevor. Daß man in Petersburg mit dem Verlaufe, den die Dinge in Ostrumelien und Bul garien genommen, äußerst unzufrieden ist, erscheint freilich erklärlich, denn die bulgarische Erhebung und ihr schließlicher Triumph bedeutet ja eigentlich nichts anderes, als die Beseitigung des russischen Einflußes und der russischen Stellung in Bulgarien und daher bestrebt sich die russische Presse angelegentlichst, die bulgarische Union als eine beständige Gefahr für Europa, als eine eklatante Verletzung der europäischen Interessen hinzustellen. Speziell richtet sich aber der Groll des offiziellen wie des offiziösen Rußlands gegen den Fürsten Alexander selbst und was ist von. dieser Sette nicht schvw Alles geschehen, um ihn in den Augen Europas anzuschwärzen und schließlich zum Verlassen des bulgarischen Thrones zu zwingen! Als jedoch alle Machinationen und Jntriguen gegen den Helden von Slivniza, der in der Anhänglichkeit und Treue seines Volkes den mächtigsten und natürlichsten Rückhalt sand, zu keinem Erfolge führten, da wurde versucht, den Sultan gegen den bulgarischen Herrscher aufzuwiegeln; jedoch auch in dieser Beziehung hat die russische Politik offenbar Fiasko gemacht und nun kehrt sich der Groll der Petersburger Offiziösen zu gleich auch gegen die Pforte, welcher der allerdings nicht unbegründete Vorwurf gemacht wird, daß sie mit Bulgarien unter einer Decke stecke. Die gereizte Sprache, welche an der Newa gegen Bulgarien und die Pforte geführt wird und die unbestimmten Drohungen, die dort ausgestoßen werden, stellen sich indessen, recht bei Lichte betrachtet, nur als Ausbrüche einer ohnmächtigen Wuth dar und somit verlieren sie ungemein an ihrem an und für sich ja besorgniß- erregenden Charakter. Rußland ist augenscheinlich nicht in der Lage, eine Sonderaktion zur Umgestaltung der bulgarischen Verhältnisse nach seinem Willen ins Werk zu setzen, es würde hierbei nicht nur auf Wider stand auf der Balkanhalbinsel selbst stoßen, sondern auch die diplomatische Opposition von Deutschland, England, Oesterreich und Italien herausfordern. Die letzteren vier Mächte haben durch ihren festen Zu sammenhalt in der türkisch-griechischen Streitfrage ihr entschiedenes Interesse an der Erhaltung des allge meinen Friedens bekundet und man Harf daher mit Fug und Recht auch annehmen, daß sie'ferneren Ver suchen, die kaum erst so mühsam hergestellte Sicherheit der Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel von Neuem zu erschüttern, mit ebenderselben Einmüthigkeit ent gegentreten würden. Dieses weiß man schließlich in Petersburg selbst ganz gut — daher vielleicht mit jener Groll auf russischer Seite; am meisten dürfte jedoch hierzu die Erkenntniß beigetragen haben, daß Rußland einen verhängnißvollen und schwerlich wieder gut zu machenden Fehler beging, als es den tapferen Äulgarensürsten förmlich vor den Kopf stieß und ihn sozusagen mit Gewalt auf die türkische Seite drängte, während eine entgegenkommende Politik für Rußland jedenfalls zu einem anderen Resultate geführt haben würde. Daher die russischen Schmerzen, daher die jetzigen ohnmächtigen Zornesausbrüche gegen Bulgarien und die Pforte, welche allerdings wohl auch den Un- muth, den man in den leitenden Petersburger Kreisen Donnerstag, den 8. Juli 1886. gegen sich selbst empfindet, verbergen helfen sollen. Wie indessen die Dinge gegenwärtig stehen, ist nicht anzunehmen, daß Rußland über Klagen, Beschwerden, allgemeine Drohungen und gelegentliche Wühlereien auf der Balkanhalbinsel hinausgehen werde und man darf daher auch das abermalige Emporzucken der orientalischen Frage nicht besonders tragisch nehmen. Ernster wird freilich die Sache werden, wenn die fünfjährige Statthalterschaft des Fürsten Alexander als Statthalter von Ostrumelien abläuft, denn es ist bei dem zähen Charakter der russischen Politik Hundert gegen Eins zu wetten, daß sie bei dieser Gelegenheit wiederum ihre Hebel ansetzen wird, um endlich den ihr unbequemen, thatkräftigen Fürsten vom bulga rischen Throne zu entfernen; für jetzt dürften sich aber die offiziösen Kläffer an der Newa wohl bald wieder beruhigen, da sie einsehen, daß ihr Lärmschlagen keinerlei Wirkung hervorbringt. «Lokales rmd Sächsisches. Dippoldiswalde, 7. Juli. Die am Schluffe unseres ersten Berichtes bezüglich des Wetters aus gesprochene Hoffnung war keine vergebliche. Auch der Montag des Schützenfestes verlief von Mittag an bei mäßiger Wärme und Hellem heiterem Himmel. Wie üblich wurde das Schießen nach dem Vogel fort gesetzt und das Scheibenschießen begonnen. Um 11 Uhr Vormittags hatten die Schützenkönige, wie bereits mitgetheilt, all ihre Getreuen zum Frühstück in das Schützenzelt befohlen. Sie waren fast vollzählig er schienen, und auch Herr Amtshauptmann v. Keßinger hatte der an ihn ergangenen Einladung freundlichst Folge geleistet. Daß es auch hier an Trinksprüchen nicht fehlte, ist selbstverständlich. Hatte doch so Man cher von gestern noch irgend etwas auf dem Herzen; und so entwickelte sich auch bei diesem zweiten Früh stück ein reger Austausch von Ehren- und Dankesbe- zeugungen, bei denen manch gutes Wort gehört und manche Anregung gegeben wurde. Wie strenge Herr Schützenhauptmann Wendler auf Disziplin hält, be wies die zwangsweise Einbringung eines gefesselten Deserteurs, der, wie wir zu unserm Entsetzen sehen mußten, vor eine geladene Batterie gestellt und doch wir Unterlasten es, die aufregende Scene weiter zu beschreiben. Möge jeder wackere Schützenbruder sich das traurige Schicksal des Verurtheilten zur Warnung dienen lasten. Die Geschichte einer solchen Desertion, die übrigens nicht vereinzelt dastehen soll, wäre ein dankbarer Gegenstand für eine künftige Fest zeitung, deren Erscheinen auch in diesem Jahre wir sogar schon vor dem Feste angezeigt hatten. Ein launiges Tafellied trug zur Erhöhung der Stimmung wesentlich bei. — Der Nachmittag brachte wiederum viel Besucher. Stangenklettern mehr oder minder ge schickter Jungens und Veloziped - Wettfahren gab be lustigende Abwechselung. Beim Radwettfahren erhiel ten die 2 ausgesetzten Preise (1 beschlagenes Bierseidel und 1 Schreibzeug) die Herren Nitzsche - Niederpöbel und Bauführer Klotz-Dippoldiswalde, welche den Weg von der Aue bis auf den Freiberger Platz und zurück in nahezu gleicher Zeit (2 Minuten) zurücklegten. Die Illumination am Abende war bei ruhigem Wetter als recht gelungen zu bezeichnen. — Eigentümlich war es, daß auch am Dienstag die Witterung genau dem Vorgänge der ersten Tage folgte. Früh kalt und trübe; von Mittag an zunehmende Klärung und an genehme Temperatur. Bereits Vormittag trafen die aus Wilhelmshaven requirirten „Kameruner" ein, bei denen das Axiom: „daß man einen Mohren nicht weiß waschen könne" freilich bedeutend in die Brüche ging, ja beinahe sich in das entgegengesetzte umsetzte: „daß man aus einem Weißen keinen Mohren machen könne." Indessen, obschon man Manchem der betr. Reichsbrüder genau nachzuweisen vermochte, daß nicht Little Popo, sondern Dipps seine Heimath sei, that das der Liebe keinen Schaden, und wurden die auf 52. Jahrgang. einem Boot (von Pferden auf einem Wagen gefahren) sich präsentirenden Matrosen gebührend bewundert und be—dauert. Dienstag Nachmittag wurden eine große Anzahl Kinder (300), nachdem ihnen schon Tags vorher durch die Kinderfreundlichkeit der Gesellschaft, insonderheit der dazu erwählten, höchst geeigneten Per sönlichkeiten, allerlei belustigende Spiele geboten worden waren, mit Kaffee und Kuchen bewirthet, wobei mehrere junge Damen die Mühewaltung übernommen hatten. Während dieses jugendlichen „Kaffeeklatsches" schaute man mit gespannter Erwartung nach dem unschein baren Ueberreste des großen Vogels, der noch an der Spille hing, und nach dem manche gute, aber auch manche, vielleicht absichtlich verpuffte Kugel abgegeben wurde, bis endlich gegen 6 Uhr allgemeines Beifalls geschrei den Schluß des Wettstreits um den Corpus anzeigten. Herr Restaurateur Fischer-Schmiedeberg hatte ihm den Rest gegeben, doch nicht für sich selbst, sondern in Stellvertretung für Herrn 6. Hellriegel. An der Scheibe errang bald darauf Herr Holzhändler Aßmann-Oberkarsdorf für Herrn Hotelier Gössel den Königsschuß. Doch wird, wie wir hören, Herr Aß- mann die Königswürde selbst übernehmen. Die Mar schallswürde beim Vogel wurde Herrn Stadtrath Teicher, bei der Scheibe Herrn Fabrikant Mende zu theil. Um die Würde des Reiterkünigs tritt die Kon kurrenz erst im September ein. — Der langen Däm merung halber begann erst gegen >/,10 Uhr der Ein zug, dem sich außer den Vereinen auch ein namhafter Theil der Bevölkerung, namentlich viel junge Damen und zukünftige Schützenbrüder im Alter von 8—14 Jahren, mit Stocklaternen, anschloffen. Obschon eine besondere Aufforderung Heuer nicht erfolgt war, hatten doch viele Mitbürger illuminirt und begrüßten mit zahlreichen bengalischen Flammen den schiex endlosen Zug, der sich nach einigen Abschiedsworten des Haupt manns auf dem Markte auflöste. Den Schlußeffekt machte wie immer das diesmal wieder von Herrn Fischer, dem bewährten Pyrotechniker der Gesellschaft, in uneigennützigster Weise hergestellte, prächtig aus fallende Feuerwerk, das freilich erst °/<11 Uhr seinen Anfang nehmen konnte, besten wunderschönes Schlüß- bouquet aber die zahlreiche Zuschauermenge zu leb haften Beifallsbezeugungen hinriß. Dies der offizielle Schluß des Festes. Wie lange die schaulustige Menge sich noch von den überstandenen Strapazen des Festes gestärkt und entweder auf einem ruhigen (?) Plätzchen sich einen Abschiedsschoppen genehmigt oder im flotten Tanze auf dem Schießhause, wo Terpsichore allabend lich ihr Scepter geschwungen, seine Kräfte noch weiter versucht hat, darüber können und wollen wir nicht berichten; Diskretion ist Ehrensache. Ziehen wir schließlich die Summa, so müssen wir gestehen, das Fest war gelungen. Wesentlich trug freilich die Gunst der Witterung dazu bei, aber ebenso auch die Teil nahme und Haltung des Publikums, so daß von irgend einer Ausschreitung nichts bekannt geworden ist. Der Flaggenschmuck ließ freilich viel zu wünschen übrig und möchten wir bei dieser Gelegenheit wiederholen, was wir schon früher ausgesprochen haben: Jeder Hausbesitzer sollte zu seinem Inventar unbedingt auch eine Flagge anschaffen. Der Feuereimer ist ein notb- wendiger Schutz, die Flagge ein nothwendiger Schmuck. Die Hauptbedingung ist freilich aber, daß die Flaggen auch herausgehängt werden. Nun, wenn wir das nächste Fest feiern, hat dieser freundschaftliche Wink vielleicht gewirkt. Wenn es an Schaubuden Heuer ge fehlt hat und auch nur ein Karroustel am Platze war, so hat das seinen Grund nicht in einer Abneigung, unser Schützenfest zu beschicken, sondern in dem Um stande, daß sich die gleichartigen Feste uni diese Zeit häufen und die Sehens- und -unwürdigkeiten sich ver» ' theilen. Es ist ja wohl auch besser, vor letzteren ganz bewahrt zu bleiben. Also nächstes Jahr auf Wiedersehen! „ _ —, Schon seit längerer Zeit trat in der hiesigen